Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 15.03.2017

FG Berlin-Brandenburg: kaufmännische buchführung, schlüssiges verhalten, geschäftsbetrieb, wahlrecht, steuerfestsetzung, einspruch, erlass, wechsel, sammlung, steuerberater

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Gericht:
Finanzgericht Berlin-
Brandenburg 12.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
1993
Aktenzeichen:
12 K 1027/04 B
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 4 Abs 1 EStG 1990, § 5 Abs 1
EStG 1990, § 4 Abs 3 EStG 1990
(Ausübung des Wahlrechts zwischen Gewinnermittlung nach § 4
Abs. 1 EStG und § 4 Abs. 3 EStG)
Tatbestand
Der Kläger bezog im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sowie aus der
Vermittlung von Versicherungen und dem Handel mit Immobilien. Im Rahmen des
gewerblichen Grundstückshandels erwarb der Kläger in der Zeit von 1992 bis 1997 42
Objekte und veräußerte 34 Objekte.
Für den Betrieb des gewerblichen Grundstückshandels erstellte der Kläger am 30. April
1994 eine Eröffnungsbilanz zum 01. Januar 1993. Im Februar 1995 reichte er zusammen
mit seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr die Eröffnungsbilanz, eine
Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und eine
Berechnung der Gewinnkorrektur aufgrund des Überganges zur Gewinnermittlung nach §
4 Abs. 3 EStG ein. Durch den Wechsel der Gewinnermittlungsart ergab sich ein negativer
Korrekturposten von DM 1 470 162,11 und insgesamt ein Verlust in Höhe von
DM 2 373 374,85. Etwa im Juli 1995 teilte das seinerzeit für den Kläger zuständige
Finanzamt S… (FA S) dem Steuerberater des Klägers mit, dass der Kläger im Jahr 1993,
dem Streitjahr, buchführungspflichtig gewesen sei. Dem trat der Steuerberater des
Klägers mit Schreiben vom 25. Juli 1995 entgegen.
Das FA S setzte die Einkommensteuer zunächst mit Bescheid vom …, der gemäß § 164
der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand, auf DM 0 fest.
Dieser Bescheid wurde auf den Einspruch des Klägers wegen hier nicht mehr streitiger
Punkte durch Bescheid vom … geändert.
In den Jahren 1998 bis 2000 fand bei dem Kläger eine Außenprüfung statt. Danach
vertrat das FA S die Auffassung, dass der Grundstückshandel des Klägers nach Art und
Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erforderlich
mache. Das FA S ermittelte danach den Gewinn für den gewerblichen
Grundstückshandel nach §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG mit der Folge, dass nur noch ein
Verlust in Höhe von DM 30 112,66 anzuerkennen war. Der entsprechende
Änderungsbescheid wurde am … zur Post gegeben. Der Einspruch, mit dem der Kläger
im Wesentlichen geltend machte, dass Art und Umfang des gewerblichen
Grundstückshandels keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb
erforderlich machten, hatte keinen Erfolg. Der inzwischen für den Kläger zuständig
gewordene Beklagte vertrat die Auffassung, dass wegen der Aufstellung der
Eröffnungsbilanz und Erfassung der Einnahmen und Ausgaben über Konten nicht davon
ausgegangen werden könne, dass der Kläger sein Wahlrecht zugunsten einer
Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung i.S.d. §§ 4 Abs. 3 EStG
ausgeübt habe. Eine nachträgliche Ausübung des Wahlrechts sei nicht möglich. Im
Übrigen hielt der Beklagte an der Ansicht fest, dass der Grundstückshandel des Klägers
nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb
erforderlich mache.
Der Kläger tritt der Auffassung, dass sein Grundstückshandel nach Art und Umfang
einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erforderlich mache,
entgegen. Er macht geltend, dass die Wahl der Einnahmen-Überschuss-Rechnung trotz
Erstellung einer Eröffnungsbilanz und laufender Buchführung auch nach Ablauf eines
Wirtschaftsjahres getroffen werden könne, indem der Steuerpflichtige auf den Abschluss
der Buchführung verzichte. Die Wahl der Einnahmen-Überschuss-Rechnung sei bei
richtigem Verständnis des § 4 Abs. 3 EStG nicht bereits dann ausgeschlossen, wenn der
Steuerpflichtige Bücher führe, sondern nur dann, wenn er Bücher führe und Abschlüsse
mache. Folglich werde die Wahl zugunsten des § 4 Abs. 3 EStG erst durch die
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mache. Folglich werde die Wahl zugunsten des § 4 Abs. 3 EStG erst durch die
Entscheidung, einen Abschluss zu erstellen, ausgeschlossen. Er, der Kläger, habe die
Eröffnungsbilanz nicht zeitnah aufgestellt, sondern erst im Jahre 1995 und damit
zeitgleich mit der Übergangsrechnung zur Einnahmen-Überschuss-Rechnung. Damit
habe er seine Wahl der Einnahmen-Überschuss-Rechnung wiederholt. Die
Eröffnungsbilanz sei somit zumindest gegenstandslos, wenn nicht nichtig. Er, der Kläger,
habe gar nicht mehr die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich wählen
können, zum einen, weil er für drei Jahre an seine zuvor ausgeübte Wahl für die
Einnahmen-Überschuss-Rechnung gebunden gewesen sei, zum anderen wegen des
steuerlichen Rückwirkungsverbotes. Schließlich vertritt der Kläger die Ansicht, dass das
FA S durch Erlass des ursprünglichen Einkommensteuerbescheides vom … bzw. … einen
Vertrauenstatbestand hinsichtlich der Anerkennung der Gewinnermittlung durch
Einnahmen-Überschuss-Rechnung geschaffen habe, denn diese Bescheide seien in
Kenntnis der ausführlichen Darlegung seines, des Klägers, Steuerberaters hinsichtlich
der Berechtigung zum Wechsel der Gewinnermittlungsart ergangen. Er, der Kläger, habe
danach darauf vertrauen dürfen, dass sich die in dem Schreiben aus dem Juli 1995
vertretene Auffassung des FA S, dass er buchführungspflichtig sei, durch das Schreiben
seines Steuerberaters vom … erledigt gehabt habe. Er habe auf der Grundlage der
Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung auch Investitions- und
Finanzierungsentscheidungen für die Folgejahre getroffen.
den Einkommensteuerbescheid 1993 vom … in Gestalt
der Einspruchsentscheidung vom … dahingehend zu ändern, dass der
Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt wird und dabei Betriebseinnahmen in
Höhe von DM 1 121 083,94 sowie Betriebsausgaben in Höhe von
DM 3 428 135,78 angesetzt werden,
Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig
und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der
Finanzgerichtsordnung – FGO –).
1. Der Gewinn des Klägers im Streitjahr ist durch Betriebsvermögensvergleich gemäß §§
4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG zu ermitteln. Ein Korrekturposten ist nicht zu berücksichtigen,
weil der Kläger die Gewinnermittlungsart nicht wechseln konnte.
Der Betriebsvermögensvergleich ist nach § 5 Abs. 1 EStG anzuwenden von
Gewerbetreibenden, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu
führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, oder die dies ohne eine solche
Verpflichtung tun.
Die Beteiligten gehen zutreffend übereinstimmend davon aus, dass der Kläger im
Streitjahr einen gewerblichen Grundstückshandel betrieb (zu den Voraussetzungen eines
gewerblichen Grundstückshandels vgl. Urteil des Bundesfinanzhofes – BFH – vom 15.
März 2005 – X R 39/03, Bundessteuerblatt – BStBl. – II 2005, 817, unter B.II.1. der
Gründe).
Der Senat kann dahingestellt lassen, ob der Kläger aufgrund gesetzlicher Vorschriften
verpflichtet war, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, weil sein
Grundstückshandel nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten
Geschäftsbetrieb erforderlich machte (vgl. §§ 2, 262 des Handelsgesetzbuches – HGB –
in der im Streitjahr geltenden Fassung). Der Kläger hat sich jedenfalls freiwillig für die
Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich entschieden.
Die Wahl zwischen der Gewinnermittlung nach §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG
(Betriebsvermögensvergleich) und § 4 Abs. 3 EStG (Einnahmen-Überschuss-Rechnung)
wird in der Regel durch schlüssiges Verhalten ausgeübt (BFH-Urteile vom 12. Oktober
1994 – X R 192/93, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des
Bundesfinanzhofs – BFH/NV – 1995, 587, unter 2. der Gründe; vom 01. Oktober 1996 –
VIII R 40/94, BFH/NV 1997, 403, unter II.2.b) der Gründe). Zwar geht der BFH davon aus,
dass das Wahlrecht prinzipiell unbefristet sei (BFH-Urteil vom 19. Oktober 2005 – XI R
4/04, BStBl. II 2006, 509, unter II.1. der Gründe) und – erst – nach Ablauf des
betreffenden Gewinnermittlungszeitraums nicht mehr änderbar sei (BFH in BFH/NV
1995, 587, aaO.). Praktisch erkennt aber auch der BFH an, dass das Wahlrecht der
Sache nach durch die Einrichtung bzw. Nichteinrichtung einer entsprechenden
Buchführung – und damit zu Beginn eines Veranlagungszeitraumes – ausgeübt werden
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Buchführung – und damit zu Beginn eines Veranlagungszeitraumes – ausgeübt werden
muss (BFH in BStBl. II 2006, 509, aaO.). Dementsprechend nimmt er an, dass ein
Steuerpflichtiger, der tatsächlich Bücher führt und Abschlüsse macht, nicht mehr die
Einnahmen-Überschuss-Rechnung wählen kann (BFH in BStBl. II 2005, 509, aaO.) und
dass das Wahlrecht zur Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung nur
zu Beginn eines Gewinnermittlungszeitraums ausgeübt werden kann (BFH-Urteil vom 09.
Februar 1999 – VIII R 49/97, BFH/NV 1999, 1195, unter 2.b) der Gründe). Erstellt der
Steuerpflichtige eine Eröffnungsbilanz und richtet er eine ordnungsmäßige
kaufmännische Buchführung ein, so hat er sich folglich – endgültig, also jedenfalls bis
zum darauffolgenden Veranlagungszeitraum – für die Gewinnermittlung durch
Betriebsvermögensvergleich entschieden (vgl. BFH in BFH/NV 1995, 587, aaO.).
Hier ergibt sich eindeutig aus dem Umstand, dass der Kläger seiner Steuererklärung für
das Streitjahr eine Eröffnungsbilanz beigefügt hat und erklärt hat, er wolle zur
Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG übergehen, dass er sich zu Beginn des
Streitjahres für die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich entschieden
hatte. Ein solcher „Übergang“ ist nämlich nur möglich, wenn vorher die Entscheidung für
die Gewinnermittlung nach §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG gefallen ist. An dieser Wahl muss
der Kläger sich bis zum darauffolgenden Veranlagungszeitraum festhalten lassen. Auf
die Frage, ob die Eröffnungsbilanz zeitnah aufgestellt worden ist, kommt es bei dieser
Sachlage nicht an. Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er mit
seiner Steuererklärung bereits – auch – die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG
eingereicht hat. Das Wahlrecht hinsichtlich der Gewinnermittlungsart wird gerade nicht
durch das Einreichen einer Einnahmen-Überschuss-Rechnung beim Finanzamt ausgeübt
(so ausdrücklich BFH in BFH/NV 1995, 587, unter 3. der Gründe), sondern durch das
Verhalten zu Beginn des Veranlagungszeitraumes. Wer aber erklärt, dass er nach
Erstellen einer Eröffnungsbilanz zur Einnahmen-Überschuss-Rechnung übergehen wolle,
hat damit dokumentiert, dass er zu Beginn des Veranlagungszeitraumes nicht die
Einnahmen-Überschuss-Rechnung gewählt hat – denn dann wäre ein „Übergang“ ja
nicht erforderlich –, sondern die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich.
2. Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, dass das FA S durch die ursprüngliche
Veranlagung zur Einkommensteuer unter Berücksichtigung der Gewinnermittlung nach §
4 Abs. 3 EStG einen Vertrauenstatbestand geschaffen habe, der die Finanzverwaltung
nunmehr hindere, eine Steuerfestsetzung unter Berücksichtung der Gewinnermittlung
nach §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG vorzunehmen. Die ursprüngliche Steuerfestsetzung
stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Gemäß § 164 AO kommt eine solche
Steuerfestsetzung in Betracht, solange der Steuerfall noch nicht abschließend geprüft
ist. Damit gibt die Finanzbehörde bei Erlass des Bescheides gerade zu erkennen, dass
die getroffene Regelung vorläufigen Charakter hat und sie sich vorbehält, sowohl den
Sachverhalt zu ermitteln als auch gegenteilige rechtliche Würdigungen zu treffen. Der
Vorbehalt der Nachprüfung wirkt dem Entstehen eines Vertrauenstatbestandes also
entgegen (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 13. September 2006 – 6 K 256/04, juris, ).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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