Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 15.03.2017

FG Berlin-Brandenburg: vollziehung, verzinsung, aussetzung, darlehensvertrag, bilanzstichtag, sammlung, anfechtung, verbindlichkeit, anfang, koch

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Gericht:
Finanzgericht Berlin-
Brandenburg 12.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
2000
Aktenzeichen:
12 V 12283/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 6 Abs 1 Nr 3 EStG 1997, § 6
Abs 1 Nr 2 EStG 1997, § 69 Abs
2 S 2 FGO, § 69 Abs 3 S 1 FGO
Aussetzung der Vollziehung - Abzinsung eines zunächst
unverzinslich gewährten Darlehens auch bei späterer
Vereinbarung einer Verzinsung
Leitsatz
Abzinsung unverzinslicher Gesellschafterdarlehen
Ein Gesellschafterdarlehen ist auch dann abzuzinsen, wenn es zunächst unverzinslich gewährt
wird und in späterer Zeit eine Verzinsung vereinbart wird
Tatbestand
Die Antragstellerin begehrt die teilweise Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung des
Körperschaftsteuerbescheides für 2000 wegen einer ihrer Ansicht nach unberechtigten
Abzinsung eines Gesellschafterdarlehens in Höhe von € 210 000.
Der Gesellschafter der Antragstellerin, Herr S, gewährte dieser aufgrund eines
Darlehensvertrages vom 01. November 2000 ein Darlehen über € 210 000. Der
Antragsgegner nahm bei der Antragstellerin eine Außenprüfung für die Jahre 2000 bis
2002 vor. Er zinste in der Folge das Darlehen, das die Antragstellerin zum Nennbetrag
passiviert hatte, für das Jahr 2000 um € 40 485 auf € 169 515 ab. Dabei legte er eine
geschätzte Restlaufzeit von vier Jahren zugrunde.
Die Antragstellerin macht geltend, dass das Darlehen ab dem Jahre 2004 mit 5,5 % p.a.
zu verzinsen sei. Dies ergebe sich auch aus der dem Antragsgegner übermittelten
Aufgliederung des Darlehenskontos des S sowie der dem Antragsgegner ebenfalls zur
Verfügung gestellten Zinsberechnung für 2004. Danach sei das Darlehen insgesamt als
verzinslich anzusehen. Die Antragstellerin verweist insoweit auf Tz. 17 des Schreibens
des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 26. Mai 2005, abgedruckt in
Bundessteuerblatt (BStBl.) I, 699.
Der Antragsgegner hat einen Antrag der Antragstellerin auf teilweise Aussetzung der
Vollziehung mit Bescheid vom 28. November 2007 abgelehnt.
die Vollziehung des Bescheides über
Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag 2000 ab Fälligkeit bis einen
Monat nach Zustellung der Entscheidung zur Hauptsache in Höhe von
insgesamt € 17 084,67 (Körperschaftsteuer € 16 194,00,
Solidaritätszuschlag € 890,67) auszusetzen bzw. die Vollziehung insoweit
aufzuheben,
den Antrag zurückzuweisen.
Er weist darauf hin, dass die Antragstellerin den Darlehensvertrag vom 01. November
2000 bislang nicht vorgelegt habe. Für ihn, den Antragsgegner, habe es den Anschein,
dass die Verzinsung des Darlehens erst ab 2006, nämlich nach Abschluss der
Außenprüfung, vereinbart worden sei. Jedenfalls sei der Jahresabschluss für das Jahr
2004 erst nach Bekanntgabe des Betriebsprüfungsberichts, der vom 01. Juni 2006
datiere, bei ihm, dem Antragsgegner, eingegangen. Die ergänzend vorgelegten
Erläuterungen zur Höhe der Bilanzposition „Verbindlichkeiten gegenüber
Gesellschaftern“ und des Aufwandskontos „Sonstige Zinsen und ähnliche
Aufwendungen“ jeweils zum 31. Dezember 2004 ließen vermuten, dass die Zinsen erst
im Rahmen der Abschlussarbeiten nach Beendigung der Außenprüfung gebucht worden
seien.
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Entscheidungsgründe
Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Soweit die Antragstellerin die teilweise Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung
der Festsetzung des Solidaritätszuschlages begehrt, ist der Antrag unzulässig. Die
Körperschaftsteuerfestsetzung bildet im Verhältnis zur Festsetzung der
Solidaritätszuschläge einen Grundlagenbescheid; gemäß § 351 Abs. 2 der
Abgabenordnung (AO) können Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid nur durch
Anfechtung dieses Bescheides, nicht auch durch Anfechtung des Folgebescheides
angegriffen werden. In Konsequenz dessen ist ein Antrag auf Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes wegen der Festsetzungen der Solidaritätszuschläge unzulässig, wenn
und soweit sich der Steuerpflichtige mit seinem Begehren allein gegen die
Besteuerungsgrundlagen des Steuerbescheides (hier: Körperschaftsteuer) wendet (vgl.
FG Düsseldorf, Beschluss vom 09. Januar 2004 – 14 V 6204/03 A, m.w.N.; Beschluss des
erkennenden Senats vom 06. August 2007 – 12 V 12078/07; beide veröffentlicht in juris).
2. Im Übrigen ist der Antrag zulässig, aber nicht begründet.
a) Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll
die Vollziehung eines angefochtenen Steuerbescheides ausgesetzt werden, wenn
ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den
Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene
Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH), der der beschließende Senat sich
anschließt, vor, wenn neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen
gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die
Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder
Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Bei der notwendigen Abwägung
der im Einzelfall entscheidungsrelevanten Umstände und Gründe sind die
Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bzw. des Rechtsmittels zu berücksichtigen.
Irgendeine vage Erfolgsaussicht genügt nicht (BFH-Beschluss vom 17. Dezember 1998 –
I B 101/98, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFH/NV – 1999, 753;
Koch in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 6. Auflage 2006, § 69 Rn. 86, m.w.N.). Dabei ist
es Sache der Beteiligten, die entscheidungserheblichen Tatsachen darzulegen und
glaubhaft zu machen. Eigene Sachverhaltsermittlungen des Gerichts sind nicht
erforderlich (Koch aaO. Rn. 121 f.).
b) Danach bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des
Körperschaftsteuerbescheides 2000 nicht. Die Abzinsung der Darlehensverbindlichkeiten
der Antragstellerin gegenüber S durch den Antragsgegner dürfte rechtmäßig gewesen
sein.
aa) Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der im Streitjahr
geltenden Fassung sind Verbindlichkeiten unter sinngemäßer Anwendung des § 6 Abs. 1
Nr. 2 EStG anzusetzen und mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen. Ausgenommen
von der Abzinsung sind nur Verbindlichkeiten, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger
als zwölf Monate beträgt, und Verbindlichkeiten, die verzinslich sind oder auf einer
Anzahlung oder Vorausleistung beruhen. Verzinslich ist dabei auch ein Darlehen, für das
nur in bestimmten Zeiträumen eine Verzinsung vorgesehen ist (vgl. BMF-Schreiben in
BStBl. I 2005, 699, Tz. 17; ebenso Kiesel/Görner in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG,
KStG, Kommentar, § 6 Anm. 1148, Stichwort „Zeitweise Verzinsung“). Etwas anderes gilt
lediglich dann, wenn ein Darlehen zunächst unverzinslich gewährt wird, aber aufgrund
eines bestimmten späteren Ereignisses – z.B. neue vertragliche Vereinbarung zu den
Zinskonditionen, Eintritt einer Bedingung – die Verzinslichkeit entsteht. In diesem Fall ist
die Verbindlichkeit bis zu dem späteren Ereignis als unverzinslich zu behandeln und erst
ab dem Bilanzstichtag, der dem Ereignis folgt, entsprechend den veränderten
Verhältnissen neu zu bewerten (ebenso BMF-Schreiben in BStBl. I 2005, 699, Tz. 18). Es
besteht nämlich kein Grund, ein zunächst einschränkungslos unverzinslich gewährtes
Darlehen von der Abzinsungspflicht auszunehmen, nur weil in späteren Jahren eine
Verzinsung vereinbart wird. Anders als im Falle der Vereinbarung einer späteren
Verzinslichkeit von vorneherein liegt hier zunächst überhaupt keine Abrede hinsichtlich
einer Zinspflicht vor. Erst sobald diese getroffen wurde, kann von einer Verzinslichkeit
des Darlehens ausgegangen werden.
bb) Der beschließende Senat kann danach nicht feststellen, dass die
Darlehensverbindlichkeit gegenüber S verzinslich war.
Die Antragstellerin, die insoweit die Feststellungslast trägt, hat zwar behauptet, dass der
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Die Antragstellerin, die insoweit die Feststellungslast trägt, hat zwar behauptet, dass der
Darlehensvertrag von Anfang an eine Verzinslichkeit des Darlehens ab dem Jahre 2004
vorgesehen habe. Sie hat dies jedoch nicht glaubhaft gemacht. Dafür wäre es
erforderlich gewesen, den Darlehensvertrag vorzulegen. Die von der Antragstellerin
eingereichten Unterlagen über die Verbuchung von Zinsen sind demgegenüber nicht
geeignet, glaubhaft zu machen, dass eine Verzinsung von Anfang an vereinbart worden
war.
cc) Bedenken gegen eine Schätzung der Restlaufzeit des Darlehens von vier Jahren –
und damit gegen die Höhe des Abzinsungsbetrages – bestehen ebenfalls nicht. Die
Restlaufzeit einer Verbindlichkeit mit unbestimmter Laufzeit ist sachgerecht zu
schätzen. Die Antragstellerin hat gegen die Schätzung der Restlaufzeit von vier Jahren
keine Einwendungen vorgebracht; auch aus dem sonstigen Akteninhalt ergibt sich nicht,
dass diese Schätzung ernstlichen Bedenken begegnete. Für die Schätzung einer
kürzeren Restlaufzeit bestehen keine Anhaltspunkte. In Anbetracht des Umstandes,
dass ab dem Jahr 2004 möglicherweise von einer Verzinslichkeit des Darlehens
auszugehen sein könnte, erscheint die Schätzung vielmehr zutreffend.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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