Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 24.08.1993

FG Berlin-Brandenburg: vollmacht, handelsregister, geschäftsführer, klagefrist, vertretungsbefugnis, prozessfähigkeit, unterbrechung, bekanntgabe, gesellschafter, genehmigung

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Gericht:
Finanzgericht Berlin-
Brandenburg 6.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahre:
1995, 1996, 1997,
1998
Aktenzeichen:
6 K 1309/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 57 FGO, § 155 FGO, § 241
ZPO, § 246 ZPO, § 58 Abs 2 S 1
FGO
Zulässigkeit der Klage einer GmbH nach Löschung im
Handelsregister: Beteiligtenfähigkeit, Verlust der
Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers - Unzulässigkeit einer
bei Klageerhebung bis zum Ablauf der Klagefrist nicht
prozessfähigen GmbH
Tatbestand
Die Klägerin wurde am 24. August 1993 gegründet. Gesellschafter waren Frau G... und
Frau D.... Gegenstand des Unternehmens der Klägerin war die Wirtschaftsberatung und
Buchführung.
Ende 1997 beendete die Klägerin ihre Tätigkeit; die alleinige Geschäftsführerin G... legte
ihr Amt als Geschäftsführerin am 28. September 1998 nieder, ohne dass ein neuer
Geschäftsführer bestellt wurde. Anschließend beantragte die Klägerin am 16. November
1998 ihre Löschung im Handelsregister; der Beklagte widersprach der Löschung, so dass
die Klägerin zunächst nicht gelöscht wurde.
Der Beklagte erließ für die Streitjahre am 25. Februar 2002, 28. Februar 2002 und 04.
März 2002 Schätzungsbescheide, gegen die die Klägerin fristgerecht Einspruch einlegte.
Mit Einspruchsentscheidung vom 21. Mai 2004 wies der Beklagte die Einsprüche als
unbegründet zurück. Sowohl die Bescheide als auch die Einspruchsentscheidungen gab
der Beklagte der „... Steuerberatungsgesellschaft mbH“, der Prozessbevollmächtigten,
für die „D...gesellschaft“ bekannt.
Am 16. Juni 2004 hat die ... Steuerberatungsgesellschaft mbH, die
Prozessbevollmächtigte, für die „D... & Partner GmbH“ Klage erhoben und geltend
gemacht, dass sie die Klage nur vorsorglich erhebe, weil der Beklagte ihr, der ...
Steuerberatungsgesellschaft, Steuerbescheide für die D... & Partner GmbH, die Klägerin,
zusende, obwohl eine Zustellungsvollmacht nicht mehr bestehe. Bei der Klägerin handle
es sich um eine frühere Mandantin.
Nach Setzung einer Ausschlussfrist gemäß § 62 Abs. 3 Satz 3, 2. Halbsatz
Finanzgerichtsordnung - FGO - zur Vorlage einer Vollmacht, die der Berichterstatter
damit begründet hat, dass das Mandatsverhältnis nicht mehr bestehe, hat die
Prozessbevollmächtigte eine Vollmacht der Gesellschafter der Klägerin vorlegt. Sie hat
hierzu ausgeführt, dass die Vollmacht nicht von einem vertretungsberechtigten Organ
der Klägerin unterschrieben sei, weil die Klägerin keinen Geschäftsführer mehr habe.
Am 26. August 2004, gut vier Monate nach Klageerhebung, ist die Gesellschafterin G...
zur Notgeschäftsführerin bestellt worden. In dem Beschluss über die Bestellung wird
ausgeführt, dass diese erforderlich sei, damit das Klageverfahren seinen Fortgang
nehmen könne.
Am 15. Oktober 2004 ist die Klägerin im Handelsregister gelöscht worden. Nach der
Ladung zur mündlichen Verhandlung hat die Prozessbevollmächtigte auf dem
Empfangsbekenntnis mitgeteilt, dass sie nicht mehr beauftragt sei.
die Schätzungsbescheide über Umsatzsteuer für 1996
bis 1998 und Körperschaftsteuer für 1995 bis 1998 vom 25. Februar 2002,
28. Februar 2002 und 04. März 2002 sowie die Einspruchsentscheidungen
vom 21. Mai 2004 aufzuheben.
die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte hält die Bekanntgabe der Bescheide für wirksam, da die Klägerin im
Zeitpunkt der Bekanntgabe noch nicht gelöscht gewesen sei und eine wirksame
Vollmacht vorgelegen habe.
Mit Beschluss vom 31. August 2006 hat die frühere Berichterstatterin die Klage, soweit
sie gegen verschiedene Feststellungsbescheide gerichtet war, abgetrennt und das
Verfahren nach Klagerücknahme insoweit eingestellt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unzulässig.
1. Der Senat kann über die Klage entscheiden, obwohl die Klägerin bereits am 15.
Oktober 2004 im Handelsregister gelöscht worden ist. Dies hat nicht zum Verlust ihrer
Beteiligtenfähigkeit im Sinne von § 57 FGO geführt (BFH, Urteil vom 27. April 2000 I R
65/98, BStBl. II 2000, 500; Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 58 Rz. 22; a. A. hingegen
Tipke in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 57 FGO Rz. 7).
Auf Grund der Löschung hat zwar die am 26. August 2004 bestellte Notgeschäftsführerin
ihre Vertretungsbefugnis verloren (BFH in BStBl. II 2000, 500). Dies führte aber nicht zu
einer Unterbrechung des Verfahrens nach § 155 FGO in Verbindung mit §§ 241, 246
Zivilprozessordnung - ZPO - (s. BFH in BStBl. II 2000, 500; Drüen, a.a.O., § 58 FGO Rz.
22). Denn bereits vor der Löschung war die ... Steuerberatungsgesellschaft mbH als
Prozessbevollmächtigter bestellt worden, wie sich aus dem Bestellungsbeschluss vom
26. August 2004 ergibt, mit dem die durch die ... Steuerberatungsgesellschaft mbH
initiierte Klage fortgeführt und damit gebilligt werden sollte. Diese Vollmacht wirkte nach
der Löschung fort.
Eine Unterbrechung war auch nicht auf Grund der Mitteilung der
Prozessbevollmächtigten im Empfangsbekenntnis erforderlich, wonach sie nicht mehr
beauftragt sei. Denn auf Grund der Löschung der Klägerin und des damit verbundenen
Wegfalls der Vertretungsbefugnis durch die Notgeschäftsführerin konnte das
Mandatsverhältnis nicht mehr wirksam beendet werden. Im Übrigen ist für eine wirksame
Niederlegung des Mandats die Mitteilung durch den Vollmachtgeber oder durch einen
neuen Vollmachtgeber erforderlich (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. August 1992
- 6 K 7/91, EFG 1993 S. 166). Aus diesem Grund wird die Prozessbevollmächtigte auch
weiterhin als Vertreterin der Klägerin im Rubrum dieses Urteils geführt und das Urteil der
Prozessbevollmächtigten zugestellt.
2. Die Unzulässigkeit der Klage folgt daraus, dass die Klägerin bei Erhebung der Klage
und bis zum Ablauf der Klagefrist nicht prozessfähig im Sinne von § 58 Abs. 2 FGO
gewesen ist. Die Klageerhebung war damit unwirksam.
Bei Klageerhebung war für die Klägerin kein Geschäftsführer bestellt, so dass die Klägerin
nicht wirksam handeln konnte; ebenso wenig konnte die Prozessbevollmächtigte für die
Klägerin nicht wirksam handeln, da jene nicht gesetzliche Vertreterin im Sinne von § 58
Abs. 2 Satz 1 FGO war (s. BFH, Beschluss vom 14. Dezember 2004 III B 115/03, BFH/NV
2005, 713).
Die spätere Erlangung der Prozessfähigkeit am 26. August 2004 durch Bestellung einer
Notgeschäftsführerin und die nachträgliche Genehmigung der seitens der
Prozessbevollmächtigten erhobenen Klage durch die Klägerin führt nicht zur Zulässigkeit
der Klage, da die Prozessfähigkeit nicht innerhalb der Klagefrist, die am 24. Juni 2004
endete, erfolgt ist (s. BFH, Urteil vom 16. August 1979 I R 95/76, BStBl. II 1980, 47).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Kosten sind nicht der
Prozessbevollmächtigten aufzuerlegen, da ihre Klageerhebung zwar ursprünglich ohne
Vertretungsmacht erfolgt ist, im weiteren Verlauf des Verfahrens aber durch die Klägerin
genehmigt worden ist.
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