Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 20.10.1993

FG Berlin: anwartschaft, kaufpreis, wesentliche beteiligung, begriff, erwerb, umwandlung, wertsteigerung, aktiengesellschaft, abtretung, anteil

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Gericht:
FG Berlin 2. Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
1998
Aktenzeichen:
2 K 2393/02
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 17 Abs 1 S 3 EStG 1997, § 17
Abs 1 S 1 EStG 1997, § 39 Abs 2
Nr 2 AO 1977
(Call-Option als Anwartschaft auf eine Beteiligung im Sinne von §
17 Abs. 1 Satz 3 EStG - Anwartschaft und wirtschaftliches
Eigentum)
Tatbestand
Der Kläger war seit dem 20. Oktober 1993 Mehrheitsgesellschafter der xxx -im
Folgenden: X-GmbH-, seit dem 30. August 1994 mit einem Anteil von 75 v. H. Die
Beteiligung wurde im steuerlichen Privatvermögen des Klägers gehalten.
Am 20. Oktober 1993 wurde das Stammkapital der X-GmbH von 2 Mio. DM auf 2,7 Mio.
DM erhöht. Die neuen Stammeinlagen übernahm im Wesentlichen, nämlich zu einem
Nennwert von 675 000,00 DM (= 25 v. H. des gesamten Stammkapitals), die xxx -im
Folgenden: B-GmbH-. Über den Nennwert hinaus zahlte die B-GmbH ein Aufgeld von 4
325 000,00 DM.
Die Beteiligten gingen seinerzeit davon aus, dass die X-GmbH bis Ende 1994 in eine
Aktiengesellschaft umgewandelt und bis zum Ende des Jahres 1998 an der Börse
eingeführt werde. In den Börsenhandel sollten neue Anteile von bis zu 25 v. H. des
bisherigen Stammkapitals eingeführt werden. Konsortialführerin sollte die xxx, die
Alleingesellschafterin der B-GmbH, sein.
Ebenfalls am 20. Oktober 1993 vereinbarten der Kläger und die B-GmbH eine so
genannte xxx -im Folgenden: B-GmbH-Put-Option-. Dies bedeutete, dass der Kläger das
unwiderrufliche Angebot abgab, den Geschäftsanteil der B-GmbH zu kaufen und zu
erwerben. Dieses Angebot musste von der B-GmbH bis zum Ablauf des Jahres 2000
angenommen werden. Das Gewinnbezugsrecht aus diesem Geschäftsanteil stand dem
Kläger erst ab dem 1. Januar 2001 zu. Der Kläger konnte auch eine Übertragung an
einen Dritten verlangen, sofern dessen Bonität nachgewiesen war. Das Optionsrecht
bestand auch im Falle einer Umwandlung der X-GmbH in eine Aktiengesellschaft fort,
erlosch jedoch, sobald die Aktien der X-GmbH an der Börse eingeführt waren. Der
Kaufpreis für den Geschäftsanteil sollte sich nach dem Wert des Unternehmens richten,
der sich wiederum aus dem Jahresdurchschnitt der Ergebnisse der gewöhnlichen
Geschäftstätigkeit, multipliziert mit einem Faktor 6,5 ergab, maximal 20 v. H. pro Jahr
auf das von der B-GmbH investierte Kapital (5 Mio. DM). Der dingliche Übergang des
Geschäftsanteils sollte zum Jahreswechsel 2000/2001 erfolgen. Der Kläger war
verpflichtet, mindestens das doppelte des Geschäftsanteils der B-GmbH als Beteiligung
an der X-GmbH zu halten. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht auf Blatt
8 bis 13 der Hinweisakte "Call-Option" - im Folgenden: HA - Bezug.
Zu einer Umwandlung der X-GmbH in eine Aktiengesellschaft kam es nicht. Stattdessen
gründete diese die xxx -im Folgenden: X-AG-, deren Vorstand und Mitaktionär der Kläger
war. Die X-AG übernahm das operative Geschäft und wurde im Jahre xxx an der Börse
xxx eingeführt. Die X-GmbH fungierte in der Folge als bloße Holding.
Am 7. Juli 1995 änderten die Beteiligten den Optionsvertrag vom 20. Oktober 1993 und
vereinbarten, dass sich der Kaufpreis für den Geschäftsanteil nunmehr unter
Berücksichtigung des konsolidierten Gewinns der GmbH, d. h. unter Einbeziehung der X-
AG, errechnete. Ferner wurde ein Mindestkaufpreis von 5 Mio. DM vereinbart. Die
Höchstgrenze (fiktive Verzinsung von 20 v. H. pro Jahr auf 5 Mio. DM über die Laufzeit
des Vertrages) wurde beibehalten. Ferner räumte die B-GmbH dem Kläger eine so
genannte Call-Option ein. D. h. die B-GmbH erklärte dem Kläger das unwiderrufliche
Angebot, den durch sie gehaltenen Geschäftsanteil an der X-GmbH an den Kläger zu
verkaufen und abzutreten. Die Optionsfrist endete am 30. Juni 2000. Das
Gewinnbezugsrecht aus dem Geschäftsanteil stand dem Kläger erst ab dem 1. Juli 2000
zu. Ferner konnte der Kläger verlangen, dass die B-GmbH den Geschäftsanteil an einen
von ihm zu benennenden Dritten übertrug, sofern dessen Bonität nachgewiesen war.
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von ihm zu benennenden Dritten übertrug, sofern dessen Bonität nachgewiesen war.
Ebenso wie bei der B-GmbH-Put-Option galt dieses Optionsrecht auch bei einer
Umwandlung der X-GmbH in eine Aktiengesellschaft, allerdings nur bis zur
Börseneinführung. Der Kaufpreis für den Geschäftsanteil wurde nach den gleichen
Maßstäben ermittelt wie bei der B-GmbH-Put-Option (in der geänderten Fassung). Der
dingliche Übergang des Geschäftsanteils auf den Kläger bzw. den von ihm zu
benennenden Dritten sollte am 1. Juli 2000 erfolgen. Der Kläger verpflichtete sich, als
Gesellschafter der X-GmbH auf Antrag der B-GmbH einen Beschluss zu fassen, nach der
die Geschäftsführung der X-GmbH verpflichtet wurde, bei der Hauptversammlung der X-
AG für die Ausschüttung des maximal ausschüttungsfähigen gesetzlichen Gewinns zu
stimmen. Ferner verpflichtete er sich dafür zu sorgen, dass er in der X-GmbH und diese
wiederum in der X-AG jeweils die Stimmenmehrheit besaß. Wegen der weiteren
Einzelheiten nimmt das Gericht auf Bl. 29 bis 33 HA Bezug.
Nach § 18 des im Streitjahr für die X-GmbH geltenden Gesellschaftsvertrag bedurfte die
Abtretung eines Geschäftsanteils der Zustimmung aller übrigen Gesellschafter, denen
darüber hinaus nach § 19 dieses Vertrags ein Vorkaufsrecht zustand. Wegen der
weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht auf Bl. 95 f. Streitakte -StrA- Bezug.
Am 29. Dezember 1998 veräußerte der Kläger sein Optionsrecht aus der Vereinbarung
vom 7. Juli 1995 an die xxx -A- mit Wirkung vom gleichen Tag. Danach trat die A in die in
Abschnitt II und III des Optionsvertrags geregelten Rechte und Pflichten ein. Die Rechte
und Pflichten aus der B-GmbH-Put-Option übernahm die A nicht. Der Kaufpreis betrug 20
Mio. DM und wurde mit Abschluss des Vertrages fällig. Wegen der weiteren Einzelheiten
nimmt das Gericht auf Bl. 38 bis 42 HA Bezug.
Am gleichen Tag vereinbarten die B-GmbH und die A eine Neufassung des
Optionsrechts, wobei sie den Kaufpreis für die Anteile an der X-GmbH auf 10 Mio. DM
festlegten. Die A erwarb die Geschäftsanteile der B-GmbH schließlich am 28. Mai 1999.
Die Kläger teilten dem Beklagten im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung 1998 die
Veräußerung der Call-Option mit (die Einnahme von 20 Mio. DM entspricht dem aus dem
Geschäft erzielten Überschuss), vertraten jedoch die Auffassung, dass diese nicht
steuerpflichtig sei. Der Vorgang sei allenfalls nach § 23 Einkommensteuergesetz -EStG-
steuerbar, jedoch sei die Veräußerung nicht innerhalb der Spekulationsfrist von sechs
Monaten erfolgt.
Dem schloss sich der Beklagte zunächst mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung
stehenden Einkommensteuerbescheiden 1998 an, die mehrfach geändert wurden. Vom
1. November 2001 bis 12. Dezember 2002 führte das für die X-GmbH und X-AG
zuständige Finanzamt -FA- xxx im Auftrag des Beklagten beim Kläger eine Außenprüfung
durch. Die Prüferinnen gelangten zu der Auffassung, dass die Veräußerung der Call-
Option einkommensteuerpflichtig sei, da es sich insoweit um eine Anwartschaft im Sinne
des § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG gehandelt habe. Dementsprechend sei ein Gewinn nach §
17 EStG in Höhe von 20 Mio. DM zu versteuern. Auf den entsprechenden Teilbericht des
FA xxx vom 5. April 2002 (Bl. 27 ff. Betriebsprüfungsakte) erließ der Beklagte am 24.
April 2002 einen nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung -AO- geänderten
Einkommensteuerbescheid 1998, mit dem er die Einkommensteuer auf 7 990 351,92 €
festsetze, was zu einer Nachzahlung von 5 277 800,22 € führte. Da der Kläger aus der
Veräußerung von Aktien weitere Veräußerungsgewinne erzielt hatte, war der nach § 34
Abs. 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung eingeräumte Betrag von 15 Mio. DM
für eine ermäßigte Besteuerung bereits im Wesentlichen ausgeschöpft, sodass der
Erhöhungsbetrag von 20 Mio. DM im Wesentlichen der tariflichen Einkommensteuer
unterlag.
Gegen diesen Bescheid legten die Kläger am 10. Mai 2002 Einspruch ein und machten
geltend, bei der Call-Option handele es sich nicht um eine Anwartschaft im Sinne des §
17 Abs. 1 Satz 3 EStG.
Der Beklagte hielt an seiner Auffassung fest und wies den Einspruch mit
Einspruchsentscheidung vom 15. Oktober 2002 zurück.
Daraufhin haben die Kläger am 13. November 2002 Klage erhoben. Nach Klageerhebung
hat der Beklagte den Einkommensteuerbescheid 1998 erneut geändert und am 11.
Dezember 2002 die Einkommensteuer aus hier nicht streiterheblichen Gründen auf 7
989 152,53 € bei einem zu versteuernden Einkommen von 37 085 674,00 DM
herabgesetzt.
Die Kläger halten daran fest, dass die Veräußerung der Call-Option nicht nach § 17 EStG
steuerpflichtig sei. Es handele sich insoweit nicht um eine Anwartschaft im Sinne des §
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steuerpflichtig sei. Es handele sich insoweit nicht um eine Anwartschaft im Sinne des §
17 Abs. 1 Satz 3 EStG. Der Gesetzgeber habe offenbar bewusst nicht an den Begriff des
Anwartschaftsrechts, wie er im Zivilrecht geläufig sei, angeknüpft. Daraus sei zu
schließen, dass der Begriff der Anwartschaft enger sei als der zivilrechtliche Begriff des
Anwartschaftsrechts und insbesondere bloß schuldrechtlich begründete Aussichten auf
eine Eigentumsübertragung nicht zu den Anwartschaften im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz
3 EStG gehörten. Der Beklagte verkenne, dass Anwartschaften im Sinne des § 17 Abs. 1
Satz 3 EStG sich auf Ansprüche gegenüber der Gesellschaft beschränkten (so genannte
vertikale Anwartschaften), insbesondere auf Bezugsrechte auf neue Gesellschaftsanteile
im Rahmen einer Kapitalerhöhung. Demgegenüber seien Ansprüche unter
Gesellschaftern (so genannte horizontale Anwartschaften) nicht vom Regelungsgehalt
des § 17 EStG erfasst. Dies entspreche auch der ganz herrschenden Meinung in der
Literatur.
Für diese Auslegung des § 17 spreche, dass sich die Vorschrift ansonsten auf Anteile
einer Kapitalgesellschaft beziehe, die Rechte gegenüber der Gesellschaft vermittelten.
Es sei nicht einsichtig, warum dies bei Anwartschaften anders sein sollte. Der Zweck des
§ 17 EStG liege darin, die Realisierung einer Wertsteigerung von
Gesellschaftsbeteiligungen, die durch den Zuwachs an Vermögen und Ertragskraft
entstanden sei, ab einer gewissen Größenordnung einkommensteuerrechtlich zu
erfassen. Die Auffassung des Beklagten würde auch dazu führen, dass dieselben Anteile
gleichzeitig mehreren Rechtssubjekten zugerechnet würden, nämlich sowohl dem
Veräußerer als auch dem Erwerber.
Der Kläger habe auch nicht unbehelligt über sein Optionsrecht verfügen können. Denn
zur Übertragung der Option sei er auf die Zustimmung der B-GmbH angewiesen
gewesen. Die wesentlichen Gesellschafterrechte hätten nach wie vor der B-GmbH
zugestanden. Schließlich hätte der Erwerb der Vollrechtsstellung jederzeit durch den
Gang an die Börse verhindert werden können, überdies hätten dem Kläger auch nicht die
erforderlichen Mittel für einen Erwerb zur Verfügung gestanden. Nach alledem sei die
Ausübung des Optionsrechts unwahrscheinlich gewesen, da es lediglich der Absicherung
des Engagements der B-GmbH im Hinblick auf den beabsichtigten Börsengang diente,
sowie dazu den Kläger an die Gesellschaft zu binden.
Die Kläger beantragen,
abweichend von dem Einkommensteuerbescheid 1998 vom 11. Dezember 2002
die Einkommensteuer nach einem um 20 Mio. DM verminderten Gesamtbetrag der
Einkünfte festzusetzen sowie
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für erforderlich zu
erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält daran fest, dass es sich bei der Call-Option um eine Anwartschaft im Sinne des §
17 Abs. 1 Satz 3 EStG handele. Dies stehe mit dem Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 3
EStG im Einklang. Denn im allgemeinen Sprachgebrauch verstehe man unter einer
Anwartschaft die begründete Aussicht auf den Erwerb einer tatsächlichen oder
rechtlichen Position. Damit sei vereinbar, auch bloße schuldrechtliche Ansprüche als
Anwartschaften anzusehen, jedenfalls sofern der Anwärter während des Bestehens
seiner Anwartschaft im Wesentlichen unbehelligt vom Eigentümer verfügen und seine
Position auf einen anderen so übertragen könne, dass dieser in die volle Rechtsstellung
eintreten könne. Dies stehe auch im Einklang mit dem Zivilrecht, das ebenfalls bloß
schuldrechtlich begründete Anwartschaftsrechte kenne. Auch nach dem Sinn und Zweck
des § 17 EStG sei es gerechtfertigt, die Veräußerung der Call-Option nach § 17 EStG zu
besteuern. Denn Zweck dieser Vorschrift sei es, Zuwächse der finanziellen
Leistungsfähigkeit zu erfassen, die auf Ansprüchen auf Beteiligung an der
Unternehmenssubstanz beruhten. Daher sei nach Sinn und Zweck der Vorschrift im
Streitfall die Besteuerung nach § 17 EStG geboten, da der Kläger durch die
Weiterveräußerung der Call-Option einen wesentlichen Wertzuwachs in seiner
wesentlichen Beteiligung realisiert habe. Offenbar hätten die Vertragsparteien im
Streitfall die Gestaltung bewusst gewählt, um die Versteuerung der Wertsteigerung der
wesentlichen Beteiligung beim Kläger zu vermeiden.
Schließlich enthalte der Optionsvertrag nicht nur eine schuldrechtliche Vereinbarung,
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Schließlich enthalte der Optionsvertrag nicht nur eine schuldrechtliche Vereinbarung,
sondern auch eine dingliche Komponente, da die Abtretung des Geschäftsanteils
zugesichert war. Durch das Zusammenwirken mit der schon früher bestehenden Put-
Option könne das Verhalten der Vertragsparteien nur dahin ausgelegt werden, dass eine
Veräußerung des Geschäftsanteils der B-GmbH an den Kläger oder einen Dritten fest
geplant war. Dafür spreche auch die Vereinbarung über die Höhe des Kaufpreises. Zum
Vollrechtserwerb sei nur noch die notarielle Annahmeerklärung des Klägers als Käufer
erforderlich gewesen. Die B-GmbH habe den Eintritt des letzten Tatbestandsmerkmals
nicht mehr einseitig verhindern können. Die von allen Beteiligten gewählte Gestaltung
(Kaufpreis 20 Mio. DM für die Call-Option und Kaufpreis 10 Mio. DM für den eigentlichen
Anteil) machten deutlich, dass der Kläger an der Wertsteigerung der von der B-GmbH
gehaltenen Geschäftsanteile teilhaben sollte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens
nimmt das Gericht auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze und der beigezogenen
Akten Bezug. Dem Gericht haben zwei Bände Einkommensteuer- sowie je ein Band
Betriebsprüfungs- und Hinweisakten vorgelegen, die vom Beklagten für die Kläger unter
der Steuernummer xxx geführt werden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Kläger werden durch den angefochtenen Bescheid nicht im Sinne des § 100 Abs. 1
Finanzgerichtsordnung -FGO- in ihren Rechten verletzt.
Die Beteiligten gehen zu Recht davon aus, dass der Kläger nicht wirtschaftlicher
Eigentümer der von der B-GmbH gehaltenen Gesellschaftsanteile war. Denn das
Gewinnbezugsrecht stand bis zum Jahr 2000 der B-GmbH zu. Diese übte auch im
Wesentlichen ungebunden ihr Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung aus und
nahm bis zur Obergrenze des vereinbarten Kaufpreises an der Steigerung des
Unternehmenswertes teil (zum wirtschaftlichen Eigentum an Gesellschaftsanteilen vgl.
Finanzgericht -FG- Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Oktober 2005 6 K 284/04,
Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2006, 186, Revision anhängig unter dem Az.
VIII R 68/05, mit weiteren Nachweisen).
Die Ansprüche des Klägers gegen die B-GmbH aus der so genannten Call-Option vom 7.
Juli 1995 stellen jedoch eine Anwartschaft im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG dar.
Diese Anwartschaft und damit einen Anteil an einer Kapitalgesellschaft im Sinne des §
17 Abs. 1 Satz 1 EStG hat der Kläger an die A veräußert. Daher unterlag der daraus
erzielte Gewinn von 20 Mio. DM nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG der Einkommensteuer.
Diese Auslegung ist nach Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck des § 17 EStG
gerechtfertigt.
Der Bundesfinanzhof -BFH- (Urteil vom 22. Februar 1975 IV R 15/71, Amtliche Sammlung
der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFHE- 115, 223, Bundessteuerblatt -BStBl- II
1975, 505 [508]) hat es abgelehnt, den Begriff der Anwartschaft im Zusammenhang mit
§ 17 EStG allein auf dingliche Rechte zu beschränken. Denn der Ausdruck Anwartschaft
sei ein Ausdruck des allgemeinen Sprachgebrauchs, im Wesentlichen in dem Sinne, dass
begründete Aussicht auf den Erwerb einer tatsächlichen oder rechtlichen Position
bestehe. Auch im Zivilrecht könne kein rein dinglicher Begriffsinhalt festgestellt werden.
So würden die aufschiebend bedingten schuldrechtlichen Ansprüche auf Zahlung von
Ruhegeld als Pensionsanwartschaften bezeichnet. Dementsprechend hat der BFH in
dem Urteil in BFHE 115, 223, BStBl II 1975, 505 auch rein schuldrechtlich begründete
Bezugsrechte auf neue Gesellschaftsanteile als Anwartschaften und damit als Anteile im
Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG angesehen (anderer Auffassung: FG München, Urteil
vom 24. Juni 1999, 13 K 3521/97, Deutsches Steuerrecht-Entscheidungsdienst -DStRE-
2000, 18; FG Münster, Urteil vom 25. Februar 2000, 11 K 1590/97 F, EFG 2000, 565; FG
Hamburg, Urteil vom 11. Juli 2001, VI 252/99, EFG 2001, 1534; FG Baden-Württemberg in
EFG 2006, 186; Schneider in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 17 Rz. B 110; Gosch in
Kirchhof, Kompakt-Kommentar, EStG, 5. Aufl., § 17 Rz. 43).
Ob rein schuldrechtlich begründete Optionsrechte Anwartschaften im Sinne des § 17
Abs. 1 Satz 3 EStG darstellen, kann aber dahinstehen. Im Streitfall bestand auch nach
zivilrechtlichen Kriterien ein dingliches Anwartschaftsrecht des Klägers auf den Erwerb
der Beteiligung der B-GmbH. Nach überwiegender Auffassung in der zivilrechtlichen
Rechtsprechung und Literatur setzt ein Anwartschaftsrecht voraus, dass von einem
mehraktigen Erwerbstatbestand schon so viele Erfordernisse erfüllt sind, dass von einer
gesicherten Rechtsstellung des Erwerbers gesprochen werden kann, die der Veräußerer
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gesicherten Rechtsstellung des Erwerbers gesprochen werden kann, die der Veräußerer
nicht mehr einseitig zu zerstören vermag (Staudinger/Bork, Bürgerliches Gesetzbuch -
BGB-, 13. Aufl., Vorbem zu §§ 158 ff. Rz. 53 mit weiteren Nachweisen).
Eine solche gesicherte Rechtsstellung bestand für den Kläger im Streitfall. Die B-GmbH
hatte dem Kläger im Rahmen der Call-Option bereits die Abtretung ihres
Gesellschaftsanteils angeboten, sodass der Kläger mit Erklärung der Annahme den
sofortigen, ggf. durch Zeitablauf aufschiebend bedingten Rechtsübergang herbeiführen
konnte.
Diesen Rechtsübergang konnte die B-GmbH nicht mehr einseitig vereiteln. Selbst wenn
die B-GmbH unter Bruch der Optionsvereinbarung ihren Anteil an einen Dritten
veräußert hätte, hätte sie nach dem Gesellschaftsvertrag der Zustimmung des Klägers
bedurft, dem zudem schon nach dem Gesellschaftsvertrag ein Vorkaufsrecht zustand.
Durch die an der Ertragskraft der X-GmbH ausgerichtete und mit einer Obergrenze
versehene Kaufpreisvereinbarung war sichergestellt, dass die B-GmbH den Anteilserwerb
des Klägers nicht durch überzogene Kaufpreisforderungen vereiteln konnte.
Eine Umwandlung der X-GmbH in eine Aktiengesellschaft, die Voraussetzung für eine
Börseneinführung und damit für ein Erlöschen des Optionsrechts gewesen wäre, hätte
nach § 193 Abs. 1 Umwandlungsgesetz 1998 der Beschlussfassung durch die
Gesellschafterversammlung bedurft, in der der Kläger über die Mehrheit der Stimmen
verfügte. Aus der im Rahmen der Put-Option in Aussicht genommenen Umwandlung und
Börseneinführung der X-GmbH konnte die B-GmbH keine Ansprüche gegen den Kläger
ableiten, weil diese Vorstellungen jedenfalls durch die Umgliederung der
Unternehmensgruppe und die Börseneinführung der X-GmbH überholt waren. Die
Anknüpfung von Regelungen der Call-Option an eine etwaige Umwandlung der X-GmbH
und einen etwaigen Börsengang verschaffte der B-GmbH noch keinen Anspruch auf
Zustimmung zu dahingehenden Beschlüssen gegen den Kläger.
Der Kläger bedurfte für eine Veräußerung der Call-Option an einen Dritten entgegen der
Darstellung der Kläger nicht der Zustimmung der B-GmbH. Der Vertrag vom 7. Juli 1995
sieht nicht vor, dass der Kläger seine Rechte daraus nicht oder nur mit Zustimmung der
B-GmbH abtreten durfte. In Abschnitt II. § 1 Abs. 2 dieses Vertrages wird lediglich
vereinbart, dass bei einer Veräußerung des Geschäftsanteils an einen vom Kläger zu
benennenden Dritten die Bonität des Dritten zur Zufriedenheit der B-GmbH
nachgewiesen sein müsse. Insoweit handelt es sich um eine ggf. in einem
Gerichtsverfahren nachweisbare Erwerbsvoraussetzung, die bei dem letztendlichen
Erwerber A auch keinen Zweifeln unterlegen hat. Die Stimmrechtsbindungen und
Mindestbeteiligungsquoten, die in der Call-Option vereinbart waren, berührten die
Zugriffsmöglichkeiten des Klägers auf den Geschäftsanteil der B-GmbH nicht.
Anhaltspunkte für eine Auslegung, nach der dingliche Anwartschaftsrechte im Sinne des
Zivilrechts nicht unter den Begriff der Anwartschaft im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG
fallen, sieht das Gericht nicht.
Es schließt sich nicht der Auffassung an, der Anwartschaftsbegriff des § 17 Abs. 1 Satz 3
EStG setze voraus, dass sich der Anspruch gegen die Gesellschaft und nicht gegen die
Gesellschafter richte (Schweyer/Dannecker, Betriebs-Berater -BB- 1999, 1732 [1735];
Hörger in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 17 Rz. 50; Korn/Strahl, EStG, § 17 Rz. 34; Gosch in
Kirchhof, Kompakt-Kommentar, EStG, 5. Aufl., § 17 Rz. 43). Für diese Auslegung sieht
das Gericht keinen zwingenden Anhaltspunkt im Gesetz. Es trifft zwar zu, dass
Gesellschaftsbeteiligungen Ansprüche gegen die Gesellschaft (z. B. auf
Gewinnausschüttung oder auf Auskehrung eines Auseinandersetzungsguthabens)
begründen, jedoch gehen damit auch immer Ansprüche gegen die Mitgesellschafter
einher (z. B. Verbot verdeckter Gewinnausschüttungen, Anspruch auf
gesellschaftsfreundliches Verhalten). Insbesondere die nach § 17 Abs. 1 EStG
besteuerten Veräußerungsgewinne gehen auf Transaktionen mit Mitgesellschaftern oder
Dritten zurück. Auch die Einbeziehung mittelbarer Beteiligungen für die Bemessung der
Beteiligungsquote (§ 17 Abs. 1 Satz 4 EStG 1998) spricht dafür, dass der Begriff der
Anwartschaft nicht allein auf Ansprüche gegenüber der Gesellschaft beschränkt ist
(Frotscher, EStG, § 17 Rz. 31 a).
Die Auslegung des Gerichts führt auch nicht zu einer Doppelbesteuerung (anderer
Auffassung Schweyer/Dannecker, BB 1999, 1732 [1735]; Schneider in
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 17 Rz. B 110). Denn wirtschaftliches Eigentum und
Anwartschaft schließen sich gegenseitig aus. Dementsprechend können Gewinne nur für
unterschiedliche Wertschöpfungsvorgänge und Zurechnungssubjekte der Besteuerung
unterworfen werden. Dies zeigt auch der Streitfall. Die von der B-GmbH erzielte
Wertsteigerung von 5 Mio. DM (aus 10 Mio. DM Kaufpreis der A) wird ausschließlich bei
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Wertsteigerung von 5 Mio. DM (aus 10 Mio. DM Kaufpreis der A) wird ausschließlich bei
dieser besteuert. Die vom Kläger erzielte Wertsteigerung von 20 Mio. DM wird
ausschließlich bei ihm versteuert. Die Veräußerung einer Anwartschaft - hier: der
Optionsrechte - und der Anteile sind verschiedene Vorgänge mit unter Umständen
verschiedenen Beteiligten, die jeweils gesondert steuerlich gewürdigt werden.
Die Erfassung der Gewinne aus der Veräußerung der Call-Option entspricht auch dem
Sinn und Zweck des § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG (anderer Auffassung Korn/Strahl, EStG, §
17 Rz. 34). Dieser ist darauf gerichtet, die Realisierung des Zuwachses an Substanz der
Kapitalgesellschaft beim Anteilseigener zu besteuern, wenn diese Realisierung auf
andere Weise als durch Ausschüttung eintritt (BFH-Urteil in BFHE 115, 223, BStBl II 1975,
505 [509]). Diesem Zweck entspricht es im Streitfall, den Gewinn des Klägers aus der
Veräußerung der Call-Option zu versteuern. Die Zahlung dieses Kaufpreises ist nicht
anders als durch eine (jedenfalls aus Sicht der A gegebene) Wertsteigerung des
Unternehmenswerts der X-GmbH erklärbar. Auch die Klägervertreter in der mündlichen
Verhandlung haben auf Nachfrage dieser Sichtweise nicht widersprochen. Durch die
Vereinbarung des Kaufpreises in der notariellen Vereinbarung vom 7. Juli 1995 mit einer
Obergrenze war klar, dass dieser Wertzuwachs ab einer gewissen Schwelle allein dem
Kläger zugewiesen war, der als Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der X-
GmbH den Unternehmenswert wesentlich beeinflussen konnte. Damit hatte die B-GmbH
die aus ihrer Gesellschaftsbeteiligung folgenden Gewinnmöglichkeiten zu wesentlichen
Teilen dem Kläger überlassen, wobei diese Gewinnchancen an seine wesentliche
Beteiligung an der X-GmbH geknüpft waren. Denn der Kläger musste stets doppelt so
viele Anteile und die Stimmenmehrheit behalten. Unter diesen Umständen entspricht
die Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der Call-Option gerade dem Zweck
des § 17 EStG (Frotscher, EStG, § 17 Rz. 31 a; im Ergebnis gleicher Auffassung Weber-
Grellet in Schmidt, EStG, 24. Aufl., § 17 Rz. 28).
Den Einwand, die Auffassung des Gerichts führe zu unlösbaren Abgrenzungsproblemen
(Schweyer/Dannecker, BB 1999, 1732 [1735]) hält das Gericht für unzutreffend. Solche
Abgrenzungsprobleme sieht das Gericht ebenso wie andere, die z. B. bei der Anwendung
des § 17 EStG und der Auslegung des Begriffs der Anschaffungskosten auftreten, als
lösbar an.
Schließlich kann dahinstehen, ob dem Kläger die finanziellen Mittel für den Erwerb des
Geschäftsanteils der B-GmbH fehlten. Da er die Abtretung an einen Dritten verlangen
oder zeitgleich mit der Annahme des Abtretungsangebots eine weitere Abtretung an
einen Dritten erklären konnte, waren solche Mittel nicht Voraussetzung für die Ausübung
des Optionsrechts.
Der BFH hat die Rechtsfrage als zweifelhaft angesehen (Beschluss vom 29. Juni 1977, VIII
S 15/76, BFHE 122, 516, BStBl II 1977, 726; ebenso FG Münster, Beschluss vom 28. Juli
1997, XI V 3649/97 F, EFG 1997, 1508). Daher lässt das Gericht die Revision nach § 115
Abs. 2 Nr. 1 FGO zu.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Das Gericht hat den Streitwert ausgehend von den Sachanträgen der Beteiligten
bestimmt (§§ 13, 25 Gerichtskostengesetz -GKG- a. F.).
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