Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 14.03.2017

FG Berlin-Brandenburg: registrierkasse, spirituosen, ladenkasse, aufteilung, gewerbesteuer, buchführung, bier, wein, inventur, geschäftsführer

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Gericht:
Finanzgericht Berlin-
Brandenburg 6.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
2001
Aktenzeichen:
6 K 4146/04 B
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 162 Abs 2 AO, § 96 Abs 1 S 1
FGO, § 146 AO
Ordnungsmäßigkeit der Kassenbuchführung einer
Sonderaktionen durchführenden Diskothek
Tatbestand
Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG, an der im Streitjahr die A... Verwaltungs GmbH als
Komplementärin mit einer Einlage von DM 50.000,- sowie Herr B... und Herr C... als
Kommanditisten mit jeweils DM 10.000,- Einlage beteiligt waren. Geschäftsführer der
Klägerin im Streitjahr war Herr C...; seitdem ist Frau D... Geschäftsführer.
Die Klägerin betrieb im Streitjahr unter dem Namen „Der A...-treff“ im Untergeschoss
des Zentrums ... eine Schank- und Speisewirtschaft mit regelmäßigen
Tanzveranstaltungen und einem Bowling-Center, zu dem fünf Bowling-Bahnen gehörten.
Bei dem Betrieb handelte es sich um eine Kombination aus einem Bowling-Center und
aus einem Jugend-Treff mit einer Tanzfläche. Der Betrieb befand sich in B... und war an
sieben Tagen in der Woche geöffnet. In den Räumlichkeiten war Platz für 450 Personen.
In den Räumlichkeiten befanden sich im Eckbereich eine Tanzfläche, am Rand ein
Sitzbereich, in der Mitte ein runder Tresen mit einer Registrierkasse - eine
Ersatzregistrierkasse war ebenfalls dort vorhanden - und im hinteren Teil die Bowling-
Bahnen sowie ein WC. Zu den Veranstaltungen gehörte eine regelmäßige Disco sowie
Aktionen wie „Happy Hour“ oder „Jackpotbowlen“, „Tanz für die Mittdreißiger“, „Tequila
Party“, „Skat für Anfänger und Profis“, „All-inclusive Night“ oder Lady´s Night“. Bei den
Gästen handelte es sich überwiegend um Jugendliche sowie um speziell angesprochene
höhere Altersgruppen. Wegen der Preise lt. Getränkekarte sowie der verteilten
Handzettel für die Sonderveranstaltungen wird auf B. 42 ff. sowie Bl. 49 ff. der weißen
Hinweisakte/Einspruchsverfahren Bezug genommen.
Für das Streitjahr 2001 erklärte die Klägerin einen Verlust von DM ...,-, nachdem der
Verlust des Vorjahres DM ...,- betragen hatte. Unter Berücksichtigung der
Ergänzungsbilanzen erhöhte sich der Verlust auf DM ...,-. Die Umsatzerlöse der Klägerin
beliefen sich auf DM ..., hiervon DM .... für die Gastronomie, DM ... aus dem Bowling. Der
Lebensmitteleinsatz sowie der Wareneinsatz für ermäßigt besteuerte Getränke betrug
DM ..., während sich der Getränkeeinsatz auf DM ... belief. Wegen der weiteren
Einzelheiten wird auf den Jahresabschluss der Klägerin Bezug genommen.
Der Beklagte folgte zunächst den Steuererklärungen und erließ am 29. November 2002
erklärungsgemäß Bescheide, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164
Abs. 1 Abgabenordnung - AO - ergingen. Weiterhin meldete die Klägerin eine
Umsatzsteuer in Höhe von DM ... sowie einen Nachzahlungsbetrag von DM ... an.
Nach einer anonymen Anzeige vom 01. Oktober 2002 wurden bei der Klägerin
Arbeitnehmer schwarz beschäftigt, und offiziell angestellte Arbeitnehmer erhielten
zusätzlich zum vertraglichen Gehalt Schwarzzahlungen. Der Eigenverbrauch durch den
Geschäftsführer C... werde nicht verbucht, und auch das private Fahrzeug des Herrn C...
werde über die Klägerin abgerechnet. Zudem würden die Gäste betrogen, indem statt
Markenware nur Hausware ausgeschenkt werde oder bei der dritten Getränkebestellung
ein billigeres Getränk ... serviert werde, gleichwohl aber das teurere abgerechnet werde
(s. Bl. 89 der Hinweisakte/Einspruchsverfahren).
Im Mai 2003 begann eine Außenprüfung bei der Klägerin, die zu erheblichen
Hinzuschätzungen führte. Die Außenprüferinnen Frau X... und Frau Y... beanstandeten
die Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung. So seien am 06. Januar 2001 54 Flaschen
Sekt an den Lieferanten L... zurückgegeben worden, die in der Inventurliste zum 31.
Dezember 2000 nicht enthalten gewesen seien. Bei den Registrierkassen fehle der
Tagesendsummenbon (Z-Bon) Nr. 121 der Cocktailkasse. Die Warenartenberichte seien
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Tagesendsummenbon (Z-Bon) Nr. 121 der Cocktailkasse. Die Warenartenberichte seien
nicht vollständig aufgehoben worden. Nach Angaben des Geschäftsführers C...
existierten keine Warenartenberichte; tatsächlich seien aber die Warenartenberichte Nr.
107 vom Januar 2001, Nr. 113 und 114 vom Februar 2001 und 188 vom März 2001
aufgefunden worden. Weiterhin fehle Warenartenbericht Nr. 66 der täglich eingesetzten
Registrierkasse.
Es fehlten Kassenberichte hinsichtlich der Sonderaktionen und Eventveranstaltungen wie
z.B. Happy Hour, Two for One etc. Nach Angaben des Geschäftsführers C... seien die
Einnahmen aus diesen Veranstaltungen nicht über die Registrierkasse nach den
einzelnen Getränkearten, sondern von den Tresenkräften in einer offenen Ladenkasse
(Schublade) erfasst und als Gesamtbetrag in der Registrierkasse unter „Buffet“ verbucht
worden. Es fehlten hierbei die täglichen Kassenberichte, die nur die entsprechenden
Umsätze aus den Sonderaktionen beträfen. Damit bestünden große
Manipulationsmöglichkeiten bei der Erfassung von Betriebseinnahmen und somit Zweifel
an der Vollständigkeit der erklärten jeweiligen Tageseinnahmen. Unter „Buffet“ seien
zudem auch Getränke zum Normalpreis erfasst worden, die nach dem Ende einer bis zu
einer bestimmten Uhrzeit befristeten Sonderaktion wie der Happy Hour verkauft worden
seien; damit seien unter „Buffet“ sowohl Getränke zu ermäßigten als auch zu normalen
Preisen verbucht worden. Wegen der weiteren Einzelheiten der Feststellungen der
Außenprüferinnen nimmt der Senat Bezug auf Tz. 7 des Außenprüfungsberichts vom 21.
November 2003.
Die Außenprüferinnen führten eine Nachkalkulation durch und gingen hierbei von dem
festgestellten Wareneinsatz, den Einkaufspreisen und den Angaben laut Getränke- und
Eiskarte der Klägerin aus. Hieraus ergab sich ein um DM ... (= 85 %) höherer Umsatz
von DM ... gegenüber der Gewinn- und Verlustrechnung. Jedoch beanstandeten die
Außenprüferinnen nicht die Verbuchung der Erlöse aus dem Eis- und Snackverkauf.
Von dem festgestellten Wareneinsatz von DM ... seien 24,08 % (= DM ...,-) zu normalen
Verkaufspreisen verkauft worden; hieraus sei ein Umsatz von DM ...,- bei einem
Rohgewinnaufschlag von 394 % erzielt worden. 7,13 % (= DM ...,-) seien gratis
abgegeben worden (DM ...,-) oder in Mixgetränke geflossen (DM ...,-); wöchentlich seien
etwa 110 Schnäpse sowie 23 alkoholfreie Getränke umsonst ausgeschenkt worden.
68,79 % (= DM ...,-) seien unter dem Buffetumsatz erfasst worden, also während oder
nach einer Sonderaktion verkauft worden; diesem Wareneinsatz stehe ein erklärter
Buffet-Umsatz von DM ...,- gegenüber.
Die Außenprüferinnen schätzten, dass 60 % der Umsätze laut den Preisen der
Getränkekarte und 40 % der Umsätze zu Sonderpreisen erzielt worden seien.
Gegenüber dem erklärten Buffet-Umsatz gelangte sie so zu einer Umsatzdifferenz von
DM ...,- statt der zunächst ermittelten Umsatzdifferenz von DM ...,- (zu weiteren
Einzelheiten s. Anlage 11 des Außenprüfungsberichts vom 21. November 2003.
Die Außenprüferinnen befanden einen Rohgewinnaufschlag von 245 % aus einer
Richtsatzspanne von 150 % bis 317 % für zutreffend, da die Klägerin mehr Getränke als
Speisen verkauft habe. Üblicherweise betrage der Rohgewinnsatz bei Diskotheken mit
sehr jungem Publikum zwischen 300 % und 450 %. Wegen der weiteren Einzelheiten der
Berechnungen der Prüferinnen nimmt der Senat auf Tz. 8 des Außenprüfungsberichts
Bezug.
Auf Grund der Nachkalkulation gelangten die Außenprüferinnen zu Mehrerlösen von DM
...,- zuzüglich Umsatzsteuer von DM ...,- sowie zu weiteren hier nicht streitigen
Mehrerlösen. Insgesamt ergab sich so unter Berücksichtigung der
Gewerbesteuerrückstellung von DM ...,- anstatt des erklärten Verlustes von DM ...,- ein
Gewinn von DM ...,- (Mehrergebnis DM ...,-). Bei der Umsatzsteuer ergab sich ein
Mehrbetrag von DM ...,- (Umsatzsteuer DM ...,- statt bisher DM ...,-). Wegen der
Einzelheiten der Ermittlung der Umsatzsteuer nimmt der Senat auf Tz. 26 und Anlage 6
des Außenprüfungsberichts Bezug.
Gegen die Feststellungen wandte die Klägerin insbesondere ein, dass es zahlreiche
Sonderaktionen gegeben habe, bei denen Getränke verbilligt oder gar umsonst (z.B.
beim Bowling: 1 Freigetränk) abgegeben worden seien; der Senat nimmt auf die
entsprechende Aufstellung Bezug (Bl. 39 der Hinweisakte/Einspruchsverfahren). Der
Konkurrenzdruck sei erheblich gewesen, weil in der Nähe weitere Bowling-Center sowie
die Diskothek D... eröffnet hätten, die ebenfalls Sonderaktionen (z.B. 0,99 DM-Partys)
durchgeführt hätten. Zudem hätten zwei Polizei-Razzien im Dezember 2001 und Februar
2002, die nach Beschwerden der Anwohner wegen Lärmbelästigung und wegen des
Verdachts auf Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz durchgeführt worden seien, zu
einem Sinken der Besucherzahlen geführt. Die Klägerin habe seit 2001 versucht, Gäste
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einem Sinken der Besucherzahlen geführt. Die Klägerin habe seit 2001 versucht, Gäste
wiederzugewinnen, und habe Kontakt zu den zuständigen Behörden aufgenommen, um
die Probleme zu beseitigen. Allerdings habe die Preis- und Kostenpolitik zu drastischen
Ergebniseinbußen geführt, auch wenn die Miete von monatlich DM ...,- auf € ...,- und die
Personalkosten um ca. € ...,- gesenkt werden können. Die meisten Getränke seien im
Anteil von 10 % zum vollen Preis und zu 90 % zu einem ermäßigten Preis verkauft
worden (s. Aufstellung Bl. 68 der Hinweisakte/Einspruchsverfahren, Schriftsatz der
Klägerin vom 23. September 2003). Auf die weiteren, von der Klägerin während des
Außenprüfungsverfahrens eingereichten Unterlagen, die u. a. die Ruhestörung und
Polizeikontrollen betreffen, nimmt der Senat Bezug (Bl. 69 ff.
Hinweisakte/Einspruchsverfahren).
Der Beklagte folgte den Feststellungen und Berechnungen der Außenprüferinnen und
erließ am 09. Februar 2004 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten
Feststellungsbescheid, in dem er einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von DM ...,-
feststellte, sowie am 12. Februar 2004 ebenfalls nach § 164 Abs. 2 AO geänderte
Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag (€ ...,-), den vortragsfähigen Verlust zur
Gewerbesteuer (€ 0,-) sowie über die Umsatzsteuer (€ ...,-).
Die Klägerin legte am 11. März 2004 gegen die Bescheide über die einheitliche und
gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, über Umsatzsteuer und
„Gewerbesteuer“ fristgerecht Einspruch ein. Sie machte geltend, dass sie keine
Diskothek betreibe. An drei Tagen in der Woche (Mittwoch, Freitag und Samstag) habe
sie zusätzliche Veranstaltungen für Jugendliche durchgeführt wie z.B. Diskussionsrunden,
Sportveranstaltungen (Dart-, Billard- und Tischtennisspiele) oder
Jugendaustauschprogramme mit ausländischen Jugendlichen; bei diesen
Veranstaltungen habe es sich eindeutig nicht um Tanzveranstaltungen gehandelt. Zu
dem A... habe ein Jugendclub mit dem Namen „H...club“ gehört, der im räumlich
vorderen Teil untergebracht gewesen sei. Auch in allen Regionalblättern sei der A... als
Freizeitcenter bzw. -club aufgeführt worden und nicht als Diskothek. Der
Rohgewinnaufschlag müsse daher Betrieben vergleichbarer Art wie z.B.
Jugendfreizeitstätten oder Bowling-Centern entnommen werden.
Bei den von den Außenprüferinnen aufgeführten 54 Flaschen Sekt habe es sich um
Kommissionsware gehandelt, die für die Silvesterveranstaltung bestellt worden sei.
Hierzu verweist die Klägerin auf ein Schreiben der L... Getränke GmbH vom 15.
Dezember 2003, in dem diese bestätigt, dass die Klägerin „mehrmals im Jahr von uns
Kommissionsware bezieht, die nach Abschluss der Veranstaltung abgerechnet wird“. Die
Inventur sei daher korrekt gewesen.
Die Führung der Registrierkassen sei ordnungsgemäß gewesen. Hinsichtlich des
fehlenden Bons Nr. 121 der Cocktailkasse habe sie einen Beleg angefertigt, der den
Prüferinnen vorgelegt worden sei. Die Cocktailkasse sei ausschließlich zum Erfassen der
Umsatzsummen verwendet worden und habe keine Bedeutung für die Warenwirtschaft
gehabt. Der Kassenhändler Herr E... habe die Vollständigkeit in chronologischer und
numerischer Reihenfolge festgestellt.
Bei dem fehlenden Warenartenbericht Nr. 66 der täglich eingesetzten Registrierkasse
handle es sich tatsächlich um einen im April 2001 erstellten Monatsendbericht. Dies sei
ein einmaliges und erstmaliges Versehen, so dass der Beleg vernichtet worden sei; denn
man habe angenommen, dass am tatsächlichen Monatsende der vollständige und
richtige Bericht von der Kasse erstellt werde. Bei Erstellung des tatsächlichen
Monatsendbons sei das Fehlen bemerkt und eine Aktennotiz gefertigt worden, auf die
die Klägerin nunmehr Bezug nimmt. Ihre Vorgehensweise entspreche dem BMF-
Schreiben vom 09. Oktober 2006.
Zu Unrecht gehe der Beklagte davon aus, dass sie keine täglichen Kassenberichte
hinsichtlich der Sonderaktionen erstellt habe. Sämtliche Umsätze seien erfasst worden
und anhand der Monatsendsummenbons - auch prozentual im Verhältnis zum
Gesamtumsatz - nachvollziehbar. Es müssten aber keine zusätzlichen Kassenberichte
angefertigt werden. Die von den Außenprüferinnen behauptete Manipulation hätte von
den Schichtleitern durchgeführt werden müssen; angesichts des behaupteten
Fehlbetrags von TDM ...,- müsste sich ein täglicher Fehlbetrag von DM ...,- ergeben; hier
hätte sich eine Prüfung der Vermögensverhältnisse der betreffenden Mitarbeiter
angeboten, um festzustellen, ob diese Einnahmen veruntreut haben.
Die Aufteilung der Umsätze in 40 % verbilligte Abgabe und 60 % Abgabe zu normalen
Preisen sei ebenso unzutreffend wie eine Aufteilung von 10 % zu 90 %. Die Prüferinnen
hätten zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin eine derartige Aufteilung von 10 %
zu 90 % vorschlage. Die Außenprüfung habe zudem unberücksichtigt gelassen, dass ab
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zu 90 % vorschlage. Die Außenprüfung habe zudem unberücksichtigt gelassen, dass ab
24.00 Uhr ein genereller Ausschankschluss für den Jugendtreffbereich geherrscht habe,
nachdem mehrfach Polizeirazzien durchgeführt worden seien, und dass die
Sonderverkaufspreise von 18.00 Uhr bis 21.00 Uhr (mittwochs) bzw. 22.00 Uhr (freitags
und samstags) gegolten hätten. Mithin seien Getränke während eines Zeitraums von
drei bzw. vier Stunden zu verbilligten Preisen und nur während eines Zeitraums von zwei
bzw. vier Stunden zu regulären Preisen angeboten worden. Zwischen 18.00 Uhr und
19.00 Uhr seien etwa 60 % der Gäste gekommen und weitere 20 % zwischen 19.00 Uhr
und 20.00 Uhr. Die restlichen Gäste seien zwischen 20.00 Uhr und 22. Uhr oder danach
unter Zahlung eines Eintrittsgelds von DM ...,- erschienen.
Tatsächlich sei die Getränkekarte gültig gewesen und die Getränke - außerhalb von
Sonderaktionen - auch zu diesen Preisen angeboten worden. Lediglich am Mittwoch,
Freitag und Samstag in der Zeit von ca. 18.00 Uhr bis ca. 22. Uhr hätten Sonderpreise -
und zwar nur im Jugendtreffbereich - gegolten. Diese Sonderpreise hätten auch nicht im
Bowling-Bereich Gültigkeit gehabt; im Bowling-Bereich seien auch Gastronomieumsätze
zu regulären Preisen erzielt worden.
Den Außenprüferinnen seien zahlreiche Fehler unterlaufen: So hätten sie eine
Abgabemenge Wodka in Mixgetränken von 0,02 cl angenommen anstatt der
zutreffenden Menge von 0,04 cl. Weiterhin hätten sie keine Freigetränke berücksichtigt.
Zahlreiche Nachberechnungen seien durchgeführt worden, die zu unterschiedlichen
Ergebnissen geführt hätten.
Ausweislich einer Nachschau, die die Außenprüferin X... am 26. Januar 2004 durchführte
und die an der Eingangstür des A... endete, da ein Eintrittsgeld von € ...,- verlangt wurde,
das die Begleitung von Frau X... zu zahlen nicht bereit war, fand sich in der
Schaufensteranlage nur ein Hinweis auf verbilligte Getränke von montags bis
donnerstags von 19.00 Uhr bis 21.00 Uhr. Ein Hinweis auf eine Sonderaktion war von
außen nicht ersichtlich. Im A... lief um 20.30 Uhr bereits Musik. Eine weitere Nachschau
durch einen Neffen einer Finanzamtsmitarbeiterin fand am 10. April 2004 statt; danach
hätten die Getränkepreise in der Happy Hour von 19.00 Uhr bis 21.00 Uhr bei € ...,- für
Long Drinks und ... Bier gelegen; die Cocktails seien zu den Preisen laut Getränkeliste
abgegeben worden, und der Eintritt habe € ...,- betragen. Bei Verlassen des „A...“ sei
dieser noch sehr voll gewesen.
Mit Einspruchsentscheidung vom 29. April 2004, die die einheitliche und gesonderte
Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, Umsatzsteuer sowie „Gewerbesteuer und
Gewerbesteuermessbetrag“ betraf, wies der Beklagte den Einspruch gegen die
Änderungsbescheide als unbegründet zurück. Er führte aus, dass die Inventur
unvollständig sei, wie sich aus dem Fehlen der 54 Flaschen Sekt ergebe. Die
Bescheinigung der Getränke L... GmbH sei zu allgemein gehalten und daher kein Beweis.
Die Ware sei im Jahr 2000 eingekauft sowie verbucht nach dem Jahreswechsel
rückvergütet worden. Es handle sich um eine Diskothek, was sich aus der Menge der
verkauften Spirituosen ergebe; so seien im Streitjahr 52.310 Gläser á 4 cl
hochprozentiger Spirituosen (Wodka, Gin, Whisky) pur oder als Alcopops, 6.290 Flaschen
„Klopfer“, 54.570 Gläser Bier á 0,3 l sowie 25.070 Flachen Bier ausgeschenkt worden.
Insgesamt hätten 150 Tanzveranstaltungen stattgefunden, für die extra DJ´s gebucht
worden seien. Während der Tanzveranstaltungen seien ca. 75 % des Getränkeumsatzes
erzielt worden.
Die Buchführung sei nicht ordnungsgemäß: Die Warenartenberichte seien nicht
vollständig. Die Vereinnahmung der Tagesumsätze bei Sonderaktionen über eine offene
Ladenkasse (Schublade) eröffne große Manipulationsmöglichkeiten. Die Vollständigkeit
der Warenartenberichte sei nicht nachgewiesen worden. Bisher lägen nur vier
unterschiedlich nummerierte Warenartenberichte vor, die angeblich nur versehentlich
erstellt worden seien. Der Rest fehle. Die Aufbewahrungspflicht ergebe sich aus § 147
Abs. 5 Abgabenordnung - AO - analog in Verbindung mit § 257 Abs. 1 Nr. 4
Handelsgesetzbuch - HGB -. Zudem könne selbst bei formell ordnungsgemäßer
Buchführung die Beweiskraft der Buchführung durch eine Nachkalkulation widerlegt
werden. Der Sachvortrag der Klägerin enthalte zahlreiche Widersprüche: So sei zunächst
behauptet worden, dass Bier nicht aus Zapfanlagen habe serviert werden können;
später sei dann im Schriftsatz vom 23. September 2003 darauf abgestellt worden, dass
80 % des Fassbieres verbilligt in den Sonderaktionen abgegeben worden sei. Mal sei die
Dauer der Sonderaktionen mit vier Stunden, mal mit nur zwei Stunden angegeben
worden. Entgegen der Behauptung der Klägerin habe das Eintrittsgeld nicht nur € ...,-
sondern € ...,- betragen. Eine widerspruchsfreie Angabe zur Anzahl der sog. ...-DM-
Partys fehle: Zu Beginn der Außenprüfung habe die Klägerin von nur seltenen Partys
gesprochen, später dann - nach Vorlage der ersten Nachkalkulation - von bis zu 32
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gesprochen, später dann - nach Vorlage der ersten Nachkalkulation - von bis zu 32
Partys pro Jahr.
Die Nachkalkulation sei der Höhe nach ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Gewichtung
der Preise sei mit 60 % Normalpreisen und 40 % Sonderpreisen vorgenommen worden.
Eine Nachprüfbarkeit der der Zusammensetzung der einzelnen Warenarten sei bis heute
nicht möglich.
Hiergegen hat die Klägerin fristgerecht Klage erhoben, die sich nicht nur gegen die
einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, Umsatzsteuer,
Gewerbesteuer und Gewerbesteuermessbetrag, sondern auch gegen die gesonderte
Feststellung des vortragsfähigen Verlustes zur Gewerbesteuer zum 31. Dezember 2001
richtet. Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren.
Der fehlende Bon Nr. 121 der Cocktailkasse sei bereits am 06. April 2001 durch eine
Aktennotiz der Geschäftsführerin ersetzt worden (s. Bl. 25 der Streitakten). Der
Geschäftsführer C..., der als Zeuge benannt werde, könne bezeugen, dass versehentlich
erstellte Warenberichte ordnungsgemäß aufbewahrt worden seien. Nach den
Feststellungen der Firma Kassensysteme E..., deren Inhaber ... E... ebenfalls als Zeuge
benannt werde, fehlten lediglich die Kassenberichte Nr. 121 und Nr. 66, für die
ordnungsgemäß Ersatzbelege gefertigt worden seien (s. Bl. 47 der AdV-Akte 4 B
4184/04). Beleg Nr. 66 sei versehentlich am 07. April 2001 erstellt und anschließend
vernichtet worden, weil die Klägerin davon ausgegangen sei, dass der vollständige und
richtige Monatsbericht automatisch vom ersten bis zum letzten Tag des Monats durch
die Kasse erstellt werde. Zu beachten sei ferner, dass nach Auskunft der
Senatsverwaltung für Finanzen eine sog. offene Ladenkasse zulässig sei, wenn Waren
von geringem Wert an dem Einzelhändler nicht bekannte Kunden abgegeben würden (Bl.
143 ff. der Streitakten).
Die Umsätze aus den Sonderaktionen seien aus den Monatsendsummenbons
ersichtlich, in denen die Umsätze eingegangen seien. Bis heute habe der Beklagte nicht
mitgeteilt, wie die Sonderumsätze zu erfassen seien. Die Anfertigung zusätzlicher
Kassenberichte sei nicht erforderlich, wenn alle Einnahmen durch Registrierkassen
erfasst würden.
Der Gewinnaufschlag bewege sich bei den drei am häufigsten verkauften Artikeln bei weit
unter 100 %: Für ...-Bier liege der Rohgewinnaufschlag bei ca. 59 %, bei Wodka-
Mixgetränken bei ca. 90 % und Feigling sei sogar ohne Aufschlag verkauft worden. Diese
drei Artikel machten ca. 70 % des Gesamtumsatzes aus. Der Beklagte lasse
unberücksichtigt, dass ab 24.00 Uhr ein genereller Ausschankschluss für den Bereich
des Jugendtreffs gegolten habe. Bis zu diesem Zeitpunkt sei das jeweilige „Getränk des
Tages“ zu verbilligten Preisen verkauft worden. Die Klägerin legt Werbeflyer vor, aus
denen sich ergibt, dass die Sonderverkaufspreise mittwochs zwischen 17.00 bzw. 18.00
Uhr und 21.00 Uhr sowie freitags und samstags von 18.00 Uhr bis 22.00 Uhr gegolten
hätten (s. Bl. 27 ff. der Streitakte). Hieraus ergibt sich nach Auffassung der Klägerin ein
Zeitrahmen von vier Stunden, während dessen Sonderpreise gegolten hätten,
gegenüber einem Zeitrahmen von zwei Stunden, in dem reguläre Preise erzielt worden
seien. Zum Ende des Sonderverkaufszeitraums seien noch Bestellungen auf Vorrat
abgegeben worden, so dass der Konsum während des Sonderverkaufszeitraums deutlich
höher als in der Zeit ab 22.00 Uhr gewesen sei. Die Sonderpreise hätten nur im
Jugendtreff gegolten, nicht im Bowlingbereich. Frau D... als Geschäftsführerin der
Komplementärin könne als Zeugin bestätigen, dass die Getränkekarte außerhalb der
Sonderverkaufsaktionen durchgängig an ca. 70 Stunden pro Woche gegolten habe.
Tägliche Zählungen hätten ergeben, dass etwa 60 % der Gäste zwischen 18.00 Uhr und
19.00 Uhr und weitere 20 % zwischen 19.00 Uhr und 20.00 Uhr eingetroffen seien. Die
restlichen Gäste seien in der Zeit ab 20.00 Uhr bzw. - unter Zahlung eines Eintritts von
DM ...,- pro Person - nach 22.00 Uhr gekommen. Nach Aussage der Polizeidirektion 6
handelt es sich bei dem A... um einen stark besuchten Jugendtreffpunkt in M..., dessen
jugendliche Besucher ein Alter zwischen 14 und 18 Jahren aufwiesen; die
Veranstaltungszeit beginne um 18.00 Uhr und ende um 24.00 Uhr (Bl. 93 und 94 der
Streitakten). Bis 24.00 Uhr seien letztmalig Getränke ausgeschenkt worden;
anschließend hätten die Gäste noch in den Räumlichkeiten verweilen dürfen. Auch das
Bezirksamt M... bestätige, dass ab 22.00 Uhr eine Abwanderungswelle eingesetzt habe,
weil Ausweiskontrollen stattgefunden hätten; die weitere Abwanderungswelle habe um
24.00 Uhr nach Ausschankschluss eingesetzt (s. Bl. 142 der Streitakten). Weiterhin hat
die Klägerin zahlreiche Bestätigungen der im A... beschäftigten Personen eingereicht,
aus denen sich ergibt, dass Sonderpreise für Longdrinks, Biere, alkoholfreie Getränke
und Schnäpse jeden Mittwoch von 17.00 bis 21.00 Uhr und freitags und samstags von
18.00 bis 22.00 Uhr Gültigkeit gehabt hätten und dies mehrmals in der gültigen Zeit
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18.00 bis 22.00 Uhr Gültigkeit gehabt hätten und dies mehrmals in der gültigen Zeit
über das Mikrofon beworben worden sei (s. Leitz-Ordner, Anlage 11 ff.).
Während des Klageverfahrens hat der damals zuständige 4. Senat des FG Berlin einen
Aussetzungsantrag der Klägerin mit Beschluss vom 07. Dezember 2004 (Aktenzeichen 4
B 4184/04) als unbegründet zurückgewiesen.
Die Klägerin hat ihre Klage hinsichtlich des Gewerbesteuerbescheids und des Bescheids
über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Verlustes zur Gewerbesteuer zum
31. Dezember 2001 zurückgenommen. Die Klage ist insoweit abgetrennt und eingestellt
worden.
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält die Klage hinsichtlich der Anfechtung der gesonderten Feststellung des
vortragsfähigen Verlustes zur Gewerbesteuer zum 31. Dezember 2001 für unzulässig,
weil die Klägerin insoweit keinen Einspruch eingelegt habe. Im Übrigen hält der Beklagte
die Klage für unbegründet und wiederholt sein Vorbringen aus dem Vorverfahren.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands nimmt der Senat Bezug auf den
Inhalt der Akten, insbesondere auf die von der Klägerin und dem Beklagten
eingereichten Unterlagen (wie z.B. Werbeflyer, Getränkeliste, Schriftverkehr mit der
Polizei, Berechnungen etc.).
Der Senat hat durch Vernehmung des Zeugen C... Beweis erhoben über die
Kassenbuchführung bei der Klägerin. Wegen des Ergebnisses der Zeugenvernehmung
verweist der Senat auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung. Die Beteiligten haben
einvernehmlich auf eine Vernehmung des Zeugen E... verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist teilweise begründet. In dem im Tenor ausgewiesenen Umfang sind die
Bescheide und die Einspruchsentscheidung rechtswidrig und verletzen die Klägerin in
ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -). Im Übrigen ist die
Klage unbegründet, da der Beklagte dem Grunde nach zu einer Schätzung nach § 162
Abs. 2 Satz 2 AO berechtigt war (s. unten unter 1.), die der Höhe nach im Wesentlichen
rechtmäßig ist (s. unten unter 2.).
1. Die Berechtigung des Beklagten zur Schätzung dem Grunde nach ergibt sich aus §
162 Abs. 2 Satz 2 AO, da die Klägerin die Unterlagen der Kassenbuchführung nicht
vollständig vorlegen konnte.
a) Eine ordnungsgemäße Buchführung setzt nach § 146 AO voraus, dass sämtliche
Geschäftsvorfälle laufend, vollständig und richtig verzeichnet werden. Ist dies nicht der
Fall, ist die Finanzbehörde zu einer Schätzung dem Grunde nach berechtigt (BFH, Urteil
vom 20. Juni 1985 IV R 41/82, BFH/NV 1985, 12).
aa) Erzielt der Steuerpflichtige - wie im Streitfall - im Wesentlichen Bareinnahmen, ist
das Kassenbuch wesentlicher Teil der Buchführung, so dass die Ordnungsmäßigkeit der
Buchführung vor allem von der Ordnungsmäßigkeit der Kassenbuchführung abhängt.
Hierfür ist grundsätzlich erforderlich, dass jeder einzelne Geschäftsvorfall erfasst wird (FG
Nürnberg, Urteil vom 27. April 2004 II 8/2003, nicht veröffentlicht), d.h. in die Kasse
eingezahlt und im Kassenbuch eingetragen bzw. - im Fall einer elektronischen
Registrierkasse - einzeln eingetippt und damit registriert wird. Der Steuerpflichtige ist
zwar nicht verpflichtet, elektronische Registrierkassen einzusetzen, sondern kann auch
eine „offene Kasse“ verwenden, in die das Geld eingezahlt wird; Voraussetzung für die
Ordnungsmäßigkeit hierbei ist aber ebenfalls grundsätzlich die Erfassung des einzelnen
Geschäftsvorfalls, da die Tatsache der sofortigen Bezahlung nicht rechtfertigt, die
jeweiligen Geschäftsvorfälle nur gesammelt festzuhalten (BFH, Beschluss vom 07.
Februar 2008 X B 189/07, nicht veröffentlicht). Dies gilt insbesondere dann, wenn die
„offene Kasse“ neben einer Registrierkasse geführt wird; denn hier ist offensichtlich,
dass in der Registrierkasse nur ein Teil der Einnahmen erfasst wird und die sich aus der
Verwendung der Registrierkasse ergebenden Aufzeichnungen nicht vollständig sein
können.
bb) Zwar ist nicht zu beanstanden, wenn die Kasseneinnahmen zunächst in einer Kasse
- oder Nebenkasse - erfasst werden und lediglich die Summe der Tageseinnahmen in
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- oder Nebenkasse - erfasst werden und lediglich die Summe der Tageseinnahmen in
das Kassenbuch eingetragen wird bzw. in die Registrierkasse eingetippt wird. Die
Rechtsprechung lässt aus Gründen der Zumutbarkeit und Praktikabilität in Einzelfällen
zu, dass bei Bareinnahmen nicht jeder einzelne Geschäftsvorfall gesondert erfasst
werden muss (BFH, Beschluss vom 07. Februar 2008 X B 189/07, nicht veröffentlicht).
Diese Ausnahme greift insbesondere in Fällen, in denen Einzelhändler eine Vielzahl
einzelner Geschäfte mit geringem Wert - z. B. Centbeträgen wie bei einer Bäckerei - mit
ihnen unbekannten Personen tätigen; hierzu gehören etwa Einnahmen in Cent-Höhe wie
bei einer Bäckerei (BFH, Beschluss vom 07. Februar 2008, a.a.O.), bei Stehbierhallen,
Straßen- und Marktständen oder Spiel- und Verkaufsautomaten (BFH, Urteil vom 12. Mai
1966 IV 472/60, BStBl. III 1966, 371). In diesen Fällen ist aber gleichwohl erforderlich,
dass das Zustandekommen der Summe durch Aufbewahrung der angefallenen
Kassenstreifen, Kassenzettel und Bons nachgewiesen wird oder dass die Einnahmen und
Ausgaben anhand eines Kassenberichts nachgewiesen werden, in dem sie mit dem
Anfangs- und Endbestand der Kasse abgestimmt werden, ohne dass hierbei die
Kassenstreifen, -zettel und Bons aufbewahrt werden müssen (BFH in BFH/NV 1985, 12;
Beschluss vom 07. Februar 2008, a.a.O.; in BStBl. III 1966, 371, 373; so auch BMF-
Schreiben vom 09. Januar 1996 - IV A 8 - S 0310 - 5/95, BStBl. I 1996, 34). Führt der
Steuerpflichtige neben der Hauptkasse Sonderkassen, erfordert die Ordnungsmäßigkeit
der Kassenbuchführung das Vorliegen von Nebenkassenbüchern (Kladden) für jede
einzelne Sonderkasse (BFH, Urteil vom 20. Oktober 1971 I R 63/70, BStBl. II 1972, 273).
Handelt es sich bei den Sonderkassen um Registrierkassen, müssen die
Tagesendsummenbons der Sonderkassen aufbewahrt werden (vgl. Drüen in Tipke/Kruse,
AO/FGO, § 147 AO Rz. 24).
b) Den vorstehend genannten Anforderungen genügte die Kassenbuchführung der
Klägerin nicht. Die Klägerin hat einen erheblichen Teil ihrer Umsätze in einer Summe
erfasst, ohne das Zustandekommen der Summe durch Aufbewahrung der angefallenen
Kassenstreifen, Kassenzettel und Bons nachzuweisen oder einen Kassenbericht vorlegen
zu können. Zu diesen Umsätzen gehörten sämtliche Erlöse aus den
Sonderverkaufsaktionen während der Aktionszeiten z. B. von 18.00 bis 21.00 Uhr sowie
die anschließend zu regulären Preisen verkauften Getränke, die als sog. „Buffetumsatz“
in einer Summe in die Registrierkasse eingezahlt und dort erfasst wurden, ohne dass
entsprechende Grundaufzeichnungen über das Zustandekommen dieser Summe
geführt und aufbewahrt worden sind. Insbesondere ist die Verschiebung der Geldsumme
von der „offenen Ladenkasse“ in die Registrierkasse in der „offenen Ladenkasse“ nicht
erfasst worden. Ob hierfür die Unterzeichnung der nach Leerung der „offenen
Ladenkasse“ ausgezählten Summe durch zwei Beschäftigte der Klägerin ausgereicht
hätten, wie der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, kann der
Senat dahingestellt lassen; denn eine derartige Unterzeichnung ist nicht erfolgt, so dass
es keinen schriftlichen Beleg für den Kassentransfer von der „offenen Ladenkasse“ in die
Registrierkasse gibt.
Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung auf die praktischen Schwierigkeiten
hingewiesen, die einzelnen Geschäftsvorfälle bei einer überfüllten Tanzveranstaltung zu
erfassen. Dies rechtfertigt jedoch nach Überzeugung des Senats nicht, auf
Grundaufzeichnungen zu verzichten. Denn immerhin war eine Registrierkasse - sowie
eine Ersatzregistrierkasse - am Tresen vorhanden, die für die Erfassung der Einnahmen
hätte benutzt werden können. Soweit die Klägerin insoweit einwendet, dass die
Registrierkasse am hinteren Bereich des Tresens gestanden habe, nicht aber dort, wo
die Getränke ausgeschenkt worden seien, hält der Senat ein Verschieben der Kasse hin
zum Ausschank für zumutbar und umsetzbar. Selbst wenn eine Registrierkasse nicht
existiert hätte, hätte die Klägerin zumindest anhand sonstiger Unterlagen (täglicher
Bestand des Leerguts, Strichlisten) Unterlagen erstellen können, die eine Überprüfung
der Kassenbuchführung hätten ermöglichen können. Im Übrigen bleibt unklar, weshalb
es der Klägerin auch bei überfüllten oder vollständig gefüllten Räumlichkeiten gelungen
ist, die Umsätze im Bowling-Bereich, für die ebenfalls der Ausschank hinter dem Tresen
verantwortlich war, in der Registrierkasse zu verbuchen, nicht aber die sonstigen
Umsätze im Jugendtreffbereich.
c) Darüber hinaus wies die Buchführung der Klägerin weitere Mängel auf, die jedoch im
Vergleich mit den vorstehend beschriebenen Mängeln eher geringfügig waren. So fehlte
ein Tagesendsummenbon (Nr. 121) bei der Cocktailkasse. Weiterhin sind 54 Flaschen
Sekt, die am 06. Januar 2001 an Getränke L... zurückgegeben worden sind, nicht in der
Inventur erfasst worden. Da der Lieferant, die Firma Getränke L..., im Vorjahr eine
Rechnung für die Lieferung der Sektflaschen erstellt hat (Rechnung vom 29. Dezember
2000, Nr. 19895, gemäß Anlage 2c zum Schriftsatz vom 04. April 2005), spricht dies
gegen Kommissionsware, so dass die Sektflaschen nach § 143 Abs. 2 AO als
Wareneingang hätten erfasst und in der Inventur ausgewiesen werden müssen.
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2. Die Schätzung ist der Höhe nach nur teilweise zu beanstanden. Vom Grundsatz her
zutreffend hat der Beklagte den Warenverbrauch auf die einzelnen Getränkearten
verteilt und anschließend den Verkaufserlös anhand der Preise laut Getränkeliste sowie
anhand der Sonderverkaufspreise hochgerechnet (s. unten unter Buchst. aa). Zu
Unrecht hat der Beklagte jedoch bei der Ermittlung der Verkaufserlöse eine Aufteilung
im Verhältnis von 60 % (Verkauf zu regulären Preisen) zu 40 % (Verkauf zu
Sonderpreisen) vorgenommen; nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme überwiegen die
Verkäufe zu Sonderpreisen, so dass ein Verhältnis von 40 % (Verkauf zu regulären
Preisen) zu 60 % (Verkauf zu Sonderpreisen) zutreffend erscheint (s. unten unter
Buchst. a, bb). Dabei ist dem Beklagten zu Gunsten der Klägerin ein Rechenfehler bei
der Ermittlung der Erlöse aus dem Verkauf von Fassbier unterlaufen, der im Gegenzug
zu berichtigen ist (s. unten unter Buchst. a, cc).
a) Der Ansatz des Beklagten, die tatsächlich „verbrauchten“ Getränke der Stückzahl
nach zu ermitteln, wie dies in Anlage 11 des Außenprüfungsberichts geschehen ist, ist
rechtlich nicht zu beanstanden. Denn hieraus ergibt sich eine ausreichende
Berechnungsgrundlage für die Höhe der Bareinnahmen, indem der jeweilige
Getränkepreis laut Getränkeliste oder Sonderverkaufsaktion angesetzt wird. Aus Sicht
des Senats, dem nach § 96 Abs. 1 Satz 1, Halbsatz 2 FGO in Verbindung mit § 162 eine
eigene Schätzungsbefugnis zusteht, kann jedoch der Ansatz im Rahmen der jeweiligen
Getränkegruppen (alkoholfreie Getränke, Fassbiere, Flaschenbiere, Spirituosen, Wein
und Sekt) in der Weise erfolgen, dass statt der einzelnen Getränkeart und des damit
verbundenen Einzelverkaufspreises ein Durchschnittswert angesetzt wird. Hierdurch wird
der sich bei jeder Schätzung ergebende Schätzungsrahmen nicht verlassen.
aa) Der Durchschnittspreis pro Getränkegruppe ergibt sich wie folgt:
Bei den alkoholfreien Getränken belief sich der reguläre Preis laut Getränkeliste auf DM
3,42 bis DM 3,50, wobei ganz überwiegend ein Preis von DM 3,50 erzielt worden ist, so
dass dieser als Durchschnittswert angesetzt werden kann. Der Sonderverkaufspreis
beläuft sich bei den „Two for one“-Aktionen auf die Hälfte, so dass sich ein Betrag von
DM 1,75 ergibt.
Bei den Bieren vom Fass belief sich der reguläre Preis auf DM 3,07 bis DM 3,51, wobei
der Schwerpunkt der Umsätze beim ... Pilsener (DM 3,07) lag, so dass ein
Durchschnittspreis von DM 3,20 angesetzt werden kann. Für die Sonderverkaufsaktionen
ist vom hälftigen Betrag, mithin DM 1,60, auszugehen.
Bei den Flaschenbieren betrug der reguläre Preis DM 2,50 bis DM 5,00, wobei der
Schwerpunkt bei ... Bier lag, das für DM 3,50 verkauft wurde, so dass ein
Durchschnittspreis von DM 3,50 angesetzt werden kann. Für die Sonderverkaufsaktionen
ist vom hälftigen Betrag, mithin DM 1,75, auszugehen.
Bei den Spirituosen belief sich die Preisspanne laut Getränkeliste auf DM 3,- bis DM 8,-.
Da der Schwerpunkt bei Wodka ... lag, der für DM 5,- (2 cl) sowie für DM 8,- (4 cl)
angeboten wurde, kann der rechnerische Durchschnittswert von DM 5,50 durchaus zu
Grunde gelegt werden. Bei den Sonderverkaufspreisen ist hingegen von einem
Durchschnittspreis nur von DM 2,- auszugehen, weil ganz überwiegend Wodka ... zum
Preis von DM 2,- verkauft wurde, der auch Gegenstand zahlreicher
Sonderverkaufsaktionen war.
Die Klägerin bot den Wein in Gläsern zum Preis von DM 3,- bis DM 5,50 laut
Getränkekarte an. Am meisten verkaufte sie jedoch S... zum Preis von DM 3,-, so dass
ein Durchschnittswert unterhalb des rechnerischen Mittels angesetzt werden kann. Ein
Durchschnittspreis von DM 4,- erscheint mithin zutreffend. Für die
Sonderverkaufsaktionen ist von einem hälftigen Wert (= DM 2,-) auszugehen.
Der Sekt wurde - bis auf eine Ausnahme (DM 4,80) - zu einem Preis von DM 4,50
angeboten, so dass dieser Wert auch als Durchschnittswert anzusetzen ist. Bei den
Sonderverkaufsaktionen ergaben sich ermäßigte Preise zwischen DM 1,50 und DM 2,25,
wobei der erstgenannte Preis deutlich überwog. Daher kann insoweit ein
Durchschnittswert von DM 1,60 angesetzt werden.
bb) Aufteilung der Verkäufe zu regulären Preisen und zu ermäßigten Preisen:
Nach der vom Senat in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Überzeugung
überwogen die während der Sonderverkaufsaktionen erzielten Umsätze. Hierfür spricht
zum einen die Struktur des Publikums, das überwiegend aus jungen Gästen mit
geringem Einkommen in einer sozial schwächer ausgeprägten Gegend stammte. Zum
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geringem Einkommen in einer sozial schwächer ausgeprägten Gegend stammte. Zum
anderen ergibt sich sowohl aus den Aussagen der Geschäftsführerin D... als auch aus
der Aussage des Zeugen C..., dass das Trinkverhalten dem Angebot angepasst und
dementsprechend überwiegend die im Rahmen der jeweiligen Aktion angebotenen
Getränke konsumiert worden. Aus diesem Grund hält der Senat eine Aufteilung im
Verhältnis 40 % (Verkauf zu regulären Preisen) zu 60 % (Verkauf zu ermäßigten Preisen)
für zutreffend und sachgerecht. Eine darüber hinaus gehende Aufteilung zu Gunsten der
Klägerin erscheint dem Senat im Rahmen seiner Schätzungsbefugnis jedoch nicht
geboten und richtig. Denn die Sonderverkaufsaktionen waren zeitlich nur befristet, so
dass nach Ende der jeweiligen Aktionen und Verbrauch der ggf. noch vor Ablauf der
Aktion vorbestellten Getränke die Getränke zu regulären Preisen erworben werden
mussten. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass zahlreiche Sonderverkaufsaktionen
jeweils nur eine Getränkeart (z.B. Wodka ... oder Tequila) umfasste. Dass sich der ganz
überwiegende Teil des Publikums über Stunden hinweg nur von Wodka ... oder von
Tequila „ernährte“, erscheint dem Senat nicht plausibel. Vielmehr dürfte an diesen
Tagen der Verbrauch der sonstigen Getränke - zu regulären Preisen - im Vergleich zu
den Tagen, an denen alle Getränke zum halben Preis angeboten wurden,
verhältnismäßig hoch gewesen sein. Im Gegensatz zur Behauptung der Klägerin, die
Ausschankzeiten hätten im Jugendtreffbereich um 24.00 Uhr geendet, geht der Senat
angesichts diverser Rechnungen von Discjockeys, die einen Zeitraum bis 03.00 Uhr
morgens betreffen, davon aus, dass auch noch nach Mitternacht Getränke, und zwar zu
regulären Preisen, konsumiert wurden. Hierfür spricht auch, dass die Klägerin ab 22.00
Uhr am Wochenende Eintritt verlangt hat. Bei einer Schließung bereits zwei Stunden
später wäre kaum ein Gast bereit gewesen, noch Eintritt zu zahlen, zumal ihm ab
diesem Zeitpunkt auch keine Getränke zu ermäßigten Preisen mehr angeboten wurden.
cc) Anzahl der verkauften Flaschen bzw. Gläser
Der Beklagte hat bei seinen Berechnungen in der Anlage 11 des Außenprüfungsberichts
folgende Verkaufszahlen im Buffetbereich zu Grunde gelegt, die angesichts des
festgestellten Wareneinsatzes und des Nichtbestreitens durch die Klägerin vom Senat zu
Grunde gelegt werden: 11.682 alkoholfreie Getränke, 20.827 Flaschenbiere, 64.100
Gläser Spirituosen, 1.494 Gläser Wein und 545 Gläser Sekt. Soweit der Beklagte 15.418
Biere vom Fass ermittelt hat, beinhaltet diese Zahl einen Rechenfehler bezüglich der
Biersorte „... Pilsener“; denn der Beklagte hat von der Gesamtzahl der verkauften
Fassbiere dieser Sorte von 39.931 die einzeln über die Registrierkasse verbuchten
16.576 Fassbiere abgezogen und hierbei eine verbleibende, im Buffetbereich verkaufte
Zahl von 9.945 Fassbieren ermittelt. Richtigerweise verbleiben aber nach Abzug von
16.576 Fassbieren noch 23.355 Biere.
b) Unter Berücksichtigung der vorstehend genannten Zahlen ergibt sich für das
Streitjahr folgender Umsatz aus dem Buffetbereich:
c) Der sich danach ergebende Brutto-Umsatz führt zu einem Netto-Umsatz von DM
306.533,-, so dass der von der Klägerin erklärte Umsatz aus dem Buffetbereich von DM
...,- um DM ...,- überschritten wird. Gegenüber der Erhöhung durch den Beklagten um
DM ...,- ergibt sich damit eine Gewinnminderung von DM ...,-. Soweit diese
Gewinnminderung zu einer Minderung der Gewerbesteuerrückstellung führt (vgl. Anlage
7 des Außenprüfungsberichts), wird dem Beklagten die Berechnung übertragen.
d) Die Umsatzsteuer auf den Mehrbetrag von DM ...,- beträgt DM ...,- und ist damit um
DM ...,- (16 % auf DM ...,-) geringer als vom Beklagten angesetzt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Die Klägerin hat im Umfang von
ca. 25 % gewonnen, so dass ihr ¾ der Kosten aufzuerlegen waren. Die Entscheidung
über die Hinzuziehung beruht auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.
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