Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 14.03.2017

FG Berlin-Brandenburg: nahe stehende person, sacheinlage, vorsteuerabzug, gesellschafter, erfüllung, gesellschaftsrecht, sammlung, eigenkapital, kapitalgesellschaft, ankauf

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Gericht:
Finanzgericht Berlin-
Brandenburg 6.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahre:
2000, 2001
Aktenzeichen:
6 K 2320/03
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 36 Abs 7 KStG 1999, § 27 Abs
2 KStG 1999, § 28 Abs 1 S 3
KStG 1999, § 38 Abs 1 KStG
1999, § 4 Abs 1 S 5 EStG 1997
Vorsteuererstattungsanspruch als sog. verdeckte Sacheinlage -
Gliederungsrechtliche Erfassung einer Einlageforderung im
Zeitpunkt der Erfüllung
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob das Recht auf Vorsteuerabzug aus einem
Übertragungsvorgang gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten bei der begünstigten
Kapitalgesellschaft ertragsteuerrechtlich als Einlageforderung zu behandeln und damit
gliederungsrechtlich erst im Zeitpunkt der Erfüllung dieser Forderung durch den Fiskus
im EK 04 zu erfassen ist.
Die Klägerin wurde durch Notarvertrag vom 3. Februar 2000 durch die Gesellschafter A
und B gegründet. § 4 des Vertrages sah vor, dass A die von ihm übernommene
Stammeinlage von 25 000 EUR in Höhe von 10 000 EUR in bar und in Höhe von 15 000
EUR durch Einbringung eines ihm gehörenden Pkw VW Golf Variant erbringen sollte. Der
Wert dieses Pkw wurde nach dem Sachgründungsbericht vom selben Tag auf 34 000 DM
einschließlich Umsatzsteuer festgelegt. Im ebenfalls am 3. Februar 2000 geschlossenen
Kaufvertrag zwischen A und der Klägerin in Gründung wurde der Kaufpreis für den Pkw
mit 15 000 EUR zuzüglich 2 400 EUR Umsatzsteuer berechnet. Ferner wurde vereinbart,
dass das Fahrzeug mit Unterzeichnung des Vertrages in das Eigentum der Klägerin
übergehen sollte. Die Klägerin bestätigte, Kraftfahrzeugbrief und -schein erhalten zu
haben.
In ihrer Bilanz auf den 31. Dezember 1990 stellte die Klägerin die in Rechnung gestellte
Umsatzsteuer in Höhe von 4 693,99 DM (= 2 400 EUR) in die Kapitalrücklage ein. In ihrer
Erklärung zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos und anderer
Feststellungen nach § 27 Abs. 2 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG), § 28
Abs. 1 Satz 3, § 36 Abs. 7 KStG und § 38 Abs. 1 KStG zum 31. Dezember 2001
berücksichtigte sie den Umsatzsteuerbetrag als Anfangs- und Endbestand des
Einlagenkontos zum 31. Dezember 2001, der aus dem Vorjahr resultiert. Sie ordnete
den Betrag dem nicht mit Körperschaftsteuer belasteten Teilbetrag aus Einlagen (EK 04)
zu. Gleiches tat sie im Rahmen ihrer Erklärung zur Feststellung des verwendbaren
Eigenkapitals i. S. von § 47 Abs. 1 KStG zum 31. Dezember 2000.
Der Beklagte erließ dagegen am 15. Mai 2003 Bescheide über die gesonderte
Feststellung der Endbestände gemäß § 36 Abs. 7 KStG und über die gesonderte
Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs.2, § 28 Abs. 1 Satz 3 und §
38 Abs. 1 KStG, in denen er den nicht mit Körperschaftsteuer belasteten Teilbetrag des
verwendbaren Eigenkapitals (EK 04) mit 0,00 DM bezifferte. Bereits am 7. Oktober 2002
erließ er einen entsprechenden Bescheid über die gesonderte Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 KStG zum 31. Dezember 2000. Die
hiergegen gerichteten Einsprüche der Klägerin blieben erfolglos und wurden vom
Beklagten mit Einspruchsentscheidungen vom 17. September 2003 als unbegründet
zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen aus, dass die
Klägerin aufgrund der Sacheinlage von A keinen Vorsteuererstattungsanspruch
gegenüber dem Fiskus erworben habe.
Mit inzwischen rechtskräftigem Urteil vom 9. März 2005 (Az.: 1 K …/05) hat das FG des
Landes Brandenburg entschieden, dass die Klägerin zum Abzug der Vorsteuer aus dem
Pkw-Ankauf vom 3. Februar 2000 berechtigt sei. Daraufhin erstattete der Beklagte der
Klägerin die streitgegenständliche Vorsteuer am 22. April 2005.
Mit ihrer Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass die vom FG des Landes
Brandenburg bestätigte Umsatzsteuerforderung der Klägerin gegenüber dem Fiskus
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Brandenburg bestätigte Umsatzsteuerforderung der Klägerin gegenüber dem Fiskus
zum 31. Dezember 2000 habe bilanziert werden müssen. Es handele sich bei der
Forderung nicht um eine Einlage von A, weil sich die Forderung nicht gegen diesen
Gesellschafter, sondern gegen einen Dritten, das Finanzamt, richte. Die Forderung sei
im Augenblick der Sachgründung kraft Gesetzes und nicht kraft einer
rechtsgeschäftlichen Übertragung seitens A auf die Klägerin entstanden.
den Bescheid gemäß § 47 Abs. 1 KStG zum 31.12.2000
vom 7. Oktober 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.
September 2003 dahingehend zu ändern, dass ein Betrag in Höhe von 2
400 EUR als Bestandteil des EK 04 berücksichtigt wird, sowie den Bescheid
gemäß § 36 Abs. 7 KStG zum 31.12.2001 und den Bescheid betr. die
gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs.2, § 28
Abs. 1 Satz 3 und § 38 Abs. 1 KStG zum 31.12.2001, beide Bescheide vom
15. Mai 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. September
2003, ebenfalls im oben genannten Sinne zu ändern.
die Klage abzuweisen
Er verweist auf das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 31. März 2004 I R 72/03,
Sammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2004,
1423, wonach Einlageforderungen gliederungsrechtlich ausnahmslos und unabhängig
vom Grund ihres Entstehens erst im Zeitpunkt ihrer Erfüllung im EK 04 zu erfassen
seien. Gleiches ergebe sich auch aus der Regelung in Rz. 26 des Schreibens des
Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 4. Juni 2003 IV A 2 - S 2836 - 2/03,
Bundessteuerblatt - BStBl - II 2003, 366.
Dem erkennenden Gericht haben bei seiner Entscheidung sechs Bände Steuerakten
sowie zwei Heftungen mit Rechtsbehelfsvorgängen betr. die Klägerin (StNr.: …)
vorgelegen, auf deren Inhalt wegen der Einzelheiten des Sachverhalts sowie des
Beteiligtenvorbringens Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Feststellungsbescheide vom 7. Oktober
2002 bzw. 15. Mai 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 17. September
2003 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1
Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Erwerb des Rechtes auf den
Vorsteuerabzug aus dem Pkw-Ankauf vom 3. Februar 2000 ertragsteuerrechtlich als sog.
verdeckte Sacheinlage zu qualifizieren (gleicher Ansicht: Siebert, Der Betrieb - DB -
2005, 2208; Wied, in: Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 4 EStG Rz. 520 „Vorsteuerabzug“).
Nach der insbesondere zu Kapitalgesellschaften entwickelten Rechtsprechung des BFH
liegt eine verdeckte Einlage vor, wenn ein Gesellschafter oder ein ihm nahe stehende
Person der Kapitalgesellschaft (oder Personengesellschaft) einen einlagefähigen
Vermögensvorteil zuwendet, ohne dass der Gesellschafter hierfür neue
Gesellschaftsanteile erhält, und diese Zuwendung ihre Ursache im
Gesellschaftsverhältnis hat (vgl. nur BFH-Urteil vom 20. Juli 2005 X R 22/02, BFH/NV
2005, 2111 m.w.N.). Diese Tatbestandsmerkmale sind im Streitfall nach der
Überzeugung des erkennenden Gerichts erfüllt. Die ertragsteuerrechtliche Einordnung
des Erwerbs des Rechts auf den Vorsteuerabzug als Sacheinlage scheitert im Streitfall
insbesondere auch nicht daran, dass das Gesellschaftsrecht bei Kapitalgesellschaften
verlangt, dass die Sacheinlage der Gesellschaft zur freien Verfügung stehen muss (vgl. §
7 Abs. 3 des Gesetzes betr. die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG - und
§ 36 Abs. 2 des Aktiengesetzes - AktG - sowie zum Ganzen: K. Schmidt,
Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 20 II.3 u. § 54 II.2.a, und Gesell, Betriebs-Berater - BB -
2007, 2241 ff., 2242, jeweils m.w.N.). Letzteres ist hinsichtlich des Rechts auf den
Vorsteuerabzug nicht gegeben, da es sich um eine unselbständige
Besteuerungsgrundlage bei der Umsatzsteuer handelt (vgl. Wagner, in:
Sölch/Ringleb/List, UStG, § 15 Rz. 45).
Steuerlich von Interesse ist die Einlage im Hinblick auf die Korrektur der
Vermögensmehrung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG bei gewerblichen
Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften. Es gibt auch keine Maßgeblichkeit der
Handelsbilanz für die Einlage im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG (vgl. Roser, in: Gosch,
KStG, § 8 Rz. 88). Der Gläubigerschutz wird bei § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG nicht
berücksichtigt (vgl. Scheel, BB 1988, 1211 ff., 1213). Sinn und Zweck der Korrektur von
Vermögensmehrungen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG ist es nämlich, die Besteuerung
von steuerfreiem oder bereits versteuertem Vermögen zu verhindern (vgl. Heinicke, in:
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von steuerfreiem oder bereits versteuertem Vermögen zu verhindern (vgl. Heinicke, in:
Schmidt, EStG, 26. Aufl., § 4 Rz. 300 m.w.N.).
Nach Ansicht von Siebert, a.a.O., der sich das erkennende Gericht anschließt, folgt
daraus, dass eine Einlage gemäß § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG auch dann gegeben sein kann,
wenn eine Berücksichtigung im Gesellschaftsrecht an der freien Verfügbarkeit des
Vermögensgegenstandes scheitert. Eine ertragsteuerrechtliche Einlage ist danach
gegeben, wenn ein Aktivposten gemehrt oder ein Passivposten gemindert wird (vgl. dazu
auch BFH-Urteil vom 24. Mai 1984 I R 166/78, BStBl II 1984, 747). Folglich liegt im
Streitfall eine verdeckte Sacheinlage vor, weil die Umsatzsteuer-Zahllast gemindert bzw.
der Umsatzsteuer-Erstattungsanspruch der Klägerin erhöht wird.
Einlageforderungen sind aber gliederungsrechtlich ausnahmslos und unabhängig vom
Grund ihres Entstehens erst im Zeitpunkt ihrer Erfüllung im EK 04 zu erfassen. Dies folgt
aus der Behandlung der Ausschüttungen, die das verwendbare Eigenkapital erst
mindern, wenn sie abfließen. Dementsprechend dürfen Einlagen das verwendbare
Eigenkapital erst erhöhen, wenn sie zufließen; andernfalls könnte es zu Differenzen
kommen, wenn ein eingelegter, aber noch nicht zugeflossener Betrag ausgeschüttet
wird (vgl. dazu BFH-Urteile vom 29. Mai 1996 I R 118/93, BStBl II 1997, 92 und vom 31.
März 2004 I R 72/03, BFH/NV 2004, 1423 sowie Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 30
KStG Rz. 171). Die Erfüllung des Vorsteuererstattungsanspruchs seitens des Beklagten
ist hier aber erst am 22. April 2005 erfolgt, also zeitlich weit nach Ablauf der hiesigen
Streitjahre.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-.
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