Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 13.10.1994

FG Berlin: zahlungsunfähigkeit, gesellschafter, darlehensvertrag, fälligkeit, rückzahlung, begriff, rücklage, kopie, sammlung, mangel

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Gericht:
FG Berlin 9. Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
1995
Aktenzeichen:
9 K 9350/02
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 11 Abs 1 S 1 EStG 1990, § 8
Abs 1 EStG 1990, § 20 EStG
1990
Zufluss von Darlehenszinsen beim beherrschenden
Gesellschafter
Tatbestand
Der Kläger gründete mit notariellem Vertrag vom 13. Oktober 1994 zusammen mit
Frau xxx die xxxGmbH und wurde deren Geschäftsführer. Mit notariellem Vertrag vom
27. Februar 1996 verkaufte er seinen Geschäftsanteil von 60 000,00 DM an die
Gesellschaft bürgerlichen Rechts " xxxGbR mit beschränkter Haftung" für 60 000,00 DM.
Frau xxx veräußerte ihren Geschäftsanteil von insgesamt 40 000,00 DM in Höhe von 30
000,00 DM gleichfalls an diese GbR. Der Kaufpreis betrug 30 000,00 DM. Die GmbH, bei
der der Kläger nach Auflösung der GbR Alleingesellschafter ist, besteht noch immer. Es
wurde bislang auch kein Insolvenzantrag gestellt. Mit Vertrag vom 14. Oktober
1994 hatte Rechtsanwalt xxx als Sachverständiger im Konkursantragsverfahren über
das Vermögen der xxxGmbH u. a. das gesamte Warenlager sowie die Büro- und
Geschäftsausstattung dieser Gesellschaft an die neu gegründete xxx GmbH für ca. 265
000,00 DM verkauft. Nach einem Kontoauszug der xxx Bank xxx vom 17. Oktober 1994
verfügte die GmbH über ein Guthaben von 309 998,75 DM (Kontonummer: xxx), das auf
eine Überweisung des Klägers von 310 000,00 DM (Wert 18. Oktober) zurückzuführen
war. Der Kläger machte (im Klageverfahren) folgende Angaben zum Mittelzufluss:
Stammeinlagen
Darlehen Frau xxx an xxx GmbH
eigenes Darlehen gemäß Verträgen vom 20. September, 1.
Oktober und 17. Oktober 1994
Der Kläger verwies dabei zugleich auf verschiedene ihm gewährte Darlehen. So legte er
u. a. einen Darlehensvertrag vom 22. September 1994 vor. Danach erhielt der Kläger
von der xxx W im xxx ein sechsmonatiges Darlehen über 100 000,00 DM unter folgenden
Bedingungen:
"2. Darlehen wird sofort ausgezahlt.
3. Das Darlehen wird mit 12 % p. a. verzinst.
4. Die Zinsen sind bei Rückzahlung zahlbar.
5. Das Darlehen ist auf das Konto-Nr. xxx bei der xxx Bank BLZ xxx einzuzahlen."
Nach dem eingereichten Kontoauszug zu Kontonummer xxx wurde ihm ein Betrag über
100 000,00 DM am 4. Oktober 1994 unter der Bezeichnung "Vergütung" gutgeschrieben.
Ein weiterer zwischen ihm und der xxx W. am 22. März 1995 abgeschlossener
Darlehensvertrag über 100 000,00 DM hat u. a. folgenden Wortlaut:
"2. Das Darlehen wird sofort ausgezahlt.
3. Das Darlehen wird mit 12 % p. a. verzinst.
4. Die Zinsen sind bei Rückzahlung zahlbar.
5. Der Darlehensvertrag vom 22. September 1994 ist hiermit ungültig."
Schließlich legte der Kläger noch einen Vertrag vom 22. Mai 1995 (Nr. xxx) vor, der
ebenfalls ein Darlehen der xxx Wxxx über 100 000,00 DM zum Gegenstand hat. Darin
heißt es u. a.:
"2. Das Darlehen wird mit 12 % p. a. verzinst.
3. Die Zinsen sind bei Rückzahlung zahlbar.
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4. Der Darlehensvertrag Nr. xxx ist hiermit ungültig.
5. Der Vertrag ist befristet bis zum 31. Dezember 1995. "
Der Kläger hatte nach seinen Angaben der GmbH am 10. Dezember 1994 ein weiteres
Darlehen über 140 000,00 DM gewährt, das von seinem Konto am 15. Dezember 1994
abgebucht und aufgrund einer Überweisung seiner Mutter xxx ihm zuvor am 13.
Dezember 1994 gutgeschrieben wurde.
Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung 1995 gab er Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit und Vermietung und Verpachtung an. Der Beklagte setzte die
Einkommensteuer 1995 mit Bescheid vom 22. Dezember 1996 erklärungsgemäß auf 18
665,00 DM fest. Aufgrund seiner Beteiligung an der Nxxx Wxxx GbR wurden vom
Finanzamt xxx auf ihn entfallende gewerbliche Einkünfte in Höhe von 4 147,00 DM
festgestellt, die der Beklagte in dem nach § 175 Abgabenordnung -AO- geänderten
Bescheid vom 24. Oktober 1997 berücksichtigte und die Einkommensteuer 1995
berichtigt auf 20 283,00 DM festsetzte. Aufgrund einer Außenprüfung des Finanzamts
Kxxx bei der xxx GmbH betreffend die Jahre 1994 - 1996 erließ der Beklagte am 8.
August 2000 einen nunmehr nach § 173 AO geänderten Bescheid. Dabei legte er
Kapitaleinnahmen von 40 735,00 DM zugrunde, so dass sich eine Einkommensteuer von
35 797,00 DM ergab. Das Finanzamt xxx Kxxx teilte dem Beklagten mit Schreiben vom
11. Juli 2000 dabei folgenden Sachverhalt mit:
"Die Außenprüfung der o. g. Firma ergab, dass Herr xxx der GmbH folgende Darlehen
gewährte:
- 120 000,00 DM lt. Vertrag vom 20.09.1994
- 10 000,00 DM lt. Vertrag vom 01.10.1994
- 40 000,00 DM lt. Vertrag vom 17.10.1994
- 140 000,00 DM lt. Vertrag vom 10.12.1994
Die Darlehen sind mit 12 % verzinst. Die Zinsen wurden zum 31. Dezember 1994 dem
Darlehenskonto i. H. v. 5 886,67 DM gutgeschrieben.
1995 wurde ein weiteres Darlehen von 45 000,00 DM gewährt. Die Summe der Zinsen i.
H. v. 40 735,81 DM wurden zum 31. Dezember 1995 dem Darlehenskonto
gutgeschrieben. Lt. Umbuchungsliste 1996 wurde auf die zuvor verbuchten Zinsen für
1996 i. H. v. 42 600,00 DM zuzüglich Zinsen für 1995 (Summe: 83 335,81 DM) und einen
Darlehensbetrag von 300 000,00 DM verzichtet. Die Forderung lebt wieder auf, wenn die
Überschuldung der Firma beseitigt ist.
Lt. der eingereichten Bilanzen für 1994 und 1995 muss von einer Leistungsfähigkeit der
GmbH ausgegangen werden, da keine Überschuldung vorliegt. Ein Zufluss der Zinsen
muss unterstellt werden."
In einem weiteren Schreiben vom 14. Februar 2001 ergänzte das Finanzamt xxx Kxxx
seine bisherigen Ausführungen. Außerdem war ein zwischen dem Kläger und der durch
ihn vertretenen GmbH vereinbarter Forderungsverzicht vom 8. Februar 1998 in Kopie
beigefügt, der folgenden Wortlaut hat:
"Die xxxGmbH schuldet Herrn xxx zum 31.12.1996 438.335,81 DM aus
Darlehensverbindlichkeiten. In dieser Darlehensverbindlichkeit sind die aufgelaufenen
Zinsen enthalten.
Herr xxx verzichtet nunmehr auf eine Teilforderung in Höhe von 138.335,81 DM
(Darlehensstamm 55.000,00 DM und Zinsen in Höhe von 83.335,81 DM) mit der
Maßgabe, dass beide Parteien einen sogenannten Besserungsschein vereinbaren. Die
Forderung lebt wieder auf, wenn die Überschuldung beseitigt ist und die Gesellschaft in
der Lage ist, eine Rücklage in entsprechender Höhe zu bilden. Die Forderung lebt
ratierlich bereits wieder auf, sobald die Rücklage DM 20.000 übersteigt. Gesonderte
Zinsen fallen nicht an."
Im Einspruchsverfahren machte der Kläger u. a. geltend, dass er aufgrund der
verschiedenen Darlehensverträge gegenüber der xxx GmbH zwar einen Zinsanspruch
von 40 735,00 DM zum 31. Dezember 1995 gehabt habe und auch beherrschender
Gesellschafter gewesen sei, dass aber die GmbH nicht leistungsfähig gewesen sei. Bei
Leistungsunfähigkeit der GmbH könne ein Zufluss nach der Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs -BFH- aber nicht unterstellt werden (BFH-Urteil vom 14. Februar 1984
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Bundesfinanzhofs -BFH- aber nicht unterstellt werden (BFH-Urteil vom 14. Februar 1984
VIII R 221/80, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1984, 480). Es sei nicht erforderlich, dass eine
Konkurseröffnung beantragt worden sei oder hätte beantragt werden müssen. Eine
Zahlungsunfähigkeit nach der alten Konkursordnung sei teilweise dann angenommen
worden, wenn weniger als 50 % der Forderungen bedient worden seien. Die liquiden
Mittel hätten zum 31. Dezember 1995 lediglich 426,32 DM, die Verbindlichkeiten
gegenüber Kreditinstituten dagegen 157 969,01 DM betragen. Die Kontokorrentlinie sei
überschritten worden, eine Erweiterung der Kreditlinien sei von den Banken abgelehnt
worden. Der Einspruch blieb erfolglos. Der Beklagte führte u. a. aus:
Einem Alleingesellschafter oder beherrschenden Gesellschafter würden Beträge, die ihm
die GmbH schulde, bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit zufließen. Der beherrschende
Gesellschafter habe es kraft seiner Stellung in der GmbH in der Hand, sich fällige
Beträge auszahlen zu lassen. Diese Zuflussannahme sei davon abhängig, dass die
GmbH zum Fälligkeitstermin der Forderung zahlungsfähig sei (BFH-Urteil vom 14.
Februar 1984, VIII R 221/80, BStBl II 1984, 480). Sei der Schuldner zahlungsunfähig, so
liege trotz Gutschrift der Zinsen auf dem Darlehenskonto (Novation) grundsätzlich kein
Abfluss beim Schuldner und kein Zufluss beim Gläubiger vor. Als zahlungsunfähig in
diesem Sinne sei das auf dem Mangel an
Zahlungsmitteln beruhende dauernde Unvermögen des Schuldners anzusehen, seine
sofort zu erfüllenden Geldschulden im Wesentlichen zu berichtigen (BFH-
Rechtsprechung, u. a. Urteil 6. April 2000, IV R 56/99, Sammlung nicht amtlich
veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2000, 1191). Hätte sich die xxx
GmbH in einem solchen wirtschaftlichen Zustand bei Fälligkeit der Forderungen
befunden, hätte gemäß § 64 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit
beschränkter Haftung (GmbHG) innerhalb dreier Wochen Konkurs angemeldet werden
müssen, anderenfalls hätte eine strafbare Konkursverschleppung vorgelegen. Schon die
Tatsache, dass eine solche Anmeldung nicht erfolgt sei, sei ein Indiz dafür, dass die
GmbH nicht anhaltend zahlungsunfähig gewesen sei. Mit der Illiquidität der Gesellschaft
im Sinne der BFH-Rechtsprechung nicht zu verwechseln seien vorübergehende
Zahlungsschwierigkeiten. Auch könne von Illiquidität nicht gesprochen werden, wenn die
GmbH der Forderung des Klägers nachrangige Forderungen anderer Gläubiger beglichen
habe, so dass ihr zur Begleichung der Forderungen des Klägers keine Mittel mehr
verblieben seien, oder wenn sie vorhandene Mittel für Zwecke verwendet habe, die ihr im
Interesse einer erfolgreichen Betriebsführung vordringlich erschienen seien.
Im Streitfall habe zum 31. Dezember 1995, dem Fälligkeitszeitpunkt der Zinsforderung,
sicherlich ein Zahlungsengpass vorgelegen. Deshalb habe die GmbH Forderungen, die
ihr am dringlichsten erschienen seien, beglichen und der Kläger habe auf den sofortigen
Ausgleich seiner Zinsforderungen verzichtet und sein Darlehenskonto um den Betrag
aufgestockt. Nach der ständigen BFH-Rechtsprechung (z. B. Urteil vom 22. Mai 1973, VIII
R 97/70, BStBl II 1973, 815) könne ein dem beherrschenden Gesellschafter von der
Gesellschaft geschuldeter Betrag nur dann nicht als zugeflossen im Sinne von § 11
Einkommensteuergesetz -EStG- behandelt werden könne, wenn die Gesellschaft in dem
maßgebenden Zeitpunkt konkursreif sei und die zur Begleichung ihrer Verbindlichkeit
notwendigen Mittel infolge ihrer wirtschaftlichen Lage unter keinen Umständen flüssig
machen könne. Im Streitfall sei mit der Gutschrift auf dem Darlehnskonto der Betrag als
dem Kläger zugeflossen anzusehen. Die GmbH habe liquide Mittel zur Begleichung von
anderweitigen Forderungen eingesetzt, die ihr am Wichtigsten erschienen seien.
Anhaltspunkte dafür, dass sie konkursreif gewesen sei, könnten nicht festgestellt
werden, weshalb die Zinsen bei den Einnahmen aus Kapitalvermögen des
Veranlagungszeitraums zu erfassen seien.
Hiergegen richtet sich die Klage, zu deren Begründung der Kläger u. a. ergänzend
vorträgt: Nach der BFH-Rechtsprechung scheide auch bei einem beherrschenden
Gesellschafter eine Zurechnung von Kapitaleinnahmen bereits bei Fälligkeit der
Forderung aus, wenn die Auszahlung infolge Illiquidität der GmbH unterbleibe. Illiquidität
bedeute dabei, dass die Gesellschaft nicht nur vorübergehend außerstande sei, den
Betrag zu zahlen. Zur Auslegung müsse auf den konkursrechtlichen Begriff der
Zahlungsunfähigkeit abgestellt werden. Wesentlich sei danach die Liquiditätslage im
betreffenden Zeitpunkt. Dabei sei auf das Deckungsverhältnis zwischen den fälligen
Zahlungsverpflichtungen einerseits und den vorhandenen Geldmitteln und disponiblen
Krediten andererseits abzustellen. Auf die Werte des Anlage- und des übrigen
Umlaufvermögens komme es nicht an. Vorrangig seien zudem, die ernstlich
eingeforderten Verbindlichkeiten zu erfüllen. Ein dauerndes Unvermögen sei bereits
dann gegeben, wenn diese schlechte Liquiditätslage zwei bis drei Monate andauere.
Diese Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt, da die Barliquidität zum Stichtag nur
436,23 DM betragen habe (vgl. BFH-Urteile vom 22. Mai 1973, VIII R 97/70, BStBl II 1973,
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436,23 DM betragen habe (vgl. BFH-Urteile vom 22. Mai 1973, VIII R 97/70, BStBl II 1973,
815 sowie vom 14. Februar 1984, VIII R 221/80, BStBl II 1984, 480). Die
Konkursantragspflicht gemäß § 64 GmbHG wegen Zahlungsunfähigkeit sei ihm nicht
bewusst gewesen. Im Übrigen sei ein Konkursantrag allenfalls ein Indiz für die
Zahlungsunfähigkeit.
Der Kläger beantragt, den Einkommensteuerbescheid 1995 vom 8. August 2000 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. August 2002 zu ändern und die
Einkommensteuer 1995 ohne Berücksichtigung von Kapitaleinkünften festzusetzen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte sieht sich aufgrund der Ermittlungen im Klageverfahren in seiner
Rechtsauffassung bestätigt.
Das Gericht hat mit Beschlüssen vom 27. Februar 2004 und vom 23. Dezember 2004
die schriftliche Beantwortung verschiedener Beweisfragen zu einzelnen
Kontenbewegungen durch die xxx Bank xxx in xxx angeordnet (§ 82
Finanzgerichtsordnung -FGO- i. V. m. § 377 Abs. 3 Zivilprozessordnung -ZPO-).
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat mit Schriftsatz vom 28. Juli 2004 u. a. die
Kontoauszüge des für die xxxGmbH bei der xxx Bank xxxgeführten Kontos (Nr.: xxx) des
Zeitraums 14. Oktober 1994 bis 31. Dezember 1995 nebst Anlagen in Kopie übersandt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Streitakten verwiesen.
Dem Gericht haben zwei Band Einkommensteuerakten zur Steuernummer xxx
vorgelegen und es hat zwei Band Registerakten (xxx GmbH-HRB xxx) beigezogen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet, da die streitigen Zinsen als zugeflossen im Sinne des § 11
EStG gelten.
Nach § 11 EStG sind Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem
Steuerpflichtigen regelmäßig zugeflossen sind. Eine Besonderheit gilt u. a. bei
beherrschenden Gesellschaftern. Die Rechtsprechung fingiert den Zufluss ohne
Zahlung/Gutschrift bei fälligen Forderungen, da der beherrschende Gesellschafter es
kraft seiner Stellung in der GmbH in der Hand hat, sich fällige Beträge auszahlen zu
lassen. Hierdurch soll verhindert werden, dass einerseits Verbindlichkeiten
gewinnmindernd passiviert werden, andererseits Einnahmen beim Gläubiger nicht
erfasst werden, obwohl er den Zeitpunkt des Zuflusses aufgrund seiner beherrschenden
Stellung in der Gesellschaft bestimmen kann. Von dieser Auffassung ist der BFH auch in
letzter Zeit nicht abgerückt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 28. Juli 1997, VIII B 68/96, BFH/NV
1998, 29 sowie vom 27. Mai 2004, VI B 69/02, BFH/NV 2004, 1405). Dieser Beurteilung
schließen sich auch die Beteiligten an.
Ebenso unstreitig ist die Höhe der entstandenen Zinsen. Der Kläger macht allerdings
geltend, dass diese Besonderheit des § 11 EStG nicht gelte, da die GmbH zum 31.
Dezember 1995 nicht zahlungsfähig gewesen sei.
Der Kläger beruft sich hierbei auf die Zivilrechtsprechung, die im Streitfall-
Veranlagungszeitraum 1995 - zur Konkursordnung ergangen ist. Nach früherem Recht
setzte der Konkursgrund der Zahlungsunfähigkeit (§ 102 KO) voraus, dass der Schuldner
dauernd unvermögend war, seine Zahlungsverpflichtungen im Wesentlichen zu erfüllen.
Dabei wurden die verfügbaren Mittel zu den insgesamt fälligen
Zahlungsverbindlichkeiten ins Verhältnis gesetzt. Es musste ermittelt werden, ob die
Zahlung oder die Nichtzahlung Regel oder Ausnahme war. Im Schrifttum wurde
Zahlungsunfähigkeit angenommen, wenn 10 % bis 25 % der fälligen Forderungen
ungedeckt waren (so BGH-Urteil vom 24. Mai 2005, IX ZR 123/04, GmbHR 2005, 1117).
Nach § 17 Abs. 2 S. 1 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage
ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Auf die Merkmale der "Dauer" und der
"Wesentlichkeit" hat der Gesetzgeber der Insolvenzordnung bei der Umschreibung der
Zahlungsunfähigkeit verzichtet. So wie nach der Konkursordnung der Begriff der
dauernden Zahlungsunfähigkeit zeitlich begrenzt wurde, ist auch nach der
Insolvenzordnung die bloße Zahlungsstockung noch keine Zahlungsunfähigkeit. Inwieweit
die Insolvenzordnung zu weiteren Unterschieden gegenüber der Konkursordnung führt,
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die Insolvenzordnung zu weiteren Unterschieden gegenüber der Konkursordnung führt,
muss im Streitfall aus den o. g. Gründen nicht entschieden werden. Die von der
Zivilrechtsprechung aufgestellten Grundsätze zur Zahlungsunfähigkeit im Rahmen der
Konkursordnung hat der BFH in seinen Entscheidung zu § 11 EStG beachtet. Nach
seinem Urteil vom 6. April 2000, IV R 56/99 (BFH/NV 2000, 1191) ist Zahlungsunfähigkeit
das auf dem Mangel an Zahlungsmitteln beruhende dauernde Unvermögen des
Schuldners anzusehen, seine sofort zu erfüllenden Geldschulden noch im Wesentlichen
zu berichtigen. Nach dem in dieser Entscheidung zitierten Urteil vom 22. Mai 1973, VIII R
97/70 (BStBl II 1973, 815) liegt eine derartige Illiquidität nicht bereits deshalb vor, weil
der Gesellschaft keine eigenen Mittel zur Verfügung standen. Es genügt, wenn sich die
Gesellschaft die zur Erfüllung der Forderung notwendigen Mittel durch Kreditaufnahme
hätte verschaffen können.
Es darf bei der steuerrechtlichen Beurteilung auch nicht übersehen werden, dass die
Besonderheit im Rahmen des § 11 EStG nur deshalb gilt, weil der Alleingesellschafter
(oder beherrschende Gesellschafter) es kraft seiner Stellung in der Hand hat, sich fällige
Beträge auszahlen zu lassen (vgl. BFH-Urteil vom 14. Februar 1984, VIII R 221/80, BStBl
II 1984, 480). Wegen der weitgehenden Identität der Interessen der Gesellschaft und des
beherrschenden Gesellschafters ist die Frage des Zuflusses streng zu beurteilen, da es
sonst dem Gesellschafter überlassen bliebe, den Gewinn der Gesellschaft um die
Vergütungen zu kürzen, ohne die Vergütungen als Einnahmen zu versteuern. Bei
Beachtung dieser Grundsätze schließt sich der Senat der rechtlichen Würdigung des
Beklagten an, nach der die GmbH zum 31. Dezember 1995 nicht als zahlungsunfähig
angesehen werden kann. Hierbei sind nach Überzeugung des Gerichts folgende Punkte
wesentlich:
1. Der Kläger stellte bis heute keinen Konkurs- bzw. Insolvenzantrag für die GmbH (vgl. §
64 GmbHG), obwohl der Prozessbevollmächtigte nach Aktenlage auch für die Erstellung
der Bilanzen der GmbH zuständig war (vgl. hierzu, BFH-Urteil vom 22. Mai 1973, VIII R
97/70, BStBl II 1973, 815).
2. Der Kläger sowie Frau xxx verkauften im Februar 1996 ihre Geschäftsanteile ohne
Abschlag an die GbR "xxx GbR mit beschränkter Haftung.
3. Die xxx Bank duldete die Kontoüberziehung, obwohl sie keinen Dispositionskredit
eingeräumt hatte. Dabei schwankte der Sollsaldo erheblich und betrug am 3. Mai 1995
schon 96 546,12 DM, am 27. Dezember 1995 27 638,93 DM sowie am 31. Dezember
1995 68 701,22 DM. Es bleibt unklar, weshalb die streitigen Zinsen nicht hätten gezahlt
werden können bzw. weshalb andere Forderungen zwischen dem 27. Dezember 1995
und 31. Dezember 1995 beglichen werden mussten.
4. Das für die Besteuerung der GmbH zuständige Finanzamt xxx Kxxx stellte im
Rahmen der Betriebsprüfung keine Überschuldung zum 31. Dezember 1995 fest.
Aufgrund dieser Indizien kann der Senat keine Zahlungsunfähigkeit im Sinne der
Konkursordnung feststellen (vgl. auch BFH-Urteil vom 5. Oktober 2004, VIII R 9/03,
BFH/NV 2005, 526).
Anhaltspunkte dafür, dass die festgestellten Zinseinnahmen um an andere Gläubiger
geleistete Zinsen zu kürzen sind, liegen nicht vor. Ein derartiger Sachverhalt wurde auch
nicht vorgetragen (vgl. Schriftsatz des Beklagten vom 1. November 2004; Schriftsatz
des Prozessbevollmächtigten vom 28. Juli 2004).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-.
Den Streitwert hat das Gericht gemäß §§ 13, 25 Gerichtskostengesetz -GKG- a. F.
festgesetzt.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 115 Abs. 2 FGO).
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