Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 14.03.2017

FG Berlin-Brandenburg: rückstellung, urlaub, vollziehung, bilanzstichtag, geschäftsjahr, unternehmen, vergütung, diebstahl, verbindlichkeit, auflage

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Gericht:
Finanzgericht Berlin-
Brandenburg 12.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahre:
2001, 2002, 2003
Aktenzeichen:
12 V 12238/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 5 Abs 1 EStG, § 249 Abs 1
HGB, § 69 Abs 2 S 2 FGO, § 69
Abs 3 S 1 FGO, § 11 BUrlG
Bildung einer Rückstellung: für Urlaub bei abweichendem
Wirtschaftsjahr, für Stromkosten und Heizkosten
Leitsatz
1. Die Höhe einer Rückstellung für rückständigen Urlaub bemisst sich nach dem
Urlaubsentgelt, das der Arbeitgeber hätte aufwenden müssen, wenn er seine
Zahlungsverpflichtung bereits am Bilanzstichtag erfüllt hätte. Maßgeblich ist der
Durchschnittsverdienst der letzten 13 Wochen vor dem Urlaubsantritt. Bei abweichendem
Wirtschaftsjahr ist der anteilige Betrag zurückzustellen.
2. Zur Nachweispflicht des Steuerpflichtigen bei Bildung von Rückstellungen (hier für
Stromkosten und wegen Diebstahls von Kommissionsware)
Tenor
Die Vollziehung der Bescheide über Gewerbesteuer und Gewerbesteuermessbetrag für
2002 und 2003, Körperschaftsteuer 2002 und 2003 sowie gesonderte Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen zum 30. Juni 2002 und 30. Juni 2003, sämtlich vom 07.
Dezember 2007, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. November 2008, wird
insoweit bis zum Ablauf eines Monat nach Ergehen einer rechtskräftigen Entscheidung
über die Klage in dem Verfahren 12 K 12237/08 ausgesetzt, als der Beklagte einen
Darlehenszinssatz für das am 17. März 2002 der B... GmbH gewährte Darlehen von
mehr als 9 % angesetzt und die Rückstellung für rückständigen Urlaub zum 30. Juni 2002
vermindert hat.
Im Übrigen der wird Antrag abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.
Tatbestand
Die Antragstellerin handelt mit Teppichen und Bodenbelägen und führt die
dazugehörigen Dienstleistungen aus. Ihr Geschäftsjahr ist der Zeitraum vom 01. Juli bis
zum 30. Juni. Der Antragsgegner nahm bei der Antragstellerin in den Jahren 2006 und
2007 eine Außenprüfung für die Streitjahre vor. Danach änderte der Antragsgegner die
Höhe der Zinsforderung für Darlehen an eine B... GmbH sowie die Ansätze der
Rückstellungen für Urlaub, Strom, Heizung und Diebstahl. Dem lagen folgende
Sachverhalte zugrunde:
Die Antragstellerin gewährte der B... GmbH laufend Darlehen. Für einen Teil der
Darlehensgewährungen lagen Verträge vor, in denen in einem Fall Zinsen in Höhe von 5
% (Vertrag im Juli 2002), in einem Fall Zinsen in Höhe von 9 % (Vertrag im November
2002) und in zwei Fällen (Verträge im Juli und September 2002) Zinsen in Höhe 9,5 %
vereinbart waren. Alle Verträge enthielten den Zusatz „Weitere gewährte Darlehen
unterliegen diesen Vertragsbedingungen und bedürfen keiner besonderen Schriftform.“
Für ein Darlehen über € ... im März 2003 legte die Antragstellerin keinen Vertrag vor.
Das zuvor hingegebene Darlehen im November 2002 war mit 9 % zu verzinsen. Der
Antragsgegner setzte insoweit einen Zinssatz von 9,5 % an und ermittelte danach einen
Zinsbetrag in Höhe von € ....
Im September 2000 schloss die Antragstellerin einen Geschäftsführer-
Anstellungsvertrag mit Herrn F. Unter § 3 (Vergütung) war geregelt, dass F am Anfang
auf eine regelmäßige Vergütung verzichte. Unter § 8 wurde ein Urlaubsanspruch von 36
Kalendertagen im Jahr vereinbart. Am 28. Dezember 2001 schlossen die Antragstellerin
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Kalendertagen im Jahr vereinbart. Am 28. Dezember 2001 schlossen die Antragstellerin
und F eine Nachtragsvereinbarung zu dem Anstellungsvertrag, nach der F ab dem 01.
Januar 2002 eine monatliche Vergütung in Höhe von € ... erhalten sollte. Die
Antragstellerin wies zum 30. Juni 2002 eine Urlaubsrückstellung in Höhe von € ... und
zum 30. Juni 2003 eine Urlaubsrückstellung in Höhe von € ... aus. Bemessungsgrundlage
waren insoweit ein Bruttoarbeitslohn des F in Höhe von € ... in der Zeit vom 01. Juli 2001
bis zum 30. Juni 2002 (12 x € ...) und in Höhe von € ... in der Zeit vom 01. Juli 2002 bis
30. Juni 2003 (12 x € ... + € ...). Der Antragsgegner setzte demgegenüber für den
Zeitraum vom 01. Juli 2001 bis zum 30. Juni 2002 einen Bruttoarbeitslohn des F in Höhe
von € ... (6 x € ...) und für den Zeitraum 01. Juli 2002 bis 30. Juni 2003 einen
Bruttoarbeitslohn des F in Höhe von € ... (12 x € ...) an. Danach verminderte sich die
Urlaubsrückstellung zum 30. Juni 2002 um € ... und zum 30. Juni 2003 um € ....
Die Antragstellerin wies Rückstellungen für Strom in Höhe von DM ... zum 30. Juni 2001,
€ ... zum 30. Juni 2002 und € ... zum 30. Juni 2003 aus. Laut Mietvertrag sollte der Strom,
soweit möglich, unmittelbar vom Versorgungsunternehmen bezogen werden. Die
Antragstellerin legte dazu allerdings keine Abrechnungen oder Belege über
Zählerstände bzw. Zählerablesungen vor. Der Antragsgegner schätzte daher den
Stromverbrauch auf 5000 kWh pro Jahr und berücksichtigte lediglich eine Rückstellung in
Höhe von DM ... zum 30. Juni 2001, € ... zum 30. Juni 2002 und € ... zum 30. Juni 2003.
Weiter wies die Antragstellerin Rückstellungen für Heizkosten in Höhe von DM ... zum 30.
Juni 2001, € ... zum 30. Juni 2002 und € ... zum 30. Juni 2003 aus. Laut Mietvertrag war
eine Betriebskostenvorauszahlung von netto DM ... vereinbart worden, die die
Antragstellerin auch gezahlt hatte. Der Antragsgegner versagte die Berücksichtigung
der Rückstellung für Heizung, und zwar zum einen, weil die Antragstellerin Unterlagen,
die die Bildung einer Rückstellung gerechtfertigt hätten, nicht vorgelegt hatte, und zum
anderen, weil er davon ausging, dass mittlerweile eine Ausschlussfrist abgelaufen sei,
innerhalb derer der Vermieter Nachforderungen hätte geltend machen können, so dass
mit Nachforderungen auf Heizkosten endgültig nicht mehr zu rechnen gewesen sei.
Zum 30. Juni 2001 wies die Antragstellerin eine Rückstellung für Diebstahl in Höhe von
DM ... aus, deren Anerkennung der Antragsgegner ebenfalls versagte, weil
Diebstahlsverluste sich bereits im Rahmen des Wareneinsatzes auswirkten.
Am 03. Dezember 2007 erließ der Antragsgegner entsprechend geänderte
Steuerbescheide. Der Einspruch der Antragstellerin dagegen hatte keinen Erfolg
(Einspruchsentscheidung vom 25. November 2008). Den gleichzeitig gestellten Antrag
auf Aussetzung der Vollziehung lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 22. Januar
2008 ab. Gegen die Einspruchsentscheidung hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom
19. Dezember 2008 Klage erhoben, die bei dem beschließenden Senat unter dem
Aktenzeichen 12 K 12237/08 anhängig ist und über die der Senat noch nicht entschieden
hat.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass als Zinssatz für das der B... gewährte
Darlehen der Basiszinssatz hätte gewählt werden müssen.
Hinsichtlich der Urlaubsrückstellung trägt sie vor, dass es zwar zutreffe, dass ein
Anspruch des F auf Urlaubsgeld nicht bestanden habe, dass sie aber gleichwohl eine
Rückstellung für den Fall habe bilden müssen, dass F aus dringenden betrieblichen
Gründen seinen Urlaub nicht würde nehmen können; in diesem Fall hätte er nämlich
einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung in Geld gehabt. Für die Kürzung der Rückstellung
bestehe daher kein Grund; die von der Prüferin insoweit gegebene Begründung sei auch
nicht ausreichend.
Zu der Rückstellung für Stromkosten macht die Antragstellerin geltend, dass es
unverständlich sei, dass für eine Fläche von X... m
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ein Jahresstromverbrauch von € ...
angesetzt werde. Für die Unternehmen C... GmbH, D... Center B... und E... Center H...
lägen Vergleichszahlen vor, die ihre, der Antragstellerin, Schätzung stützten. Das
Unternehmen C... GmbH habe eine vergleichbare Größe wie ihr, der Antragstellerin,
Betrieb. Dort werde ein monatlicher Abschlag in Höhe von € ..., pro Jahr also ein Betrag
in Höhe von € ... gezahlt. Nach Abzug der Umsatzsteuer betrage der jährliche Aufwand
für Strom dort also € .... Die von der Prüferin des Antragsgegners angesetzten Beträge
seien angesichts dieser Umstände völlig aus der Luft gegriffen. Ihr, der Antragstellerin,
jährlicher Stromverbrauch betrage nicht 5000 kWh, sondern weit über 75 000 kWh. Die
Antragstellerin hat im Klageverfahren bzw. Verfahren über die Aussetzung der
Vollziehung eine an ihren Bevollmächtigten gerichtete Rechnung der „Strom AG“
vorgelegt, in der für die Zeit vom 03. April 2007 bis 07. April 2008 rund 13 000 kWh
Strom berechnet werden. Sie trägt dazu vor, dass diese Rechnung eine Fläche von 300
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Strom berechnet werden. Sie trägt dazu vor, dass diese Rechnung eine Fläche von 300
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Büroraum betreffe. Umgerechnet auf die von ihr genutzte Fläche wäre danach
mindestens ein Verbrauch von 108 000 kWh jährlich anzusetzen. Weiter hat sie einen
Vertrag einer F... GmbH, ..., mit der ... Elektrizitäts-Werke AG (...EW) über die Versorgung
mit elektrischer Energie und eine an eine G... GmbH, ..., gerichtete Rechnung über rund
74 000 kWH Strom vorgelegt. Keiner der eingereichten Unterlagen lässt sich
entnehmen, wie groß die jeweils mit Strom versorgte Fläche ist.
Im Hinblick auf die Rückstellung für Heizkosten vertritt die Antragstellerin die Ansicht,
dass ein Laden mit einer Größe von X... m
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nicht völlig unbeheizt gewesen sein könne.
Heizkosten seien auf jeden Fall angefallen, weshalb die entsprechende Rückstellung in
voller Höhe zu gewähren sei. Ihr Vergleichsunternehmen in H... habe im Kalenderjahr
2000 einen monatlichen Vorschuss in Höhe von DM ... gezahlt; das entspreche einer
jährlichen Rückstellung von DM .... Aufgrund der gestiegenen Gaspreise seien
Preissteigerungen zu berücksichtigen, so dass sich die von ihr, der Antragstellerin,
angesetzten Werte absolut im Rahmen des Üblichen bewegten. Eine Ausschlussfrist zu
Lasten des Vermieters, wie von dem Antragsgegner angenommen, gebe es bei
Mietverträgen über Gewerberäume nicht.
Die Antragstellerin weist darauf hin, dass in den Rückstellungen für Strom, Gas, Wasser
usw. Grundsteuern in nicht unerheblicher Höhe sowie alle weiteren anderen Kosten zu
berücksichtigen seien. Die in dem Mietvertrag festgesetzten Vorauszahlungen reichten
dafür bei weitem nicht aus, so dass die von ihr, der Antragstellerin, gebildeten
Rückstellungen gerechtfertigt seien.
Zu der Rückstellung für Diebstahl erläutert die Antragstellerin, dass ihr
Kommissionsware gestohlen worden sei. Es habe sich um Ware eines Unternehmens
namens H... gehandelt. Sie, die Antragstellerin, habe dafür aufzukommen gehabt und
sei dieser Verpflichtung auch im Geschäftsjahr 2005/2006 durch Zahlung bzw.
Verrechnung nachgekommen. Gegen diesen Verlust sei sie, die Antragstellerin, auch
nicht versichert gewesen. Es sei üblich, dass bei Kommissionsverträgen schriftliche
Vereinbarungen fehlten. Solche Verträge würden regelmäßig mündlich geschlossen. Die
Antragstellerin hat dazu diverse Unterlagen die Diebstahlsanzeige und die Einstellung
des eingeleiteten Verfahrens betreffend eingereicht.
Die Antragstellerin beantragt, die Vollziehung der Bescheide über Gewerbesteuer und
Gewerbesteuermessbetrag für 2001, 2002 und 2003, Körperschaftsteuer 2001, 2002
und 2003 sowie gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zum 30. Juni
2001, 30. Juni 2002 und 30. Juni 2003, sämtlich vom 07. Dezember 2007, in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 25. November 2008, bis einen Monat nach Ergehen einer
rechtskräftigen Entscheidung über die Klage in dem Verfahren 12 K 12237/08
auszusetzen.
den Antrag abzuweisen,
Entscheidungsgründe
Der Antrag hat nur teilweise Erfolg.
1. Der Antrag ist zulässig, aber nur in geringem Umfang begründet.
a) Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll
die Vollziehung eines angefochtenen Steuerbescheides ausgesetzt werden, wenn
ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den
Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene
Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH), der der beschließende Senat sich
anschließt, vor, wenn neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen
gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die
Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder
Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (BFH-Beschluss vom 17.
Dezember 1998 – I B 101/98, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs –
BFH/NV – 1999, 753; gl.A. Koch in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 6. Auflage 2006, § 69
Rn. 86, m.w.N.)
b) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide in diesem
Sinne bestehen hinsichtlich der Urlaubsrückstellung für das Jahr 2002 und hinsichtlich
des vom Antragsgegner angesetzten Zinssatzes bezüglich der Darlehensforderung
gegenüber der B... GmbH. Im Übrigen erweisen sich die Bescheide nach der in dem
Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung gebotenen summarischen Prüfung als
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Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung gebotenen summarischen Prüfung als
rechtmäßig.
aa) Der Darlehenszinssatz für das im März 2003 der B... GmbH gewährte Darlehen war
nicht mit 9,5 %, sondern mit 9 % anzusetzen. Dem Antragsgegner ist zwar darin
zuzustimmen, dass ein Ansatz zum Basiszinssatz nicht in Betracht kommt, da keine
Abreden oder sonstige Anhaltspunkte ersichtlich sind, die darauf schließen lassen, dass
dieser Zinssatz von den Vertragsparteien hätte gewollt sein können. Der Antragsgegner
hat auch zutreffend auf die in den übrigen Darlehensverträgen enthaltene Bestimmung,
dass weitere Darlehen keiner schriftlichen Abrede bedürften, sondern dass insoweit die
in dem jeweiligen Darlehensvertrag getroffenen Vereinbarungen gelten sollten,
abgestellt. Allerdings ist in dem der hier streitigen Darlehensgewährung vorausgehenden
Vertrag, dem Darlehensvertrag im November 2002, ein Zinssatz von 9 % vereinbart
worden. Der Senat hält es für näherliegend, diese Regelung auf den ohne schriftliche
Vereinbarung geschlossenen Darlehensvertrag anzuwenden als eine zeitlich weiter
zurückliegende oder eine erst in der Zukunft liegende. In Höhe des insoweit zu hoch
angesetzten Zinsbetrages ist die Vollziehung der das Geschäftsjahr 2002/2003
betreffenden angefochtenen Bescheide auszusetzen.
bb) Die von der Antragstellerin gebildeten Rückstellungen hat der Antragsgegner
überwiegend zu Recht vermindert bzw. aufgelöst.
(1) Nach § 249 Abs.1 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) sind Rückstellungen u. a.
für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Die Vorschrift enthält einen Grundsatz
ordnungsmäßiger Bilanzierung und statuiert eine handelsrechtliche Passivierungspflicht,
die nach § 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auch steuerrechtlich zu
beachten ist (BFH-Urteile vom 13. Dezember 2007 - IV R 85/05, Bundessteuerblatt –
BStBl. – II 2008, 516, unter II.2 der Gründe; vom 19. August 2002 – VIII R 30/01, BStBl. II
2003, 131, unter II.1. der Gründe). Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für
ungewisse Verbindlichkeiten ist das Bestehen einer dem Betrag nach ungewissen
Verbindlichkeit oder die hinreichende Wahrscheinlichkeit der Entstehung einer
Verbindlichkeit dem Grunde nach – deren Höhe zudem ungewiss sein kann – und ihre
wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag (BFH in BStBl. II 2008,
516 aaO.; in BStBl. II 2003, 131, unter II.1.a) der Gründe). Der Höhe nach sind
Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten mit dem Erfüllungsbetrag anzusetzen
(BFH in BStBl. II 2003, 131, unter II.3. der Gründe), also mit dem Betrag, den der
Steuerpflichtige zur Erfüllung der ungewissen Verbindlichkeit voraussichtlich
aufzuwenden haben wird.
(2) Nach diesen Grundsätzen war die Rückstellung für rückständigen Urlaub zum 30. Juni
2002 nicht zu vermindern. Die Rückstellung für rückständigen Urlaub zum 30. Juni 2003
hat der Antragsgegner hingegen zu Recht gekürzt.
Rückständige Urlaubsverpflichtungen sind als sog. Erfüllungsrückstand zurückzustellen
(Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 4. Auflage 2006, Rn. E 1606). Die Höhe der Rückstellung
bestimmt sich nach dem Urlaubsentgelt, das der Arbeitgeber hätte aufwenden müssen,
wenn er seine Zahlungsverpflichtung bereits am Bilanzstichtag erfüllt hätte. Dafür ist –
wovon ersichtlich auch die Beteiligten übereinstimmend ausgehen – der maßgebliche
Lohnaufwand durch die Zahl der regulären Arbeitstage zu dividieren und mit der Zahl
der offenen Urlaubstage zu vervielfachen (vgl. BFH-Urteil vom 10. März 1993 - I R 70/91,
BStBl. II 1993, 446; BFH-Beschluss vom 29. Januar 2008 – I B 100/07, BFH/NV 2008,
934). Bei abweichendem Wirtschaftsjahr ist die Rückstellung zeitanteilig zu bemessen,
d.h. sie kann nur insoweit gebildet werden, als sie Urlaub betrifft, der auf den vor dem
Bilanzstichtag liegenden Teil des Urlaubsjahres entfällt (BFH-Urteil vom 26. Juni 1980 – IV
R 35/74, BStBl. II 1980, 506; Beck´scher Bilanz-Kommentar, 6. Auflage 2006, § 249 Rn.
100 Stichwort „Urlaub“; Winnefeld aaO., Rn. E 1606; Maus, ABC der Rückstellungen,
2008, S. 260). Auch insoweit besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.
Maßgeblicher Lohnaufwand ist derjenige Lohnaufwand, der in dem Fall, dass der
Steuerpflichtige nicht genommenen Urlaub zu vergüten hat, der Vergütung
zugrundezulegen ist. In Ermangelung tarifvertraglicher oder individualvertraglicher
Abreden ist insoweit § 11 des Mindesturlaubsgesetzes für Arbeitnehmer (BUrlG)
anzuwenden, nach dem sich die Höhe des Urlaubsentgelts nach dem
Durchschnittsverdienst der letzten 13 Wochen vor dem Urlaubsantritt bemisst (Beck
´scher Bilanz-Kommentar aaO.; Maus aaO., S. 256). Für die Rückstellungsbildung tritt an
die Stelle des Urlaubsbeginns der Bilanzstichtag (Maus aaO.), so dass für den hier
vorliegenden Fall der Zeitraum vom 01. April bis zum 30. Juni zu betrachten ist. Zwar
wird es als in der Regel nicht zu beanstanden angesehen, wenn aus
Vereinfachungsgründen der Jahresverdienst angesetzt wird (Maus aaO., S. 256 f.); dies
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Vereinfachungsgründen der Jahresverdienst angesetzt wird (Maus aaO., S. 256 f.); dies
gilt jedoch nicht, wenn sich bei einem abweichenden Wirtschaftsjahr der Verdienst im
zweiten Urlaubs-/Kalenderjahr gegenüber dem ersten Urlaubs-/Kalenderjahr verändert.
Das von dem Arbeitnehmer zu beanspruchende Urlaubsentgelt bemisst sich dann
nämlich gerade nicht nach dem Durchschnittswert seiner Bezüge während des
Wirtschaftsjahres seines Arbeitnehmers, sondern gemäß § 11 BUrlG nach dem zuletzt
bezogenen Lohn oder Gehalt.
Für die Rückstellung 2002 durfte die Antragstellerin demzufolge die Urlaubsrückstellung
auf der Basis eines Gehalts von € ... geteilt durch die Anzahl der regulären Arbeitstage
eines Jahres – oder, was zum selben Ergebnis führt, auf der Basis des Gehalts für April
bis Juni 2002 geteilt durch die Anzahl der regulären Arbeitstage der Monate April bis Juni
2002 – bilden.
Für das Geschäftsjahr 2002/2003 hat der Antragsgegner der Rückstellungsbildung
hingegen zu Recht einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von € ... und nicht von € ... zugrunde
gelegt, denn ein über diesen Betrag hinausgehender Gehaltsanspruch stand F nicht zu.
(3) Die Rückstellungen für Stromkosten dürfte der Antragsgegner ebenfalls zu Recht
vermindert haben. Die Bildung einer solchen Rückstellung kommt insoweit in Betracht,
als das Unternehmen zum Bilanzstichtag noch mit Aufwendungen für Strom für das
abgelaufene Geschäftsjahr zu rechnen hat, aber die Höhe dieser Aufwendungen nicht
sicher feststellbar ist. Danach war im Grunde die Bildung einer Rückstellung für
Stromkosten gerechtfertigt, denn die Antragstellerin gewärtigte zum Bilanzstichtag
jeweils noch die Abrechnung über den im abgelaufenen Geschäftsjahr verbrauchten
Strom. Wie hoch diese Abrechnung ausfallen würde, konnte sie auch nicht vorhersehen.
Hinsichtlich der Höhe ist es aber Sache der Antragstellerin, darzutun, dass der von ihr
gewählte Wert dem tatsächlich zu erwartenden Erfüllungsbetrag entspricht bzw.
zumindest nahekommt. Sie muss folglich die Plausibilität des gewählten Wertansatzes
dartun. Dies kann sie z.B. durch Abrechnungen früherer Jahre, Nachweise über
Zählerstände oder ähnliche Unterlagen tun. Daran fehlt es jedoch hier. Die von der
Antragstellerin eingereichten Verträge und Rechnungen andere Unternehmen
betreffend sind demgegenüber nicht geeignet, die Bewertung ihrer eigenen Rückstellung
für Stromkosten zu untermauern, denn der Senat kann nicht feststellen, ob es sich
insoweit tatsächlich um vergleichbare Fälle handelt. Bezüglich der Rechnung den
Bevollmächtigten der Antragstellerin betreffend fehlt es schon deshalb an der
Vergleichbarkeit, weil ein Steuerberaterbüro, das eine Vielzahl stromverbrauchender
Geräte unterhalten dürfte (Computer, Drucker, Kopierer, Faxgeräte, Telefone usw.), sich
von einem Ladengeschäft, in dem A... verkauft werden, grundlegend unterscheidet.
Bezüglich der Rechnung die G... GmbH betreffend fehlt es an der Vergleichbarkeit, weil
der Senat nicht feststellen kann, ob das Unternehmen eine ähnlich große Fläche wie die
Antragstellerin bewirtschaftet und ob die Tätigkeit mit der von der Antragstellerin
ausgeübten Tätigkeit vergleichbar ist. Die Antragstellerin hat dies zwar behauptet, aber
nicht glaubhaft gemacht. Die Schätzung des Antragsgegners ist danach nicht zu
beanstanden.
(4) Die Rückstellung für Heizkosten hat der Antragsgegner zu Recht aufgelöst. Die
Bildung einer solchen Rückstellung kommt dem Grunde nach in Betracht, wenn das
Unternehmen zum Bilanzstichtag noch mit Aufwendungen für Heizung für das
abgelaufene Geschäftsjahr zu rechnen hat, aber die Höhe dieser Aufwendungen nicht
sicher feststellbar ist. Das war hier nicht der Fall, denn die Antragstellerin leistete
insoweit Vorauszahlungen an ihren Vermieter. Die Bildung einer Rückstellung für
Heizkosten setzt unter diesen Umständen voraus, dass die Antragstellerin mit
Nachzahlungen für die abgelaufenen Geschäftsjahre zu rechnen hatte. Dies hat sie zwar
behauptet, aber nicht glaubhaft gemacht. Dafür wäre es erforderlich gewesen, z.B.
Unterlagen über Nachzahlungen vergangener Geschäftsjahre vorzulegen. Nach dem
Vortrag der Antragstellerin und den von ihr eingereichten Unterlagen kann der Senat
nicht feststellen, dass eine Wahrscheinlichkeit dafür bestand, dass die Antragstellerin
über die vereinbarten Vorauszahlungen hinaus noch Nachzahlungen zu erwarten hatte.
(5) Ebenso hat der Antragsgegner die Rückstellung für Diebstahl zu Recht nicht
anerkannt. Die Antragstellerin hat insoweit behauptet, aber nicht glaubhaft gemacht,
dass es sich bei der gestohlenen Ware um Kommissionsware gehandelt habe. Aus den
dem Senat vorliegenden Unterlagen ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin je
Kommissionsgeschäfte getätigt hat. Unterstellt, der Vortrag der Antragstellerin, dass
solche Geschäfte ausschließlich mündlich abgeschlossen zu werden pflegen, trifft zu, so
hätte die Antragstellerin zumindest Buchführungsunterlagen vorlegen müssen, aus
denen sich ihr jeweiliger Bestand an Kommissionsware ergibt und anhand dessen sie die
Zu- und Abgänge in diesem Bereich überwacht. Weiter hätte die Antragstellerin die
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Zu- und Abgänge in diesem Bereich überwacht. Weiter hätte die Antragstellerin die
Unterlagen über den Ausgleich der gestohlenen Kommissionsware (Abreden über die
Verrechnung bzw. Zahlung im Jahr 2006) vorlegen müssen.
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