Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 14.03.2017

FG Berlin-Brandenburg: gerichtshof der europäischen gemeinschaften, stadt, vermietung, vorsteuerabzug, grundstück, steuerbefreiung, firma, zahnarztpraxis, neues gebäude, krankenkasse

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Gericht:
Finanzgericht Berlin-
Brandenburg 7.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahre:
1996, 1997
Aktenzeichen:
7 K 5535/04 B
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 9 Abs 1 UStG 1993, § 4 Nr 12
Buchst a UStG 1993, § 9 Abs 2
UStG 1993, § 27 Abs 2 Nr 3
UStG 1993, StMBG
Wirksamkeit des Verzichts auf die Steuerbefreiung: Baubeginn
i.S. des § 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG 1993, Abbrucharbeiten als
Baubeginn
Tatbestand
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der … Gesellschaft bürgerlichen
Rechts -GbR-.
Die Beteiligten streiten über die Abzugsberechtigung der Vorsteuer in Höhe von 5,19 %,
die prozentual auf die an die Y-Bank, die Zahnklinik/Zahnarztpraxis und die Firma Z
vermietete Fläche entfällt.
Die Rechtsvorgängerin der GbR, die X & Co Grundbesitz KG, plante in Abstimmung mit
der Stadt L die Errichtung einer Hotelanlage nebst Einkaufszentrum und Büroräumen in
L mit einem Investitionsvolumen von 50 Millionen DM. Hierfür kaufte sie am 18.02.1991
von der Stadt L das am … in der Stadtmitte von L gelegene Grundstück. In § 2 des
entsprechenden Kaufvertrages vereinbarten die Parteien des Kaufvertrages eine
Bauverpflichtung zur Errichtung eines Hotels mit zugehörigen Einrichtungen. Der
konkrete Inhalt der Bauverpflichtung ist in den §§ 13 ff. geregelt. Seitens der Stadt L war
die Baufreiheit des Grundstückes geschuldet. Ursprünglich war das Grundstück mit
sieben vermieteten Wohnhäusern bebaut, die zunächst geräumt und sodann abgerissen
werden sollten. Die Gebäude wurden im Sommer 1991 (leerstehende Fabrikhallen),
Januar 1993 (alle Häuser bis auf eines) und Dezember 1993 (das letzte, aus
bautechnischen Gründen erst jetzt abgerissene Haus) abgerissen. Den Abbrucharbeiten
waren Kündigungen der bestehenden Mietverhältnisse vorausgegangen, deren
Rechtmäßigkeit teilweise erst in zweiter Instanz vor dem Landgericht festgestellt worden
waren. Darüber hinaus wurden die Abrissarbeiten durch diverse Bürgerbegehren und
Demonstrationen behindert. Die beantragte Teilbaugenehmigung wurde am 16.02.1993
durch die Stadt L erteilt. Nach dem Abriss der Gebäude im Januar 1993 fanden
planmäßige, archäologische Probebohrungen des zuständigen Landesamtes statt. Diese
waren nach Landesrecht zu dulden und zogen sich über das Jahr 1993 hin. Der Bauzaun
wurde im März 1993 errichtet, von Februar 1993 bis Mai 1993 eine Gasreglerstation
errichtet, im April und Juli 1993 wurden die Beschilderung für die Parkplatzräumung sowie
das Bauschild gefertigt und montiert. Im April 1993 erfolgte die Ausschreibung für das
Projekt. Im Mai 1993 wurden Altlasten entdeckt, die von der Stadt L beseitigt werden
mussten. Erst nach langwierigen Verhandlungen wurde eine geeignete
Ablagerungsfläche für das kontaminierte Erdreich gefunden. Dies führte zu einer
Verzögerung des tatsächlichen Baubeginns und der Auftragsvergabe an die einzelnen
Bauunternehmer. Vergabeverhandlungen über die Erdarbeiten (Baugrube) fanden am
09.11.1993 statt. Am 15.11.1993 wurde der Auftrag zunächst mündlich und danach am
18.11.1993 schriftlich erteilt. Mit den Ausschachtungsarbeiten sollte frühestens am
29.11.1993 begonnen werden. Tatsächlich wurde mit dem Aushub der Baugrube Anfang
1994 begonnen. Der spezifizierte Bauauftrag wurde erst nach ersten
Vergabeverhandlungen im Mai 1994 dann im Oktober 1994 unterzeichnet.
In der Folgezeit errichtete die GbR auf dem Grundstück ein Geschäftshaus, welches im
September 1997 fertig gestellt wurde. Im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung
wurden von der gesamten Nutzfläche von 18.205,60 m² unter anderem folgende
Räumlichkeiten vermietet:
mithin 1.860,77 m², welche 10,22 % der gesamten Nutzfläche ausmachen.
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Die GbR schätzte den Anteil der steuerpflichtigen Umsätze auf 95,25 %. Dabei ging sie
davon aus, dass die Vermietung an die Krankenkasse XY nicht zu einem Vorsteuerabzug
führen könne und dass der an die Krankenkasse XY vermietete Teil 4,75 % der gesamten
Nutzfläche ausmache. Sie erklärte unter Verzicht auf die Steuerbefreiung gemäß § 9
Abs. 1 UStG die abzugsfähige Vorsteuer für 1996 auf 2.619.638,49 DM und für 1997 auf
2.541.383,12 DM.
Der Beklagte stimmte der Umsatzsteuererklärung 1996 über - 2.391.957,40 DM und der
Umsatzsteuererklärung 1997 über - 2.146.862,40 DM zu, die damit Festsetzungen unter
dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO gleichstanden.
Ende 2001 führte der Beklagte eine Betriebsprüfung bei der GbR durch. Dabei stellte die
Betriebsprüferin fest, dass der spezifizierte Bauauftrag erst im Oktober 1994
unterzeichnet worden war, dass Vergabeverhandlungen über die Erdarbeiten (Baugrube)
am 09.11.1993 stattgefunden und im Anschluss daran am 15.11.1993 der Auftrag
mündlich und danach am 18.11.1993 schriftlich erteilt worden sei (siehe dazu
Betriebsprüfungsbericht vom 06.02.2002, Tz. 29). Unter Berücksichtigung dieses Ablaufs
ging die Betriebsprüferin davon aus, dass mit der Errichtung des Gebäudes nach dem
10.11.1993 begonnen worden war. Deshalb hielt sie § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG in der ab
dem 01.01.1994 geltenden Fassung des Missbrauchsbekämpfungs- und
Steuerbereinigungsgesetzes (STMBG) vom 21.12.1993 für anwendbar. Danach sei der
Verzicht auf die Steuerbefreiung bei Vermietungsumsätzen unzulässig, wenn der
Leistungsempfänger das Grundstück nicht ausschließlich für Umsätze verwende, die den
Vorsteuerabzug nicht ausschlössen. Wegen der Einzelheiten wird auf den
Betriebsprüfungsbericht vom 06.02.2002 (Textziffern 29 und 30) und den
Ergänzungsbericht vom 04.07.2002 verwiesen.
Der Beklagte schloss sich der Auffassung der Betriebsprüferin an und erließ am
29.07.2002 geänderte Umsatzsteuerbescheide gemäß § 164 Abs. 2 AO, mit denen er
die abzugsfähige Vorsteuer für 1996 mit 2.469.198,26 DM und für 1997 mit
2.385.526,98 DM ansetzte. Daraus ergab sich für 1996 eine festgesetzte Umsatzsteuer
in Höhe von - 2.241.518,00 DM (= - 1.146.069,95 €) und für 1997 eine solche von -
1.991.007,00 DM (= - 1.017.985,71 €). Den Vorbehalt der Nachprüfung hob der Beklagte
jeweils auf.
Mit ihren Einsprüchen machte die GbR geltend, dass die für den Verzicht auf die
Steuerbefreiung geltende Vorschrift des § 9 Abs. 1 UStG in ihrem Fall in der bis zum
31.12.1993 geltenden Fassung anzuwenden sei. Mit der Errichtung des Gebäudes sei vor
dem 11.11.1993 begonnen worden. Weil letztendlich das gesamte Grundstück für den
Neubau genutzt worden sei, seien die Abbrucharbeiten in der Zeit von 1991 bis 1993
und die anschließende Gebäudeerrichtung als einheitlicher Vorgang anzusehen. Der
Zeitpunkt des Baubeginns richte sich nach dem Beginn der Abbrucharbeiten. Mithin sei
davon auszugehen, dass mit der Bauerrichtung 1991 und damit weit vor dem
11.11.1993 begonnen worden sei. Darüber hinaus habe sie, die GbR, die Absicht zu
bauen unwiderruflich und bindend nach außen hin erkennbar gemacht.
Über das Vermögen der GbR eröffnete das Amtsgericht M mit Beschluss vom
15.12.2003 das Insolvenzverfahren und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Der
Kläger widersprach der Anmeldung der hier streitigen Forderungen zur Insolvenztabelle
und nahm in der Folgezeit das unterbrochene Einspruchsverfahren auf. Darauf hin wies
der Beklagte die Einsprüche mit seiner Einspruchsentscheidung vom 23.11.2004 als
unbegründet zurück.
Mit seiner Klage macht der Kläger geltend, dass die Kürzung der Vorsteuer für die
Vermietung an die Krankenkasse XY mit 5,03 % unstreitig vorzunehmen sei. Davon sei
allerdings in den Umsatzsteuererklärungen der GbR nur 4,75 % berücksichtigt, weil die
vermietete Fläche fehlerhaft berechnet worden sei. Die deshalb vom Beklagten
vorgenommene Kürzung um die Differenz (0,28 %) sei berechtigt. Hingegen dürfe die
Vorsteuerkürzung um die weiteren, vom Beklagten berechneten 5,19 % für die
Vermietung an die Y-Bank, die Zahnklinik/Zahnarztpraxis und die Firma Z nicht
vorgenommen werden.
Entscheidend sei, ob § 9 Abs. 2 UStG in der ab dem 01.01.1994 geltenden Fassung
anzuwenden sei. Denn die GbR könne nicht darlegen, dass diese Mieter
(Versicherungsmakler, Kreditinstitut, Zahnklinik) in den gemieteten Räumen nur solche
Umsätze ausführten, die den Vorsteuerabzug nicht ausschlössen. Die Anwendung des §
9 Abs. 2 UStG richte sich nach § 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG. Die Anwendung sei nach dieser
Vorschrift ausgeschlossen, wenn das Gebäude vor dem 01.01.1998 fertig gestellt und
mit dessen Errichtung vor dem 11.11.1993 begonnen worden sei. Allein streitig sei die
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mit dessen Errichtung vor dem 11.11.1993 begonnen worden sei. Allein streitig sei die
Frage des Baubeginns. Dazu regele Abschnitt 148 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 bis 3, Sätze 4 bis
6 der Umsatzsteuerrichtlinien -UStR-, dass der Baubeginn anzunehmen sei, wenn mit
den Ausschachtungsarbeiten begonnen oder ein spezifizierter Bauauftrag an einen
Bauunternehmer erteilt worden sei oder nicht unbedeutende Mengen an Baumaterial
auf dem Bauplatz angefahren worden seien. Auch sei von einem Baubeginn
auszugehen, wenn Abbrucharbeiten vorgenommen und hiernach unmittelbar mit der
Errichtung des neuen Gebäudes begonnen worden sei. Hiervon sei stets auszugehen,
wenn der Steuerpflichtige die Entscheidung zu bauen für sich bindend und unwiderruflich
nach außen hin erkennbar macht. Dies könne zum Beispiel durch eine
Abbruchgenehmigung nachgewiesen werden, die unter der Auflage erteilt worden sei,
zeitnah ein neues Gebäude zu errichten. Nach Erteilung der Baugenehmigung sei der
Baubeginn nicht mehr fraglich gewesen. Es habe nur noch die Frage geklärt werden
müssen, wohin die Stadt L das kontaminierte Erdreich verbringen konnte. Die
Argumentation des Beklagten hinsichtlich der Auslegung des Begriffs Baubeginn durch
die Umsatzsteuerrichtlinien sei zu eng. Ein Baubeginn könne nicht nur durch die dort
aufgezählten Maßnahmen konkretisiert werden. Ein komplexes Bauvorhaben in der hier
vorliegenden Größenordnung könne nicht mit dieser Argumentation beurteilt werden. Es
sei lebensfremd anzunehmen, dass die Investorengruppe bei bestehender Finanzierung
und nachdem der Grundstückskaufpreis bereits an die Stadt L entrichtet worden war,
von diesem Bauvorhaben einfach habe abrücken können oder wollen. Vielmehr habe die
Rechtsvorgängerin der GbR ihren Bauentschluss frühzeitig unabänderlich getroffen und
dies in einer Weise dokumentiert, dass sie hiervon auch nicht mehr abrücken konnte.
Bereits die Vorplanungen für das zu errichtende Objekt seien angesichts der
Größenordnung in Abstimmung mit der Stadt L erfolgt, der für die Bauleitplanung
zuständigen Gebietskörperschaft. Diese habe trotz der vorherzusehenden
kommunalpolitischen Streitigkeiten dem Projekt zugestimmt und die erforderlichen
Grundstücke an die Rechtsvorgängerin der GbR veräußert. Die Stadt L hätte sich nicht
auf die Räumung und den Abriss von Gebäuden im Mittelpunkt der Stadt eingelassen,
wenn die Rechtsvorgängerin der GbR sich nicht zur Errichtung der geplanten Gebäude
verpflichtet hätte. Gerade deswegen habe auch die Verpflichtung bestanden, die
Baugenehmigung kurzfristig zu beantragen. Die GbR habe in der Folgezeit alles getan,
um einen zügigen Baubeginn zu erreichen. Die Verzögerungen wegen des Abtransports
des kontaminierten Erdreichs habe allein die Stadt L zu vertreten. Die Unmittelbarkeit
zwischen Abrissarbeiten und Baubeginn könne nicht aufgrund einer zeitlichen
Verzögerung des tatsächlichen Baubeginns verneint werden. Denn dieser habe das
Projekt an sich nicht mehr zu gefährden vermocht und sei zudem durch Umstände
entstanden, die die GbR nicht habe beeinflussen können. Angesichts der Größe des
Projektes greife die vom Beklagten zur Begründung herangezogene Voraussetzung, es
hätten konkrete Bauaufträge vergeben sein müssen, nicht ein. Nach Beendigung des
Ausschreibungsverfahrens sei der Abschluss der einzelnen Bauverträge nurmehr eine
Formalie gewesen. Ferner habe sich der unwiderrufliche Bauentschluss bereits aus dem
mit der Stadt L abgeschlossenen Kaufvertrag und der damit eingegangenen
Bauverpflichtung ergeben. Diese sei, ohne dass es darauf ankomme, noch durch die
öffentliche Stellungnahme des Sprechers der Investorengruppe im März 1993 sowie das
durchgeführte Ausschreibungs- und Vergabeverfahren dokumentiert worden.
Darüber hinaus hätte der Beklagte bei der Auslegung des § 27 Abs. 2 UStG beachten
müssen, dass die GbR hinsichtlich ihrer Planungen Vertrauensschutz genieße. Die
Gesetzesänderung vom 23.12.1993 greife in eine längst bestehende Konzeption ein. Die
GbR sei die Bauverpflichtung auf der Grundlage einer Kalkulation aus dem Jahre 1991
eingegangen, die selbstverständlich die abzugsfähige Vorsteuer berücksichtigt habe. Die
Gesetzesänderung sei zu diesem Zeitpunkt nicht vorhersehbar, der Bauentschluss
hingegen Ende 1993 nicht mehr zu revidieren gewesen. Dies sei kein allgemeines
Lebensrisiko hinsichtlich der Änderung von Steuergesetzgebung, jedenfalls sei dies bei
der Auslegung der geänderten Normen und Übergangsvorschriften zu berücksichtigen.
Zusammenfassend sei bei richtiger Auslegung des § 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG davon
auszugehen, dass Abrissarbeiten und Baubeginn unmittelbar aufeinander gefolgt seien.
Zudem sei davon auszugehen, dass der Bauentschluss spätestens mit Erteilung der
Baugenehmigung und der Ankündigung des Baubeginns im März 1993 unabänderlich
bekannt gemacht worden sei. Dies sei vor dem 11.11.1993 gewesen, so dass die
Anwendung von § 9 Abs. 2 UStG auf das betreffende Gebäude insgesamt
ausgeschlossen sei. Der Vorsteuerabzug sei nicht wegen schädlicher Verwendung zu
kürzen. Eine Kürzung dürfe nur wegen der Nutzung durch die Krankenkasse XY erfolgen,
die kein Unternehmer sei. Es sei richtig, dass für diese Nutzung ein Optionsrecht gemäß
§ 9 Abs. 1 EStG nicht bestehe.
die Umsatzsteuer 1996 und die Umsatzsteuer 1997,
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die Umsatzsteuer 1996 und die Umsatzsteuer 1997,
jeweils abweichend von den Bescheiden vom 29.02.2002 und der
Einspruchsentscheidung vom 23.11.2004, auf - 1.219.051,00 € (1996) und -
1.093.609,30 € (1997) festzusetzen und die Zuziehung eines
Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
die Klage abzuweisen.
Er verweist zur Begründung auf die Darstellung in der Einspruchsentscheidung und führt
ergänzend aus, dass der Bundesfinanzhof die auch bei der Entscheidung zu Grunde
gelegten Auslegungskriterien zur Übergangsregelung in § 27 Abs. 2 UStG als zutreffend
erkannt habe. Die Klägerin habe tatsächlich erst Anfang 1994 durch den Aushub der
Baugrube mit den Bauarbeiten begonnen. Dazu habe sie Bauleistungen anderer
Bauunternehmer in Anspruch genommen. Sie habe nicht mehr in gutem Glauben eine
beabsichtigte steuerliche Verwendung erklären können. Denn bei diesen
Leistungsbezügen sei die Änderung der umsatzsteuerlichen Vorschriften über die
Vermietungsleistungen bereits in Kraft getreten.
Dem Gericht haben drei Bände Akten (Umsatzsteuer Band I und Band II,
Betriebsprüfungsberichte), eine Heftung (Ergänzungsbericht vom 04.07.2002) und der
Ordner mit dem Arbeitsbogen der Betriebsprüferin zur Steuernummer … zur
Entscheidung vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Dem Kläger steht die Abzugsberechtigung der prozentual auf die Vermietung an die Y-
Bank, die Zahnklinik/Zahnarztpraxis und die Firma Z entfallende Vorsteuer in Höhe von
5,19 % nicht zu. Denn die GbR konnte hinsichtlich dieser Umsätze nicht wirksam auf die
Steuerbefreiung verzichten.
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 UStG kann ein Unternehmer die Vorsteuerbeträge für
Lieferungen oder sonstige Leistungen abziehen, die in Rechnungen im Sinne des § 14
UStG gesondert ausgewiesen und die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen
ausgeführt worden sind. Dabei beginnt die Existenz eines Unternehmers, wenn der
Steuerpflichtige die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, eine
unternehmerische Tätigkeit auszuüben und erste Eingangsleistungen für diesen Zweck
bezieht (Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften -EuGH-, Urteil vom 29.02.1996 -
C-110/94, Bundessteuerblatt -BStBl.- II 1996, 655 INZO; Bundesfinanzhof -BFH-, Urteil
vom 08.03.2001 - V R 24/98, BStBl. II 2003, 430). Dementsprechend war die GbR in den
Streitjahren als Unternehmerin anzusehen, was auch vom Beklagten nicht bezweifelt
wird. Für die Gewährung des Vorsteuerabzugs muss die durch objektive Anhaltspunkte
belegte Absicht hinzukommen, die Eingangsleistungen für Umsätze zu verwenden, die
den Vorsteuerabzug erlauben (EuGH, Urteile vom 08.06.2000 - C-396/98, BStBl. II 2003,
464 Schloßstraße und C-400/98, BStBl. II 2003, 452 Breitsohl; BFH, Urteile vom
22.02.2001 - V R 77/96, BStBl. II 2003, 426 Schloßstraße; vom 08.03.2001 - V R 24/98,
BStBl. II 2003, 430; vom 06.06.2002 - V R 27/00, BFH/NV 2002, 1621). Denn wie sich
nach nationalem Recht aus § 15 Abs. 2 UStG ergibt, scheidet der Vorsteuerabzug aus,
wenn die Eingangsleistungen für steuerfreie Umsätze verwendet werden. Daher setzt
der Vorsteuerabzug bei geplanten Umsätzen aus der Vermietung von Grundstücken
voraus, dass eine Option für eine steuerpflichtige Vermietung gemäß § 9 UStG
beabsichtigt und nach den objektiven Umständen möglich ist (BFH, Urteil vom
06.06.2002 - V R 27/00, a.a.O.). Dabei ist auf die objektive Rechtslage im Zeitpunkt des
Leistungsbezugs abzustellen.
Sofern die Eingangsleistungen sowohl für steuerpflichtige als auch für steuerfreie, den
Vorsteuerabzug ausschließende Umsätze verwendet werden sollen, ist die Vorsteuer
nach § 15 Abs. 4 UStG sachgerecht aufzuteilen. Wie zwischen den Beteiligten unstreitig
ist, stellt die von der GbR vorgenommene Aufteilung nach dem Flächenmaßstab ein
sachgerechtes Aufteilungsverfahren dar. Der Kläger geht jedoch zu Unrecht davon aus,
dass für die Aufteilung lediglich die an die Krankenkasse XY vermieteten Flächen der
Verwendung für steuerfreie Umsätze zuzurechnen sind. Vielmehr sind auch die weiteren
hier streitigen vermieteten Flächen, also insgesamt 10,22 %, als vorsteuerschädlich in
die Aufteilungsrechnung einzubeziehen.
Denn nach den Feststellungen der Betriebsprüferin standen Anfang 1996 die Y-Bank, die
Zahnklinik/Zahnarztpraxis, die Krankenkasse XY und die Firma Z als Mieter mit
steuerfreien oder nicht steuerbaren Umsätzen fest. Ferner konnte die GbR für diese
Umsätze durch Grundstücksvermietung nicht wirksam auf die Steuerbefreiung nach § 4
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Umsätze durch Grundstücksvermietung nicht wirksam auf die Steuerbefreiung nach § 4
Nr. 12 Buchstabe a Satz 1 UStG verzichten.
Nach § 9 Abs. 1 UStG kann ein Unternehmer einen Umsatz, der nach § 4 Nr. 12 UStG
steuerfrei ist, als steuerpflichtig behandeln, wenn der Umsatz an einen Unternehmer für
dessen Unternehmen ausgeführt worden ist. Zwar hätte die GbR bei Anwendung von § 9
Abs. 2 UStG in der bis zum 31.12.1993 geltenden Fassung wirksam auf die Steuerfreiheit
der Umsätze durch Vermietung von Gebäudeflächen an die Y-Bank, die
Zahnklinik/Zahnarztpraxis und die Firma Z verzichtet, weil es sich dabei um
Unternehmer handelt und die vermieteten Grundstücksteile weder Wohnzwecken noch
anderen nichtunternehmerischen Zwecken dienen oder zu dienen bestimmt sind. Denn
gemäß dieser Vorschrift ist der Verzicht auf die Steuerbefreiung nach Abs. 1 bei der
Vermietung und Verpachtung von Grundstücken zulässig, wenn der Unternehmer
nachweist, dass das Grundstück weder Wohnzwecken noch anderen
nichtunternehmerischen Zwecken dient oder zu dienen bestimmt ist. Dies wäre
hinsichtlich der genannten streitigen Vermietung erfüllt.
§ 9 Abs. 2 UStG in der bis zum 31.12.1993 geltenden Fassung ist allerdings im Streitfall
nicht anwendbar. Denn im Streitfall richtet sich der Verzicht auf die Steuerbefreiung
nach § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG in der ab 01.01.1994 geltenden Fassung durch das
Missbrauchbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz (StMBG) vom 21.12.1993.
Nach dieser Vorschrift ist gemäß § 9 Abs. 1 UStG der Verzicht auf die Steuerbefreiung
nach § 4 Nr. 12 UStG für die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken nur
zulässig, soweit der Leistungsempfänger das Grundstück ausschließlich für Umsätze
verwendet oder zu verwenden beabsichtigt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen.
Der Unternehmer hat die Voraussetzungen gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 UStG in der ab
01.01.1994 geltenden Fassung nachzuweisen. Diesen Nachweis haben die GbR und der
Kläger im Hinblick auf die Vermietung an die Y-Bank, die Zahnklinik/Zahnarztpraxis und
die Firma Z nicht geführt. Diese Mieter beabsichtigen jedenfalls, die gemieteten Räume
zum Teil zur Erzielung von steuerfreien Umsätzen zu verwenden. Dabei ergibt sich die
Steuerfreiheit für Umsätze der Deutschen Bank aus § 4 Nr. 8a) - g) UStG, der
Zahnklinik/Zahnarztpraxis aus § 4 Nr. 14 UStG und der Firma Z aus § 4 Nr. 11 UStG.
§ 9 Abs. 2 UStG in der ab 01.01.1994 geltenden Fassung ist im Streitfall auch
anwendbar. Denn die Voraussetzungen für die Anwendung der Übergangsvorschrift des
§ 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG in der Fassung des StMBG, nach der die Vorschrift des § 9 Abs. 2
UStG in der ab 01.01.1994 geltenden Fassung nicht anzuwenden ist, wenn mit der
Errichtung des Gebäudes vor dem 11.11.1993 begonnen worden ist, liegen nicht vor.
Die GbR hat nicht “mit der Errichtung des Gebäudes ... vor dem 11.11.1993 begonnen”.
Das Merkmal der Errichtung ist ersichtlich an den tatsächlichen Errichtungsvorgang und
nicht schon an das Vorhandensein einer bloßen Herstellungskonzeption geknüpft (vgl.
BFH, Urteile vom 13.02.1998 - V B 69/97, BFH/NV 1998, 1005, und vom 22.02.2001 - V R
77/96, UR 2001, 260). Als Beginn der Bauarbeiten ist anzusehen: der Beginn der
Ausschachtungsarbeiten, die Erteilung eines spezifizierten Bauauftrages an
Bauunternehmer oder die Anfuhr nicht unbedeutender Mengen von Baumaterial auf
dem Bauplatz. Dabei gilt als Beginn der Bauarbeiten der jeweils erste Vorgang (siehe
auch Abschnitt 148a Abs. 5 Satz 2 UStR [1996]). Der Beginn der
Ausschachtungsarbeiten im Streitfall war erst im Jahre 1994. Der spezifizierte
Bauauftrag wurde nach ersten Vergabeverhandlungen im Mai 1994 erst im Oktober
1994 unterzeichnet. Vergabeverhandlungen über die Erdarbeiten (Baugrube) fanden
zwar am 09.11.1993 statt. Erst nach dem 10.11.1993, nämlich am 15.11.1993, wurde
der Auftrag mündlich und danach am 18.11.1993 schriftlich erteilt. Alle diese Zeitpunkte
liegen nach dem 10.11.1993.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den auf dem Grundstück im Jahre 1991 und
Anfang 1993 vorgenommenen Abbrucharbeiten der vorhandenen Gebäude. Zwar kann
der Abbruch eines Gebäudes der Baubeginn des neuen Gebäudes sein, wenn
unmittelbar im Anschluss an den Abbruch mit der Errichtung eines neuen Gebäudes
begonnen wird, und sich daher der Abbruch im Ergebnis als Beginn der Arbeiten an dem
neuen Gebäude werten lässt (BFH, Beschluss vom 13.02.1998 - V B 69/97, BFH/NV
1998, 1005; Abschnitt 148a Abs. 5 Satz 4 UStR [1996]). Im Streitfall lassen sich die vor
dem 11.11.1993 erfolgten Abbruchmaßnahmen und weitere Maßnahmen an dem
Grundstück aber noch nicht als Beginn der Bauarbeiten werten. Denn zwischen den
letzten Abbruchmaßnahmen vor dem 11.11.1993, die im Januar 1993 stattfanden, lagen
fast zehn Monate, in denen keine weiteren Tätigkeiten zur Errichtung des Gebäudes
stattfanden. Die Beräumung der Baustelle, das Aufstellen des Bauzauns, der Anschluss
der für den Bau benötigten Medien, die archäologischen Grabungen, die Beräumung der
Altlasten etc. stellen lediglich Vorbereitungsmaßnahmen zur Errichtung des Gebäudes
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Altlasten etc. stellen lediglich Vorbereitungsmaßnahmen zur Errichtung des Gebäudes
dar, die selbst dann nicht zu dem Beginn der Errichtung führen, wenn sie für sich
genommen bereits einen erheblichen Aufwand in sächlicher und finanzieller Hinsicht
darstellen. Die Erstellung des Gasanschlusses stellt eine Erschließungsmaßnahme des
unbebauten Grundstücks dar.
Selbst wenn - entgegen der Auffassung des Gerichts - die im Januar 1993 erfolgten
Abrissmaßnahmen grundsätzlich geeignet wären, in einem ausreichenden
Zusammenhang mit den ab Mitte November 1993 in Auftrag gegebenen
Baumaßnahmen zu stehen, würde es aber im Streitfall an einem solchen
Zusammenhang fehlen, weil die Abrissmaßnahmen nach Aktenlage nicht der GbR
zuzurechnen waren. Denn diese wurden nicht von der GbR, sondern von einem Dritten -
offenbar von der Stadt L - in Auftrag gegeben. Dies schließt das Gericht daraus, dass die
Stadt L der GbR die Baufreiheit des Grundstücks schuldete, die GbR im Rahmen der
Betriebsprüfung eine „Übersicht Bauverträge“ ohne solche Abrissmaßnahmen
einreichte und auch aus den im Rahmen des Einspruchsverfahrens vorgelegten
Rechnungen solche Abrissleistungen nicht ersichtlich sind.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Verpflichtung, eine Hotelanlage zu bauen,
die die GbR im Grundstückskaufvertrag gegenüber der Grundstücksveräußerin
eingegangen ist. Dies betrifft die bloße Planung, die als Vorbereitung der Errichtung für
den Beginn der Bauarbeiten auch dann nicht ausreicht, wenn sich der Käufer aus
rechtlichen oder (im Hinblick auf die Argumentation des Klägers, dass sich die GbR im
November 1993 von einer Investition in der geplanten Höhe aus wirtschaftlichen
Gründen nicht mehr hätte lösen können) aus tatsächlichen Gründen nicht mehr von
dem geplanten Vorhaben lossagen kann (BFH, Urteil vom 13.02.1998 - V B 69/97,
BFH/NV 1998, 1005). Ferner kommt es nicht darauf an, dass die Absicht zu bauen
unwiderruflich und bindend nach außen hin erkennbar wird. Denn der Beginn der
Errichtung liegt nicht in einem fest und unlösbar gefassten Plan, sondern erst in der
Umsetzung desselben, wobei sich die Umsetzung an dem zu errichtenden Gebäude
orientieren muss. Vorbereitungshandlungen (Beräumung der Baustelle, Bauzaun,
Anschluss der für den Bau benötigten Medien etc.) reichen nicht aus. Der Plan, der
allerdings für den Beginn der Errichtung gerade nicht ausreicht, dient ebenso wie die
Vorbereitungshandlungen nur mittelbar der Errichtung. Dabei handelt es sich um eine
Voraussetzung der Errichtung, nicht aber um Errichtung selbst.
Keinen Erfolg hat auch die Rüge des Klägers, der Beklagte habe den Gesichtspunkt des
Vertrauensschutzes außer Acht gelassen. Soweit die GbR bereits vor Verkündung des
StMBG am 21.12.1993 den Erwerb des Grundstücks, die Errichtung des Hotels mit
Nebengebäuden und die spätere Vermietung im Vertrauen auf die damals geltende
Fassung des § 9 Abs. 2 UStG plante, kann der Kläger keinen Vertrauensschutz
beanspruchen, wenn die GbR diesen Plan dann nach und trotz der Änderung des § 9
Abs. 2 UStG weiter verfolgte (siehe dazu BFH, Urteil vom 30.06.2005 - V R 46/02,
BFH/NV 2005, 1882).
Darüber hinaus ist für die Frage, ob auf die Steuerfreiheit der Umsätze verzichtet werden
kann, auf den tatsächlichen Zeitpunkt des Leistungsbezugs und die zu diesem Zeitpunkt
geltende Rechtslage abzustellen (BFH, Urteil vom 06.06.2000 - V R 27/00, BFH/NV 2002,
1621). Für erst nach dem 21.12.1993 tatsächlich bezogene Leistungen scheidet eine im
guten Glauben erklärte Absicht zu steuerpflichtiger Vermietung an einen - mindestens
teilweise - steuerfrei tätigen Mieter aus. Denn nach dem 21.12.1993 war die Rechtslage
hinsichtlich der Anwendung des § 9 Abs. 2 UStG in der Fassung ab 01.01.1994 und der
Ausnahmeregelung in § 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG in der Fassung des StMBG klar. Auch
danach scheidet im Streitfall eine Berücksichtigung der Vorsteuern für Leistungen aus
den Streitjahren aus. Denn nach den Feststellungen der Betriebsprüferin standen
Anfang 1996 die weiteren drei Mieter fest. Der Kläger ist dem nicht entgegen getreten.
Die GbR konnte bei Abschluss der Mietverträge und bei der Kalkulation der Mieten die
Regelungen des § 9 Abs. 2 UStG in der ab 01.01.1994 geltenden Fassung und der dazu
ergangenen Übergangsregelung des § 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG berücksichtigen. Auch bei
Abschluss des spezifizierten Bauauftrags im Oktober 1994 waren diese Regelungen
bekannt. Dies war erst recht bei Bezug der mit Vorsteuer belasteten Leistungen in den
Streitjahren so. Schließlich bewegt sich die Höhe der streitigen Vorsteuerbeträge (5,19
% der gesamten Vorsteuer in den Streitjahren) in einer Größenordnung, in der bei einem
Bauprojekt dieses Volumens ohnehin Kostenrisiken bestehen.
Der Senat hat die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung -FGO-
zugelassen, weil die Bewertung von Abbruchmaßnahmen als Beginn der
Gebäudeerrichtung noch nicht vollständig geklärt ist.
36 Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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