Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 14.03.2017

FG Berlin-Brandenburg: darlehen, patronatserklärung, realisierung, anschaffungskosten, eigenkapital, sicherheit, verlustvortrag, auflösung, stammkapital, einspruch

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Gericht:
Finanzgericht Berlin-
Brandenburg 7.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
2001
Aktenzeichen:
7 K 3183/05 B
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 17 Abs 4 EStG 1997, § 32a
GmbHG
(Eigenkapitalersetzendes Gesellschafterdarlehen - Zeitpunkt
der Realisierung des Verlustes aus der Auflösung einer
wesentlichen Beteiligung i.S. des § 17 Abs. 4 EStG)
Leitsatz
Wenn der Geschäftsbetrieb einer GmbH noch nicht eingestellt ist, muss mit einer
wesentlichen Änderung der Höhe des Auflösungsverlusts gerechnet werden.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob ein Verlust aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft
bereits im Streitjahr realisiert war.
Die Klägerin gründete mit einem weiteren Mitgesellschafter am 03.04.1989 die X-GmbH.
Am 11.09.1990 erwarb die Klägerin die Anteile ihres Mitgesellschafters zum Nennwert
und verfügte von nun an alleine über das Stammkapital von 50.000 DM. Zudem war sie
die Geschäftsführerin der X-GmbH.
Die X-GmbH ermittelte ihren Gewinn nach einem abweichenden Wirtschaftsjahr zum
31.03. Der Jahresabschluss zum 31.03.1993 wies einen Gewinnvortrag von 83.384 DM
nach einem Verlust von 6.422,74 DM auf. Darlehensverbindlichkeiten gegenüber der
Klägerin waren nicht passiviert. Der Jahresabschluss auf den 31.03.1994 wies einen
Kapitalfehlbetrag in Höhe von 65.112,09 DM nach einem Verlust von 112.073,35 DM auf.
Außerdem war ein Sonderposten für Sonderabschreibungen in Höhe von 6.784 DM
passiviert. Zum 31.03.1994 waren Verbindlichkeiten gegenüber der Klägerin in Höhe von
118.766,51 DM passiviert. Die Verbindlichkeiten verringerten sich zum 31.03.1995 auf
einen Betrag von 99.104,66 DM. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht auf
die Jahresabschlüsse in der Bilanzakte der X-GmbH Bezug.
Bereits unter dem 02.01.1994 hatte die Klägerin gegenüber der X-GmbH eine
persönliche Patronatserklärung abgegeben. Danach erklärte sie, dass sie die X-GmbH in
finanzieller Hinsicht stets so ausgestattet halten werde, dass die X-GmbH ihren
Verpflichtungen gegenüber allen anderen Gläubigern fristgerecht nachkommen könne.
Sie (die Klägerin) werde deshalb weiterhin ausreichende Darlehensmittel zur Verfügung
stellen, die nur aus zukünftigen Gewinnen, aus einem Liquidationsüberschuss oder
einem die sonstigen Schulden übersteigenden Vermögen zu begleichen seien und
deshalb im Rang hinter alle anderen Verbindlichkeiten ihrer Gesellschaft zurückträten.
Alle von ihr gewährten oder noch zu gewährenden Darlehen seien dazu bestimmt, in der
Krise dem Unternehmen erhalten zu bleiben. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt
das Gericht auf Bl. 13 der Gerichtsakte - GA - Bezug.
Am 21.12.2001 beschloss die Klägerin im Rahmen einer Gesellschafterversammlung, die
X-GmbH mit Ablauf des 30.12.2001 aufzulösen.
Im Rumpfwirtschaftsjahr vom 01.04.2001 – 30.12.2001 erzielte die X-GmbH Umsätze in
Höhe von 223.691,54 DM.
In ihrer Liquidationseröffnungsbilanz auf den 31.12.2001, die am 13.08.2002 aufgestellt
und am 09.09.2002 festgestellt und genehmigt wurde, passivierte die X-GmbH
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und am 09.09.2002 festgestellt und genehmigt wurde, passivierte die X-GmbH
Verbindlichkeiten gegenüber der Klägerin in Höhe von 380.638,97 € = 744.465,11 DM.
Ferner bestanden folgende Verbindlichkeiten:
Ferner passivierte die X-GmbH eine Rückstellung für Abschluss und Prüfung in Höhe von
10.225,84 € = 20.000 DM. Zusammen mit den vorgenannten Verbindlichkeiten ergibt
sich eine Summe von 31.956,11 € = 62.500,72 DM.
Diesen Passivposten standen Forderungen aus Lieferungen und Leistungen in Höhe von
19.294,47 € = 37.736,70 DM gegenüber. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das
Gericht auf Bl. 9 f. GA Bezug.
Die X-GmbH stellte ihre Liquidationsschlussbilanz auf den 31.12.2004 auf. Danach
bestanden Verbindlichkeiten gegenüber der Klägerin in Höhe von 406.376,49 €. Im
Liquidationszeitraum erwirtschaftete die X-GmbH einen Fehlbetrag von 19.004,96 €.
Dabei erzielte sie Umsatzerlöse in Höhe von 90.710,37 €, denen Materialaufwand in
Höhe von 47.352,39 € und Personalaufwand in Höhe von 25.278,31 €
gegenüberstanden. Ferner fielen sonstige ordentliche betriebliche Aufwendungen in
Höhe von 34.856,55 € an. Forderungen in Höhe von 4.441,71 € wurden abgeschrieben.
Aus der Verwertung eines Kraftfahrzeugs erzielte die X-GmbH einen Umsatz von 2.900
€. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht auf die Liquidationsschlussbilanz
(Bl. 56-73 GA) Bezug.
Mit ihrer Einkommensteuererklärung 2001 machte die Klägerin einen Verlust aus
§ 17 Einkommensteuergesetz - EStG - in Höhe von 814.465 DM geltend.
Der Beklagte folgte dem zunächst dem Grunde nach und setzte mit
Einkommensteuerbescheid 2001 vom 28.05.2004 die Einkommensteuer auf 0 € unter
dem Vorbehalt der Nachprüfung fest und stellte mit Bescheid vom gleichen Tag einen
verbleibenden Verlustvortrag auf den 31.12.2001 für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb
auf 740.212 DM gegenüber dem Ehemann der Klägerin fest.
Nach weitergehender Prüfung nahm der Beklagte jedoch von dieser Auffassung Abstand,
setzte unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung mit Bescheid vom 03.08.2004
die Einkommensteuer 2001 ausgehend von einem zu versteuernden Einkommen von
8.914 DM erneut auf 0 € fest und hob mit Bescheid vom gleichen Tag die Feststellung
des verbleibenden Verlustvortrags gegenüber dem Ehemann der Klägerin auf.
Sodann beantragte die Klägerin am 21.01.2005, dass für sie ein verbleibender
Verlustvortrag in Höhe von 740.212 DM bezüglich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb
erlassen werde. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 09.03.2005 ab,
worauf die Klägerin am 05.04.2005 Einspruch einlegte. Der Beklagte wies den Einspruch
mit Einspruchsentscheidung vom 14.06.2005 zurück.
Darauf hat die Klägerin am 14.07.2005 Klage erhoben.
Sie macht geltend, der Liquidationsverlust sei bereits zum Jahresende 2001 realisiert
gewesen. Denn zu diesem Zeitpunkt habe im Wesentlichen festgestanden, in welcher
Höhe der Verlust entstehen werde. Aufgrund des enormen Verlustvortrags und der
fehlenden stillen Reserven habe festgestanden, dass sie keine Ausschüttungen aus dem
Liquidationserlös habe erwarten können. Andererseits sei absehbar gewesen, dass die
weitere Abwicklung der X-GmbH Aufwendungen in Höhe von ca. 20.000 DM verursachen
würde, für die sie auf Grund ihrer Patronatserklärung habe einstehen müssen. Diese
Patronatserklärung führe auch dazu, dass sämtliche von ihr gewährten Darlehen als
Eigenkapital ersetzend zu würdigen und mit dem Nennwert zu bewerten seien.
Gegenüber der ursprünglich erklärten und einen geschätzten Liquidationsaufwand
einbeziehenden Verlustermittlung von 416.429,40 € = 814.465,11 DM weiche der
endgültige und nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung - AO - im
Streitverfahren zugrunde zu legende Verlust von 437.230,14 € = 855.147,83 DM nur um
20.800,74 € oder knapp 5 vom Hundert von dem ursprünglich geschätzten
Veräußerungsverlust ab.
Dass Ende 2001 die Sperrfrist gemäß § 73 GmbH-Gesetz noch nicht abgelaufen
gewesen sei, stehe der Realisierung des Liquidationsverlustes nicht entgegen.
den Beklagten unter Aufhebung des
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den Beklagten unter Aufhebung des
Ablehnungsbescheids vom 09.03.2005 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 14.06.2005 zu verpflichten, einen
verbleibenden Verlustvortrag zur Einkommensteuer auf den 31.12.2001 in
Höhe von 855.147,83 DM festzustellen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
die Klage abzuweisen.
Er hält die Klage für unbegründet, da Ende 2001 noch nicht festgestanden habe, in
welcher Höhe noch nachträgliche Anschaffungskosten anfallen würden sowie welche im
Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigende Aufgabekosten die Klägerin noch zu
tragen gehabt habe. Die Differenz zwischen dem endgültigen Verlust und dem zunächst
geltend gemachten Verlust von 40.682,83 DM sei ungeachtet der Tatsache, dass es sich
lediglich um eine Abweichung von knapp 5 vom Hundert handele, nicht mehr
unwesentlich. Zudem sei die X-GmbH bei Liquidationsbeginn nicht vermögenslos
gewesen, da sie noch über ein Aktivvermögen in Höhe von 20.934 € verfügt habe.
Einwendungen gegen die Höhe des geltend gemachten Verlustes werden nach der
Einlassung des Terminvertreters des Beklagten in der mündlichen Verhandlung nicht
mehr erhoben.
Dem Gericht haben ein Band der vom Beklagten für die Klägerin unter der
Steuernummer … geführten Einkommensteuerakten sowie je ein Band Vertrags- und
Bilanzakten, die vom Finanzamt M unter der Steuernummer … für die X-GmbH geführt
werden, vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Klägerin wird durch die Ablehnung des begehrten Verwaltungsakts nicht im Sinne
des § 101 Finanzgerichtsordnung - FGO - in Ihren Rechten verletzt. Der Beklagte geht zu
Recht davon aus, dass der Auflösungsverlust gemäß § 17 Abs. 4 EStG, den die Klägerin
aufgrund der Liquidation der X-GmbH erlitten hat, nicht bereits im
Veranlagungszeitraum 2001 realisiert wurde.
Der Klägerin ist allerdings insoweit zu folgen, dass ihr dem Grunde nach ein
Aufgabeverlust gemäß § 17 Abs. 4 EStG in Höhe von 855.147,83 DM = 437.230,14 €
entstanden ist.
Denn die von der Klägerin an die X-GmbH gewährten Darlehen stellen sich als
Eigenkapital ersetzend dar. Weil diese erst nach dem 31.03.1993 gewährt wurden,
spricht viel dafür, dass diese bereits in der Krise hingegeben wurden. Denn bereits im
Wirtschaftsjahr 1992/1993 hatte die X-GmbH einen Verlust erwirtschaftet, der sich im
Folgejahr erheblich vergrößerte und zu einem negativen Eigenkapital führte. Würde man
dies für das Eintreten der Krise noch nicht ausreichen lassen, würde es sich jedenfalls
um krisenbestimmte Darlehen handeln. Denn auf Grund der Patronatserklärung vom
02.01.1994 hatte die Klägerin sich verpflichtet, die bereits gewährten und noch zu
gewährenden Darlehen nur aus zukünftigen Gewinnen aus einem
Liquidationsüberschuss oder einem die sonstigen Schulden übersteigenden Vermögen
zu begleichen und im Rang hinter allen anderen Verbindlichkeiten zurückzutreten. Dann
hatte sie ausdrücklich hervorgehoben, dass die Darlehen auch in der Krise des
Unternehmens erhalten bleiben würden. Dies ist als ausreichend für eine
Krisenbestimmung anzusehen (BFH, Urteil vom 13.07.1999 VIII R 31/98, Sammlung der
Entscheidungen des BFH – BFHE - 189, 390, Bundessteuerblatt - BStBl. - II 1999, 724;
vom 22.07.2008 IX R 79/06, BFHE 222,464, BStBl. II 2009, 227). Unbeachtlich ist, dass in
§ 13 des Gesellschaftsvertrags abweichendes geregelt ist, weil diese Regelung hinter der
späteren und spezielleren Regelung durch die Patronatserklärung zurücktritt.
Dass die Patronatserklärung tatsächlich am 02.01.1994 abgegeben wurde, ist zwischen
den Beteiligten nicht mehr im Streit. Auch das Gericht sieht keinen Anlass daran zu
zweifeln.
Die Klägerin geht (unausgesprochen) auch zu Recht davon aus, dass der
Auflösungsverlust im Veranlagungszeitraum 2001 ohne die Kürzung nach § 3 c Abs. 2
EStG 2001 zu berücksichtigen wäre. Dies ergibt sich aus der Übergangsregelung gemäß
§ 52 Abs. 4 a EStG 2001 in Verbindung mit § 52 Abs. 8 a EStG 2001 (BFH, Urteil vom
27.03.2007 VIII R 25/05, BFHE 217, 467, BStBl. II 2008, 298).
Entgegen der Auffassung der Klägerin war der Auflösungsverlust im Sinne des § 17 EStG
im Streitjahr 2001 noch nicht realisiert.
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Zwar wurde die X-GmbH mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zivilrechtlich
aufgelöst, jedoch setzt die Realisierung eines Verlustes im Sinne des § 17 Abs. 4 EStG
weiter gehend voraus, dass mit Zuteilungen und Rückzahlungen gemäß § 17 Abs. 4 Satz
2 EStG nicht mehr zu rechnen ist und feststeht, ob und in welcher Höhe noch
nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu
berücksichtigende wesentliche Aufwendungen anfallen werden. Bei einer Auflösung mit
anschließender Liquidation können diese Erkenntnisse normalerweise erst im Zeitpunkt
des Abschlusses der Liquidation gewonnen werden. Ausnahmsweise kann jedoch der
Zeitpunkt, in dem der Veräußerungsverlust realisiert ist, schon vor Abschluss der
Liquidation liegen, wenn mit einer wesentlichen Änderung des bereits feststehenden
Verlustes nicht mehr zu rechnen ist (BFH, Urteile vom 12.12.2000 VIII R 36/97, BFH/NV
2001, 761; vom 27.11.2001 VIII R 36/00, BFHE 197, 394, BStBl. II 2002, 731; vom
01.03.2005 VIII R 46/03, BFH/NV 2005, 2171; Beschluss vom 04.10.2007 VIII S 3/07
(PKH), BFH/NV 2008, 209; Urteil vom 22.07.2008 IX R 79/06, BFHE 222, 464, BStBl. II
2009, 227; vom 28.10.2008 IX R 100/07, BFH/NV 2009, 561).
Dabei kommt es nicht darauf an, inwieweit der später tatsächlich erzielte
Auflösungsverlust von dem ursprünglich prognostizierten abweicht. Vielmehr ist nach
dem Kenntnisstand zum 31.12.2001 zu prüfen, ob aus der damaligen Sicht die Höhe des
Auflösungsverlustes im Wesentlichen feststand.
Dabei ergibt sich für den Streitfall, dass nachträgliche Anschaffungskosten der Klägerin
über den am 31.12.2001 passivierten Betrag von 380.638,97 € = 744.465,11 DM hinaus
noch nicht entstanden waren. Die weiteren nachträglichen Anschaffungskosten in Höhe
von 25.737,52 € (Differenz zwischen den Verbindlichkeiten gegenüber der Klägerin nach
der berichtigten Liquidationsschlussbilanz auf den 31.12.2004 in Höhe von 406.376,49 €
und dem entsprechenden Betrag nach der Liquidationseröffnungsbilanz auf den
31.12.2001; umgerechnet: 50.338,21 DM) entstanden erst, als die Klägerin zum
Ausgleich der sonstigen betrieblichen Verbindlichkeiten der X-GmbH entsprechende
Darlehen hingab.
Zwar war die Klägerin auf Grund der Patronatserklärung im Verhältnis zur X-GmbH zur
Hingabe der Darlehen verpflichtet. Gleichwohl war die Höhe des Auflösungsverlustes am
31.12.2001 noch mit vielerlei Unsicherheiten behaftet. So blieb ungewiss, ob die X-
GmbH die aktivierten Forderungen aus Lieferungen und Leistungen in Höhe von
19.294,47 € würde realisieren können. Dass eine solche Realisierung nicht ohne weiteres
als sicher unterstellt werden kann, zeigt der Umstand, dass im Laufe des
Liquidationszeitraumes Forderungen in Höhe von 4.441,71 €, also 23 vom Hundert des
ursprünglichen Forderungsbestandes, abgeschrieben werden mussten. Außerdem hatte
die X-GmbH Anzahlungen in Höhe von 4.407,69 € erhalten, die sie hätte zurückzahlen
müssen, wenn das angebahnte Geschäft nicht zur Ausführung gekommen wäre.
Darüber hinaus war der Geschäftsverkehr der X-GmbH noch nicht vollständig zum
Erliegen gekommen, da die X-GmbH abgesehen von den Erlösen aus der Veräußerung
ihres Betriebsfahrzeugs noch reguläre Erlöse in Höhe von 90.777,80 € verzeichnen
konnte. Welchen wirtschaftlichen Erfolg die X-GmbH aus den künftigen Geschäften
erzielen würde, konnte sie selbst dann nicht zuverlässig abschätzen, wenn die Geschäfte
am 31.12.2001 bereits angebahnt gewesen sein sollten. Insbesondere bestand auch
hinsichtlich der künftigen Umsätze das Risiko des Forderungsausfalls. Schließlich
bestanden für die X-GmbH Gewährleistungsrisiken aus den zum Teil noch im
Liquidationszeitraum durchgeführten Lieferungen und Leistungen. Diese betrugen im
Rumpfwirtschaftsjahr 2001 223.691,54 DM und im Liquidationszeitraum 90.710,37 € (=
177.414,09 DM), zusammen also 401.105,63 DM. Zwar mögen der X-GmbH
Rückgriffsansprüche gegenüber ihren Lieferanten zugestanden haben, jedoch konnte sie
nicht ausschließen, dass solche Rückgriffsansprüche im Einzelfall nicht durchsetzbar
waren, etwa wegen eines Vermögensverfalls des Lieferanten. Überdies hat die X-GmbH
nach der Einlassung ihres Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung nicht
nur Warenlieferungen sondern auch Dienstleistungen erbracht, für die sie das volle
Haftungsrisiko trug.
Alles in allem sind die mit der Abwicklung der X-GmbH verbundenen Aufwendungen mit
so großen Unsicherheiten behaftet, dass sie nicht mehr als unwesentlich bezeichnet
werden können. Es gibt zwar nach der Kenntnis des erkennenden Senats bisher keine
Entscheidung dazu, wie hoch und nach welchen Maßstäben sich in diesem
Zusammenhang die Wesentlichkeitsgrenze bemisst, ob sie etwa nach absoluten
Beträgen oder nach einem gewissen Prozentsatz der bereits angefallenen
Anschaffungskosten zu bemessen ist. Selbst bei der denkbar großzügigsten Anwendung
einer Wesentlichkeitsgrenze wäre diese im Streitfall überschritten.
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Im Allgemeinen bewegen sich im Steuerrecht solche Wesentlichkeitsgrenzen zwischen 5
und 10 vom Hundert der Vergleichsgröße, die hier mit den zum 31.12.2001
valutierenden Darlehen in Höhe von 744.465,11 DM zuzüglich 50.000 DM Stammkapital,
zusammen 794.465,11 DM, anzusetzen ist. 10 vom Hundert davon wären rund
79.446,51 DM. Allein die Summe der vor einem Ausfall nicht geschützten Forderungen
aus früheren und künftigen Lieferungen und Leistungen in Höhe von (19.294,47 € +
90.710,37 € = 110.004,84 € =) 215.150,76 DM übersteigt diesen Betrag bei weitem.
Hinzu kommen die Gewährleistungsrisiken aus einem relevanten Umsatz von
401.105,63 DM. Diese Risiken sind nicht allein mit den nach kaufmännischen
Erfahrungen ermittelten Ausfall- und Gewährleistungsraten anzusetzen, weil hinsichtlich
der Höhe des Auflösungsverlustes ein höheres Maß an Gewissheit erforderlich ist, um
eine vorgezogene Realisierung zu bejahen (vgl. BFH, Beschluss vom 22.11.2005 VIII B
308/04, BFH/NV 2006, 539: „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“;
Beschluss vom 04.10.2007 VIII S 3/07 (PKH), BFH/NV 2008, 209: „mit Sicherheit“). Daher
konnte die Klägerin am 31.12.2001 nicht mit der erforderlichen Gewissheit ausschließen,
dass der endgültige Auflösungsverlust den Betrag von (794.465,11 DM + 79.446,51 DM
=) 873.911,62 DM übersteigen würde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich. Insbesondere haben die
dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Rechtsfragen keine grundsätzliche Bedeutung im
Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, weil das Gericht von der gefestigten
höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgeht.
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