Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 18.10.1990

FG Berlin-Brandenburg: verdeckte gewinnausschüttung, kaufpreis, nennwert, kapitalgesellschaft, erwerb, bilanz, anteil, stammkapital, einziehung, testament

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Gericht:
Finanzgericht Berlin-
Brandenburg 6.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
2000
Aktenzeichen:
6 K 959/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 8 Abs 3 S 2 KStG 1999, § 11
Abs 2 EStG 1991
Verdeckte Gewinnausschüttung durch verbilligten Erwerb
eigener Anteile einer GmbH durch Gesellschafter: eigene Anteile
als Wirtschaftsgüter, Vorteilsgeneigtheit, Ableitung des
gemeinen Werts aus Verkäufen
Tatbestand
Durch Gesellschaftsvertrag vom 18. Oktober 1990 wurde die Klägerin errichtet. Die
Gesellschafterversammlung bestellte die Anteilseigner Herrn A... und Herrn B... zu
Geschäftsführern. Das Stammkapital betrug zunächst DM ...,-, wovon auf die
Geschäftsführer der Klägerin ursprünglich jeweils Anteile mit einem Nennwert von DM
...,- entfielen. Die Klägerin hat ein abweichendes Wirtschaftjahr zum 28. Februar bzw. in
Schaltjahren zum 29. Februar.
Nach § 9 des Gesellschaftsvertrags in der Fassung vom 18. Oktober 1990 war die
Verfügung über Geschäftsanteile nur mit Genehmigung der Klägerin zulässig. Bei der
Veräußerung von Geschäftsanteilen hatten die eingetragenen Gesellschafter ein
Vorkaufsrecht; der Preis bestimmte sich gemäß § 11 des Vertrags nach den für die
Ermittlung des Auseinandersetzungsguthabens geltenden Grundsätzen. Danach war von
dem auf den Gesellschafter entfallenden Einheitswert des Betriebsvermögens
auszugehen, das einerseits um die Buchwerte zu erhöhen war, die nicht im Einheitswert
enthalten oder aber höher als der Einheitswert waren, und andererseits um geplante und
nachfolgend beschlossene Gewinnausschüttungen, um Darlehensforderungen
gegenüber dem Gesellschafter sowie den Firmenwert zu kürzen war.
In der Folgezeit erwarben insbesondere die Gesellschaftergeschäftsführer verschiedene
Geschäftsanteile hinzu, so dass sich das Stammkapital nach Neuordnung der
Beteiligungsverhältnisse in den Jahren 1991 und 1992 von DM ...,- wie folgt aufgliederte:
Nach dem Erwerb der eigenen Anteile aktivierte die Klägerin diese Anteile in der Bilanz
zum 28.02.1993 mit den Anschaffungskosten von DM ... (DM ...,- zuzüglich DM ...
Anschaffungsnebenkosten) und passivierte gemäß § 272 Abs. 4 Handelsgesetzbuch
(HGB) zugleich eine Rücklage für eigene Anteile in derselben Höhe. Hinsichtlich der
Gewinnbezugs- und Stimmrechte, bei denen die Klägerin die eigenen Anteile außer
Ansatz ließ, entfielen auf Herrn A... DM ...,- (= 95 %) und auf Herrn B... DM ...,- (= 5 %).
Mit notariellem Testament vom 11. November 1995 beschwerte der Gesellschafter A...
seine Erben mit einem Vermächtnis in der Weise, dass der Gesellschafter B... sowie Herr
C... die Geschäftsanteile an der Klägerin insoweit erhalten sollten, dass den Erben eine
Mehrheit in Höhe von mindestens 51 % verbleibt. Hierfür sollten die Vermächtnisnehmer
den Nennwert der Anteile an die Erben zahlen.
Durch Vertrag vom 29. Dezember 1998 erwarben die Herren B... und C... von Herrn A...
je einen Kapitalanteil mit einem Nennwert von DM ...,- für jeweils DM ...,-. Nach Nr. 5 des
Vertrags sollte das Gewinnbezugsrecht Herrn B... und Herrn C... für die Geschäftsjahre,
die nach dem 01. Januar 1999 beginnen, zustehen. Der auf die verkauften
Geschäftsanteile jeweils entfallende Gewinn des laufenden Geschäftsjahres und der noch
nicht verteilte Gewinn früherer Geschäftsjahre sollte mit dem Kaufpreis abgegolten sein,
nicht jedoch eine geplante Ausschüttung nach Ablauf des Geschäftsjahres 1998/1999 in
Höhe von DM ...,-. Diese Ausschüttung sollte nach Nr. 5 Buchst. a des Vertrags den
Gesellschaftern im bisherigen Verhältnis zustehen.
Nach dieser Anteilsübertragung stellten sich die Beteiligungsverhältnisse wie folgt dar:
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Die Gewinnbezugs- und Stimmrechte gliederten sich danach folgendermaßen:
In der Gesellschafterversammlung am 14. Januar 1999 verpflichteten sich die
Gesellschafter, unter anderem dafür Sorge zu tragen, dass die Anteile der
Gesellschafter und die eigenen Anteile der Klägerin zu keinem Zeitpunkt an fremde
Dritte veräußert würden.
Am 07. Oktober 1999 hielten die Gesellschafter eine Gesellschafterversammlung ab, in
der sie einen notariellen Kauf- und Abtretungsvertrag schlossen, auf dessen Einzelheiten
der Senat ebenfalls Bezug nimmt. Hiernach teilte die Klägerin die eigenen Anteile im
Nennwert von DM ...,- in Anteile in Höhe von nominell DM ...,-, DM ...,- sowie DM ...,- und
veräußerte den Anteil in Höhe von DM ...,- an Herrn A..., den Anteil in Höhe von DM ...,-
an Herrn B... und den Anteil in Höhe von DM ...,- an Herrn C.... Als Kaufpreis wurde der
Nennwert der Anteile vereinbart. Das Gewinnbezugsrecht sollte den Erwerbern für die
Geschäftsjahre zustehen, die nach dem 29. Februar 2000 beginnen (Nr. 5 des Vertrags).
Weiterhin wurde das Stammkapital der Klägerin zum 01. März 2000 von DM ...,- (= € ...)
auf € ...,- erhöht.
Am 18. Oktober 1999 wurde auch der Gesellschaftsvertrag der Klägerin geändert.
Nunmehr bestimmte sich gemäß § 13 der Wert des Abfindungsguthabens nach dem
modifizierten Buchwert der Anteile an der Klägerin, bei dessen Ermittlung u. a. die stillen
Reserven und die Gewinne der letzten drei Wirtschaftsjahre werterhöhend zu
berücksichtigen waren.
Nach der Übertragung und der Teilnahme an der Kapitalerhöhung stellten sich die
Beteiligungs-, Stimmrechts- und Gewinnausschüttungsbezugrechte wie folgt dar:
Die Klägerin erklärte in den Jahren 1995 bis 2000 folgende Jahresüberschüsse:
Im Jahre 2003 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung statt, auf die Einzelheiten des
Berichts vom 03. Dezember 2003 nimmt der Senat Bezug. Gemäß Textziffer - Tz. - 11
des Berichts ging der Prüfer davon aus, dass die Klägerin ihre eigenen Anteile durch
Vertrag vom 07. Oktober 1999 nicht zum Marktpreis an ihre Gesellschafter veräußert
habe. Nachdem die Gesellschafter B... und C... für ihre Anteile mit Nennwert DM ...,- nur
neun Monate vorher im Dezember 1998 einen Kaufpreis von jeweils DM ...,- geleistet
hätten, sei insoweit der Tatbestand einer verdeckten Gewinnausschüttung erfüllt. Denn
bei der Veräußerung am 29. Dezember 1998 seien die Vertragsbeteiligten davon
ausgegangen, dass die Anteilsveräußerung bei einem Nennwert von insgesamt DM ...,-
(2 x DM ...,-) und einem Kaufpreis von DM ...,- (2 x DM ...,-) real einen Wert von 10 %
umfasst habe. Die eigenen Anteile der Klägerin in Höhe von nominal DM ...,- hätten
31,62 % der Stimmrechte entsprochen. Hiernach ergäbe sich für diesen Anteil der
Stimmrechte (31,62 %) ein tatsächlicher Wert von DM ...,-. Nachdem die Anteilseigner
bei dem Erwerb der eigenen Anteile der Gesellschaft lediglich den Nennwert (DM ...,-)
gezahlt hätten, sei von einer verdeckten Gewinnausschüttung in Höhe von insgesamt
DM ...,- auszugehen.
Das Finanzamt B... übernahm die Einschätzungen des Außenprüfers und erließ
dementsprechend mit Datum vom 08. März 2004 nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung
(AO) geänderte Bescheide für 2000 zur Körperschaftsteuer und zum
Gewerbesteuermessbetrag, in denen es eine verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe
von insgesamt DM ...,- bejahte.
Hiergegen legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein und machte geltend, dass der
Erwerb der eigenen Anteile dem Erhalt eines besseren Bank-Ratings gedient habe.
Daher sei es notwendig gewesen, die eigenen Anteile nicht mehr in der Bilanz
auszuweisen. Dies habe entweder durch eine Kapitalherabsetzung mit anschließender
Einziehung der Anteile und anschließender Kapitalerhöhung zum Nominalwert im
proportionalen Verhältnis der Gesellschafterbeteiligungen oder durch den hier gewählten
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proportionalen Verhältnis der Gesellschafterbeteiligungen oder durch den hier gewählten
Weg der Veräußerung im proportionalen Verhältnis der Gesellschafterbeteiligungen an
die Gesellschafter erreicht werden können. Die zuerst genannte Vorgehensweise wäre
absolut unproblematisch gewesen.
Selbst wenn man eine verdeckte Gewinnausschüttung annehmen würde, wäre die vom
Finanzamt B... festgestellte Höhe unzutreffend. Denn die Anteile hätten auf Grund eines
Testaments und des Gesellschafterbeschlusses vom 14. Januar 1999
Verkehrsbeschränkungen unterlegen. Zudem hätten sich auf Grund der streitigen
Übertragung die Positionen der Gesellschafter nicht verbessert, da ihre Stimmrechte
und Gewinnanteile unverändert geblieben seien.
Weiterhin stellte die Klägerin während des Einspruchsverfahrens am 29. April 2004 einen
Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, den der damalige Vorsitzende des zuständigen
2. Senats ohne Beteiligung des übrigen Senats durch Beschluss vom 24. November
2004 in der Weise entschied, dass er dem Antrag zu 1/3 statt gab und im Übrigen
abwies (Aktenzeichen 2 V 878/04).
Mit Einspruchsentscheidung vom 18. Mai 2005 wies das Finanzamt B... den Einspruch als
unbegründet zurück. Es handle sich bei den eigenen Anteilen um Wirtschaftsgüter, die
die Klägerin zu einem verbilligten Wert ihren Gesellschaftern übertragen habe. Die
Klägerin und ihre Gesellschafter hätten bewusst nicht den Weg der Einziehung der
Anteile gewählt. Durch den Ansatz eines zu niedrigen Kaufpreises sei eine verdeckte
Gewinnausschüttung unter dem Gesichtspunkt einer verhinderten Vermögensmehrung
zustande gekommen. Der Erwerb wie auch die Veräußerung eigener Anteile sei im
Allgemeinen nicht betrieblich sondern gesellschaftsrechtlich veranlasst.
Einem fremden Dritten wäre dieser Vorteil nicht gewährt worden. Denn aus den
Anteilskäufen vom 29. Dezember 1998, die innerhalb eines Jahres vor den hier streitigen
Übertragungen vom 07. Oktober 1999 stattgefunden hätten, ergebe sich ein
Veräußerungspreis in Höhe von DM ...,- (2 x DM ...,-) bei einer Übertragung von 20 % der
Stimmrechte. Da bei den streitigen Übertragungen Stimmrechte im Umfang von 31,62
% übertragen worden seien, belaufe sich der gemeine Wert auf DM ...,-, so dass sich
nach Abzug des Kaufpreises von zusammen DM ..,- eine verdeckte Gewinnausschüttung
von DM ...,- ergebe.
Der Wert der Anteile habe sich im Zeitraum vom 29. Dezember 1998 bis zum 07.
Oktober 1999 nicht gemindert. Lediglich die Gewinnausschüttung in Höhe von DM ...,-
vom 01. April 1999 sei mit dem am 29. Oktober 1998 vereinbarten Kaufpreis abgegolten
gewesen. Von der weiteren Gewinnausschüttung für das Wirtschaftsjahr 1998/1999 vom
07. Januar 2000 in Höhe von DM ...,- hätten die Erwerber bereits profitiert. Zudem sei
das Geschäftsjahr 1999/2000 angesichts eines Jahresüberschusses von DM ...,-
ausgesprochen erfolgreich gewesen.
Zwar gebe es im Gesellschaftsvertrag eine Veräußerungsbeschränkung in der Weise,
dass eine Abtretung von der Genehmigung der Klägerin abhängig sei. Dies rechtfertige
nach der Rechtsprechung des BFH aber nicht die Vereinbarung eines unangemessen
niedrigen Preises. Die Veräußerung habe zwar nicht zu einer Veränderung der Stimm-
und Bezugsrechte bei den Gesellschaftern geführt; bei einer Übertragung der Anteile auf
einen Dritten hätten sich aber die Stimm- und Bezugsrechte der bisherigen
Gesellschafter gemindert. Auch aus dem Vermächtnis ergebe sich keine Minderung des
Wertes der Geschäftsanteile. Denn die Regelung habe nur dazu gedient, die
Mehrheitsverhältnisse für die Zeit nach dem Tod des Gesellschafters A... zu sichern.
Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Übertragung vom 29. Dezember 1998 an die
Vermächtnisnehmer nicht zum Nennwert erfolgt sei.
Hiergegen hat die Klägerin fristgerecht Klage erhoben, die sie wie folgt begründet:
Zunächst sei bereits die Wirtschaftsguteigenschaft der eigenen Anteile zu verneinen.
Tatsächlich handele es sich bei dem in der Bilanz aktivierten Eigenanteil nebst
bilanzierter Rücklage in derselben Höhe lediglich um einen Korrekturposten zum
Eigenkapital. Angesichts der „Doppelnatur“ von eigenen Anteilen hätten die
Gesellschafter gar nicht die Absicht gehegt, diese eigenen Anteile zu veräußern.
Die Veräußerungen seien betrieblich veranlasst gewesen, da die Umgestaltung am 07.
Oktober 1999 vorrangig dem Zweck gedient habe, bei geringfügiger aufgerundeter
Kapitalerhöhung und Wahrung der prozentualen Beteiligungsverhältnisse der
Gesellschafter das Stammkapital auf Euro umzustellen und die Bilanz zu bereinigen.
Damit habe das banktechnische Rating verbessert werden sollen. Die eigenen Anteile
hätten fremden Dritten nicht in die Hände gegeben werden können, da die Klägerin auf
einen Kreis von mitarbeitenden leitenden Persönlichkeiten zugeschnitten gewesen sei.
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einen Kreis von mitarbeitenden leitenden Persönlichkeiten zugeschnitten gewesen sei.
Der Erwerb von eigenen Anteilen zum Zwecke der Weiterveräußerung habe auch nicht
zum Unternehmensgegenstand der Klägerin gehört.
Weiterhin fehle es an der sog. Vorteilsgeneigtheit, da der Erwerb der eigenen Anteile
durch die Gesellschafter keinen Vorteil auslöse, der als Bezug im Sinne von § 20 Abs. 1
Nr. 1 Satz 2 EStG angesehen werden könne (vgl. BFH, Urteile vom 17. August 2002 I R
2/02, BStBl. II 2004, 131; vom 25. Januar 2005 I R 8/04, DStRE 2005, 704). Der Erwerb
der eigenen Anteile habe aber weder die Stimmrechte der betroffenen Gesellschafter
noch die Ansprüche auf Dividendenbezug erhöht.
Die verdeckte Gewinnausschüttung sei auch der Höhe nach zu beanstanden. Denn der
Kaufpreis von DM ...,- für einen Anteil im Umfang von 10 % gemäß Kaufvertrag vom 29.
Dezember 1998 entfalle im Wesentlichen auf die thesaurierten Gewinne. So hätten sich
die Gewinnrücklagen in der Bilanz zum 28. Februar 1999 abzüglich der vorgesehenen
Gewinnausschüttung auf mehr als DM ...,- belaufen; 10 % hiervon seien DM ...,-. Diese
anteiligen Gewinne seien aus dem Kaufpreis herauszurechnen; immerhin würden sie im
Fall der späteren Ausschüttung erneut besteuert.
Im Ergebnis komme der Beklagte zu einer Besteuerung eines Sollgewinns. Die
Gesellschafter hätten ihr Ziel, auf einem „falschen Weg“ zu erreichen versucht. Bei einer
Einziehung wäre die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung in keinem Fall zu
rechtfertigen. Hilfsweise komme eine Billigkeitsfestsetzung nach § 163 AO in Betracht,
die der Senat gegenüber dem Beklagten anregen könne.
die Bescheide über Körperschaftsteuer 2000 vom 08.
März 2004, Gewerbesteuermessbetrag 2000 vom 08. März 2004 und die
gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 KStG a.
F. zum 29. Februar 2000 und zum 28. Februar 2001 sowie die
Einspruchsentscheidung vom 18. Mai 2005 dahingehend zu ändern, dass
der Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttungen in Höhe von DM ...,-
unterbleibt, sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das
Vorverfahren für notwendig zu erklären.
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält an der im Einspruchsverfahren vom Finanzamt B... vertretenen
Auffassung fest, wonach der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt zu Grunde zu legen
sei. Nach neuerer Rechtsprechung seien eigene Anteile als Wirtschaftsgüter anzusehen
(BFH, Urteil vom 23. Februar 2005 I R 44/04, BFH/NV 2005, 958). Die Veräußerung der
eigenen Anteile an die Gesellschafter habe zu einem Wiederaufleben der ruhenden
Gewinn- und Stimmrechte und zu einer korrespondierenden Minderung der Gewinn- und
Stimmrechte bei den bereits von den Gesellschaftern gehaltenen Anteilen geführt. Der
sich aus dem Wiederaufleben ergebende Vorteil sei von den Erwerbern nicht
angemessen vergütet worden.
Die verdeckte Gewinnausschüttung sei der Höhe nach rechtmäßig: Thesaurierte
Gewinne erhöhten den Substanzwert eines Unternehmens. Es komme nicht zu einer
unzulässigen Doppelbesteuerung bei den Gesellschaftern, da sich deren
Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG erhöhten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands nimmt der Senat Bezug auf
die zitierten Verträge und Beschlüsse.
Während des Klageverfahrens ist der Beklagte auf Grund der Zusammenlegung der
Finanzämter A... und B... für das Verfahren zuständig geworden.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Hinsichtlich der Anfechtung der Bescheide nach § 47 KStG a. F. zum 29. Februar 2000
und 28. Februar 2001 ist die Klage unzulässig, da es sich insoweit um reine
Folgebescheide der Körperschaftsteuerbescheide gemäß § 47 Abs. 2 Nr. 1 KStG a. F.
2. Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Die angefochtenen Bescheide über
Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbetrag 2000 sowie die
Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren
Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -). Zu Recht hat der Beklagte
eine verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne von § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG angenommen.
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a) Unter einer verdeckten Gewinnausschüttung im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist
bei einer Kapitalgesellschaft eine verhinderte Vermögensmehrung bzw. eine
Vermögensminderung zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst
ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG in
Verbindung mit § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer
offenen Ausschüttung steht. Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ist
dabei regelmäßig anzunehmen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen
Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und
gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (BFH,
Urteil vom 7. August 2002 I R 2/02, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter
Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 2003, 124).
b) Der verbilligte Erwerb von eigenen Anteilen der Kapitalgesellschaft durch die
Gesellschafter führt unter dem Gesichtspunkt einer verhinderten Vermögensmehrung zu
einer verdeckten Gewinnausschüttung. Denn bei einem Verkauf zum angemessenen
Preis wäre das Vermögen der Kapitalgesellschaft höher gewesen als beim Verkauf zu
einem verbilligten Preis.
aa) Der Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung steht nicht entgegen, dass es
sich nach Auffassung der Prozessbevollmächtigten bei eigenen Anteilen nicht um
Wirtschaftsgüter handelt. Denn zum einen kommt eine verdeckte Gewinnausschüttung
auch dann in Betracht, wenn die fragliche Vermögensminderung bzw. verhinderte
Vermögensmehrung nicht durch die Überlassung eines Wirtschaftsguts veranlasst ist; so
kann eine verdeckte Gewinnausschüttung etwa bei verbilligter Nutzungsüberlassung
anzunehmen sein. Zum anderen handelt es sich bei eigenen Anteilen nach zutreffender
Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 06. Dezember 1995 I R 51/95, BStBl. II 1998, 781)
um Wirtschaftsgüter.
bb) Der Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung kann die Klägerin weiterhin
nicht entgegenhalten, dass die von ihr beabsichtigte Bereinigung der Bilanz unter
Aufrechterhaltung des Stammkapitals auch durch eine Einziehung der Anteile und
anschließende Kapitalerhöhung hätte erreicht werden können und dass dieser Weg
steuerlich zu keinen Problemen im Bereich der verdeckten Gewinnausschüttung geführt
hätte (s. hierzu auch Hohage, DB 2009, 1033). Entscheidend für die steuerlichen
Rechtsfolgen ist der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt, nicht ein Alternativ-
Sachverhalt. Ein gedachter Sachverhalt ist nur dann der Besteuerung zu Grunde zu
legen, wenn dies ausdrücklich zugelassen ist wie z. B. in § 42 Abs. 1 Satz 3 AO.
cc) Weiterhin scheidet eine verdeckte Gewinnausschüttung nicht bereits deshalb aus,
weil die erworbenen eigenen Anteile nicht vorteilsgeneigt seien (s. hierzu BFH, Beschluss
vom 25. Januar 2005 I R 8/04, BStBl. II 2006, 190; Streck/Schwedhelm, KStG, 7. Aufl., § 8
Rz. 166 f.). Zwar waren die Gewinnbezugs- und Stimmrechte der Gesellschafter A..., B...
und C... vor der hier streitigen Übertragung ebenso hoch wie nach der hier streitigen
Übertragung, so dass sich deren Mitgliedschaftsrechte im Ergebnis nicht erhöht haben:
Herr A... war vor und nach der Übertragung mit jeweils 75 %, Herr B... mit jeweils 15 %
und Herr C... mit jeweils 10 % hinsichtlich der Gewinnbezugs- und Stimmrechte beteiligt.
Die Klägerin verkennt jedoch, dass die drei Gesellschafter auf Grund der Übertragung
jeweils Anteile mit vollem Gewinnbezugs- und Stimmrecht erhalten haben. Denn diese
Rechte ruhten, solange die Klägerin die eigenen Anteile selbst hielt, und lebten mit der
Übertragung wieder auf. Geschäftsanteile mit vollwertigem Gewinnbezugs- und
Stimmrecht sind aber vorteilsgeneigt.
Die sich danach ergebende Vorteilsgeneigtheit entfällt nicht dadurch, dass die von den
drei Gesellschaftern vor der streitigen Übertragung bereits gehaltenen Anteile
hinsichtlich der mit den Anteilen verbundenen Gewinnbezugs- und Stimmrechte an Wert
verloren. So vermittelte die Beteiligung des Herrn A... von 51,26 % Gewinnbezugs- und
Stimmrechte im Umfang von 75 %, die Beteiligung des Herrn B... von 10,27 % führte zu
Gewinnbezugs- und Stimmrechten im Umfang von 15 %, und aus der Beteiligung des
Herrn C... von 6,85 % leiteten sich Gewinnbezugs- und Stimmrechte im Umfang von 10
% ab. Nach der streitigen Übertragung bestanden die Gewinnbezugs- und Stimmrechte
in gleicher Höhe und hatten sich nicht erhöht. Eine derartige Saldierung ist im Bereich
der Prüfung der Vorteilsgeneigtheit aber – anders als bei der Bewertung einer
verdeckten Gewinnausschüttung unter dem Gesichtspunkt des sog. Vorteilsausgleichs
(s. hierzu Lange/Janssen, Verdeckte Gewinnausschüttungen, 9. Aufl., Rz. 272 ff. - nicht
zulässig, weil das Kriterium der Vorteilsgeneigtheit nur dazu dient, bestimmte
Ausnahmekonstellationen aus dem Anwendungsbereich der verdeckten
Gewinnausschüttung herauszunehmen, weil die von der Kapitalgesellschaft
vorgenommene Handlung keinen Vorteil beim Gesellschafter auslösen kann. Dies ist bei
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vorgenommene Handlung keinen Vorteil beim Gesellschafter auslösen kann. Dies ist bei
der Übertragung von Geschäftsanteilen mit vollen Mitgliedschafts- und
Beteiligungsrechten anders, weil es unstreitig zu einem Vorteil beim Erwerber kommt. Im
Übrigen wäre selbst bei Zulässigkeit einer Saldierung und damit einer
Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen, dass die erwerbenden Gesellschafter nach
Abschluss der Transaktion nicht mehr der Gefahr ausgesetzt waren, dass die
Kapitalgesellschaft ihre eigenen Anteile an fremde Dritte veräußert und damit die bisher
überproportional bestehende Mitgliedschaftsrechte auf eine quotale Größenordnung
herabgestuft werden. Zudem waren die erwerbenden Gesellschafter nach der streitigen
Übertragung in der Lage, Geschäftsanteile im Umfang von 75 % (A...), 15 % (B...) und 10
% (Herr C...) mit jeweils vollständigen Mitgliedschaftsrechten an Dritte oder an andere
Mitgesellschafter zu einem entsprechenden Entgelt zu übertragen, während vor der
Übertragung nur Geschäftsanteile im Umfang von 51,26 % (A...), 10,27 % (B...) und 6,85
% (C...) hätten weiterveräußert werden können.
dd) Der in Höhe des Nennwerts von insgesamt DM ...,- vereinbarte Kaufpreis entsprach
nicht dem gemeinen Wert der Geschäftsanteile, der bei der Prüfung einer verdeckten
Gewinnausschüttung zu Grunde zu legen ist (Streck/Schwedhelm, KStG, 7. Aufl., § 8 Rz.
242). Zu Recht hat der Beklagte einen gemeinen Wert von DM ...,- zu Grunde gelegt.
Dieser Wert leitet sich aus der Veräußerung am 29. Dezember 1998 ab, die ca. neun
Monate vor der hier streitigen Übertragung stattgefunden hatte und daher entsprechend
dem Grundgedanken des § 11 Abs. 2 Bewertungsgesetz berücksichtigt werden kann.
(1) Die Vorgehensweise des Beklagten ist rechnerisch nicht zu beanstanden. Die
Übertragung vom 29. Dezember 1998 betraf Geschäftsanteile im Nennwert von
insgesamt DM ...,- (2 x DM ...,-), die einer Beteiligung von insgesamt 20 % (2 x 10 %)
entsprachen, und führte zu einem Kaufpreis von zusammen DM ...,- (2 x DM ...,-).
Die hier streitige Übertragung vom 07. Oktober 1999 betraf eigene Anteile der Klägerin
im Nennwert von DM ...,-; dies entsprach einer Beteiligung am Stammkapital von 31,62
%. Erhöht man den am 29. Dezember 1998 vereinbarten Kaufpreis um einen Faktor von
31,62/20, ergibt sich ein angemessener Kaufpreis von DM ...,-, von dem der tatsächlich
entrichtete Kaufpreis von DM ...,- abzuziehen ist, so dass die verdeckte
Gewinnausschüttung im Sinne von § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG DM ...,- beträgt.
(2) Der Senat folgt nicht dem Einwand der Klägerin, wonach von dem am 29. Dezember
1998 vereinbarten Kaufpreis ein erheblicher Anteil abzuziehen sei, weil der Kaufpreis
insoweit auf die thesaurierten Gewinne entfallen sei. Es gehört zum Wesen eines
Unternehmenskaufpreises, dass er die im Unternehmen verkörperte Substanz ebenso
vergütet wie die Ertragsaussichten. Soweit das Unternehmen bereits in der
Vergangenheit Gewinne erwirtschaftet und diese im Unternehmen verblieben sind,
erhöht sich die Substanz des Unternehmens, so dass ein entsprechend höherer
Kaufpreis erzielt werden kann. Soweit die bisher erzielten Gewinne bereits ausgeschüttet
worden sind, verbleibt der Umstand einer nachhaltigen Rendite, der im Rahmen der
Ertragsprognose positiv berücksichtigt werden kann.
Bei Anteilsübertragung am 07. Oktober 1999 bestand noch ein erheblicher
Gewinnvortrag in Höhe von ca. DM ... (Wert per 28. Februar 1999: DM ...;
Jahresüberschuss 1999/2000: DM ...). Am 07. Januar 2000 kam es zu einer
Gewinnausschüttung für das im Erwerbszeitpunkt bereits abgeschlossene Wirtschaftsjahr
1998/1999 in Höhe von DM ...,-. Die Höhe dieser Gewinnausschüttung verdeutlicht die
Werthaltigkeit der übertragenen Anteile. Auch die in den Vorjahren erzielten Gewinne von
DM ... (1994/1995), DM ...,- (1995/1996), DM ... (1996/1997) und DM ... (1997/1998)
sprechen für die hohe Ertragskraft der Klägerin im damaligen Zeitpunkt.
(3) Entgegen der Auffassung der Klägerin rechtfertigen weder die Anteilsbeschränkungen
auf Grund des Gesellschaftsvertrags noch das Testament des Herrn A... einen
Wertabschlag; erst Recht kann hieraus nicht der Nennwert als gemeiner Wert abgeleitet
werden. Dass die Übertragung von Geschäftsanteilen an einer nicht börsennotierten
Kapitalgesellschaft der Genehmigung der Kapitalgesellschaft bedarf, ist nicht
ungewöhnlich und führt nicht dazu, dass der Wert der Geschäftsanteile gemindert ist.
Auch die Regelung im Testament des Herrn A... wirkt sich nicht wertmindernd aus.
Danach sollten die Gesellschafter B... und C... die Geschäftsanteile an der Klägerin
erhalten, wobei den Erben aber eine Mehrheit in Höhe von mindestens 51 % verbleiben
sollte. Damit wird lediglich sichergestellt, dass die Mehrheitsbeteiligung des Herrn A...
auch den Erben erhalten bleibt. Die übrigen Gesellschafter stehen dadurch nicht
schlechter, als sie bis zum Tod des Herrn A... stehen oder ohne Vermächtnis stehen
würden. Soweit in dem Testament geregelt ist, dass die Vermächtnisnehmer den
Nennwert der Geschäftsanteile an die Erben zahlen sollten, ergibt sich hieraus nicht der
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Nennwert der Geschäftsanteile an die Erben zahlen sollten, ergibt sich hieraus nicht der
gemeine Wert; vielmehr ist es das Wesen eines Vermächtnisses, den
Vermächtnisnehmer zu bereichern. Im Übrigen hat der Beklagte zu Recht darauf
hingewiesen, dass bei der Übertragung am 29. Dezember 1998 von Herrn A... auf die
Herren B... und C... der Nennwert keine Rolle gespielt habe.
ee) Die verbilligte Übertragung der Geschäftsanteile war durch das
Gesellschaftsverhältnis veranlasst. Einem fremden Dritten wäre nicht die Möglichkeit
eingeräumt worden, die Geschäftsanteile einer Kapitalgesellschaft, die regelmäßig
Gewinne im sechsstelligen Bereich erzielt, für das Geschäftsjahr, in dem die Übertragung
stattfand, eine Gewinnausschüttung von insgesamt DM ...,- vornehmen konnte, und am
28. Februar 1999 über einen Gewinnvortrag in Höhe von DM ... verfügte, zum Nennwert
zu erwerben. Selbst wenn die Bereinigung der Bilanz um die eigenen Anteile auch im
betrieblichen Interesse gestanden haben sollte, wäre jedenfalls für die verbilligte
Übertragung der Anteile auf die Gesellschafter kein betrieblicher Grund erkennbar
gewesen.
ff) Angesichts der vorstehenden Ausführungen zur Höhe der verdeckten
Gewinnausschüttung gibt es für den Senat keinen Anlass, der Einschätzung des
damaligen Vorsitzenden Richters des 2. Senats der Finanzgerichts des Landes
Brandenburg im Beschluss vom 24. November 2004 zu folgen, und die verdeckte
Gewinnausschüttung nur in Höhe von 2/3 des vom Beklagten angenommenen Wertes
anzusetzen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Angesichts der Klageabweisung
ist kein Raum für eine Kostenentscheidung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO hinsichtlich der
Kosten für das Einspruchsverfahren.
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