Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 10.07.1998
FG Berlin-Brandenburg: vergütung, nahe stehende person, veranstalter, nebenleistung, juristische person, beschränkte steuerpflicht, wirtschaftliches interesse, ausländische gesellschaft, darbietung
1
2
3
Gericht:
Finanzgericht Berlin-
Brandenburg 12.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
1998
Aktenzeichen:
12 K 3078/05 B
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 50a Abs 4 S 1 Nr 1 EStG 1997,
§ 49 Abs 1 Nr 2 Buchst d EStG
1997
(Leistungen eines Technikerteams als künstlerische bzw. mit
künstlerischen Leistungen zusammenhängende Leistungen im
Sinne des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG)
Tenor
Der Beklagte wird verpflichtet, die für das zweite Quartal 1998
angemeldete und zwischenzeitlich abgeführte Körperschaftsteuer
abweichend von der Steueranmeldung vom 10. Juli 1998 und unter
Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 01. Dezember 1998 in Höhe
von 1.522.351,09 DM an die Klägerin zu erstatten.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte
kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die
Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Beschluss
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für
notwendig erklärt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin eine an eine ausländische Gesellschaft
gezahlte Leistungsvergütung dem Steuerabzug gemäß § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für das Streitjahr 1998 geltenden Fassung
(nachstehend: „EStG a.F.“) zu unterwerfen hatte.
Die Klägerin ist eine in Deutschland ansässige, als Konzertveranstalter tätige
Kapitalgesellschaft. Zwischen Mai und August 1998 veranstaltete sie in verschiedenen
deutschen Städten insgesamt acht Konzerte der Rockmusikgruppe „B“. Zu diesem
Zweck schloss die Klägerin einen Vertrag mit der Künstlergesellschaft der „B“, der ...
(nachfolgend: „RST“), einer in den U.S.A. ansässigen Gesellschaft, über den Auftritt der
„B“ ab. Des Weiteren schloss die Klägerin mit der ebenfalls in den U.S.A. ansässigen ...
(nachfolgend: „PP“) einen „Vertrag über die Bereitstellung von technischen Materialien
und Dienstleistungen“ ab, der die Verpflichtung der PP begründete, die für die
Durchführung der Konzerte erforderlichen technischen Leistungen bereit zu stellen; dies
betraf insbesondere den Bühnenaufbau, das Beleuchtungssystem, das Mikrophon- und
Lautsprechersystem sowie zahlreiche musikbegleitende Lichteffekte und ein Feuerwerk.
Die von der Klägerin veranstalteten Konzerte waren der in Deutschland stattfindende Teil
der weltweiten „B … Tour“. Zur Durchführung dieser Welttournee hatten zuvor RST und
PP sowie eine aus mehreren Gesellschaften bestehende, nachstehend
zusammenfassend als „TNA“ bezeichnete Gruppe in einem am 20. Mai 1997
geschlossenen Vertrag, einem so genannten „Joint Services Operating Agreement“
(„JSOA“), umfangreiche Vereinbarungen getroffen, die die koordinierte Erbringung von
Leistungen im Rahmen der Tournee, deren Vermarktung, die Verteilung der
Verwertungsrechte sowie die Behandlung der bei der Tournee anfallenden Einnahmen
und Ausgaben regelte. Die Klägerin war an dem JSOA nicht beteiligt; die darin
4
5
6
7
8
9
und Ausgaben regelte. Die Klägerin war an dem JSOA nicht beteiligt; die darin
niedergelegten Vereinbarungen waren ihr nicht bekannt.
RST hatte sich dafür entschieden, bei der Durchführung der Tournee mit PP zusammen
zu arbeiten, weil PP bereits in der Vergangenheit in dem Bereich technischer
Durchführung von Konzertveranstaltungen tätig gewesen war und ihre angestellten
Mitarbeiter, insbesondere die verantwortlichen Fachleute (Product Manager, Sound
Engineer, Stage Manager, Lighting Directors, etc.), über entsprechende Erfahrung und
Fachwissen verfügten. PP war gesellschaftsrechtlich nicht mit der RST oder den
Mitgliedern der „B“ verbunden. Der geschäftsführende Gesellschafter der PP, Herr C,
hatte allerdings als Mitinhaber der Rechtsanwaltskanzlei C & D in der Vergangenheit
verschiedene Mitglieder der Band „B“ sowie verschiedene Gesellschaften aus deren
Umfeld in steuerlicher Hinsicht beraten; gleiches galt für weitere Anwälte aus dieser
Kanzlei.
Das JSOA sah vor, dass grundsätzlich TNA als Veranstalter der Tourneekonzerte
fungierte (§ 6 JSOA). RST lieferte neben den künstlerischen Leistungen der Gruppe „B“
auch ein Aufführungskonzept für die Bühne; dieses Konzept war detailliert auf die
jeweiligen Musiktitel abgestimmt. PP übernahm die technische Durchführung der
Konzerte, wobei sie ihre Leistungen entweder selbst oder durch Subunternehmer zu
erbringen hatte. Um welche technischen Leistungen PP es sich dabei im Einzelnen
handelte, bestimmte sich insbesondere nach dem von RST vorgelegten
Aufführungskonzept und war in einem Vertragsanhang, dem „Technical Rider“,
festgelegt.
Das JSOA sah des Weiteren vor, dass PP während der Dauer der Welttournee sowie eine
gewisse Zeit nach deren Beendigung exklusiv für diese Tournee tätig zu sein hatte und
somit in dieser Zeit Dritten nicht für Veranstaltungsleistungen zur Verfügung stehen
durfte (§ 5 [g] JSOA). Die Termine der einzelnen Konzertveranstaltungen konnten
einseitig, insbesondere ohne Zustimmungsvorbehalt der PP, durch RST verändert sowie
die Gesamtdauer der Tournee ebenso einseitig verlängert werden.
RST behielt sich im JSOA das Recht vor, für die Auftritte in bestimmten Ländern anstelle
von TNA einen anderen, im jeweiligen Gastland ansässigen Konzertveranstalter („lokale
Veranstalter“) zu bestimmen, der diese Konzerte veranstaltete und vermarktete (so
genanntes „sell off“-Verfahren, definiert in § 1 [bs] des JSOA). Hintergrund dieses
Vorbehalts war, dass RST sich nicht sicher war, dass TNA über genügend Erfahrung und
Know-how verfügte, um in sämtlichen Ländern als Veranstalter auftreten zu können.
Soweit RST von diesem Vorbehalt Gebrauch machen würde, waren die
Tourneebeteiligten, darunter auch PP, verpflichtet, ihre jeweiligen Leistungen
inhaltsgleich gegenüber dem betreffenden lokalen Veranstalter zu erbringen und mit
diesem hierüber eigenständige Verträge abzuschließen. TNA war dann für die
betreffenden Konzerte weder Gläubiger von Leistungen der übrigen Beteiligten noch
Schuldner einer Vergütung. Für die in Deutschland stattfindende Konzerte übte RST ihr
Bestimmungsrecht dahingehend aus, dass anstelle der TNA die Klägerin als lokaler
Veranstalter eingeschaltet wurde.
Die Abrechnung und Ergebnisverteilung regelte das JSOA einheitlich für die
Gesamttournee in der Weise, dass RST und PP jeweils bestimmte Festbeträge sowie eine
Beteiligung am Gesamtüberschuss der Tournee zustehen sollten. PP sollte einen
Festbetrag erhalten, der sämtliche ihr bei der Bereitstellung der technischen Materialien
und Leistungen (im JSOA jeweils eingehend definiert) tatsächlich entstandenen Kosten
um 250.000 US$ überstieg (§ 8 [a] JSOA). Von dem Gesamtüberschuss der Tournee
(definiert als Überschuss sämtlicher Bruttoeinnahmen über sämtliche direkten Kosten)
sollten RST und PP gemeinsam 90 % abzüglich der vorgenannten Mindestbeträge als so
genannte „bedingte Vergütung“ erhalten (§ 7 [c] JSOA). Nach welchem Maßstab diese
„bedingte Vergütung“ zwischen RST und PP aufzuteilen war, war im JSOA nicht
ausdrücklich festgelegt. Zum Zweck der Abrechnung der Gesamttournee waren allen
Tourneebeteiligten verpflichtet, sämtliche Zahlungsvorgänge einschließlich aller
erhaltenen Entgelte über Treuhandkonten abzuwickeln, über die bis zur
Gesamtabrechnung der Tournee allein der von ihnen gemeinsam eingesetzte
Treuhänder, die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, verfügen konnte. Hinsichtlich der
im Weg des „sell off“ vermarkteten Konzerte – also auch in Bezug auf die von der
Klägerin veranstalteten Konzerte in Deutschland – sah das JSOA vor, dass PP die ihr von
dem lokalen Veranstalter überwiesene Leistungsvergütung behalten und im Gegenzug
keinen Anspruch auf Erstattung der ihr bei diesen Konzerten entstandenen Kosten
haben sollte.
Wie sich nach Abschluss der Tournee herausstellte, erreichte die Gesamtsumme der
9
10
11
12
13
14
Wie sich nach Abschluss der Tournee herausstellte, erreichte die Gesamtsumme der
Vergütungen, die PP im Rahmen der Tournee von lokalen Veranstaltern im „sell off“-
Verfahren eingenommen hatte (rund 48 Mio. US$), bei weitem nicht den Gesamtbetrag
der von PP getragenen Kosten (rund 88 Mio. US$), die im Rahmen der Berechnung der
PP zustehenden Festvergütung (Gesamtkosten zuzüglich 250.000 US$)
berücksichtigungsfähig waren. Aufgrund des Mechanismus des „cost plus“-Verfahrens
relativierte sich somit ein wirtschaftlicher Erfolg der PP in Gestalt einer besonders hoch
ausgehandelten Leistungsvergütung des lokalen Veranstalters wieder, indem die bei der
Berechnung der Mindestvergütung anrechenbaren Kosten sich in entsprechend
höherem Maße verringerten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des JSOA wird auf die zu den Gerichtsakten gereichte
unbeglaubigte, von beiden Beteiligten als zutreffend akzeptierte Übersetzung jenes
Vertrages verwiesen.
Als Summe aus Mindestentgelt nach Abzug der Kosten (250.000 US$) und Anteil an der
„bedingten Vergütung“ erhielt PP für ihre Leistungen im Rahmen der Gesamttournee
schließlich eine Gesamtvergütung von 1.052.800 US$. Dieser Betrag entsprach einem
Anteil von rund 0,7 % des Gesamtgewinns der Tournee.
Auf der Grundlage des mit PP bestehenden Vertrags schuldete die Klägerin dieser für
das zweite Quartal 1998 eine Vergütung in Höhe von 3.643.731,67 DM. Da PP der
Klägerin keine Freistellungsbescheinigung des Bundesamts für Finanzen vorlegen
konnte, behielt die Klägerin bei Zahlung der Vergütung an PP Beträge von
1.522.351,09 DM als Körperschaftsteuer und 83.441,46 DM als Solidaritätszuschlag ein
und führte diese Beträge gemäß §§ 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, 49 Abs. 1 Nr. 2d EStG a.F.
an den Beklagten ab. Zugleich mit der am 10. Juli 1998 beim Beklagten für das zweite
Quartal 1998 eingereichten Anmeldung dieses Steuerabzugs nach § 73e Satz 2 der im
Streitjahr 1998 geltenden Einkommensteuer-Durchführungsverordnung („EStDV a.F.“)
erhob die Klägerin hiergegen Einspruch. Sie machte geltend, zum Einbehalten und
Abführen von Steuern auf die Vergütung der PP nicht verpflichtet zu sein; bei den von PP
erbrachten Leistungen habe es sich weder um „künstlerische“ oder „ähnliche“
Darbietungen noch um mit solchen Darbietungen „zusammenhängende“ Leistungen im
Sinne des § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG a.F. gehandelt.
Mit Einspruchsentscheidung vom 01. Dezember 1998 wies der Beklagte den Einspruch
zurück; die Leistungen der PP seien als mit künstlerischen Darbietungen
zusammenhängende Leistungen anzusehen, so dass die Klägerin zum Einbehalten und
Abführen der Steuer verpflichtet gewesen sei. Zwar setzte das „Zusammenhängen“
derartiger Leistungen an sich voraus, dass die Nebenleistungen – anders als im Streitfall
– aufgrund eines bestehenden Vertragsverhältnisses Teil der Gesamtleistung seien, für
die eine Gesamtvergütung gezahlt werde. Die hier vorliegende Vertragsgestaltung stelle
jedoch einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten dar, da die Ausgliederung
der technischen Produktion aus dem Vertrag der Klägerin mit RST allein dem Zweck
gedient habe, die Bemessungsgrundlage für die auf die Einnahmen der RST zu
erhebende Abzugssteuer zu senken. Die technische Produktion sei für sich betrachtet
unselbständig gegenüber der künstlerischen Leistung und damit Teil der
Gesamtleistung. Gemäß § 42 der Abgabenordnung (AO) entstehe damit der
Steueranspruch so, als wären die Leistungen der PP und deren Vergütung in einem
einheitlichen Vertrag mit den künstlerischen Leistungen geregelt worden.
Ergänzend verwies der Beklagte darauf, dass das Bundesamt für Finanzen („BfF“)
zwischenzeitlich mit Bescheid vom 08. Oktober 1998 den Antrag der PP auf Freistellung
der Vergütung vom deutschen Steuerabzug abgelehnt hatte. Nach Ansicht des BfF
hatte der von der Klägerin an PP gezahlte Betrag zur Bezahlung der von PP gegenüber
RST (und nicht gegenüber der Klägerin) erbrachten Leistung gedient. Nach dem
Veranlassungsprinzip handele es sich bei den Aufwendungen für die technische
Produktion um Betriebsausgaben der RST, da die Leistungspflicht der PP sich bereits aus
dem JSOA ergeben habe. Solche Betriebsausgaben der RST seien jedoch nach dem
Prinzip der Bruttobesteuerung des § 50 a Abs. 4 EStG a.F. nicht steuermindernd zu
berücksichtigen. Durch den Abschluss separater Verträge mit der Klägerin habe ein Teil
der Einnahmen direkt der PP zugewiesen werden sollen, um die Bemessungsgrundlage
der auf die Einnahmen der RST zu erhebenden Abzugssteuer entsprechend zu
schmälern. Auch nach ausgiebiger Ermittlung des BfF sei kein wirtschaftlicher Grund
erkennbar, der einer separaten Leistungserbringung der PP gegenüber der Klägerin eine
Grundlage gäbe. Ferner verwies das BfF darauf, dass es sich bei dem
geschäftsführenden Gesellschafter der PP, Herrn C, um eine den Künstlern der „B“ nahe
stehende Person handele; eine mittelbare Gewinnbeteiligung einer den Künstlern nahe
stehenden Person führe aber dazu, dass gemäß Art. 17 Abs. 2 des
15
16
17
18
19
20
21
22
stehenden Person führe aber dazu, dass gemäß Art. 17 Abs. 2 des
Doppelbesteuerungsabkommens zwischen den USA und Deutschland (DBA-USA) der PP
kein Entlastungsanspruch zustehe.
Die Klägerin hat daraufhin am 23. Dezember 1998 Klage beim seinerzeit zuständigen
Finanzgericht (FG) Berlin erhoben, die dort unter dem Aktenzeichen … geführt wurde. Mit
Urteil vom 10. Januar 2003 hat der seinerzeit zuständige 3. Senat des FG Berlin die
Klage der Klägerin sowie eine mit dieser zur gemeinsamen Verhandlung und
Entscheidung verbundene Klage der PP wegen desselben Sachverhalts (FG Berlin, …)
abgewiesen: Die Klagen hätten bereits deshalb keinen Erfolg, weil die Klägerin jedenfalls
zum Einbehalten und Abführen der Steuer zu Lasten der PP befugt gewesen sei; soweit
die PP ihre Steuerschuldnerschaft in Abrede stelle, müsse sie ihre Rechte anderweit in
einem Freistellungs- und Erstattungsverfahren (§ 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 3 EStG a.F.)
geltend machen. Auch materiell seien die Klagen im Übrigen nicht begründet; bei den
Leistungen der PP habe es sich um den künstlerischen Darbietungen der „B“ ähnliche
Leistungen gehandelt. PP habe nicht lediglich handwerkliche Leistungen erbracht,
sondern sei einem detaillierten Aufführungskonzept gefolgt und habe hierdurch die
Leistungen der Musikgruppe planmäßig um optische und akustische Effekte bereichert.
Gegen dieses Urteil haben sowohl die Klägerin als auch PP Nichtzulassungsbeschwerde
(NZB) erhoben. Die NZB der Klägerin, die sodann als Revision behandelt wurde, hatte
Erfolg. Mit Gerichtsbescheid vom 17. November 2004 hat der Bundesfinanzhof (BFH) das
Urteil des FG Berlin aufgehoben und die Sache an das FG Berlin zurück verwiesen. Die
Klägerin könne, so der BFH, im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens gegen die
Steueranmeldung eine abschließende gerichtliche Entscheidung über die beschränkte
Steuerpflicht der PP herbeiführen. Ob die PP den künstlerischen Darbietungen „ähnliche“
Leistungen erbracht habe, lasse sich nach den vom FG getroffenen Feststellungen nicht
abschließend beurteilen.
Das Verfahren ist daraufhin beim FG Berlin unter dem neuen Aktenzeichen 12 K 3078/05
B fortgesetzt worden.
Die Klägerin vertritt weiterhin die Ansicht, sie sei zum Einbehalten und Abführen der
Steuer zu Lasten der PP nicht verpflichtet gewesen. Die seitens der PP erbrachten
Leistungen hätten keinen künstlerischen oder dem künstlerischen ähnlichen Charakter,
da es an einer eigenschöpferischen Gestaltung durch PP fehle; soweit die Licht- und
anderen Effekte der Bühnenshow einem besonderen, auf die musikalischen
Darbietungen abgestimmten Konzept gefolgt seien, habe nicht PP, sondern vielmehr
RST die eigenschöpferische Leistung erbracht, während PP das vorgegebene Konzept
lediglich handwerklich ins Werk gesetzt habe. Außerdem habe es an der eigenständigen
Wahrnehmbarkeit der von PP geleisteten Tätigkeit gefehlt.
Auch eine mit den musikalischen Darbietungen zusammenhängende Leistung liege
nicht vor. Hierfür sei es erforderlich, dass beide Leistungen von demselben Anbieter
erbracht würden. An dieser personellen Identität fehle es im Streitfall. Die Identität
bestimme sich grundsätzlich nach rechtlichen, nicht nach wirtschaftlichen Kriterien. Aber
auch in wirtschaftlicher Hinsicht habe PP ihre Leistungen ihr, der Klägerin, gegenüber in
eigenständiger Weise, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erbracht.
Insbesondere habe kein Treuhandverhältnis der PP als Treuhänder mit RST oder einer
anderen mit den „B“ zusammenhängenden Gesellschaft als Treugeber bestanden. An
der Selbständigkeit der PP ändere auch die umfassende Weisungsbefugnis der RST
nichts, da ein Auftragsproduzent wie PP immer den Weisungen seines Auftraggebers
unterliege.
Auch liege kein Fall des missbräuchlichen Auslagerns von Betriebsausgaben durch RST
vor. Bei den Parteien des JSOA handele es sich um voneinander unabhängige
Gesellschaften, die sich darauf geeinigt hätten, dass PP die technischen Leistungen
erbringen solle, weil sie über das hierfür erforderliche Know-how verfügten; die der PP
hierbei entstehenden Auslagen seien ihr von dem jeweiligen Veranstalter (TNA oder, wie
im Streitfall, einem lokalen Veranstalter) erstattet worden. Dies sei nicht missbräuchlich,
sondern entspreche vielmehr der gesetzlichen Regelung im Rahmen der
Geschäftsbesorgung (§§ 670, 675 Abs. 1 BGB). Bei RST seien schlicht nicht so hohe
Betriebsausgaben angefallen.
Schließlich liege zwischen RST und PP auch keine verdeckte Mitunternehmerschaft vor.
Das JSOA schließe die Begründung eines Gesellschaftsverhältnisses ausdrücklich aus (§
15 [c] JSOA). Auch fehle es angesichts der PP versprochenen Mindestvergütung an einer
Verlustbeteiligung und damit an einem seitens PP zu tragenden Mitunternehmerrisiko.
die für das zweite Quartal 1998 angemeldete
22
23
24
25
26
27
28
29
die für das zweite Quartal 1998 angemeldete
zwischenzeitlich abgeführte Körperschaftsteuer abweichend von der
Steueranmeldung vom 10. Juli 1998 und unter Aufhebung der
Einspruchsentscheidung vom 01. Dezember 1998 in Höhe von
1.522.351,09 DM zu erstatten, und zwar an die Klägerin, hilfsweise an PP,
und den Erstattungsbetrag ab 29. Dezember 2006 mit 6 v. H. pro Jahr zu
verzinsen,
Vorverfahren für notwendig zu erklären.
die Klage abzuweisen.
Er vertritt die Auffassung, dass die Klägerin zum Einbehalten und Abführen der Steuer
verpflichtet gewesen sei. Bei den Leistungen, die die Klägerin gegenüber PP vergütet
habe, handele es sich in steuerlicher Hinsicht um solche der RST, so dass die Anbieter
von Hauptleistung (künstlerische Darbietung der Musikgruppe) und Nebenleistung
(technische Ausgestaltung des Bühnenprogramms) identisch seien. RST (und nicht PP)
sei steuerlich als Leistungserbringer anzusehen, weil allein sie Ort, Zeit und Inhalt der
Leistung beherrscht und die Dispositionsbefugnis über das Leistungsverhältnis
innegehabt habe. PP sei nach den Bestimmungen des JSOA verpflichtet gewesen, mit
dem von RST bestimmten lokalen Veranstalter ein Vertragsverhältnis einzugehen; die
dabei zu vereinbarende Vergütung habe einen bestimmten Höchstbetrag nicht
überschreiten dürfen.
PP sei gegenüber der Klägerin zwar im eigenen Namen aufgetreten; sie habe intern
jedoch auf Rechnung der RST und damit als deren Treuhänderin gehandelt. Auch
deshalb seien die Leistung und die dafür gezahlte Vergütung nicht PP, sondern RST
zuzurechnen. Das Handeln auf Rechnung der RST ergebe sich aus dem Umstand, dass
die Vergütungszahlungen der lokalen Veranstalter auf die Kosten angerechnet worden
sei, deren Erstattung PP nach dem JSOA habe verlangen können. Zwar habe sich dieser
Kostenerstattungsanspruch nach dem Wortlaut des JSOA gegen TNA und nicht gegen
RST gerichtet; letztlich habe jedoch RST über die Regelung zur „bedingten Vergütung“
den ganz überwiegenden Teil des Gesamtüberschusses der Welttournee erhalten, so
dass auch die Verringerung des Volumens der Kostenerstattung letztlich vorrangig in
ihrem, der RST, Interesse gestanden habe. TNA sei dem gegenüber in die
Leistungsbeziehung zwischen PP und RST lediglich zwischengeschaltet gewesen. Infolge
der Verrechnung der Vergütungen durch lokale Veranstalter mit dem
Kostenerstattungsanspruch habe auch allein RST (und nicht PP) das unternehmerische
Risiko aus den streitgegenständlichen Leistungen getragen. Die Vergütungen seien im
Rechtssinne nicht PP, sondern RST zugeflossen; dies sei nach der Rechtsprechung des
BFH wie auch des Bundesgerichtshofs (BGH) dann der Fall, wenn eine Zahlung an einen
anderen derart erfolge, dass ein Dritter von einer Verbindlichkeit befreit werde.
In diesem Zusammenhang stelle die Beteiligung der PP an dem Gewinn der
Gesamttournee die Zurechnung der Nebenleistung zur RST ebenfalls nicht in Frage. Der
Gewinnanteil von lediglich rund 0,7 % sei so gering, dass daraus nicht auf ein rechtlich
relevantes eigenes wirtschaftliches Interesse der PP an der Leistungsbeziehung zur
Klägerin geschlossen werden könne.
Am deutlichsten belegt werde der Umstand, dass die künstlerischen Leistungen der RST
und die streitgegenständlichen Nebenleistungen für dieselbe Rechnung erbracht worden
seien, durch die einheitliche Behandlung der Entgelte und der Kosten im Rahmen der
Rechnungslegung für die Tournee: Entgelte und Kosten für beide Leistungen seien
unmittelbar in dieselbe Rechnungslegung eingeflossen, wobei wiederum nicht zwischen
den Kosten und Erlösen aus den im „sell off“-Verfahren vermarkteten Konzerten und
den übrigen, unter Einbindung von TNA veranstalteten Konzerten differenziert worden
sei.
Anbieteridentität in Gestalt der RST bestehe auch dann, wenn man die Verrechnung der
Vergütung lokaler Veranstalter mit dem Kostenerstattungsanspruch der PP nicht
berücksichtige. In diesem Fall sei nämlich davon auszugehen, dass die RST
unzulässigerweise Betriebsausgaben auf PP ausgelagert habe; PP habe von den
ausschließlich der RST zuzurechnenden Kosten (Reise- und Übernachtungskosten für die
Bandmitglieder, Trinkgelder) 99,9 % getragen, während RST selbst nur einen sehr
geringen Restbetrag aufgewandt habe.
Schließlich liege Anbieteridentität auch deshalb vor, weil zwischen RST und PP eine
verdeckte Mitunternehmerschaft bestehe. Eine solche könne selbst Subjekt der
Einkünftezurechnung sein. PP habe Mitunternehmerinitiative entfaltet, indem sie das
Know-how und die langjährige Erfahrung ihrer Gesellschafter-Geschäftsführer bei der
Organisation einer Welttournee einbrachte; das Mitunternehmerrisiko ergebe sich aus
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
Organisation einer Welttournee einbrachte; das Mitunternehmerrisiko ergebe sich aus
der Beteiligung der PP am Gesamtgewinn der Tournee.
Hilfsweise vertritt der Beklagte ferner die Auffassung, die streitgegenständlichen
Leistungen seien als künstlerische oder diesen ähnliche Leistungen anzusehen. Die die
musikalische Darbietung der „B“ begleitenden optischen und akustischen Effekte
stellten sich als Teil eines Gesamtkonzepts dar. Erst durch das Zusammenspiel dieser
Elemente entstehe ein Produkt höherer Wertigkeit, das der Erwartungshaltung der
Konzertbesucher im Rahmen einer Tournee weltbekannter Künstler entspreche.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ihre ursprünglich auch auf
Erstattung von Solidaritätszuschlag gerichtete Klage insoweit zurückgenommen.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist zulässig und überwiegend – mit Ausnahme des Antrags auf Verzinsung
des Erstattungsbetrags – begründet.
1. Die Klage auf Erstattung des angemeldeten und abgeführten Abzugsbetrags hat
Erfolg. Die angefochtene Anmeldung über Abzugssteuer ist rechtswidrig und verletzt die
Klägerin im Sinne von § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) in ihren Rechten;
die streitgegenständliche Vergütung der PP unterfiel nicht dem inländischen
Steuerabzug.
a) Nach §§ 49 Abs. 1 Nr. 2d, 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG a.F. unterliegen (unter
anderem) Einkünfte, die eine in Deutschland beschränkt steuerpflichtige Gesellschaft
durch im Inland ausgeübte künstlerische oder ähnliche Darbietungen einschließlich der
Einkünfte aus anderen mit diesen Leistungen zusammenhängenden Leistungen der
Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer; diese wird im Abzugswege erhoben. Der jeweilige
Vergütungsschuldner ist gemäß § 73e EStDV verpflichtet, die innerhalb eines
Vierteljahres einbehaltene Steuer bei seinem Finanzamt anzumelden und an dieses
abzuführen.
b) Die der streitgegenständlichen Vergütung zugrunde liegenden Leistungen der PP
stellen keine „künstlerischen“ oder diesen „ähnlichen“ Darbietungen im Sinne der
vorgenannten Normen dar.
Unter einer „künstlerischen Darbietung“ ist das Präsentieren eines eigenen oder
fremden Werks zu verstehen, wobei der Darbietung als solcher – unabhängig vom
Kunstwert des dargebotenen Werks – eine eigenschöpferische Leistung zugrunde liegen
muss (vgl. nur Loschelder, in: Schmidt, Einkommensteuergesetz, 29. Aufl. [2010], § 49
Rdnr. 29). Auch für eine der künstlerischen „ähnliche“ Darbietung bedarf es jedenfalls
einer gewissen eigenschöpferischen Leistung; eine bloße mechanische Reproduktion
einer früheren (eigenen oder fremden) künstlerischen Leistung ist hierfür nicht
ausreichend. Im Übrigen ist umstritten, ob die Ergänzung der künstlerischen u.ä. um die
„ähnlichen“ Darbietungen überhaupt dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der
Besteuerung genügt (vgl. Loschelder, in: Schmidt, Einkommensteuergesetz, a.a.O.).
Im Streitfall fehlt es hinsichtlich der von der PP erbrachten Leistungen an einem solchen
eigenschöpferischen Element. PP war insbesondere hinsichtlich der konzertbegleitenden
optischen und akustischen Effekte („Bühnenshow“) nicht frei in der Gestaltung, sondern
unmittelbar an das von RST entwickelte Aufführungskonzept gebunden. Damit
übernahm PP lediglich die technische Umsetzung der von einem anderen
eigenschöpferisch entwickelten Darbietung; die bloße technische Umsetzung reicht für
sich allein jedoch nicht aus, um der Leistung einen eigenständigen künstlerischen
Charakter zu verleihen.
c) Die Leistungen der PP sind auch nicht als mit den künstlerischen Leistungen der „B“
bzw. der RST „zusammenhängende“ Leistung anzusehen. Zwar liegt der jedenfalls
erforderliche sachliche Zusammenhang zwischen der künstlerischen (Haupt-) Leistung
und der weiteren Nebenleistung im Streitfall vor. Die Nebenleistung (der PP) stand in
wirtschaftlicher, örtlicher und zeitlicher Verbindung mit der Hauptleistung (der RST bzw.
der Künstler) und wurde auch um der konkreten Hauptleistung willen erbracht (vgl.
insoweit auch Hidien, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, 144. Lfg. [Juli 2004], § 49 Rdnr.
E 412, 414). Indes fehlt es nach Ansicht des Senats im Streitfall an der weiteren
Voraussetzung eines personellen Zusammenhangs.
(1) Nach der Rechtsprechung des BFH, der der Senat folgt, setzt die Annahme von mit
einer künstlerischen Darbietung zusammenhängenden Leistungen neben dem
sachlichen auch einen personellen Zusammenhang voraus. Danach müssen beide
40
41
42
43
44
45
sachlichen auch einen personellen Zusammenhang voraus. Danach müssen beide
Leistungen von demselben Anbieter „aus einer Hand“ erbracht werden (vgl. BFH, Urteile
vom 16. Mai 2001 – I R 64/99, Bundessteuerblatt [BStBl.] II 2003, 641; vom 17.
November 2004 – I R 20/04, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs
[BFH/NV] 2005, 892; vom 04. März 2009 – I R 6/07, BStBl. II 2009, 625). Umgekehrt fehlt
es an einem personellen Zusammenhang, wenn die Nebenleistung von einem
gegenüber dem Künstler „unabhängigen Dritten“ erbracht wird (BFH, Beschluss vom 07.
November 2007 – I R 19/04, BStBl. II 2008, 228). Nur diese Interpretation der Norm wird
dem Umstand gerecht, dass die Einbeziehung der „zusammenhängenden“ Leistungen
keine personelle Erweiterung des Kreises der dem Steuerabzug Unterworfenen, sondern
lediglich die sachliche Ergänzung um typische Nebenleistungen bezweckt (vgl. Hidien, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O. Rdnr. E 411).
Der grundsätzlichen Auffassung des BFH von der Notwendigkeit eines auch personellen
Zusammenhangs folgen – mit Unterschieden im Detail – sowohl die jüngere
instanzgerichtliche Rechtsprechung (vgl. etwa FG Köln, Urteil vom 06. November 2008 –
15 K 4515/02, Entscheidungen der Finanzgerichte [EFG] 2009, 255; FG München, Urteil
vom 30. März 2009 – 7 K 3826/05, EFG 2009, 1119 [nicht rechtskräftig]; anders noch FG
München, Beschluss vom 22. März 2001 – 1 V 4030/01, EFG 2002, 835) als auch die
überwiegenden Stimmen in der Literatur (vgl. Hidien, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O.
Rdnr. E 411; Maßbaum, in: Hermann/Heuer/Raupach, EStG, § 49 Rdnr. 548; Gosch, in:
Kirchhof, EStG, 8. Aufl. [2008], § 49 Rdnr. 43). Teilweise wird vertreten, es komme
entscheidend darauf an, ob die Nebenleistung „aus dem Leistungsbereich des
Darbietenden“ stamme (vgl. etwa Wied, in: Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 49 EStG
Rdnr. 107).
Noch nicht abschließend geklärt ist allerdings die Frage, ob die Identität der Anbieter von
Haupt- und Nebenleistung sich allein nach formalrechtlichen Gesichtspunkten beurteilt
oder ob und gegebenenfalls inwieweit sie sich darüber hinaus auch aus einer
„wirtschaftlichen Betrachtungsweise“ ergeben kann (im letztgenannten Sinne etwa FG
Köln, Urteil vom 06. November 2008 – 15 K 4515/02, a.a.O.; kritisch hierzu FG München,
Urteil vom 30. März 2009 – 7 K 3826/05, a.a.O.).
(2) Bei Anwenden der vorgenannten Grundsätze auf den Streitfall fehlt es hinsichtlich der
Leistungen, zu denen sich die PP in dem „Vertrag über die Bereitstellung von
technischen Materialien und Dienstleistungen“ mit der Klägerin verpflichtet und die sie
auf jener Grundlage erbracht hat, an dem erforderlichen personellen Zusammenhang
zur RST bzw. zu den Mitgliedern der „B“. Hierbei kann aus Sicht des erkennenden
Senats die Frage, ob bei der Beurteilung eine formaljuristische oder aber eine
wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten ist, dahingestellt bleiben; denn nach den
Umständen des Streitfalls lassen sich auch bei wirtschaftlicher Betrachtung die
Leistungen der PP nicht der RST zuordnen.
(a) Bei juristischer Betrachtung hat nicht RST, sondern PP die streitgegenständlichen
Leistungen erbracht. Dass es sich bei PP nach den einschlägigen Vorschriften des US-
Gründungsstaates um eine eigenständige juristische Person handelt, ist zwischen den
Beteiligten unstreitig. Ebenso ist unstreitig, dass die Leistungen auf der Grundlage eines
zwischen PP und der Klägerin abgeschlossenen eigenständigen Vertrages erbracht
worden sind, an welchem die RST bzw. die Mitglieder der „B“ rechtlich nicht beteiligt
waren.
(b) Etwas anderes ergibt sich aber auch dann nicht, wenn man anstelle der
formaljuristischen Betrachtung wirtschaftliche Kriterien heranzieht. Auch in diesem Fall
können die Leistungen der PP nicht der RST zugeordnet werden.
Eine von den rechtlichen Gegebenheiten abweichende Zuordnung der Leistungen nach
wirtschaftlichen Kriterien würde aus Sicht des Senats zumindest voraussetzen, dass der
rechtlich zur Erbringung der Leistung im Außenverhältnis verpflichtete Rechtsträger (PP)
die Leistung faktisch nicht selbst, d.h. durch eigene qualifizierte Mitarbeiter unter Einsatz
des in der Vergangenheit erworbenen Know-hows, mit eigenen oder eigenständig
beschafften Anlagen, Gerätschaften und technischer Ausstattung, erbracht hätte,
sondern dass die Leistungen quasi unter dem „juristischen Mantel“ der PP faktisch von
einem anderen Leistungsträger erbracht worden wäre. Gerade dies lässt sich aber im
Streitfall nicht feststellen. Unstreitig verfügte die PP – nicht aber die RST – über
entsprechendes Personal und Know-how; unstreitig haben die Mitarbeiter der PP
persönlich – und nicht Mitarbeiter eines anderen Rechtsträgers, etwa der RST – die
eigentlichen Leistungshandlungen vorgenommen. Unstreitig hat die PP – und nicht die
RST – in dem erforderlichen Umfang Leistungen bei Dritten (Subunternehmern)
eingekauft und die geeigneten Subunternehmer hierfür ausgewählt.
46
47
48
49
50
Ohne Erfolg macht der Beklagte hiergegen geltend, PP habe gegenüber der Klägerin
lediglich als Treuhänder für die dahinter stehende „Treugeberin“ RST agiert. Ein
Treuhandverhältnis ist dadurch gekennzeichnet, dass dem Treuhänder nach außen hin
eine Rechtsstellung eingeräumt wird, die jedoch im Innenverhältnis durch den
Treuhandvertrag begrenzt wird (vgl. BFH-Urteil vom 21. September 2004 – IX R 5/03,
BFH/NV 2005, 499, 499). Der Treugeber muss das Treuhandverhältnis sowohl rechtlich
als auch tatsächlich beherrschen (BFH-Urteile vom 14. Oktober 2003 – VIII R 22/02,
BFH/NV 2004, 620, 622; vom 04. Dezember 2007 – VIII R 14/05, BFH/NV 2008, 745), der
Treuhänder ausschließlich auf Rechnung und Gefahr des Treugebers handeln. Im
Streitfall lag eine solche nach deutschem Rechtsverständnis als Treuhandverhältnis zu
beurteilende Rechtsbeziehung nicht vor. Der Senat kann dabei offen lassen, inwieweit
das auf das Innehaben von Wirtschaftsgütern und auf deren Zurechnung zugeschnittene
Rechtsinstitut der Treuhand überhaupt auf vertragliche Leistungsbeziehungen
übertragen werden kann. Jedenfalls im vorliegenden Fall fehlt es an einem
„Treuhandverhältnis“ in Bezug auf die von PP gegenüber der Klägerin erbrachten
Leistungen bereits deshalb, weil diesen Leistungen ein eigenständiger Vertrag zugrunde
lag, der hinsichtlich der Leistungsinhalte sowie hinsichtlich des Einstehenmüssens für
Leistungsmängel und Schäden (Gewährleistung) eine originäre, durch RST nachträglich
nicht mehr beeinflussbare Rechtsgrundlage darstellte. PP versprach darin der Klägerin
rechtlich bindend das Erbringen bestimmter Leistungen und hatte dafür einzustehen,
dass diese Leistungen mangelfrei waren und im Übrigen Rechtsgüter der Klägerin nicht
anlässlich der Leistungserbringung verletzt würden. Die vertraglichen Gefahren lagen
rechtlich wie wirtschaftlich bei PP, nicht bei der angeblichen „Treugeberin“ RST.
Auch das mit der Klägerin vereinbarte Entgelt – dessen Höhe im Übrigen in einem
bestimmten Rahmen frei ausgehandelt werden konnte – vereinnahmte die PP nicht, wie
es für ein Treuhandverhältnis erforderlich wäre, für Rechnung von RST; dies zeigt sich
schon daran, dass PP sich dieses Entgelt auf die Ersatzansprüche, die die Gesellschaft
nach den Bestimmungen des JSOA gegenüber TNA hatte, anrechnen lassen musste.
Hätte PP die Vergütung für Rechnung von RST vereinnahmt, wäre einer solchen
Anrechnung von vornherein die Grundlage entzogen worden.
Der vom Beklagten hervorgehobene Umstand, dass die von der Klägerin an PP gezahlte
Vergütung letztlich im Rahmen der Gesamtabrechnung der Tournee weitgehend der RST
zugute gekommen sei, vermag für sich genommen noch kein hier zu berücksichtigendes
Treuhandverhältnis zu begründen. Ein rechnerischer Zusammenhang, eine gemeinsame
Abrechnung oder ein gesamtvertraglicher Zusammenhang zwischen Haupt- und
Nebenleistung sind grundsätzlich kein geeignetes Kriterium für die Frage des personellen
Zusammenhangs; sie sind einerseits nicht erforderlich, andererseits aber auch
unschädlich (vgl. Gosch, in: Kirchhof, a.a.O., Rdnr.43).
Schließlich ist auch der Umstand unbeachtlich, dass sich PP durch die Regelungen des
JSOA weitgehend der selbstbestimmten Gestaltung von Ort Zeit und Dauer der im
Rahmen der Tournee zu erbringenden Leistungen sowie der selbstbestimmten Auswahl
der Vertragspartner begeben hat. Die unstreitig vorhandenen Bindungen der PP an die
Vorgaben der RST erscheinen dem Senat vielmehr dem gemeinsamen Projekt einer
weltweiten, monatelangen Konzerttournee immanent. RST als der für die eigentlichen
Künstler agierenden Gesellschaft fiel im Rahmen der Tourneeplanung unbestreitbar die
Schlüsselrolle zu. Die Planung der Tournee wäre faktisch nicht möglich gewesen, wenn
sich die an der Durchführung beteiligten Gesellschaften nicht wie geschehen vorab
vertraglich gebunden hätten (im Ergebnis ebenso FG Köln, Urteil vom 06. November
2008 – 15 K 4515/02, a.a.O., zu einer im Rahmen der Tourneeplanung eingegangenen
Ausschließlichkeitsbindung).
(c) Die Zuordnung von Haupt- und Nebenleistung zu einem Rechtsträger lässt sich,
entgegen der Ansicht des Beklagten, auch nicht darauf stützen, dass zwischen RST und
PP eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) bestanden habe. Im Außenverhältnis zur
Klägerin bestand eine solche GbR, die Trägerin von Leistungspflichten und
Vergütungsansprüchen hätte sein können, unstreitig nicht, zumal das JSOA, welches die
GbR nach Ansicht des Beklagten begründen soll, der Klägerin gegenüber nicht
offengelegt worden ist. Ob die im Rahmen des JSOA getroffenen Abreden über die
Kooperation bei der Durchführung der Tournee und die Koordination bei der Abrechnung
der wirtschaftlichen Ergebnisse geeignet wären, eine GbR als bloße (Innen-) Gesellschaft
zu begründen, kann dahin stehen; denn auch bejahendenfalls würde sich ein solches
gesellschaftsrechtliches Konstrukt nur auf die internen Belange der Beteiligten
beschränken und sich gerade nicht auf die das Außenverhältnis betreffende
Leistungserbringung erstrecken. Im Übrigen hat auch der Beklagte bislang keine
Konsequenzen aus seiner – wohl eher hilfsweise vorgebrachten – Ansicht über das
51
52
53
54
55
Konsequenzen aus seiner – wohl eher hilfsweise vorgebrachten – Ansicht über das
Vorliegen einer GbR gezogen. Denn in einem solchen Fall wäre nicht nur die hier
streitgegenständliche Anmeldung der Abzugssteuern, sondern auch die entsprechende
Anmeldung hinsichtlich der Vergütungen der RST schon deshalb falsch, weil jeweils der
„falsche“ Vergütungsgläubiger – eben RST bzw. PP und nicht die GbR – benannt worden
wäre. Dies aber hat der Beklagte gerade nicht angenommen. Vielmehr hat er die
Anmeldung der Abzugssteuer für RST ohne Beanstandung hingenommen, und er vertritt
ebenso die Auffassung, dass die für PP vorgenommene streitgegenständliche
Steueranmeldung zutreffend sei.
(d) Die Anbieteridentität kann schließlich auch nicht mit Blick auf eine etwaige
„Auslagerung von Betriebsausgaben“ der RST auf PP fingiert werden. Der Beklagte
bezieht sich insoweit darauf, dass PP in weitem Umfang Aufwendungen getragen habe,
die wirtschaftlich unmittelbar der RST bzw. den Künstlern selbst zuzurechnen seien.
Derartige Aufwendungen spielen jedoch im Streitfall keine Rolle. Streitgegenständlich
sind allein die Leistungen, die PP auf der Grundlage des mit der Klägerin bestehenden
„Vertrags über die Bereitstellung von Technischen Materialien und Dienstleistungen“
erbracht und die Vergütungen, die die PP für diese Leistungen erhalten hat. Da die
betreffenden Leistungen – wie oben ausgeführt – wirtschaftlich gerade nicht der RST
zugerechnet werden können, hat RST insoweit auch keine Betriebsausgaben auf PP
ausgelagert.
(3) Der fehlende personelle Zusammenhang kann auch nicht nach den Grundsätzen
über den Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten gemäß § 42 AO als
unbeachtlich außer Betracht bleiben. Ein solcher Missbrauch lässt sich im Streitfall nicht
feststellen. Insbesondere handelte es sich bei PP – wie bereits ausgeführt – nicht
lediglich um eine zwar rechtlich existente, tatsächlich aber leere Hülle, die allein zum
Zwecke der Steueroptimierung vorgeschoben, zur Erbringung der vereinbarten
Leistungen aber überhaupt nicht in der Lage gewesen wäre. Im Gegenteil war PP – wie
zwischen den Beteiligten unstreitig ist – bereits vor der Welttournee der „B“ am Markt in
der entsprechenden Branche tätig gewesen; die Gesellschaft verfügte über eine Reihe
qualifizierter Mitarbeiter und war wegen deren Know-how als geeigneter
Kooperationspartner bei der Planung und Durchführung von Konzerttourneen allgemein
bekannt und bewährt. Gerade deshalb war es aus Sicht der RST erforderlich, sich die
Dienste der PP für den Zeitraum der Tournee exklusiv zu sichern; hätte es sich bei PP
um eine bloße Zweckgesellschaft der RST gehandelt, wäre eine solche ausdrückliche
Bindung der PP nicht notwendig gewesen.
Soweit der Beklagte (unter Bezugnahme auf die Ausführungen des BfF) sich darauf
beruft, es habe für den Abschluss separater Verträge der RST und der PP jeweils mit der
Klägerin keine wirtschaftlich vernünftigen Gründe gegeben, kann der Senat dem nicht
folgen. In letzter Konsequenz besagt diese Auffassung des Beklagten, wirtschaftlich wäre
es allein angemessen gewesen, wenn RST im Außenverhältnis mit der Klägerin einen
einheitlichen Vertrag auch über die Leistungen der PP abgeschlossen und sich die
Dienste der PP gleichzeitig im Rahmen eines Subunternehmerverhältnisses gesichert
hätte. Weshalb diese Gestaltung „angemessener“ sein soll als die von den beteiligten
Unternehmen gewählte Gestaltung mit separaten Verträgen, erschließt sich dem Senat
nicht. Im Gegenteil war es aus Sicht der RST, die selbst die technischen Dienstleistungen
nicht erbringen konnte, weil sie nicht über die dafür qualifizierten Mitarbeiter verfügte,
schon aus Gründen der Gewährleistung wirtschaftlich vernünftiger und damit
„angemessener“, auf getrennten Verträgen zu bestehen.
Letztlich zeigt gerade der Umstand, dass RST schon personell gar nicht in der Lage
gewesen wäre, die von PP zugesagten und erbrachten Leistungen selbst zu erbringen,
dass die Leistungen der PP im Streitfall gerade nicht „aus dem Leistungsbereich des
darbietenden Künstlers“ stammen bzw. dass beide Leistungen gerade nicht „aus einer
Hand“ erbracht worden sind, wie es nach allgemeiner Ansicht für den personellen
Zusammenhang von Haupt- und Nebenleistung erforderlich gewesen wäre. Nur wenn die
Leistungen faktisch aus ein und demselben Leistungsbereich gestammt hätten und
durch formalrechtliche Gestaltungsmaßnahmen künstlich getrennt worden wären, wäre
Platz für die Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs gewesen.
(4) Schließlich führt auch der Umstand, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer der PP,
Herr C, über seine Rechtsanwaltskanzlei steuerliche Beratungsleistungen an die
Bandmitglieder der „B“ erbracht hat, zu keinem abweichenden Ergebnis. Auf das vom
BfF in diesem Zusammenhang für maßgeblich gehaltene DBA-USA kann schon deshalb
nicht abgestellt werden, weil das DBA selbst keine Steuertatbestände zu schaffen
vermag, sondern ihm allein die Funktion zukommt, an nach nationalem Recht
bestehende Steuertatbestände anzuknüpfen und insoweit Abgrenzungen zwischen den
56
57
58
59
60
bestehende Steuertatbestände anzuknüpfen und insoweit Abgrenzungen zwischen den
nationalen Rechtsordnungen zu regeln. § 49 Abs. 1 Nr. 2d EStG a.F. als maßgeblicher
Besteuerungstatbestand auf nationaler Ebene gibt jedoch für eine Einbeziehung nahe
stehender Dritter – abgesehen von den Fällen eines Missbrauchs rechtlicher
Gestaltungsmöglichkeiten, vgl. oben unter (3) – nichts her (so zutreffend Hidien, in:
Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, a.a.O., Rdnr. E 411
2. Keinen Erfolg hat die Klage in Bezug auf die begehrte Verzinsung des zu erstattenden
Betrages. Ein Unterschiedsbetrag zwischen vorausgezahlten und letztlich festgesetzten
Steuerabzugsbeträgen ist gemäß § 233a Abs. 1 Satz 2 AO ausdrücklich von der
Verzinsung ausgeschlossen. Diese für den Empfänger einer dem Steuerabzug
unterliegenden Vergütung geltende Regelung muss im Fall einer Erstattung von
entrichteter Abzugssteuer an den Vergütungsschuldner erst recht Platz greifen. Der
Ausschluss einer Verzinsung begegnet im Übrigen weder im Hinblick auf
Gemeinschaftsrecht noch im Hinblick auf das Grundgesetz Bedenken; insoweit gelten
die Ausführungen des BFH in seinem Beschluss vom 18. September 2007 (I R 15/05,
BStBl. II 2008, 332), denen sich der Senat anschließt, auch für den vorliegenden Fall.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Der Senat
ist bei Verkündung des Urteils im Anschluss an die mündliche Verhandlung davon
ausgegangen, dass der überraschend erst in der mündlichen Verhandlung gestellte –
zuvor nicht angekündigte – erfolglose Antrag auf Zuerkennung von Zinsen lediglich ein
geringfügiges Unterliegen der Klägerin im Sinne des § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO zur Folge
haben würde.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 151 FGO in Verbindung mit
§§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZOP).
III. Die Revision zum BFH war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Die Frage, ob
und in welchem Umfang neben formalrechtlichen auch wirtschaftliche Erwägungen bei
der Beurteilung des personellen Zusammenhangs im Sinne der
Rechtsprechungsgrundsätze zu den „zusammenhängenden Leistungen“ maßgeblich
sind, ist, soweit ersichtlich, bislang nicht höchstrichterlich geklärt. Zwar hat der Senat im
vorliegenden Fall auch das Vorliegen eines personellen Zusammenhangs aus
wirtschaftlichen Gründen geprüft und verneint; es kann jedoch nicht ausgeschlossen
werden, dass nach Auffassung des BFH der Kreis der hierbei einzubeziehenden
wirtschaftlichen Erwägungen wesentlich weiter gefasst werden muss, als der Senat es für
richtig hält.
IV. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig; die Sach-
und Rechtslage war nicht so einfach, dass die Klägerin sich selbst hätte vertreten
können.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum