Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 13.03.2017
FG Berlin-Brandenburg: getrennt lebende ehefrau, lebensversicherung, ausschluss, beruf, fälligkeit, auszahlung, gemeinschaftskonto, ehescheidung, sammlung, begriff
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Gericht:
Finanzgericht Berlin-
Brandenburg 7.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
2005
Aktenzeichen:
7 K 7212/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 9 Abs 1 S 1 EStG 2002, § 19
Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2002, §
1408 Abs 2 BGB, § 1587o BGB
Weiterzahlung von Lebensversicherungsbeiträgen bzw.
Weitergabe einer hälftigen Versicherungssumme an die frühere
Ehefrau führt nicht zum Werbungskostenabzug
Leitsatz
Kein Werbungskostenabzug betreffend die Weiterzahlung einer zwecks Ablösung des
Versorgungsausgleichs begründeten Versicherung(-ssume) mangels Kausalität zur
Scheidung bzw. damit mangels Veranlassungszusammenhangs zwischen der Auszahlung
und der Sicherung ungeschmälerter Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Auch kein
Werbungskostenabzug betreffend laufende Versicherungsprämien hier mangels Nachweises
entsprechender Versicherungszahlungen im
Streitjahr.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich mit dem Ziel, die Weiterzahlung von Versicherungsleistungen an
seine frühere Ehefrau bei seinen Einkünften aus nicht selbständiger Tätigkeit
berücksichtigen lassen zu können, gegen die Einkommensteuerfestsetzung 2005.
Der Kläger wurde im April 1983 in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen,
nachdem er bereits zuvor – spätestens im August 1980 – als Regierungsrat z. A. in die
Dienste des Landes M getreten war. Im Streitjahr 2005 war er als Senatsdirigent tätig
war und wurde allein zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger schloss im Vorfeld seiner Eheschließung am 22. September 1980 einen
notariellen Ehevertrag – folgend: EV –, nach dem seine spätere Ehefrau und er selbst
anstelle des gesetzlichen Güterstandes Gütertrennung vereinbarten und für den Fall
ihrer Ehescheidung den Versorgungsausgleich ausschlossen (Nr. 1 und 2 EV). Zugleich
sahen sie den Abschluss einer auf 35 Jahre angelegten dynamischen Ehegatten-
Lebensversicherung vor, deren Versicherungssumme nach Fälligkeit ihnen beiden je zu
gleichen Teilen zustehen sollte (Nr. 5 Abs. 1 EV). Die monatlichen Versicherungsbeiträge
sollten dabei von einem Gemeinschaftskonto abgehen (Nr. 5 Abs. 2 EV), auf das die
Vertragschließenden als spätere Eheleute ihre sämtliche Gehaltszahlungen und ähnliche
Leistungen einzuzahlen hatten (Nr. 3 Abs. 1, 3 EV). Im Falle der Ehescheidung hatte
derjenige Vertragsteil mit den werthöheren Versorgungsanwartschaften die monatlichen
Versicherungsbeiträge (allein) weiter zu entrichten (Nr. 6 EV).
Unter dem 4. Dezember 1991 ließen der Kläger und seine von ihm bereits getrennt
lebende Ehefrau eine notarielle Scheidungsfolgenvereinbarung – folgend: SV –
beurkunden, nach der sie für den Fall ihrer Scheidung den Ausschluss des
Versorgungsausgleichs bestätigten und eine schuldrechtliche Verpflichtung des Klägers
aufnahmen, nach Fälligkeit der dynamischen Lebensversicherung seiner Ehefrau die
Hälfte des ausgezahlten Betrages unverzüglich zur Verfügung zu stellen (Nr. 9 SV).
Die Ehe des Klägers wurde schließlich am 11. September 1996 geschieden. Die
Auszahlung der dynamischen Lebensversicherung geschah im Streitjahr 2005, in dem
der Kläger sie auch hälftig in Höhe von 35.651,90 € an seine geschiedene Ehefrau
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der Kläger sie auch hälftig in Höhe von 35.651,90 € an seine geschiedene Ehefrau
weiterzahlte.
In seiner Einkommensteuererklärung 2005 reklamierte der Kläger diese Zahlung als
Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit. Anders als im
Vorjahr machte der Kläger für 2005 keine Beträge zu Lebensversicherungen als
Sonderausgaben geltend. Mit Einkommensteuerbescheid 2005 vom 27. Juli 2006 ließ der
Beklagte die als Werbungskosten geltend gemachte Weiterleitung der
Versicherungsleistung unberücksichtigt.
Zur Begründung seines dagegen eingereichten Einspruchs machte der Kläger geltend,
der EV sei vornehmlich auf die Regelung des Versorgungsausgleichs im Scheidungsfalle
angelegt gewesen. Insofern habe sich die hälftige Auszahlung der Versicherungssumme
an seine von ihm geschiedene Ehefrau als Ausgleich für den Ausschluss des
Versorgungsausgleichs erklärt. Solche Vereinbarungen hätten laut neuerer
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH – (Urteil vom 8. März 2006 – IX R 107/00 –
Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFHE – 212, 511, Bundessteuerblatt
– BStBl – II 2006, 448) durchaus steuerliche Relevanz.
Mit Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2007 wies der Beklagte den Einspruch des
Klägers in diesem Streitpunkt als unbegründet zurück. Anders als in den vom BFH
entschiedenen Fallgestaltungen (Urteile vom 8. März 2006 – IX R 78/01 – BFHE 212, 514,
BStBl II 2006, 511, und IX R 107/00, aaO.) habe den Kläger hier von vornherein keine
Verpflichtung zum Versorgungsausgleich getroffen. Denn bereits durch den vor der
Eheschließung zu Stande gekommenen EV sei der Versorgungsausgleich für den Fall der
Ehescheidung ausgeschlossen gewesen. Daneben und unabhängig vom Ausschluss des
Versorgungsausgleichs hätten der Kläger und seine spätere Ehefrau den Abschluss der
Lebensversicherung bzw. deren spätere Auszahlung vereinbart. Dem entsprechend sei
der Kläger im Rahmen der SV an diese Verpflichtung von ihm auch nur erinnert worden.
Mit dem Ausschluss des Versorgungsausgleichs habe für den Kläger dann auch kein
Grund mehr bestanden, eine Ausgleichszahlung zu vereinbaren. Unter diesen
Umständen bestehe zwischen der hälftigen Weiterzahlung der Versicherungssumme an
seine geschiedene Ehefrau und seinen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit kein
wirtschaftlicher Zusammenhang. Dies schließe ihre Berücksichtigung als
Werbungskosten aber aus.
Mit seiner am 8. Juni 2007 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Anliegen aus dem
Vorverfahren weiter. Hinsichtlich der hälftigen Weiterzahlung der
Versicherungsleistungen an seine geschiedene Ehefrau hält er sich weiterhin zum
Werbungskostenabzug berechtigt und sieht sich in dieser Rechtsauffassung durch die
bezeichneten Entscheidungen des BFH bestätigt.
abweichend von dem
Einkommensteuerbescheid 2005 vom 27. Juli 2006 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2007 die Einkommensteuer 2005 unter
Berücksichtigung weiterer Werbungskosten in Höhe von 35.651,90 € bei
seinen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit festzusetzen.
die Klage abzuweisen.
Er stützt seine Rechtsverteidigung auf die Begründung der Einspruchsentscheidung vom
23. Mai 2007, an der er festhält.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den
Beteiligten ausgetauschten Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie auf die von dem
Beklagten vorgelegten Steuerakten (1 Band Einkommensteuerakten) zur St.-Nr. …
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte den Finanzrechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da
die Beteiligten (der Kläger bereits mit seiner Klageschrift vom 3. Juni 2007; der Beklagte
mit Schriftsatz vom 4. Juli 2007) auf sie übereinstimmend verzichtet und sich mit einer
schriftlichen Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 90 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung – FGO –).
Die Klage ist unbegründet. Der Einkommensteuerbescheid 2005 vom 27. Juli 2006 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2007, der die Weiterzahlung einer
Versicherungsleistung an seine geschiedene Ehefrau vom weiteren
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Versicherungsleistung an seine geschiedene Ehefrau vom weiteren
Werbungskostenabzug ausnimmt, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in
seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 FGO).
Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes – EStG
– sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind
bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 EStG).
Über den Wortlaut von § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG hinaus zählen zu Werbungskosten
überhaupt alle Aufwendungen, die durch den Beruf veranlasst sind. Der
Werbungskostenbegriff ist insofern deckungsgleich mit dem Begriff der
Betriebsausgaben des § 4 Abs. 4 EStG. Eine berufliche bzw. betriebliche Veranlassung ist
bei Werbungskosten im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bzw. bei
Betriebsausgaben stets dann anzunehmen, wenn objektiv ein Zusammenhang mit dem
Beruf oder dem Betrieb besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung des
Berufs bzw. des Betriebes gemacht werden. Stehen die Aufwendungen in einem
objektiven Zusammenhang mit dem Beruf, so ist für den Begriff der Werbungskosten
aber nicht von Bedeutung, ob die Vorstellungen des Steuerpflichtigen, den Beruf zu
fördern, der Wirklichkeit entsprechen, d.h. geeignet sind, dieses Ziel zu erreichen. Der
Werbungskostenabzug ist daher nicht davon abhängig, ob der mit den Aufwendungen
erstrebte Zweck eingetreten ist und ob die Aufwendungen nach objektiven
Gesichtspunkten üblich, notwendig oder zweckmäßig waren (BFH, Urteil vom 28.
November 1980 – VI R 193/77 – BFHE 132, 431, BStBl II 1981, 368).
Werbungskosten sind gegebenenfalls auch dann abziehbar, wenn mit dem Aufwand
zusammen hängende Einnahmen noch nicht erzielt werden. Voraussetzung für die
Berücksichtigung solcher vorab entstandener Werbungskosten aber ist ein ausreichend
bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der
Einkunftsart, der sich nach der wertenden Beurteilung des die betreffenden
Aufwendungen auslösenden Moments richtet (BFH, Urteil vom 8. März 2006 – IX R 78/01
– aaO. S. 448/449).
Hiernach führen Ausgleichszahlungen, die ein zum Versorgungsausgleich verpflichteter
Ehegatte aufgrund einer Vereinbarung gemäß § 1587o des Bürgerlichen Gesetzbuchs
(BGB) – Vereinbarungen der Ehegatten im Zusammenhang mit ihrer Scheidung über
alterversorgungsrechtliche Scheidungsfolgen – an den anderen Ehegatten leistet, um
Kürzungen seiner steuerpflichtige Einnahmen (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) bildenden
Versorgungsbezüge zu vermeiden, ebenso wie sogenannte [sog.]
Wiederauffüllungszahlungen im Sinne von § 58 des Beamtenversorgungsgesetzes –
BeamtVG – zu sofort abziehbaren Werbungskosten (BFH, Urteil vom 8. März 2006 – IX R
107/00 – aaO. Leitsatz [LS]). Gleiches gilt für Ausgleichszahlungen, die auf der
Grundlage einer Vereinbarung nach § 1408 Abs. 2 BGB – ehevertragliche Regelungen
über den Versorgungsausgleich – als Gegenleistung für einen Verzicht auf den
Versorgungsausgleich an den früheren Ehegatten gezahlt werden. Denn auch in solchen
Fällen wendet der betreffende Ehegatte etwas auf, um die Kürzung seiner künftigen
Versorgungsbezüge zu verhindern (BFH, Urteil vom 8. März 2006 – IX R 78/01 – aaO. S.
449).
Nach diesen Grundsätzen kann der Kläger keine Berücksichtigung seiner Weiterzahlung
von Versicherungsleistungen an seine geschiedene Ehefrau als Werbungskosten bei
seinen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit beanspruchen. Dem erforderlichen
Veranlassungszusammenhang zwischen der Weiterzahlung der Versicherungssumme an
seine frühere Ehefrau und der Ablösung des Versorgungsausgleichs zwecks Vermeidung
der Kürzung seiner späteren Versorgungsbezüge steht im Falle des Klägers entgegen,
dass er auch bei Fortbestehen seiner Ehe im Zeitpunkt der Fälligkeit der Versicherung(-
ssumme) im Streitjahr 2005 zur hälftigen Weiterleitung an seine Ehegattin verpflichtet
gewesen wäre. Im Falle einer nach wie vor intakten Ehe wären nach Nr. 5 Abs. 2 EV die
laufenden Versicherungsprämien von demjenigen Gemeinschaftskonto zu entrichten
gewesen, auf das beide Eheleute ihre sämtlichen Gehaltszahlungen und ähnliche
Leistungen einzuzahlen hatten (Nr. 3 Abs. 3 EV). Alsdann hätte ihnen jeweils der halbe
Versicherungsauszahlungsbetrag zugestanden (Nr. 5 Abs. 1 Satz 1 EV). Der Kläger, der
ausweislich des nur an ihn gerichteten Versicherungsanschreibens vom 27. Mai 2005
betreffend die Ankündigung der Fälligkeit der Lebensversicherung alleiniger
Versicherungsnehmer der streitgegenständlichen Ehegatten-Lebensversicherung war,
wäre dem gemäß ungeachtet der Scheidung seiner Ehe in jedem Fall verpflichtet
gewesen, seiner (geschiedenen) Ehefrau den hälftigen Versicherungsauszahlungsbetrag
zukommen zu lassen. Unter diesen Umständen erklärt sich seine Weiterzahlung der
Versicherungsleistungen an seine frühere Ehefrau nicht damit, dass er dadurch ihm
scheidungsbedingt angefallene Versorgungsausgleichsleistungen zwecks Verhinderung
der Kürzung seiner späteren Versorgungsbezüge abzulösen beabsichtigte.
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Werbungskostenbegründend kann sich für den Kläger auch nicht der Verlust der
Mitbeteiligung seiner geschiedenen Ehefrau an den laufenden Prämienzahlungen für die
streitgegenständliche Lebensversicherung auswirken. Zwar musste der Kläger nach
seiner Scheidung als der Ehevertragsteil mit den werthöheren
Versorgungsanwartschaften die Versicherungsprämien allein aufbringen (Nr. 6 EV),
während zuvor die jährlichen Versicherungsbeiträge von dem von seiner geschiedenen
Ehefrau und ihm selbst jeweils gehaltsanteilig bestückten Gemeinschaftskonto abgingen
(Nr. 5 Abs. 2 EV).
Es kann dahinstehen, ob vom Kläger geleisteten Versicherungsprämien teilweise
Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit darstellen. Denn
insoweit könnten im Streitjahr nach § 11 Abs. 2 EStG nur solche Prämienzahlungen
berücksichtigt werden, die der Kläger im Streitjahr gezahlt hatte. Das Gericht ist jedoch
überzeugt, dass der Kläger im Streitjahr keine Prämien auf die streitbefangene
Lebensversicherung mehr gezahlt hat. Denn er hat mit seiner
Einkommensteuererklärung 2005 keine Versicherungsprämien (mehr) in Ansatz
gebracht, nachdem er noch im Vorjahr 2004 diesbezügliche Sonderausgaben in Höhe
von 2.604,50 € geltend gemacht hatte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Es ist bisher
höchstrichterlich nicht geklärt und es liegen auch weder einheitliche instanzgerichtliche
Entscheidungen noch übereinstimmende Kommentierungen dazu vor, ob sich die
Weiterzahlung der Versicherungssumme aus einer im Zusammenhang mit dem
vorehelichen Ausschluss des Versorgungsausgleichs abgeschlossenen Ehegatten-
Lebensversicherung als Werbungskosten bei der Einkünften aus nichtselbständiger
Tätigkeit desjenigen Steuerpflichtigen berücksichtigt lässt, der nach der Scheidung die
Versicherungsprämien allein entrichtet hat und ansonsten mit dem
Versorgungsausgleich belastet gewesen wäre.
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