Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 01.12.1995

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Gericht:
Finanzgericht Berlin-
Brandenburg 1.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
1995
Aktenzeichen:
1 K 1170/03 B
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 236 ZK, Art 236 EWGV
2913/92, Pos 8703 UPos 2390
KN
Tarifierung eines Mercedes Benz 190 SL
Tatbestand
Der Kläger meldete am 01.12.1995 beim seinerzeit zuständigen Hauptzollamt L...,
Zollamt M...., einen PKW Mercedes-Benz 190 SL, Baujahr 1960, aus den USA als
gebrauchten PKW mit der Code-Nr. 8703 2390 000 zur Überführung in den freien
Verkehr an. Das Zollamt folgte dem Antrag, setzte für den PKW 10% Zoll und 15%
Einfuhrumsatzsteuer fest und forderte insgesamt 5.328,94 DM Einfuhrabgaben zur
Zahlung an. Die Abgaben wurden entrichtet. Mit Schreiben vom 17.11.1998 beantragte
der Kläger beim nunmehr zuständigen Hauptzollamt L...-Süd, den Bescheid im Hinblick
auf die im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. C 127 vom 30.04.1996
veröffentlichte Änderung der Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur -KN- zur
Einreihung von Kraftfahrzeugen als Sammlungsstücke zu ändern. Nachdem der Kläger
ein Sachverständigengutachten beigebracht hatte, in dem u.a. die Verwendung von
Karosserieteilen und Nägeln aus Aluminium hervorgehoben wurde, lehnte das
Hauptzollamt den Antrag mit Bescheid vom 12.06.2001 ab. Für die begehrte Einreihung
des Fahrzeugs als Sammlungsstück in die Position 9705 KN müsse das Fahrzeug eine
mit einem vergangenen Zeitabschnitt zusammenhängende Besonderheit aufweisen,
nämlich dass es einen charakteristischen Schritt in der Entwicklung der menschlichen
Errungenschaften dokumentiere oder einen Abschnitt dieser Entwicklung
veranschauliche. Der Kläger habe keine Merkmale am Fahrzeug dargelegt, die eine
besonders kennzeichnende Veränderung - eine bloße Variation (Vereinfachung,
Verbesserung) des bisherigen genüge nicht - im Bereich des Automobilbau aufzeige.
Dagegen richtete sich der fristgerecht eingelegte Einspruch, mit dem der Kläger geltend
machte, dass die Anforderungen des Zolltarifs so hoch stilisiert werden würden, dass
eine im Handel befindliche Ware niemals als Sammlungsstück eingereiht werden könne.
Im Übrigen sei bei diesem Autotyp erstmals eine Ponton-Karosserie sowie die
Bodengruppe der Großserienlimousinen 180, 190 bzw. 219 verwendet worden.
Mit Einspruchsentscheidung vom 17.04.2003 wies der Beklagte den Einspruch des
Klägers als unbegründet zurück. Für das strittige Fahrzeug sei keine Dokumentation
eines charakteristischen Schritts in der Entwicklung der menschlichen Errungenschaften
bzw. eines Abschnitts dieser Entwicklung erkennbar. Außerdem fehle es an der
erforderlichen Seltenheit des Fahrzeugs. Es seien 25.881 Exemplare produziert und
verkauft worden, von denen eine hohe Anzahl noch existieren dürfte. Allein in
Deutschland seien mehr als 1.200 Stück dieses Fahrzeugs beim Kraftfahrtbundesamt
registriert.
Am 16.05.2003 ist Klage erhoben worden, mit der der Kläger die Einreihung des
Fahrzeugs in die Position 9705 KN und die daraus resultierende anteilige Rückzahlung
der geleisteten Abgaben begehrt. Der Beklagte habe sich mit der Tatsache der
Plattformverwendung nicht auseinander gesetzt. Außerdem seien diese Fahrzeuge als
sehr selten einzustufen. Dass 40 Jahre nach Einstellung der Produktion immer noch
relativ viele Fahrzeuge existierten, beruhe darauf, dass Fahrzeuge dieser Art bereits zur
Zeit der Produktion einen hohen Seltenheitswert und exklusiven Charakter gehabt
hätten. Diese Fahrzeuge seien von Beginn an durch Sammler und Liebhaber dergestalt
gepflegt worden, dass sich ein relativ hoher Bestand erhalten habe. Der Mercedes 190
SL habe durch die Verwendung wesentlicher Bauteile der Großserie in einer
Sportwagenkleinserie den Automobilbau geprägt.
Der Kläger beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 12.06.2001
sowie der Einspruchsentscheidung vom 17.04.2003 zu verpflichten, dem
Änderungsantrag des Klägers insoweit stattzugeben, als das fragliche Fahrzeug in die
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Änderungsantrag des Klägers insoweit stattzugeben, als das fragliche Fahrzeug in die
Position 9705 des Zolltarifs eingereiht wird und ein entsprechender Abgabenbescheid
erlassen wird.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er vertritt weiterhin die in seiner Einspruchsentscheidung erläuterte Auffassung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet. Der Ablehnungsbescheid vom
12.06.2001 sowie die Einspruchsentscheidung vom 17.04.2003 sind rechtmäßig und
verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 101 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Der
Beklagte hat rechtsfehlerfrei den Erlass eines Änderungsbescheides abgelehnt. Der
Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung von Einfuhrabgaben nach Art. 236 Zollkodex -
ZK-, denn der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, das strittige Fahrzeug in die vom
Kläger angegebene Position 9705 KN einzureihen. Diese vom Kläger für zutreffend
gehaltene Position bezeichnet u.a. Sammlungsstücke von geschichtlichem Wert. Die bei
der Abfertigung angewendete Unterposition 8703 2390 KN bezeichnet demgegenüber
gebrauchte Personenkraftwagen mit Hubkolbenverbrennungsmotor mit Fremdzündung
mit einem Hubraum von 1500 cm bis 3000 cm.
Der Mercedes-Benz 190 SL ist bei der Abfertigung am 01.12.1995 fehlerfrei in die
Unterposition 8703 2390 KN für gebrauchte Kraftfahrzeuge eingereiht worden.
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften
sowie des Bundesfinanzhofes (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 20.06.1996, Rs C-121/95 ,
EuGHE 1996, I-3047 Rz. 13; BFH-Urteil v. 18.11.2001, VII R 78/00) ist das entscheidende
Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven
Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und
Unterpositionen und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln des
Gemeinsamen Zolltarifs festgelegt sind (vgl. die Allgemeinen Vorschriften 1 und 6 für die
Auslegung der Kombinierten Nomenklatur). Soweit in den Positionen und Anmerkungen
nichts anderes bestimmt ist, richtet sich die Einreihung nach den Allgemeinen
Vorschriften 2 bis 5 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur. Daneben gibt es
nach dem Übereinkommen zum Harmonisierten System Erläuterungen und
Einreihungsavise, die ebenso wie die Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur, die
von der Europäischen Kommission ausgearbeitet wurden, ein wichtiges, wenn auch nicht
verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen
(vgl. EuGH-Urteil vom 09.12.1997, Rs C- 143/96, EuGHE 1997, I-7039 Rz. 14). Auf den
Verwendungszweck einer Ware darf nur dann abgestellt werden, wenn im Wortlaut der
Bestimmungen oder in den Erläuterungen dazu ausdrücklich auf dieses Kriterium Bezug
genommen wird (vgl. BFH-Urteile v. 14.11.2000, VII R 83/99, BFH/NV 2001, 499 und v.
05.10.1999 VII R 42/98, BFH/NV 2000, 404).
Die objektiven Merkmale und Eigenschaften der Ware - hier des Fahrzeugs Mercedes-
Benz 190 SL Baujahr 1960 - sprechen nach Überzeugung des Gerichts für die vom
Beklagten bei der Abfertigung vorgenommene Einreihung. In seinem Urteil vom
03.12.1998 (C-259/97, juris) hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die
Position 9705 der Kombinierten Nomenklatur dahin auszulegen ist, dass ein historischer
oder völkerkundlicher Wert bei Kraftfahrzeugen vermutet wird, die sich im
Originalzustand - ohne wesentliche Änderungen des Fahrgestells, des Steuersystems
oder Bremssystems des Motors u.s.w. - befinden, 30 Jahre oder älter sind und einem
nicht mehr hergestellten Modell oder Typ entsprechen. Fahrzeuge, die diese
Voraussetzungen erfüllen, sind jedoch nicht von geschichtlichem oder völkerkundlichen
Wert, wenn die zuständige Behörde nachweist, dass sie keinen charakteristischen Schritt
in der Entwicklung der menschlichen Errungenschaften dokumentieren oder keinen
Abschnitt dieser Entwicklung veranschaulichen können. Darüber hinaus müssen die in
der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entwickelten Kriterien in Bezug auf
die Eigenschaften erfüllt sein, die für die Aufnahme eines Kraftfahrzeugs in eine
Sammlung erforderlich sind. Danach muss das Fahrzeug Gegenstand des
Spezialhandels sei, es darf normalerweise nicht gemäß dem ursprünglichen
Verwendungszweck genutzt werden und es muss verhältnismäßig selten sowie von
hohem Wert sein. Dem folgend hat der Bundesfinanzhof in seinem Beschluss vom
19.12.2000 (VII R 30/99, BFH/NV 2001, 821) entschieden, dass bei der Beurteilung, ob
einer Ware ein geschichtlicher Wert zukommt, den Besonderheiten des jeweiligen
Bereiches Rechnung zu tragen ist. So ist zum Beispiel im Automobilbau zu
berücksichtigen, dass es sich bei einem Kraftfahrzeug um einen Gegenstand handelt,
der grundsätzlich zum Zwecke des Gebrauchs und nicht als Erinnerungsstück
entsprechend den technischen Möglichkeiten seiner Zeit gebaut wird. Dabei obliegt es
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entsprechend den technischen Möglichkeiten seiner Zeit gebaut wird. Dabei obliegt es
der Behörde, Tatsachen vorzutragen, die gegen einen geschichtlichen Wert sprechen.
Liegen derartige Tatsachen vor, ist es Sache des Einführers, diesen Vortrag substantiiert
zu bestreiten. Dieser Rechtsprechung folgt der Senat.
Nach dem unstreitigen Sachverhalt des Streitfalls kann davon ausgegangen werden,
dass sich das eingeführte Fahrzeug jedenfalls nahezu im Originalzustand befindet. Es ist
auch älter als 30 Jahre und wird nicht mehr gebaut. Das Gericht kann es offenlassen, ob
das Fahrzeug normalerweise nicht mehr entsprechend seinem ursprünglichen
Verwendungszweck eingesetzt wird. Bereits zum Zeitpunkt seiner Herstellung war es
weder als Familienauto noch als Reiselimousine einzusetzen, sondern diente als
eleganter Sportwagen in wesentlichem Umfang dem Fahrspaß und der Eigendarstellung
seines Besitzers, der damit durch die Stadt oder über die Landstraßen "flanieren"
konnte. Ähnliches ist mit dem strittigen Fahrzeug heutzutage insoweit vorgesehen, als
es zu Veranstaltungen oder Oldtimertreffen eingesetzt werden soll. Man findet Wagen
dieses Typs aber auch bei Autovermietungen, wo sie tage- oder wochenweise
ausgeliehen werden können.
Jedenfalls ist das Fahrzeug nicht von geschichtlichem Wert, da es keine mit einem
vergangenen Zeitabschnitt zusammenhängenden Besonderheiten aufweist und keinen
charakteristischen Schritt in der Entwicklung der menschlichen Errungenschaften - hier
des Automobilbaus - dokumentiert oder veranschaulicht. Es verkörpert insbesondere
nicht exemplarisch einen epochemachenden Entwicklungsstand im Sportwagenbau (im
Ergebnis ebenso für diesen Fahrzeugtyp: FG München, Urteil vom 26.06.2001 3 K
4740/98, juris).
Es handelt sich um ein kleineres Sportwagenmodell als der etwa zeitgleich, aber in
wesentlich geringerer Anzahl gebaute Mercedes-Benz 300 SL mit Flügeltüren. Für ein
Fahrzeug diesen Typs aus dem Baujahr 1956 hat der Bundesfinanzhof den
geschichtlichen Wert verneint, da es nicht exemplarisch einen charakteristischen Schritt
in der Entwicklung der Technik des Automobilbaus verkörpere (BFH-Beschluss vom
19.12.2000, a.a.O.). Die Flügeltüren seien lediglich technische oder stilistische Varianten,
aber keine Verkörperung charakteristischer Schritte in der Entwicklung der menschlichen
Errungenschaften. Ähnliches gilt für das streitgegenständliche Fahrzeug. Dass es sich
dabei um ein Cabriolet handelt, begründet keinen geschichtlichen Wert. Cabrios wurden
von Mercedes-Benz - wie auch von anderen Herstellern - schon lange vor dem Zeitraum,
innerhalb dessen der streitgegenständliche Fahrzeugtyp hergestellt wurde, gebaut. Die
technischen Neuerungen, die den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp auszeichnen,
rechtfertigen nicht die Zuerkennung von geschichtlichem Wert. Bodengruppe und Motor
entstammen dem Limousinentyp von Mercedes-Benz. Ihre Verwendung in einer
Sportwagenkleinserie veranschaulicht keinen charakteristischen Schritt in der
Geschichte der menschlichen Errungenschaften. Der zum Teil erfolgte Einbau von
Aluminiumteilen kann auch kein anderes Ergebnis rechtfertigen, denn
Aluminiumkarosserien wurden bereits vor dem zweiten Weltkrieg gebaut. Inwieweit diese
Maßnahme den Automobilbau geprägt haben soll, erschließt sich dem Senat auch aus
dem Vortrag des Klägers nicht. Gleiches gilt für den Einbau einer selbsttragenden
Ponton-Karosserie, die Mercedes bereits zuvor für herkömmliche Limousinen verwendet
hatte (www.wikipedia.de zu Mercedes-Benz W 120). Auch dem vom Kläger vorgelegten
Gutachten ist nichts Weiterführendes zu diesen technischen Details des
streitgegenständlichen Fahrzeugtyps zu entnehmen.
Die Fahrzeuge des Typs Mercedes-Benz 190 SL sind auch nicht verhältnismäßig selten.
Bei der Frage, ob ein Fahrzeug verhältnismäßig selten ist, kann nicht auf die Relation
zum gesamten Automobilbestand abgestellt werden. Vielmehr muss die Relation
zwischen der Zahl der von einem bestimmten Typ produzierten Fahrzeuge und dem
aktuellen Bestand der Fahrzeuge aus dieser Baureihe betrachtet werden. Da angesichts
der ursprünglich produzierten Menge von ca. 25.000 Stück von diesem Modell
offensichtlich noch eine vierstellige Anzahl - etwa 10 v.H. - existiert, kann nicht von
einem verhältnismäßig seltenen Fahrzeug gesprochen werden. Dagegen spricht auch,
dass diese Fahrzeuge nicht nur in technischen Museen und im Spezialhandel zu finden
sind, sondern auch auf normalem Wege gehandelt sowie als Mietfahrzeuge genutzt
werden. So waren zum Beispiel in der 7. Kalenderwoche 2007 allein beim Internet-
Auktionshaus ebay 25 Fahrzeuge dieses Typs zu verkaufen.
Inwieweit das Fahrzeug einen hohen Wert verkörpert, wogegen einiges spricht (das
Fahrzeug hat heutzutage einen Liebhaberwert, der inflationsbereinigt und im Hinblick auf
den vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten monatlichen Durchschnittsverdienst
der Angestellten von etwa 273 Euro im Jahr 1960 und 3.538 Euro im Jahr 2005 den
seinerzeitigen Neupreis bei weitem nicht erreicht), kann der Senat im Ergebnis
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seinerzeitigen Neupreis bei weitem nicht erreicht), kann der Senat im Ergebnis
offenlassen.
Soweit sich der Kläger auf eine mögliche Rückwareneigenschaft des Fahrzeugs beruft, ist
ihm entgegenzuhalten, dass es sowohl an der erforderlichen Nämlichkeitssicherung
sowie am Nachweis der Ursprungseigenschaft der Europäischen Union fehlt.
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