Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 30.04.2005

FG Berlin-Brandenburg: gesetzliche vermutung, vermögensverfall, steuerberater, gesellschaft, berufliche tätigkeit, gefährdung, entlastungsbeweis, widerruf, geschäftsführer, adresse

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Gericht:
Finanzgericht Berlin-
Brandenburg 12.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 K 12120/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 46 Abs 2 Nr 4 StBerG
Widerruf der Bestellung als Steuerberater wegen
Vermögensverfalls - Möglichkeit der Widerlegung der
gesetzlichen Vermutung in engen Grenzen - Gefährdung der
Auftraggeberinteressen
Tatbestand
Der Kläger wurde im Jahre 19xx zum Steuerbevollmächtigten und im Jahre 19xx zum
Steuerberater bestellt. Insbesondere durch Immobiliengeschäfte geriet der Kläger in
eine finanzielle Schieflage. Ausweislich einer Vermögensaufstellung des Klägers vom
30.04.2005 standen ihm zuzurechnenden Grundstücken im Wert von 1.496.750,00 €
grundstücksbezogene Verbindlichkeiten in Höhe von 1.469.854,00 € sowie private
Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von 713.305,00 € gegenüber. Im Juli 2004 teilte das
für den Kläger ursprünglich zuständige Finanzamt D der Oberfinanzdirektion … mit, dass
für den Kläger ausweislich der beigefügten Rückstandanzeigen - trotz unregelmäßiger
Zahlungen an den Vollstreckungsbeamten - offene Forderungen in Höhe von insgesamt
185.348,46 € (Steuern: 143.959,94; Säumniszuschläge: 41.388,52) bestünden. Darin
enthalten waren unter anderem nicht beglichene Lohnsteuer- und
Umsatzsteuerbeträge, die zum Teil die Jahre 1997 und 2003 betrafen. Zudem habe der
Kläger rund zwei Monate zuvor zugesagt, eine Darstellung seiner wirtschaftlichen
Verhältnisse sowie einen Tilgungsplan zu übersenden, beides sei nicht geschehen.
Im Zuge des von der Beklagten eingeleiteten Anhörungsverfahrens zeigte der Kläger der
Beklagten zunächst an, im Januar 2005 seine berufliche Niederlassung nach E verlegt zu
haben. Eine Nachschau der Steuerberaterkammer C ergab jedoch, dass nach
Einschätzung der Kammer unter der angegebenen Adresse in F, …, tatsächlich - etwa
mangels Praxisschilds - keine beruflichen Aktivitäten des Klägers erkennbar seien. Im
August 2005 unterrichtete der Kläger die Steuerberaterkammer C dahingehend, dass er
sein Einzelunternehmen von F nach G verlegt habe. Schließlich zeigte der Kläger im Mai
2006 der Kammer in … an, den Sitz seines Einzelunternehmens zurück nach B verlegt
zu haben.
Erstmals im März 2005 teilte der Kläger der Steuerberaterkammer C mit, dass und aus
welchen Gründen ein Vermögensverfall zu verneinen sei. Im Mai 2005 ergänzte der
Kläger seine Angaben im Hinblick auf Einzelheiten seiner Vermögenssituation. Im Juni
2005 teilte das Finanzamt D der Steuerberaterkammer C mit, dass für den Kläger offene
Forderungen in Höhe von insgesamt 175.495,42 € bestünden; über Anträge des Klägers,
Vollstreckungsaufschub zu gewähren, sei noch nicht entschieden.
Daraufhin bat die Steuerberaterkammer C den Kläger im September 2005, bis zum 14.
November 2005 Stundungs- bzw. Tilgungsvereinbarungen mit den zuständigen
Finanzämtern sowie die schriftliche Stundungsvereinbarung mit dem Privatgläubiger H
zu übersenden. Der Kläger übersandte der Kammer eine Zusage des Finanzamts I vom
04.11.2005, nach der das Amt für die Dauer von sechs Monaten von weiteren
Vollstreckungsakten absehen wollte, wenn der Kläger die vereinbarten monatlichen
Raten in Höhe von 1.500,00 € und die laufend fällig werdenden Steuern pünktlich
entrichten werde. Zu diesem Zeitpunkt beliefen sich die Forderungen des Finanzamts I
auf insgesamt 165.907,54 € (Steuern: 121.614,01 €, Säumniszuschläge: 44.293,53 €).
Ein weiterer privater Gläubiger, Herr H, bestätigte dem Kläger die zinslose Stundung der
offenen Forderung zunächst bis zum 31.12.2006.
Nachdem der Kläger im Mai 2006 seinen Sitz wieder nach B verlegt hatte, wurde erneut
die Beklagte für den Kläger zuständig. Das Finanzamt I teilte der Beklagten auf Anfrage
im September 2006 mit, dass sich zu diesem Zeitpunkt die Forderungen des
Finanzamts auf insgesamt 157.026,06 € (Steuern: 105.253,52 €, Säumniszuschläge:
51.772,54 €) beliefen; weiterhin gebe der Kläger seine Steuererklärungen und
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51.772,54 €) beliefen; weiterhin gebe der Kläger seine Steuererklärungen und
Voranmeldungen teilweise verspätet ab.
Im Juli 2007 unterrichtete der Kläger - unter Hinweis auf die betreffende, in Kopie
beigefügte Abmeldebescheinigung - den Beklagten dahingehend, nicht mehr im Rahmen
seines Einzelunternehmens tätig zu sein. Vielmehr sei er, so der Kläger, seit Oktober
2006 nur noch bei der J Steuerberatungsgesellschaft mbH angestellt, deren alleiniger
Geschäftsführer, Herr Steuerberater K, seinen Beruf nicht am Sitz der Gesellschaft
ausübt, sondern eine eigene Kanzlei in B unterhält. In dem überarbeiteten
Anstellungsvertrag vom 09.05.2007 vereinbarten der Kläger und die Gesellschaft unter
anderem (§ 7 des Vertrages), dass dieser neben seiner Tätigkeit als Angestellter keine
eigenen Mandate betreuen darf; andere Nebenbeschäftigungen sind gleichermaßen
untersagt, soweit sie die Arbeitsleistung des Klägers oder die Interessen der Gesellschaft
in sonstiger Weise beeinträchtigen könnten. Der Senat verweist wegen der weiteren
Einzelheiten auf den Wortlaut des Anstellungsvertrages.
Durch Beschluss vom 05. Juni 2007 (Az: 36 w IN …) bestellte das Amtsgericht …
zunächst einen vorläufigen Insolvenzverwalter, bevor das Amtsgericht im Hinblick auf
einen Eigenantrag des Klägers am 27.08.2007 wegen Zahlungsunfähigkeit das
Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnete. Dieser hatte zudem einen
Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt, die allerdings bislang nicht angekündigt worden
ist. Gleichermaßen kam ein Insolvenzplan bislang nicht zustande.
Im Zuge des daraufhin eingeleiteten berufsrechtlichen Verfahrens teilte das Finanzamt I
im März 2009 der Beklagten mit, dass keine Vereinbarungen mit dem Insolvenzverwalter
bestünden; mit Stand 17.02.2009 beliefen sich die Verbindlichkeiten des Klägers
gegenüber dem Finanzamt für das Jahr 1994 auf insgesamt 171.496,06 € (Steuern:
100.753,52 €; Säumniszuschläge: 70.742,54 €). Für den Zeitraum ab 1996 beliefen sich
die Verbindlichkeiten des Klägers sowie seiner Ehefrau gegenüber dem Finanzamt auf
insgesamt 184.921,49 € (Steuern: 161.415,99 €; Säumniszuschläge: 23.505,50 €). Darin
enthalten waren rückständige Beträge u.a. für Umsatzsteuer 1996 und 1997. Durch
Beschluss vom 29.04.2009 widerrief die Beklagte die Bestellung des Klägers als
Steuerberater vom 04.12.19xx sowie als Steuerbevollmächtigter vom 01.10.19xx.
Der Kläger begründet seine Klage wie folgt: Die Voraussetzungen eines
Vermögensverfalls im Sinne des § 46 Abs. 2 Nr. 4 Steuerberatungsgesetz (StBerG)
seien zwischenzeitlich entfallen. Im Zuge des selbst beantragten Insolvenzverfahrens sei
der Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt worden. Nach der nunmehr absehbaren
Beendigung des Insolvenzverfahrens, die auch der Insolvenzverwalter bestätigt habe,
stehe der Eintritt in die Phase der Restschuldbefreiung bevor.
In jedem Falle seien die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet. Er, der Kläger,
werde ausschließlich im Rahmen des Anstellungsverhältnisses in ihm zugewiesenen
„eigenen“ Räumen tätig. Die mit der Arbeitgeberin ergriffenen Organisations- und
Schutzmaßnahmen böten ausweislich des dem Gericht übersandten
Anstellungsvertrages vom 09.05.2007 die erforderliche Sicherheit. So schreibe § 9 des
Anstellungsvertrages das Verbot für ihn, den Kläger, fest, Zahlungen an die Gesellschaft
entgegenzunehmen. Dem entsprechend habe er, der Kläger, auch - ausweislich der dem
Gericht übersandten Bankbescheinigung - keine Möglichkeit, auf das Geschäftskonto der
Gesellschaft zuzugreifen. Insbesondere übe der Geschäftsführer regelmäßig und
engmaschig am Sitz der Gesellschaft seine Kontrollrechte aus (Beweis: Zeugnis des StB
… K). Schließlich bestehe gemäß § 89 Insolvenzordnung ein absolutes
Vollstreckungsverbot, so dass sämtliche Gläubiger gehindert seien, durch das Androhen
von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen Druck auf ihn, den Kläger, auszuüben.
den Widerrufsbescheid der Beklagten vom 29.04.2009
aufzuheben.
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte begründet ihren Antrag dahingehend, dass der Kläger in wirtschaftlich
zerrütteten Verhältnissen lebe. Er habe den erforderlichen Entlastungsbeweis nicht
geführt. Nach wie vor seien Mandanteninteressen gefährdet. Die Tätigkeit des Klägers
werde nicht hinreichend durch einen Berufsangehörigen kontrolliert. Der Kläger
unterhalte - nach eigenem Bekunden im Rahmen der Klagebegründung - unter der
Adresse … in B eine gemeinsame Praxis mit dem Steuerberater K und eigene
Kanzleiräume. Demgegenüber habe der Steuerberater K nach wie vor seine eigene
Praxis nur unter der Adresse … in B zum Berufsregister angezeigt.
Das Amtsgericht … als Auskunftsstelle für das Zentrale Schuldnerverzeichnis beim
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Das Amtsgericht … als Auskunftsstelle für das Zentrale Schuldnerverzeichnis beim
Amtsgericht … hat mit Schreiben vom 08.10.2009 dem Gericht mitgeteilt, dass das
Schuldnerverzeichnis für den Kläger folgende Einträge enthalte:
Das nach einem Zuständigkeitswechsel nunmehr für den Kläger zuständige Finanzamt I
hat zudem mit Datum vom 24.11.2009 dem Gericht zum Stichtag 24.11.2009 die
Steuerrückstände des Klägers mitgeteilt. Der Senat nimmt auf die (weiteren)
Einzelheiten der ausgetauschten Schriftsätze, der ihm übersandten
Verwaltungsunterlagen sowie der Sitzungsniederschrift Bezug.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet. Der Widerrufsbescheid vom 29. April 2009 ist rechtmäßig
und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung
(FGO).
Die Voraussetzungen für den Widerruf der Bestellung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG
sind erfüllt. Der Kläger ist in Vermögensverfall geraten. Ein derartiger Vermögensverfall
liegt vor, wenn sich der Schuldner in ungeordneten, schlechten finanziellen Verhältnissen
befindet, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und er außerstande ist, seinen
Verpflichtungen nachzukommen (in diesem Sinne: Bundesfinanzhof [BFH], Urteil vom
22. August 1995 – VII R 63/94, Bundessteuerblatt [BStBl.] II 1995, 909 [910]; Urteil vom
06.06.2000 - VII R 68/99, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung [HFR] 2000, 741;
Urteil vom 04.12.2007 - VII R 64/06, BStBl. II 2008, 401 [403]). Ungeordnete
wirtschaftliche Verhältnisse bestehen mithin fort, solange der Schuldendienst nicht
gesichert ist und der Berufsangehörige in Anbetracht seiner Einkommensverhältnisse
die Schulden nicht in einem überschaubaren Zeitraum zu tilgen vermag. Ein
Vermögensverfall ist demnach erst dann beseitigt, wenn der Schuldner mit den
Gläubigern der (titulierten) Forderungen Vereinbarungen getroffen hat, die erwarten
lassen, dass es zu keinen weiteren Vollstreckungsmaßnahmen mehr kommen wird.
Tatsächlich besteht eine gesetzliche Vermutung für den Vermögensverfall des Klägers.
Denn § 46 Abs. 2 Nr. 4, 2. Halbsatz StBerG geht von einem Vermögensverfall aus, wenn
ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Berufsangehörigen eröffnet worden ist.
Ein derartiges Verfahren ist im Jahre 2007 eröffnet und bislang nicht abgeschlossen
worden.
Die gesetzliche Vermutung entfällt auch nicht im Hinblick auf die Möglichkeit, dass nach
Auskunft des Insolvenzverwalters zwischenzeitlich der Abschluss des Insolvenzverfahrens
sich abzeichnet und der Eintritt in die Phase der Restschuldbefreiung bevorsteht. Denn
die gesetzliche Vermutung in § 46 Abs. 2 Nr. 4, 2. Halbsatz StBerG knüpft allein an das
Eröffnen des Insolvenzverfahrens an. Ist ein derartiges Verfahren eröffnet, beinhaltet §
46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG eine gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls;
demgegenüber sind die Rechtsfolgen des Insolvenzverfahrens gerade nicht geeignet,
den Eintritt des Vermögensverfalls zu widerlegen. Vor der Annahme und Bestätigung
eines Insolvenzplanes bzw. vor der Annahme des vom Schuldner vorgelegten
Schuldenbereinigungsplans erweist es sich jedenfalls als völlig ungewiss, ob geordnete
wirtschaftliche Verhältnisse wieder hergestellt sind (ebenso: BFH, Beschluss vom
30.04.2009 - VII R 32/08, BFH/NV 2009, 1463 [1464]; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom
16.12.2008 - 2 K 2084/08, EFG 2009, 687 [687 f]). Im Übrigen hat der Kläger seine
Darstellungen zum Verlauf des Insolvenzverfahrens bislang lediglich behauptet und
durch keinerlei Belege untermauert. Jedenfalls ist das Insolvenzverfahren bislang noch
nicht abgeschlossen, mithin wirkt die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2 Nr. 4
StBerG fort.
Weiterhin hat der Kläger es versäumt, im Einzelnen darzulegen, seine finanziellen
Verhältnisse geordnet zu haben. Er hat weder vorgetragen noch gar belegmäßig
nachgewiesen, über welche Einkünfte er verfügt, welche Ausgaben er trägt und in
welcher Weise er bis zu welchem Zeitpunkt seine Schulden abzutragen plant. Allein das
Eröffnen des Insolvenzverfahrens mit der Möglichkeit einer Restschuldbefreiung
begründet insoweit keine geordneten wirtschaftlichen Verhältnisse (ebenso: BFH,
Beschluss vom 28.08.2003 - VII B 79/02, Sammlung der Entscheidungen des BFH
[BFH/NV] 2004, 90 [91]; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Urteil vom
12.11.2008 - 12 K 12055/08, nicht veröffentlicht).
Der Kläger hat auch nicht den Nachweis erbracht, dass der Vermögensverfall die
Interessen seiner Auftraggeber nicht gefährde, § 46 Abs. 2 Nr. 4, 1. Halbsatz StBerG.
Tatsächlich geht der Gesetzgeber ausweislich der Regelung in § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG
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Tatsächlich geht der Gesetzgeber ausweislich der Regelung in § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG
bei Vorliegen des Vermögensverfalls grundsätzlich davon aus, dass die Interessen der
Auftraggeber gefährdet sind (in diesem Sinne auch: BFH, Beschluss vom 12.06.2008 -
VII B 61/08, BFH/NV 2008, 1708 [1709]; Beschluss vom 03.07.2009 - VII B 258/08, nicht
veröffentlicht). Der Steuerberater hat demnach nur in engen Grenzen die Möglichkeit,
die gesetzliche Vermutung zu widerlegen. Der Betroffene hat danach im Einzelnen
genau und überprüfbar darzulegen, aus welchem Grunde in seinem konkreten Fall der
Vermögensverfall die Interessen seiner Auftraggeber nicht gefährde. Das bloße
Behaupten bestimmter Tatsachen reicht insoweit nicht aus (vgl. hierzu: BFH, Urteil vom
04. April 1995 - VII R 74/94, BFH/NV 1995, 1019 [1020]; Urteil vom 06.06.2000 - VII R
68/99, HFR 2000, 741; Beschluss vom 11.01.2007 VII B 193/06, BFH/NV 2007, 985; Urteil
vom 04.12.2007 - VII R 64/06, BStBl. II 2008, 401 [403]).
Trotz seiner diesbezüglichen Darlegungs- und Feststellungslast hat der Kläger in keiner
Weise hinreichend substantiiert dargelegt, aus welchem Grunde in seinem Fall die
Interessen seiner Auftraggeber nicht konkret gefährdet seien. Hierbei ist auch zu
berücksichtigen, dass in diesem Zusammenhang die ungeordneten
Vermögensverhältnisse eines Berufsangehörigen im Regelfall die Annahme
rechtfertigen, die Auftraggeberinteressen seien gefährdet, und tatsächlich diese
Gefährdung bereits in der Tatsache des Vermögensverfalls liegt. Mithin ist ein Nachweis,
dass eine solche Gefährdung im konkreten Fall nicht gegeben sei, nur in Ausnahmefällen
denkbar (ebenso: BFH, Beschluss vom 26.07.2007 - VII B 27/07, BFH/NV 2007, 2150;
Beschluss vom 28.12.2006 - VII B 229/05, BFH/NV 2007, 983 [984]; Urteil vom
04.12.2007 - VII R 64/06, BStBl. II 2008, 401 [403]).
Ein derartiger Ausnahmefall ist nicht ersichtlich. Zur Überzeugung des Senats führt die
erforderliche Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände (vgl. hierzu: BFH,
Beschluss vom 12.06.2008 - VII B 61/08, BFH/NV 2008, 1708 [1709]) zu der
Einschätzung, dass der Kläger den Entlastungsbeweis nicht geführt hat. Die konkrete
Gefährdungssituation für die Mandanten des Klägers entfällt nämlich nicht bereits durch
den Umstand, dass der Kläger seine steuerberatende Tätigkeit nunmehr allein im
Anstellungsverhältnis bei der J Steuerberatungsgesellschaft mbH ausübt. Eine solche
Einschätzung folgt auch keinesfalls aus der Entscheidung des BGH vom 18.10.2004 -
AnwZ (B) 43/03, Neue Juristische Wochenschrift [NJW] 2005, 511). Allein ein solches
Vertragsverhältnis genügt nicht. Vielmehr müssen andere Umstände hinzutreten und
einer umfassenden Würdigung zugänglich sein, um den Entlastungsbeweis zu erbringen
(ebenso: BFH, Beschluss vom 20.10.2005 - VII S 29/05, BFH/NV 2006, 373 [374]; BFH,
Urteil vom 04.12.2007 - VII R 64/06, BStBl. II 2008, 401 [403]). Maßgeblich sind im
Hinblick auf den Kläger insbesondere die tatsächlichen Gegebenheiten hinsichtlich der
Überwachungsmöglichkeit durch den Arbeitgeber sowie der Zugriffs- und
Gestaltungsmöglichkeiten seitens des Berufsangehörigen. Dabei sind die konkreten
Umstände vor allem der wirksamen Kontrolle durch den Arbeitgeber einerseits und im
Grundsatz die Möglichkeit andererseits zu berücksichtigen, die betreffenden
Vertragsvereinbarungen etwa jederzeit (formlos) zu ändern. Insoweit fehlt jedoch jeder
substantiierte Tatsachenvortrag des Klägers gerade auch zu effektiven
Kontrollmechanismen, die insbesondere verhindern, dass der Kläger nicht doch wieder
etwa Mandate für eigene Rechnung übernimmt.
Der Senat berücksichtigt in diesem Zusammenhang ganz entscheidend den Umstand,
dass mit Herrn K als einzigem (zeichnungsberechtigten) Geschäftsführer der GmbH
lediglich ein einziger Berufsträger zur Verfügung steht, die Einhaltung der vertraglichen
Verpflichtungen des Klägers zum Schutz der Mandanten sicher zu stellen. Denn
nur eine Mehrzahl von Berufsträgern, nicht aber ein einzelner Berufsangehöriger
vermag die erforderliche effektive Kontrollmöglichkeit sicherzustellen. Dies wird gerade in
Krankheits- und Urlaubsphasen sowie sonstigen Zeiten faktischer Abwesenheit
offensichtlich. Bei diesen oder vergleichbaren zeitweiligen Verhinderungen, die sich bei
einer Kontrolle durch lediglich einen Berufsträger zwangsläufig in zeitlicher Hinsicht
beachtlich summieren, ist die erforderliche Überwachung von vornherein nicht
sichergestellt (ebenso: FG Düsseldorf, Urteil vom 17.06.2009 - 2 K 4794/08 StB, nicht
veröffentlicht, mit weiteren Nachweisen).
Im Übrigen erweist sich der Vortrag des Klägers zu hinreichenden Kontrollmöglichkeiten
seitens der GmbH in diesem Zusammenhang insgesamt als nicht hinreichend
substantiiert. Es fehlen ins Einzelne gehende Ausführungen, in welcher Weise der einzige
Berufsträger insbesondere angesichts der räumlichen Entfernung konkret die Tätigkeit
des Klägers effektiv kontrollieren könnte. Hierbei ist auch der unwidersprochen
gebliebene Vortrag der Beklagten zu berücksichtigen (Schriftsatz - Klageerwiderung -
vom 26.08.2009, Bl. 10), dass die GmbH mit Datum vom 26.03.2007 ein Schreiben an
die Kammer übersandt habe, das der Kläger unterzeichnet habe; dieser habe dann in
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die Kammer übersandt habe, das der Kläger unterzeichnet habe; dieser habe dann in
dem weiteren Schreiben vom 17.04.2007 mitgeteilt, dass der Geschäftsführer der
Gesellschaft verhindert gewesen sei, und deshalb er, der Kläger, für die GmbH
unterzeichnet habe.
Vor diesem Hintergrund kam für den Senat eine Zeugenvernehmung des
Steuerberaters K nicht in Betracht. Der Kläger hat jedenfalls nicht in der gebotenen
Weise die erforderlichen Einzelheiten einer lückenlosen Überwachung durch den einzigen
Berufsträger dargelegt, die für eine sachgerechte Zeugenbefragung erforderlich
gewesen wäre. Dieser Mangel tritt in besonderer Weise zu Tage angesichts der
aktenkundigen Einzelheiten, dass der einzige Berufsträger K seinen beruflichen
Schwerpunkt in einiger räumlicher Entfernung zu den Geschäftsräumen der GmbH
ausübte und jedenfalls im Einzelfall für die Gesellschaft nicht nach außen hin tätig
werden konnte. Hiernach hat der Kläger das - aus seiner Sicht - voraussichtliche
Ergebnis der Beweisaufnahme in Bezug auf einzelne, die effektive Überwachung
sicherstellende Tatsachen nicht hinreichend substantiiert. Für den Senat ist nicht
erkennbar, wie konkret - den Vortrag des Klägers als zutreffend unterstellt - Herr K in
umfassender Weise den Schutz der Mandanten sicherstellen wollte. Denn jedenfalls übt
Herr K seine eigene berufliche Tätigkeit in eigenen Büroräumen unter der Adresse B,…,
aus.
Schließlich hat der Kläger auch im Übrigen nicht in hinreichender Weise dargelegt, dass
die Auftraggeberinteressen nicht gefährdet sind. Hierbei gewinnt für den Senat das
Verhalten des Klägers in der Vergangenheit entscheidende Bedeutung. Immerhin ist der
Kläger jedenfalls zeitweilig mit seinen Verpflichtungen, Lohn- und Umsatzsteuer
abzuführen, in Rückstand geraten. Zudem hat er etwa seine Zusage gegenüber dem
Finanzamt D im Jahre 2004 nicht eingehalten, seine wirtschaftlichen Verhältnisse
darzulegen und einen Tilgungsplan vorzulegen.
Dabei war es für den Senat nicht erforderlich, dem Kläger die in der mündlichen
Verhandlung beantragte Schriftsatzfrist einzuräumen im Hinblick auf den Schriftsatz des
Finanzamts I vom 24.11.2009. Denn die Ausführungen des Finanzamts decken sich in
weiten Teilen mit dem Inhalt des Schreibens des Finanzamts D im Juli 2004 sowie des
Schreibens des Finanzamts I vom 01.09.2006. Die Finanzämter haben frühzeitig und
übereinstimmend auf die Versäumnisse des Klägers hingewiesen, ihm anvertraute
Umsatzsteuerbeträge nicht abgeführt und Steuererklärungen sowie Voranmeldungen
verspätet abgegeben zu haben. Diesen Vorwürfen ist der Kläger in der Vergangenheit
nicht in hinreichender Weise substantiiert entgegengetreten. Dies gilt erst recht für die
Ausführungen des Finanzamts I in seinem Schreiben vom März 2009 an die Beklagte.
Insofern bedarf es gar nicht des Eingehens auf die Einzelheiten, die das Finanzamt I in
seinem Schreiben vom 24.11.2009 übermittelt hat.
In diesem Zusammenhang sieht der Senat den Umstand als besonders schwerwiegend
an, dass der Kläger sich über Jahre hinweg wiederholt in eigenen steuerlichen Sachen als
unzuverlässig herausgestellt und sich nicht an die einschlägigen gesetzlichen Vorgaben
gehalten hat (zu diesem Gesichtspunkt, vgl. auch BFH, Urteil vom 06.06.2000 - VII R
68/99, HFR 2000, 741 [742]; Beschluss vom 11.01.2007 VII B 193/06, BFH/NV 2007,
985; Urteil vom 04.12.2007 - VII R 64/06, BStBl. II 2008, 401 [404]; Beschluss vom
09.04.2009 - VII B 113/08, BFH/NV 2009, 1282 [1283 f]; ständige Rechtsprechung des
Senats, vgl. etwa Urteil vom 16.05.2007 - 12 K 4192/06 B, EFG 2007, 1375 [1376]). In
diesen Fällen ist von einer konkreten Gefährdung der Auftraggeberinteressen
auszugehen. Steht nämlich fest, dass ein Steuerberater sich in sonstigen geschäftlichen
oder auch in eigenen Angelegenheiten unzuverlässig verhält und sich nicht an die
gesetzlichen Vorgaben hält, besteht eine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass der
Berater unter dem Druck seiner Vermögenslosigkeit ungeachtet der vertraglichen
Vereinbarungen die Interessen seiner Mandanten verletzt.
Wiederholte Verstöße des Klägers gegen die ihn treffenden steuerlichen
Erklärungspflichten stehen dem erforderlichen Entlastungsbeweis entgegen. Tatsächlich
hat der Kläger Steuererklärungen und Voranmeldungen in den vergangenen Jahren
ausweislich der Mitteilung des Finanzamts I vom 01.09.2006 wiederholt verspätet
abgegeben. Zudem hat der Kläger etwa gegenüber dem Finanzamt D zugesagt,
schnellstmöglich bestimmte Unterlagen zu seiner Vermögenssituation beizubringen.
Jedoch ist er diesen Verpflichtungen nicht nachgekommen. Angesichts dieses Verhaltens
des Klägers in der Vergangenheit und der - etwa ausweislich der Mitteilung des
Finanzamts I vom 17.02.2009 - nach wie vor ganz erheblichen Steuerrückstände vermag
der Senat nicht die Gefahr auszuschließen, dass der Kläger bei weiterhin anhaltendem
oder zukünftig neu entstehendem Druck, den etwa Vollstreckungsrisiken oder allein der
Umstand noch bestehender beachtlicher Steuerrückstände verursachen, auch
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Umstand noch bestehender beachtlicher Steuerrückstände verursachen, auch
Interessen seiner Mandanten verletzen könnte. Der Kläger bietet insoweit nicht die
erforderliche Gewähr, dass er seinen Beruf stets in der Weise ausübt, worauf die
Mandanten vertrauen, die steuerliche Beratung und gegebenenfalls Rechtsschutz
erwarten.
Hierbei berücksichtigt der Senat auch die Tatsache, dass der Kläger als
Berufsangehöriger nicht etwa gegenüber Banken oder sonstigen Dritten, sondern
gerade im Verhältnis zu der Finanzverwaltung mit erheblichen Schulden belastet ist.
Zumindest besteht hiernach die ernstzunehmende Gefahr, dass der Kläger gegenüber
der Finanzverwaltung die Interessen seiner Mandanten nicht in der gebotenen Weise
wahrnimmt. Denn ein Berufsangehöriger, der jahrelang in nennenswertem Umfang seine
eigenen steuerlichen Pflichten verletzt, tritt der Finanzverwaltung nicht mit der
erforderlichen Unabhängigkeit gegenüber. In jedem Fall ist er im Hinblick auf die eigenen
Verfehlungen (verspätete Abgabe von Steuererklärungen, unterlassenes fristgerechtes
Leisten von Steuerzahlungen) in gesteigertem Maße von dem Wohlwollen der
Finanzverwaltung abhängig, um vor allem im Zuge von Vollstreckungsvereinbarungen zu
erreichen, dass das für ihn zuständige Finanzamt - zumindest zeitweilig - von (weiteren)
Vollstreckungsmaßnahmen absieht.
Die vorstehenden Ausführungen lassen zusätzlich die Notwendigkeit einer
Beweisaufnahme zur Kontrolle der Tätigkeit des Klägers entfallen. Denn ist aus der
Verletzung eigener Verpflichtungen in der Vergangenheit eine konkrete Gefährdung der
Auftraggeberinteressen zu befürchten, erübrigt sich eine Beweisaufnahme zu der Frage,
ob die Tätigkeit des Steuerberaters in hinreichendem Umfang kontrolliert wird (ebenso:
BFH, Beschluss vom 13.01.2009 - VII B 109/08, BFH/NV 2009, 794 [795]).
Schließlich vermag der - erstmals in der mündlichen Verhandlung gegebene - Hinweis
des Klägers, die Vorschriften der im Hinblick auf § 164a StBerG zu berücksichtigenden §§
131 Abs. 2 Satz 2 und 130 Abs. 3 Abgabenordnung (AO) stünden dem Widerruf
entgegen, der Klage nicht zum Erfolg zu verhelfen. Keinesfalls war nach dem (ersten)
Bekanntwerden der finanziellen Schieflage des Klägers für die Beklagte mit hinreichender
Gewissheit erkennbar, dass ein Widerruf der Bestellung erforderlich sei. Denn die auch
für den Widerruf der Bestellung geltende einjährige Frist gemäß § 130 Abs. 3 AO beginnt
erst zu laufen, wenn die zuständige Kammer zu der Überzeugung gelangt ist, dass der
betreffende Berufsträger den Entlastungsbeweis nicht geführt hat (in diesem Sinne
zutreffend: BFH, Beschluss vom 14.08.2007 - VII B 18/07, BFH/NV 2008, 116 [117 f]).
Immerhin hat der Kläger über Jahre hinweg vehement darauf verwiesen, dass ein
Vermögensverfall zu verneinen, jedenfalls das Insolvenzverfahren in Bälde - aus seiner
Sicht erfolgreich - zum Abschluss kommen würde. Gleichermaßen hat der Kläger in
vielfältiger Form über Jahre hinweg u.a. auch durch Vorlage von (Vertrags-)Unterlagen
die Kammer zu überzeugen versucht, dass Auftraggeberinteressen nicht gefährdet
seien. Wenn in diesem Zusammenhang die Kammer den jeweiligen Vortrag des
Berufsträgers Ernst nimmt und sich mit großer Sorgfalt - abschließend im April 2009 -
um die erforderliche Gesamtabwägung bemüht, die bestmöglich die vielfältig
vorgetragenen sachlichen Erwägungen und nicht zuletzt auch die berechtigten
Interessen des Kammermitglieds zu berücksichtigen sucht, erweist sich die in § 130 Abs.
3 AO genannte Frist als nicht verletzt. Dies gilt umso mehr, als der Kläger selbst über
Jahre hinweg der Kammer seine Vermögenssituation nicht in hinreichend spezifizierter
Weise dargelegt und statt dessen vor allem auf den nahen Abschluss des
Insolvenzverfahrens hingewiesen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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