Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 13.03.2017

FG Berlin-Brandenburg: wirtschaftliche leistungsfähigkeit, eigene mittel, rückgabe, aktie, rückübertragung, arbeitslohn, anschaffungskosten, betrug, sammlung, wertsteigerung

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Gericht:
Finanzgericht Berlin-
Brandenburg 12.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
2006
Aktenzeichen:
12 K 9231/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 19a EStG 2002, § 19 Abs 1 Nr
1 EStG 2002, § 8 Abs 2 EStG
2002
Bewertung einer in der Rückgabe eines zuvor erhaltenen
Gegenstandes bestehenden negativen Einnahme -
zwischenzeitliche Wertsteigerung
Tatbestand
Die Klägerin ist die deutsche Zweigniederlassung einer … (…). Sie ist seit dem …
börsennotiert. Der Emissionspreis für Privatanleger betrug € 12,00 pro Aktie.
Bereits im Vorfeld des Börsenganges hatte die Klägerin geplant, ein
Mitarbeiterbeteiligungsprogramm auf Aktienbasis für ihre Führungskräfte aufzulegen.
Dazu hatte sie einen Antrag auf Erteilung einer Anrufungsauskunft gemäß § 42e des
Einkommensteuergesetzes (EStG) gestellt, mit der ihr bestätigt werden sollte, dass als
Bewertungsgrundlage für die Bewertung der im Rahmen des
Mitarbeiteraktienprogramms ausgegebenen Aktien ausschließlich das Stuttgarter
Verfahren anzuwenden sei. Der Beklagte war jedoch nicht bereit, die beantragte
Anrufungsauskunft zu erteilen, sondern vertrat die Ansicht, dass die maßgebliche
Bewertungsgrundlage für die Bemessung des den Mitarbeitern der Klägerin aufgrund der
Überlassung von Aktien zufließenden geldwerten Vorteils der Börsenkurs der Aktie für
Privatanleger am Tag der Börseneinführung sei.
Im Laufe des Verfahrens über die Anrufungsauskunft modifizierte die Klägerin ihr
Mitarbeiteraktienprogramm dahingehend, dass die den Mitarbeitern gewährten Aktien
zurückzuübertragen seien, wenn die beantragte Anrufungsauskunft nicht bis zum 27.
Oktober 2006 vorliege.
Die Mitarbeiter der Klägerin erhielten Aktien zum Preis von € 0,25 pro Aktie. Die
Anrufungsauskunft wurde nicht in der beantragten Form erteilt. Die Beteiligten gingen
danach übereinstimmend davon aus, dass der geldwerte Vorteil für die begünstigten
Mitarbeiter € 11,75 pro Aktie betrug. Am 27. Oktober 2006 wurde das wirtschaftliche
Eigentum an den Mitarbeiter-Aktien auf einen Treuhänder übertragen, dessen Vermögen
der Klägerin zuzurechnen ist. Zu diesem Zeitpunkt lag der Kurs der Aktie der Klägerin
bei € 16,24. Die Klägerin ermittelte den durch die Rückübertragung entstandenen
„geldwerten Nachteil“ ihrer Mitarbeiter unter Zugrundelegung des Aktienkurses in Höhe
von € 16,24, nahm insoweit negativen Arbeitslohn an und machte mit der Lohnsteuer-
Anmeldung für Dezember 2006 dementsprechend einen Betrag in Höhe von
./. € 135 526,81 geltend. Der Beklagte versagte seine Zustimmung zu dieser
Lohnsteuer-Anmeldung. Gegen die geänderte Lohnsteuer-Anmeldung legte die Klägerin
mit Schreiben vom 29. März 2007 Einspruch ein, den sie zunächst nicht begründete.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass negativer Arbeitslohn in Höhe des Werts der Aktien
zum Zeitpunkt der Rückübertragung abzüglich der Anschaffungskosten vorliege. Eine
Begrenzung auf den Wert der Aktien zum Zeitpunkt der Überlassung an ihre
Arbeitnehmer sei § 19a EStG, der auf die Bewertung negativen Arbeitslohnes analog
anzuwenden sei, nicht zu entnehmen. Auch bei Anwendung des Zu- bzw. Abflussprinzips
gelange man zu diesem Ergebnis. Es sei zudem steuersystematisch nicht zu
rechtfertigen, zwischenzeitlich eingetretene Wertminderungen zu berücksichtigen,
Wertsteigerungen jedoch nicht in die Berechnung des negativen Arbeitslohnes
einzubeziehen. Dies spiegele die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht zutreffend wider.
Ihre, der Klägerin, Arbeitnehmer seien dementsprechend durch die Rückgabe der Aktien
über den Verlust des zuvor Erlangten hinaus beeinträchtigt, da ihnen auch die
zwischenzeitlich eingetretene Wertsteigerung verlustig gegangen sei. Die wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit ihrer Arbeitnehmer sei dadurch um den gemeinen Wert der Aktien
gemindert worden.
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die Lohnsteueranmeldung für Dezember 2006 vom 29.
März 2007 dahingehend zu ändern, dass Lohnsteuer in Höhe von
€ 125 604,17 und Solidaritätszuschlag in Höhe von € 6 935,45 als
Erstattungsbeträge festgesetzt werden,
Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
die Klage abzuweisen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen
Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).
Der Senat hat einen Antrag der Klägerin auf Aussetzung der Vollziehung mit Beschluss
vom 18. Juli 2007 abgelehnt (Aktenzeichen 12 V 12125/07).
Entscheidungsgründe
1. Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf den
Ausweis eines höheren Erstattungsbetrages in der Lohnsteueranmeldung für Dezember
2006.
a) Die Beteiligten gehen zutreffend übereinstimmend davon aus, dass die
Rückübertragung der Aktien bei den Mitarbeitern der Klägerin zu negativen Einnahmen
führt. Negative Einnahmen liegen nach der Rechtsprechung vor, wenn ein
Steuerpflichtiger Einnahmen zurückzahlt, die er in einem früheren
Veranlagungszeitraum zuviel erhalten und versteuert hat (vgl. z.B. Urteil des
Bundesfinanzhofes – BFH – vom 10. Oktober 1995 – VIII R 56/91, Sammlung amtlich
nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFH/NV – 1996, 304, unter
III. der Gründe; offen hinsichtlich der Frage, ob negative Einnahmen oder
Werbungskosten anzunehmen sind, hingegen BFH-Urteil vom 26. Januar 2000 – IX R
87/95, Bundessteuerblatt – BStBl. – II 2000, 396, unter 3. der Gründe).
b) Der Beklagte hat zu Recht die Höhe der negativen Einnahmen auf den ursprünglich
aufgrund der Gewährung der Aktien als Arbeitslohn der Mitarbeiter der Klägerin
berücksichtigten Betrag begrenzt. Besteht die negative Einnahme in der Rückgabe eines
zuvor erhaltenen Gegenstandes, so ist sie nach der h.M. im Schrifttum mit dem Wert
des Gegenstandes zum Zeitpunkt der Hingabe, u.U. abzüglich zwischenzeitlich
angefallener Absetzungen für Abnutzung, anzusetzen (v. Bornhaupt in
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 9 Rn. B 232; Drenseck in L. Schmidt, EStG, 26. Auflage
2007, § 9 Rn. 64 a.E.; Thürmer in Blümich, EStG, KStG, GewStG, § 9 EStG Rn. 182). Nicht
zuzustimmen ist der Gegenansicht, nach der der übliche Mittelpreis am Verbrauchsort,
hilfsweise der gemeine Wert, zum Zeitpunkt der Rückgabe maßgeblich sein soll mit der
Folge, dass sich zwischenzeitlich eintretende Wertsteigerungen steuermindernd
auswirken (so Kreft in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, KStG, § 9 EStG Anm. 81). Das
Institut der negativen Einnahme dient dem Rückgängigmachen der steuerlichen
Belastung, die durch die Hingabe eines Geldbetrages oder Gegenstandes, den der
Empfänger später zurückzugewähren hat, eingetreten ist. Wollte man die negative
Einnahme unter Berücksichtigung von zwischen Hin- und Rückgabe eingetretenen
Wertsteigerungen bewerten, so würde die zunächst eingetretene Steuerbelastung nicht
nur ausgeglichen, sondern überkompensiert. Dazu besteht jedoch kein Anlass. Eine
derartige Überkompensation wäre nur dann gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer mit
der Rückgabe auch noch eigene Mittel aufwenden müsste, um den Rückgabeanspruch
des Arbeitgebers zu befriedigen. Das ist indes nicht der Fall. Insofern trägt die in der
Argumentation des Beklagten mitschwingende Ansicht, dass ein Arbeitnehmer nicht
mehr zurückgewähren könne bzw. regelmäßig nicht mehr zurückgewähren müsse, als er
erhalten habe. Daran ändert auch nichts die Tatsache, dass der erhaltene Gegenstand
während der Zeit, in der er dem Arbeitnehmer zuzurechnen war, im Wert gestiegen ist.
Es trifft zwar zu, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des zurückgewährenden
Arbeitnehmers um den gemeinen Wert der Aktien – abzüglich der Anschaffungskosten –
gemindert wird. Dies ist steuerlich jedoch unbeachtlich, da die Differenz zwischen dem
Wert zum Zeitpunkt der Gewährung und dem Wert zum Zeitpunkt der Rückgewähr eine
im Privatvermögen des jeweiligen Arbeitnehmers eingetretene Wertsteigerung darstellt,
die – jedenfalls bei Wahrung der Spekulationsfrist – bei ihm steuerfrei geblieben wäre. Sie
kann sich dementsprechend auf die lohnsteuerlichen Verhältnisse ebenfalls nicht
auswirken und hat daher bei der Ermittlung der Höhe des negativen Arbeitslohnes außer
Betracht zu bleiben.
Eine analoge Anwendung des § 19a EStG hält der erkennende Senat nicht für möglich,
da es sich insoweit um eine Sondervorschrift, die die Vermögensbildung von
Arbeitnehmern durch Überlassung von Vermögensbeteiligungen begünstigen soll,
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Arbeitnehmern durch Überlassung von Vermögensbeteiligungen begünstigen soll,
handelt (vgl. Drenseck aaO., § 19a Rn. 1). Für die Rückübertragung von an Arbeitnehmer
überlassene Aktien gibt die Vorschrift damit keinen tauglichen Bewertungsmaßstab ab.
2. Zulassung der Revision
Der Senat lässt die Beschwerde zu, weil die Frage, wie eine negative Einnahme, die in
der Rückgabe eines zuvor erhaltenen Gegenstandes besteht, der zwischen Hin- und
Rückgabe im Wert gestiegen ist, zu bewerten ist, von grundsätzlicher Bedeutung
und bislang höchstrichterlich nicht entschieden worden ist.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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