Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 13.03.2017

FG Berlin-Brandenburg: vollziehung, firma, aussetzung, prüfer, sonderprüfung, vorsteuerabzug, härte, rechtsgrundlage, vorauszahlung, aussetzen

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Gericht:
Finanzgericht Berlin-
Brandenburg 2.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
2007
Aktenzeichen:
2 V 2252/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 18 Abs 1 UStG 2005, § 18 Abs
2 UStG 2005, § 16 Abs 1 UStG
2005, § 16 Abs 2 UStG 2005, §
15 UStG 2005
Ernstliche Zweifel an einer nach Außenprüfung geänderten
Umsatzsteuervoranmeldung für einen Monat, die die
Korrekturen für mehrere Voranmeldungszeiträume
zusammenfasst
Leitsatz
Zur Korrektur von Umsatzsteuervoranmeldungen
Die Korrektur von Vorsteuerbeträgen, die auf mehrere Voranmeldungszeiträume entfallen,
kann nicht zusammengefasst im letzten Voranmeldungszeitraum des Prüfungszeitraums
erfolgen.
Tatbestand
Der Antragsteller ist als …händler tätig. Bei ihm fand am … für den Zeitraum 01.01.2007
bis 31.10.2007 eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung statt, über die der Bericht vom …
geschrieben wurde. Im Berichtszeitraum lieferte der Antragsteller nach seinen
ursprünglichen Darlegungen, Rechnungslegungen und Voranmeldungen von ihm
angekaufte … fast ausschließlich an X (im Folgenden: X). Im März und April 2007
erreichte der Antragsteller ein Handelsvolumen von ca. 1,2 Mio €.
Die Prüfung kam zu dem Ergebnis, dass nach den Abrechnungspapieren und den dazu
vorhandenen Angaben über die Wägescheinnummer und das jeweilige Lieferkennzeichen
die …anlieferungen an X größtenteils nicht mit LKW des Antragstellers vorgenommen
worden seien, sondern mit 10 anderen Fahrzeugen. Teilweise hätten die LKW mehrmals
am Tag, trotz weiter Wegstrecken, innerhalb kürzester Zeit bei X vorgefahren sein
müssen. Zu den Gutschriften von X hätten vielfach …einkaufsrechnungen von zwei
Personen (A und B) vom Vortrag vorgelegen, die hinsichtlich der bezogenen Materialien
und Mengen eine gleichlautende Leistungsbeschreibung, aber einen höheren
Rechnungsbetrag als der Gutschriftsbetrag durch X aufgewiesen hätten, so dass sich
unter Berücksichtigung kalkulatorischer Kosten wie Transport etc. ein Verlust ergeben
habe.
In einem Schreiben des Bevollmächtigten wurden diese Verluste mit Kursschwankungen
erklärt. Der Prüfer hielt die vom Antragsteller dargestellten Vorgänge für wirtschaftlich
unsinnig und bezweifelte daher eine tatsächliche Leistungserbringung.
In einem weiteren Komplex liegen nach den Ergebnis der Prüfung Ankaufrechnungen
einer Firma Y Inhaber C (im Folgende: Y) vor. Auch hier sei aufgrund der Wägescheine
deutlich, dass die betreffenden LKW mehrfach täglich zu X gefahren seien. Auch hier
ergebe sich aus dem An- und Verkaufsvorgang ein Verlust des Antragstellers. Der
Bevollmächtigte stellte das Geschäft im Verwaltungsverfahren als Vermittlungsgeschäft
dar. Die Quittierungen auf den Eingangsrechnungen seien demnach falsch. Vielmehr
seien die Zahlungen im abgekürzten Zahlungsweg direkt von X an die jeweiligen Lieferer
geleistet worden.
Auch hier bezweifelte der Prüfer die tatsächliche Leistungserbringung. Der Prüfer nahm
daher erhebliche Kürzungen bei der geltend gemachten Vorsteuer vor, weil er davon
ausging, dass die Eingangsrechnungen über …einkauf Gefälligkeits- bzw.
Scheinrechnungen seien. Der Antragsgegner zog hieraus die umsatzsteuerlichen
Konsequenzen. Allerdings nahm er aus „Vereinfachungsgründen“ die Korrektur der
Vorsteuer anstatt für die den Vorauszahlungszeitraum Februar bis Oktober 2007
zusammengefasst für Oktober 2007 vor. Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung
beim Antragsgegner hatte keinen Erfolg.
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Der Antragsteller trägt vor, dass er im Zeitraum März und April 2007 mit sehr wenigen
Geschäften hohe Umsätze habe erzielen können. Das Geld sei im Wege eines
abgekürzten Zahlungswegs direkt von der kaufenden X an die verkaufende Y überwiesen
worden. Er habe das Geld weder in bar an Y gezahlt noch habe er Bargeld von X
erhalten. Ihm sei lediglich eine Marge von 3 % bezahlt worden. Diese Marge sei ihm von
X überwiesen worden. Alle übrigen Forderungen seien über den abgekürzten
Zahlungsweg verrechnet worden. Insofern seien auch keine negativen Aufschlagsätze
entstanden. Mit dem Transport und der Lagerung habe er ohnehin nichts zu tun. Die
Quittungen von Y über -.--.--,- € seien falsch. Denn der tatsächliche Umsatz an X habe
netto -.--.--,- € abzüglich der Marge an ihn netto -.--,-€ betragen. Somit seien -.--,- € im
Rahmen der Vorsteuer zu kürzen.
Belege über den …ankauf bei Y könne er nicht vorlegen. Bei dieser Firma seien alle
Belege beschlagnahmt worden.
die Vollziehung des
Umsatzsteuervorauszahlungsbescheids für Oktober 2007 vom … in Höhe
von - - - . - - - ,- - € bis einen Monat nach Ergehen der
Einspruchsentscheidung über den gegen den Bescheid eingelegten
Einspruch vom … auszusetzen, sowie bereits entstandene
Säumniszuschläge aufzuheben.
der Antrag zurückzuweisen.
Er beruft sich darauf, dass der Antragsteller nicht der Leistende im Fall der „großen“ …
lieferfälle gewesen sei. Wegen der unzutreffenden Rechnungslegung sei der Antragsteller
gleichwohl Schuldner der Umsatzsteuer geworden. Eine etwaige Berichtigung wirke nicht
zurück und sei gesondert zu beantragen. Die Korrektur der Vorsteuer sei daher zu Recht
erfolgt.
Die Voraussetzungen für einen Abzug gemäß § 15 Umsatzsteuergesetz – UStG - aus
den Rechnungen von Y seien nicht gegeben. Es bestünden nach dem Ergebnis der
Prüfung erhebliche Zweifel an der Leistungserbringung. Auch hinsichtlich der Vorsteuern
aus den Rechnungen der A und B scheide ein Vorsteuerabzug aus, da auch hier
erhebliche Zweifel an der tatsächlichen Leistungserbringung bestünden. Die
vorgetragenen Kursschwankungen seien schon wegen des Ankaufs jeweils vom Vortag
nicht nachvollziehbar, die behaupteten Geschäfte seien wirtschaftlich unsinnig.
Auch eine Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte komme wegen
offensichtlicher Erfolglosigkeit des eingelegten Einspruchs nicht in Betracht. Im Übrigen
wird wegen der Einzelheiten des Vortrags des Antragsgegners auf dessen Schriftsatz
vom … verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist im Wesentlichen begründet.
Gemäß § 69 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung - FGO - kann das Gericht der Hauptsache auf
Antrag die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder zum Teil
aussetzen, wenn die in § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO genannten Voraussetzungen vorliegen.
Ernstliche Zweifel, die nach § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO die Aussetzung der Vollziehung
rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn bei der summarischen Prüfung des angefochtenen
Verwaltungsakts im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit
sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu
Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Tatfragen
bewirken (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH -, vgl. Beschluss vom
10.02.1967, BStBl III 1967, 182). Im gerichtlichen Aussetzungsverfahren ist der Vortrag
der Beteiligten glaubhaft zu machen, da der Streitsachverhalt im Rahmen des
summarischen Verfahrens ohne Beweiserhebung zu würdigen ist (vgl. BFH-Beschluss
vom 23.07.1968, BStBl II 1968, 589). Verbleibende Zweifel in tatsächlicher Hinsicht
können zu Lasten des Finanzamts oder zu Lasten des Steuerpflichtigen gehen, je
nachdem, wer die objektive Feststellungslast trägt, wenn sich eine
entscheidungserhebliche Tatsache nicht aufklären lässt. Das ist im Rahmen einer
Wahrscheinlichkeitsprüfung bereits im Aussetzungsverfahren zu beachten (vgl. BFH-
Beschluss des Großen Senats vom 05.03.1979 GrS 5/77, BStBl II 1979, 570). Aus dem
Charakter des Aussetzungsverfahrens als einem summarischen Verfahren ergibt sich
eine Einschränkung der Pflicht des Gerichtes zur Aufklärung des Sachverhaltes. Der
Prozessstoff ist auf die präsenten Beweismittel beschränkt (vgl. BFH-Beschluss des
Großen Senats vom 05.03.1979 GrS 5/77, BStBl II 1979, 570). Weitergehende
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Großen Senats vom 05.03.1979 GrS 5/77, BStBl II 1979, 570). Weitergehende
Sachverhaltsermittlungen durch das Gericht sind in diesem Verfahren nicht erforderlich
(vgl. BFH-Urteil vom 22.03.1988, BFH/NV 1990, 133).
Die zusammengefasste Korrektur der Vorsteuern im Bescheid über die Festsetzung der
Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat Oktober 2007 begegnet bereits deshalb
rechtlichen Bedenken, weil es hierfür keine Rechtsgrundlage gibt (vgl. etwa auch Urteil
des FG Düsseldorf vom 18.01.1999 5 V 8341/98 A (U), juris sowie SIS-Datei 01 60 19).
Gemäß §§ 18 Abs. 1 und 2, 16 Abs. 1 und 2 UStG sind von der nach § 16 Abs. 1 UStG
berechneten Steuer des jeweiligen Voranmeldungszeitraumes nach § 16 Abs. 2 UStG
die ebenfalls in diesen Voranmeldungszeitraum fallenden, nach § 15 UStG abziehbaren
Vorsteuerbeträge abzusetzen. Eine Ermächtigungsgrundlage für das vom
Antragsgegner durchgeführte Verfahren, den für mehrere Voranmeldungszeiträume
möglicherweise zu Unrecht geltend gemachten Vorsteuerabzug aus
Vereinfachungsgründen durch die Änderungsfestsetzung für nur einen dieser
Voranmeldungszeiträume zu versagen, ist weder im UStG noch in der Abgabenordnung
enthalten.
Tatsächlich hätte die Korrektur der Vorsteuern aus den „großen“ …fällen jedenfalls in
den Voranmeldungszeiträumen März und April 2007 und die hinsichtlich der anderen
Geschäfte entsprechend dem Anhang zum Bericht über die Umsatzsteuer-
Sonderprüfung für die Monate Februar bis Oktober 2007 erfolgen müssen. Die versagte
Vorsteuer hinsichtlich einer …rechnung beruht auf einer Rechnung vom -.07.2007, so
dass auch dieser Vorfall nicht in den Oktober 2007 gehört.
Auch bereits entstandene Säumniszuschläge waren insoweit aufzuheben. Bei ernstlichen
Zweifeln an der Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids kann dessen Vollziehung
aufgehoben werden. Als Vollziehung gilt auch der Anfall von Säumniszuschlägen. Die
Wirkungen der Vollziehung sind ab dem Zeitpunkt rückgängig zu machen, ab dem
objektiv ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestanden haben. (vgl. Beschluss
des BFH 29.09.2003 III S 7/03, BFH/NV 2004, 183).
Dagegen ist der Antrag insoweit unbegründet, als keine ernstlichen Zweifel an der
Rechtmäßigkeit des Bescheides hinsichtlich der Versagung des Vorsteuerabzugs aus
Lieferungen der Firma A und B im Oktober 2007 bestehen. Der Antragsgegner hat, ohne
dass der Antragsteller dies hinreichend erklären konnte, vorgetragen, dass die
Gutschriften von X in aller Regel hinsichtlich der Leistungsbeschreibung den
Einkaufsrechnungen der Firma A und B entsprochen hätten, wobei der Rechnungsbetrag
regelmäßig höher als der Gutschriftsbetrag gewesen sei, so dass aus diesen Geschäften
für den Antragsteller grundsätzlich kalkulatorisch ein Verlust folgte, was wirtschaftlich
gesehen unsinnig gewesen wäre. Auch hinsichtlich der Ungereimtheiten aus den
Belegen über den behaupteten Warentransport bei Lieferungen durch andere Personen
und Lkw als durch den Antragsteller bzw. die Fahrzeuge des Antragstellers ist vom
Antragsteller keine hinreichende Erklärung gegeben worden. Es erscheint daher im
summarischen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes als ausgesprochen
zweifelhaft, ob insoweit wirklich entsprechende Lieferungen getätigt worden sind. Für die
Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs als steuermindernden Umstand trägt jedoch der
Antragsteller die Last der Darlegung und Glaubhaftmachung.
Soweit das Gericht keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen
Festsetzung erkennt, kommt auch keine Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger,
nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotener Härte in Betracht. Das
Gericht verweist hierzu auf die insofern vom Antragsgegner gemachten Ausführungen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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