Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 13.03.2017

FG Berlin-Brandenburg: gesellschafter, einlage, treu und glauben, aufrechnung, verbindlichkeit, neue tatsache, stille reserven, forderungsverzicht, gestaltung, sanierungsgewinn

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Gericht:
Finanzgericht Berlin-
Brandenburg 6.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
1996
Aktenzeichen:
6 K 53/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 3 Nr 66 EStG 1990, § 8 Abs 1
KStG 1996, § 4 Abs 1 EStG
1990, § 42 AO
(Gestaltungsmissbrauch bei Aufrechnung einer wertlosen
Gesellschafterforderung mit Einlageverpflichtung:
Forderungsverzicht, kein Sanierungsgewinn i.S. des § 3 Nr. 66
EStG a.F. nach Einstellung des Geschäftsbetriebs)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Unternehmensgegenstand der 1992 gegründeten Klägerin war der Vertrieb der von der
A... -Bau GmbH, einem verbundenen Unternehmen, erzeugten Produkte,… und die
Vermietung von … jeglicher Art. 1994 erwarb Dr. A… (im Folgenden: Gesellschafter)
sämtliche Anteile an der Klägerin für 1,- DM. Im Jahr 1995 stellte die Klägerin ihren
Geschäftsbetrieb ein und erzielte seitdem keine Umsätze mehr, ohne sich allerdings in
Liquidation zu befinden.
Der Gesellschafter gewährte der Klägerin unverzinsliche und unbefristete Darlehen über
insgesamt …TDM. Um eine Überschuldung der Klägerin zu vermeiden, gab der
Gesellschafter gegenüber der Klägerin im Februar 1995 eine Rangrücktrittserklärung ab,
wonach er mit seiner Rückzahlungsforderung gegen die Gesellschaft im Range zurück
trat. Die Forderung auf Rückzahlung des Darlehens sollte nur aus Jahres- und
Liquidationsüberschüssen oder aus sonstigem Aktivvermögen der Klägerin beglichen
werden (Bl. 29 d.A.). In der Bilanz auf den 31. Dezember 1995 wies die Klägerin ein
negatives Eigenkapital in Höhe von …TDM und u.a. die Darlehensverbindlichkeit
gegenüber dem Gesellschafter als Fremdkapital aus. Wegen der weiteren Einzelheiten
verweist der Senat auf den Jahresabschluss zum 31. Dezember 1995.
Am 3. Dezember 1996 fasste der Gesellschafter einen Gesellschafterbeschluss
folgenden Inhalts:
Für die Klägerin erklärte ihre Geschäftsführerin, Frau Dr. R…, in gleicher Urkunde die
Zustimmung zur Aufhebung des Rangrücktritts und zur Aufrechnung des
Rückzahlungsanspruchs mit der Zuzahlungsverpflichtung.
Die verbleibende Einlage in Höhe von … DM - die hier nicht streitig ist - erbrachte der
Gesellschafter ebenfalls nicht in bar, sondern durch die Übernahme einer Verbindlichkeit
der Klägerin gegenüber ihrer Schwestergesellschaft A… -Bau GmbH in Höhe von … DM.
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Der im Jahresabschluss der Klägerin auf den 31. Dezember 1996 ausgewiesene
Jahresfehlbetrag belief sich auf … DM. Infolge der um …TDM erhöhten Kapitalrücklage
wies die Klägerin aber ein positives Eigenkapital in Höhe von … DM aus. Die Klägerin
verfügte am 31. Dezember 1996 über keine stillen Reserven.
Mit der Körperschaftsteuererklärung für 1996 erklärte die Klägerin einen
Steuerbilanzverlust von … DM sowie ein zu versteuerndes Einkommen in gleicher Höhe.
Der Beklagte veranlagte die Klägerin zunächst erklärungsgemäß und erließ am 9. März
1998 Bescheide über Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbetrag, mit denen er
auf der Grundlage eines zu versteuernden Einkommens und eines Gewinns aus
Gewerbebetrieb von jeweils ./. … DM die Körperschaftsteuer und den
Gewerbesteuermessbetrag mit 0,00 DM festsetzte. Mit Bescheiden vom gleichen Tag
stellte der Beklagte den verbleibenden Verlustabzug zur Körperschaftsteuer in Höhe von
…TDM und den vortragsfähigen Gewerbeverlust in Höhe von …TDM fest.
Vom 26. August 2002 bis 19. Januar 2004 führte der Beklagte eine Außenprüfung bei der
Klägerin für die Jahre 1996 bis 1999 durch. Streitig sind hier die Feststellungen in Tz. 13
des Abschlussberichts vom 19. Januar 2004. Die Prüferin stellte sich auf den Standpunkt,
dass der Gesellschafterbeschluss vom 3. Dezember 1996 bei wirtschaftlicher
Betrachtung als Verzicht auf die Gesellschafterforderung zu werten sei. Sie ermittelte
den werthaltigen Teil der Forderung mit … DM und erhöhte das Einkommen der Klägerin
um …TDM. Wegen der Einzelheiten verweist der Senat auf Tz. 13 des Abschlussberichts.
Der Beklagte folgte den Feststellungen der Außenprüfung und erließ am 23. August
2004 einen nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung -AO- geänderten Bescheid
über Körperschaftsteuer sowie einen nach § 35b Abs. 1 Gewerbesteuergesetz -GewStG-
geänderten Gewerbesteuermessbescheid für 1996 und setzte auf der Grundlage eines
zu versteuernden Einkommens und Gewinns aus Gewerbebetrieb in Höhe von … DM die
Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag nach Verrechnung mit dem
Verlustvortrag unverändert auf 0,00 DM fest. Den verbleibenden Verlustabzug zur
Körperschaftsteuer stellte der Beklagte mit Bescheid vom gleichen Tag in Höhe von …
TDM fest, den vortragsfähigen Gewerbeverlust in Höhe von …TDM.
Dagegen wandte sich die Klägerin mit Einsprüchen vom 23. September 2004, die der
Beklagte mit einer Einspruchsentscheidung vom 8. Dezember 2005 als unbegründet
zurückwies.
Die Klägerin verfolgt mit ihrer am 9. Januar 2006 bei Gericht eingegangenen Klage ihr
Anliegen weiter. Sie macht vorrangig geltend, dass der Gesellschafter nicht auf seine
Forderung verzichtet, sondern eine Einlage in die Klägerin geleistet habe. Lediglich zur
Abkürzung der Zahlungswege hätten die Klägerin und ihr Gesellschafter eine
Aufrechnung ihrer gegenseitigen Ansprüche vereinbart. Nach dem
Gesellschafterbeschluss über die Einlage habe zudem auch kein negatives Eigenkapital
der Klägerin mehr bestanden. Die Forderung des Gesellschafters gegenüber der Klägerin
sei daher voll werthaltig gewesen. Desweiteren macht die Klägerin geltend, dass der
Ertrag aus dem Forderungsverzicht als Sanierungsgewinn im Sinne des § 3 Nr. 66
Einkommensteuergesetz alter Fassung -EStG a.F.- steuerfrei sei.
Mit Schriftsatz vom 15. Februar 2010 hat die Klägerin die Klage gegen den
Gewerbesteuermessbescheid für 1996 zurückgenommen. Der Berichterstatter hat das
Verfahren insoweit abgetrennt und eingestellt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Bescheid für 1996 über Körperschaftsteuer vom
August 2004 und die Einspruchsentscheidung vom Dezember 2005 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält an seiner Auffassung fest, wonach der Gesellschafter bei
wirtschaftlicher Betrachtung auf seine Forderung gegen die Klägerin verzichtet habe,
auch wenn dies nicht ausdrücklich erklärt worden sei.
Weiter ist er der Meinung, dass eine Steuerfreiheit als Sanierungsgewinn nach § 3 Nr. 66
EStG a.F. nicht in Betracht komme, da die Klägerin ihren Geschäftsbetrieb bereits
eingestellt gehabt habe. Die Schulden seien nicht aus betrieblichen Gründen erlassen
worden. Zudem habe kein Sanierungsplan vorgelegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten verweist der Senat auf die Schriftsätze der Beteiligten
im gerichtlichen Verfahren.
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Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid für 1996 über Körperschaftsteuer ist
rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beklagte hat zu Recht
das körperschaftsteuerpflichtige Einkommen der Klägerin um …TDM erhöht.
Der Beklagte konnte den Bescheid für 1996 verfahrensrechtlich ändern (dazu 1.). Der
von der Klägerin angefochtene Bescheid ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Denn
die im Gesellschafterbeschluss vom 3. Dezember 1996 erklärte Aufrechnung der
Darlehensrückzahlungsforderung gegen die Einlageverpflichtung des Gesellschafters
stellt im Hinblick auf die Wertlosigkeit der gegen die Klägerin gerichteten
Rückzahlungsforderung des Gesellschafters einen Missbrauch rechtlicher
Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne von § 42 AO dar und ist im Ergebnis wie ein
Forderungsverzicht zu behandeln (dazu 2.). Es liegt kein nach § 3 Nr. 66 EStG a.F.
privilegierter Sanierungsgewinn vor (dazu 3.).
1.
Prüfungsfeststellungen hinsichtlich der Körperschaftsteuer für 1996 umsetzen, denn es
war noch keine Festsetzungsverjährung für das Streitjahr eingetreten. Da die Klägerin
ihre Körperschaft-steuererklärung für 1996 im Jahr 1998 abgegeben hat, wäre die
reguläre Festsetzungsfrist zwar mit Ablauf des 31. Dezember 2002 abgelaufen (vgl. §§
169 Abs. 2 Nr. 2, 170 Abs. 2 Nr. 1 AO). Durch die im August 2002 begonnene
Außenprüfung war der Ablauf der Festsetzungsverjährungsfrist jedoch gehemmt (§ 171
Abs. 4 AO).
Da die Außenprüfung nach Aktenlage bereits im August 2002 begonnen hat, handelt es
sich bei der Angabe im Abschlussbericht vom 19. Januar 2004, wonach die Prüfung am
29. Juli 2003 begonnen habe, um ein Versehen.
Der Beklagte konnte die Änderung der Körperschaftsteuer für 1996 auf § 173 Abs. 1 Nr.
1 AO stützen, da ihm Tatsachen nachträglich bekannt geworden sind, die zu einer
höheren Steuer führen. Dem Beklagten war nämlich bei Erlass des ursprünglichen
Körperschaft-steuerbescheids für 1996 vom 9. März 1998 der Inhalt des
Gesellschafterbeschlusses vom 3. Dezember 1996 nicht bekannt, der für die steuerliche
Bewertung der (verdeckten) Einlage und der Aufrechnung gegen den
Rückzahlungsanspruch notwendig ist. Dem Beklagten ist die Berufung auf die ihm neue
Tatsache auch nicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (zur Anwendung im
Rahmen von § 173 AO vgl. Klein/Rüsken, 10. Aufl. 2009, § 173 Rn. 80) verwehrt, denn der
Beklagte hat seine Untersuchungspflichten insofern nicht verletzt. Zwar hat die Klägerin
im Jahresabschluss zum 31. Dezember 1996 die Einlage des Gesellschafters in Höhe von
…TDM dargestellt und zugleich die sonstige Verbindlichkeit gegenüber dem
Gesellschafter nicht mehr ausgewiesen. Dies allein hat den Beklagten aber nicht zu
weiteren Untersuchungen verpflichtet. Es wäre vielmehr an der Klägerin gewesen, dem
Beklagten durch die Vorlage und erforderlichenfalls Erläuterung sämtlicher Vorgänge im
Zusammenhang mit der Ausbuchung der Gesellschafterforderung eine abschließende
rechtliche Beurteilung der Vorgänge zu ermöglichen.
2.
Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten die Anerkennung zu versagen, und
die in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang mit der Zuzahlung in die
Kapitalrücklage der Klägerin stehende Aufrechnung gegen die Darlehensforderung der
Klägerin gegen ihren Gesellschafter ist gemäß § 42 AO a.F. wie ein Verzicht auf diese
Forderung zu behandeln.
a)
des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ein Missbrauch von rechtlichen
Gestaltungsmöglichkeiten in diesem Sinn liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn
eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des angestrebten
wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch
wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist
(vgl. BFH-Urteile vom 21. Januar 1999 IV R 96/96, BFHE 187, 570; vom 27. Juli 1999 VIII R
36/98, BFHE 189, 408, BStBl. II 1999, 769; vom 19. August 1999 I R 77/96, BFHE 189,
342, BStBl. II 2001, 43; vom 19. Oktober 1999 IX R 39/99, BFHE 190, 173, BStBl. II 2000,
224, und vom 17. November 1999 I R 11/99, BFHE 190, 419, m.w.N.). Das Motiv, Steuern
zu sparen, macht eine steuerliche Gestaltung noch nicht unangemessen. Eine rechtliche
Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom
Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten
wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt,
auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll (BFH-
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auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll (BFH-
Urteile vom 29. Mai 2008 IX R 77/06, BStBl. II 2008, 789; vom 17. Dezember 2003 IX R
56/03, BFHE 205, 70, BStBl. II 2004, 648, m.w.N.).
b)
Erklärung der Aufrechnung der sich damit gegenüber stehenden Ansprüche eine
unangemessene rechtliche Gestaltung, die allein der Steuerminderung diente und durch
wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen
war. Denn tatsächlich sollte durch diese Maßnahmen eine Entlastung der (Steuer-)Bilanz
der Klägerin von der nicht mehr werthaltigen Forderung des Gesellschafters erreicht
werden, die stattdessen auch durch einen bloßen Verzicht hätte erreicht werden können.
Der gewählte Weg, zunächst eine Einlage in die Klägerin zu vereinbaren und den daraus
resultierenden Anspruch noch in gleicher Urkunde gegen die Rückzahlungsaufforderung
aufzurechnen, hat allein dem Zweck gedient, den aus einem Verzicht auf eine
(vollständig oder nahezu vollständig) wertlose Forderung resultierenden Ertrag bei der
Klägerin zu vermeiden. Außersteuerliche Gründe für die gewählte Vorgehensweise sind
nicht ersichtlich und sind von der Klägerin auch nicht vorgetragen worden.
aa)
aus der Sicht der Gesellschaft zum Erlöschen einer Verbindlichkeit und damit zu einer
Gewinnerhöhung. Diese in der Steuerbilanz zu erfassende Gewinnerhöhung ist zwar
außerhalb der Bilanz zu neutralisieren, soweit es sich bei dem Forderungsverzicht
steuerrechtlich um eine Einlage handelt (§ 8 Abs. 3 Satz 3 Körperschaftsteuergesetz -
KStG-). Ein im Gesellschaftsverhältnis veranlasster Forderungsverzicht eines
Gesellschafters führt jedoch zu einer Einlage (nur) in Höhe des Teilwerts der Forderung
im Zeitpunkt des Verzichts. Soweit die erlassene Forderung in diesem Zeitpunkt nicht
(mehr) werthaltig war, bleibt es bei der durch den Wegfall der Verbindlichkeit ausgelösten
Gewinnerhöhung (st. Rspr. seit BFH-Beschluss vom 9. Juni 1997 GrS 1/94, BFHE 183,
187, BStBl. II 1998, 307).
bb)
Höhe von nominell …TDM nach Auffassung des Senats nicht werthaltig, sodass im Falle
eines Verzichts das körperschaftsteuerpflichtige Einkommen der Klägerin zumindest um
die vom Beklagten angesetzten …TDM zu erhöhen gewesen wäre.
Die Klägerin hat in der Bilanz auf den 31. Dezember 1996 ein Eigenkapital in Höhe von
lediglich … DM ausgewiesen. Ohne Berücksichtigung der Zuführung zur Kapitalrücklage
in Höhe von …TDM wäre die Klägerin zum 31. Dezember 1996 in Höhe von …TDM
bilanziell überschuldet gewesen, da sich das negative Eigenkapital bereits zum 31.
Dezember 1995 auf …TDM belief und die Klägerin im Streitjahr 1996 einen
Jahresfehlbetrag von … DM erzielt hat.
Zwar ist der Klägerin einzuräumen, dass der Teilwert der Forderung auf den
Verzichtszeitpunkt (3. Dezember 1996) und nicht auf den Bilanzstichtag (31. Dezember
1996) zu ermitteln ist. Es ist aber - abgesehen von der streitigen Frage der Bewertung
der Einlage - nicht ersichtlich, dass sich die wirtschaftliche Situation der Klägerin in der
Zwischenzeit zu ihren Gunsten verändert hätte. Mangels einer Gewinnermittlung auf den
3. Dezember 1996 spricht daher nichts gegen einen Rückgriff auf den Jahresabschluss
zum 31. Dezember 1996.
Aufgrund der wirtschaftlichen Situation der Klägerin war mit einer Rückzahlung der
Darlehensverbindlichkeit durch die Klägerin nicht zu rechnen, da die Klägerin über keine
Vermögenswerte verfügt hat, mittels derer sie die Verbindlichkeiten hätte erfüllen
können. Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, und der Senat hat nach Aktenlage
ebenfalls keine besseren Erkenntnisse, dass die Klägerin zum 31. Dezember 1996 nicht
über stille Reserven verfügt hat, die die Forderung hätten werthaltig machen können. Die
Klägerin war zudem nicht kreditwürdig und hätte die Verbindlichkeit deshalb auch nicht
durch die Aufnahme weiteren Fremdkapitals erfüllen können. Zusätzlich ist Wert
mindernd zu berücksichtigen, dass es sich aufgrund der Rangrücktrittserklärung vom
Februar 1995 um eine nachrangige und damit Eigenkapital ersetzende
Rückzahlungsforderung des Gesellschafters gegen die Klägerin gehandelt hat, die nur
aus Jahres- und Liquidationsüberschüssen oder aus sonstigem Aktivvermögen der
Klägerin beglichen werden sollte. Diese Rückzahlungsforderung wäre daher sogar erst
nach den sonstigen Verbindlichkeiten - also wie Eigenkapital - zu bedienen gewesen.
Dies alles führt dazu, dass nach Auffassung des Senats die Forderung vollständig wertlos
war mit der Folge, dass das steuerpflichtige Einkommen der Klägerin um …TDM zu
erhöhen wäre. Der Beklagte ist zugunsten der Klägerin jedoch davon ausgegangen, dass
die Forderung in Höhe von … DM noch werthaltig gewesen ist und hat deshalb das
Einkommen nicht um …TDM, sondern nach einer weiteren, sich dem Senat nicht
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Einkommen nicht um …TDM, sondern nach einer weiteren, sich dem Senat nicht
erschließenden, Verhältnisrechnung nur um …TDM erhöht. Daran ist der Senat
zugunsten der Klägerin gebunden, da eine Änderung des Bescheids zum Nachteil der
Klägerin im gerichtlichen Verfahren ausgeschlossen ist (vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO,
§ 96 FGO Rn. 101).
cc)
rechtliche Gestaltung zur Erreichung des angestrebten wirtschaftlichen Ziels - nämlich
der Entlastung der Bilanz von der Verbindlichkeit gegenüber dem Gesellschafter -
unangemessen, diente allein der Steuerminderung und war durch wirtschaftliche oder
sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen:
Zwar wäre es entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten grundsätzlich auch
steuerlich anzuerkennen, wenn der Gesellschafter einen Barzuschuss in die
Kapitalrücklage der Klägerin geleistet und diese die eingelegten Barmittel anschließend
zur Rückzahlung der Verbindlichkeit gegenüber dem Gesellschafter genutzt hätte (vgl.
Gosch/Roser, KStG, 2. Aufl. 2009, § 8 Rn. 121). Der im Streitfall gewählten
Vorgehensweise ist die steuerliche Anerkennung aber deshalb zu versagen, weil der
Gesellschafter der Klägerin die von ihm geschuldete Einlage nicht in Form eines
Barzuschusses oder durch Zuführung eines sonstigen (werthaltigen) Vermögenswerts
erbracht hat. Die in gleicher Urkunde erklärte Aufrechnung der Einlageverpflichtung mit
der Rückzahlungsverpflichtung ist vielmehr eine bloß auf dem Papier vollzogene
Transaktion, die weder zu einer Veränderung der wirtschaftlichen Situation der Klägerin
geführt noch den Gesellschafter wirtschaftlich belastet hat. Denn im wirtschaftlichen
Ergebnis ist die wertlose Rückzahlungsforderung in die Klägerin eingebracht worden. Da
die Werthaltigkeit einer gegen die Gesellschaft gerichteten Forderung nicht dadurch
herbeigeführt werden kann, dass der Gesellschafter eben diese wertlose Forderung in die
Gesellschaft einlegt, setzt der Gesellschafterbeschluss das voraus, was er herbeiführen
soll: eine werthaltige Forderung.
dd)
FG- München vom 27. Oktober 2009 (6 K 3941/06, juris), auf die sich die Klägerin beruft.
Das FG München hat einen Gestaltungsmissbrauch im Sinne von § 42 AO a.F. zwar
verneint, hatte dabei aber über einen Sachverhalt zu entscheiden, in dem die
Gesellschafter einer bilanziell überschuldeten GmbH fremdfinanzierte
Gesellschaftereinlagen geleistet haben. Im Unterschied zu dem hier zu entscheidenden
Sachverhalt wurden der Gesellschaft in dem vom FG München entschiedenen Fall
tatsächlich Barmittel zugeführt, die anschließend zum Ausgleich des
Verrechnungskontos einer ebenfalls beteiligten KG eingesetzt worden sind. Der Senat
sieht darin einen erheblichen Unterschied, weil die der Gesellschaft zugeführten
Barmittel dem Vollstreckungszugriff anderer Gläubiger ausgesetzt wären. Selbst bei nur
kurzzeitigem Verbleib der Mittel im Betriebsvermögen der Gesellschaft hätte sich z.B.
das Pfandrecht der kontoführenden Bank oder ein Pfändungs- und
Überweisungsbeschluss zugunsten anderer Gläubiger auswirken können.
Ebenfalls keinen Widerspruch sieht der Senat zu dem BFH-Beschluss vom 20. Dezember
2001 (I B 74/01, BFH/NV 2002, 678). Der dortigen Entscheidung lag zugrunde, dass der
Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft deren Verbindlichkeit unter Befreiung von
Ersatzansprüchen übernommen hatte. Der BFH hat entschieden, dass die
Verbindlichkeit bei Zahlung von der Gesellschaft auszubuchen und Gewinn neutral mit
dem zu aktivierenden Freistellungsanspruch gegen den Gesellschafter infolge der
Schuldübernahme aufzurechnen ist. Nach der Entscheidung des BFH handelt es sich in
dem von ihm entschiedenen Fall nicht um den auf dem Gesellschaftsverhältnis
beruhenden Verzicht des Gesellschafters auf eine nicht mehr vollwertige Forderung
gegenüber seiner Kapitalgesellschaft, die bei dieser zu einer Einlage in Höhe des
Teilwerts der Forderung führt. Erneut liegt der maßgebliche Unterschied zum hier
vorliegenden Streitfall darin, dass es in dem vom BFH entschiedenen Fall zu einem
tatsächlichen Geldabfluss gekommen ist, und zwar vom Gesellschafter an den dritten
Gläubiger.
ee)
Gestaltungsmöglichkeiten so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Verhältnissen
angemessenen rechtlichen Gestaltung entstanden wäre. Infolge dessen ist die Klägerin
so zu behandeln, als hätte der Gesellschafter auf seine Forderung gegen die Klägerin
verzichtet.
3.
Nach § 3 Nr. 66 EStG a.F. in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG waren Erhöhungen
des Betriebsvermögens, die dadurch entstanden, dass Schulden zum Zweck der
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des Betriebsvermögens, die dadurch entstanden, dass Schulden zum Zweck der
Sanierung ganz oder teilweise erlassen wurden, von der Körperschaftsteuer befreit (vgl.
für die Anwendung im Körperschaftsteuerrecht: BFH, Urteil vom 17. November 2004 I R
11/04, BFH/NV 2005, 1027 m.w.N.).
Unter einer Sanierung im Sinne von § 3 Nr. 66 EStG a. F. sind nach der Rechtsprechung
des BFH, der sich der Senat anschließt, Maßnahmen zu verstehen, die geeignet sind, ein
Unternehmen vor dem Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu
machen. Dabei setzt die Steuerbefreiung voraus, dass das Unternehmen
sanierungsbedürftig ist, die Gläubiger in Sanierungsabsicht handeln und die Maßnahme
zur Sanierung geeignet ist. Fehlt es an einer dieser Voraussetzungen, so liegt kein
steuerfreier Sanierungsgewinn vor (vgl. BFH, Urteil vom 10. April 2003 IV R 63/01, BFHE
202, 452, BStBl. II 2004, 9). Die Sanierungseignung einer Maßnahme ist zu bejahen,
wenn der Schulderlass geeignet ist, ein sanierungsbedürftiges Unternehmen vor dem
Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen. Der Schulderlass
muss damit allein oder zusammen mit anderen Maßnahmen das Überleben des
Unternehmens herbeiführen können.
Im Streitfall fehlt es aufgrund der Einstellung des Geschäftsbetriebs der Klägerin im Jahr
1995, dem Vorjahr des Streitjahres, bereits an der Sanierungseignung des
Forderungsverzichts. Da die Sanierungsmaßnahmen eine Fortsetzung der
Unternehmenstätigkeit ermöglichen müssen (vgl. Schmidt/Heinicke, 17. Aufl. 1998, § 3
EStG ABC Stichwort „Sanierungsgewinn“), setzt die Privilegierung des § 3 Nr. 66 EStG
a.F. nämlich voraus, dass die Gesellschaft in zeitlichem Zusammenhang mit dem
Schuldenerlass ihre werbende Tätigkeit wieder aufgenommen hat (BFH-Urteil vom 17.
November 2004 I R 11/04, BFH/NV 2005, 1027, m.w.N.).
Zudem hat der Gesellschafter auch die erforderliche Sanierungsabsicht nicht
nachgewiesen.
„Zum Zweck der Sanierung“ wird eine Schuld in der Regel erlassen, wenn der Schuldner
sanierungsbedürftig und der Erlass geeignet ist, die Sanierung herbeizuführen.
Eigennützige Motive des Gläubigers, wie etwa die Rettung eines Teils der Restforderung,
sind unschädlich, sofern nur die Sanierungsabsicht mitentscheidend war.
Sanierungsabsicht kann unterstellt werden, wenn sich mehrere Gläubiger an einem
Schulderlass beteiligen (BFH-Urteil vom 14. März 1990 I R 64/85, BFHE 161, 28, BStBl. II
1990, 810), weil dann davon ausgegangen werden kann, dass das gleichgerichtete
Vorgehen mehrerer nicht allein von deren jeweiligen Interessen geleitet wird. Aber auch
im Falle des Erlasses durch nur einen Gläubiger ist nicht schlechthin ausgeschlossen,
dass dieser in Sanierungsabsicht gehandelt hat. Es ist dann aber anhand anderer
Indizien zu prüfen, ob dem Schulderlass die Absicht zugrunde gelegen hat, den
Schuldner vor dem Zusammenbruch zu bewahren (BFH-Urteil vom 10. April 2003 IV R
63/01, BFHE 202, 452, BStBl. II 2004, 9). Die Sanierungsabsicht ist u.a. dann zu
verneinen, wenn der Forderungsverzicht aus gesellschaftlichem Anlass erklärt wird, also
eine verdeckte Einlage vorliegt (BFH-Urteil vom 29. Juli 1997 VIII R 57/94, BFHE 184, 63,
BStBl. II 1998, 652).
Die Abgrenzung zwischen einem Forderungsverzicht als gesellschaftlich veranlasster
verdeckter Einlage und einer betrieblich veranlassten Sanierungsmaßnahme ist nach
den für Zuwendungen eines Gesellschafters an „seine“ Gesellschaft allgemein
geltenden Grundsätzen vorzunehmen. Eine gesellschaftliche Veranlassung liegt danach
vor, wenn ein Nichtgesellschafter bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen
Kaufmanns der Gesellschaft den Vermögensvorteil nicht eingeräumt hätte.
Dementsprechend ist ein Forderungsverzicht gesellschaftlich und nicht betrieblich
veranlasst, wenn der Gesellschafter bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen
Kaufmanns die Schulden nicht erlassen hätte (BFH-Urteil vom 29. Juli 1997 VIII R 57/94,
BFHE 184, 63, BStBl. II 1998, 652; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Mai
1995, § 3 Nr. 66 EStG Anm. 15).
Im Streitfall ist von einer gesellschaftlichen Veranlassung des Verzichts auszugehen; ein
Nichtgesellschafter hätte der Klägerin deren Schulden nicht erlassen. Dafür spricht
insbesondere, dass neben dem Gesellschafter keine weiteren Gläubiger auf Ansprüche
gegen die Klägerin verzichtet haben. Für fremde Gläubiger hätte im Hinblick auf die
Einstellung des Geschäftsbetriebs der Klägerin auch kein Anlass bestanden, auf ihre
Forderungen zu verzichten. Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, dass aus ihrer oder
aus der Sicht des Gesellschafters zum damaligen Zeitpunkt mit einer Wiederaufnahme
des Geschäftsbetriebs zu rechnen gewesen wäre. Schließlich berücksichtigt der Senat
zulasten der Klägerin, dass diese selbst ebenso wie ihr Gesellschafter sich vorrangig
darauf berufen, dass gar kein Verzicht gewollt gewesen sei, sondern dass es zu einer
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darauf berufen, dass gar kein Verzicht gewollt gewesen sei, sondern dass es zu einer
Aufrechnung mit der Einlageverpflichtung des Gesellschafters gekommen sei. Dies
schließt es aus, dass der Gesellschafter in Sanierungsabsicht gehandelt hat.
4.
zuzulassen, da der Senat nicht von der Rechtsprechung des BFH oder anderer FG
abweicht und Zulassungsgründe i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 3 FGO nicht
erkennbar sind.
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