Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 13.03.2017

FG Berlin-Brandenburg: vollziehung, förster, gesellschafter, einlage, abrede, scheingeschäft, festgabe, eigenkapital, anfechtung, sammlung

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Gericht:
Finanzgericht Berlin-
Brandenburg 12.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
2001
Aktenzeichen:
12 V 12210/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 6 Abs 1 Nr 3 EStG 1997, § 6
Abs 1 Nr 2 EStG 1997, § 41 Abs
2 AO, § 32a GmbHG
Abzinsung eigenkapitalersetzender Darlehen - Annahme eines
Scheingeschäfts hinsichtlich verzinslich vereinbarter
Gesellschafterdarlehen in der Krise - Ausführungen zur Annahme
einer Lücke im Gesetz
Leitsatz
Abzinsung eines Gesellschafterdarlehens
1. § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG gilt auch für eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen. Die
Abzinsung ist nicht durch Berücksichtigung einer Einlage in Form des Kapitalnutzungsrechts
zu neutralisieren.
2. Verzinsungsabrede als Scheingeschäft
Tatbestand
Die im Jahre … gegründete Antragstellerin ist im Bereich der … tätig. Sie wies im Jahre
2006 erstmals ein positives Ergebnis aus. In den Jahren zuvor hatte sie in größerem
Umfang Darlehen ihrer Gesellschafter erhalten. Sie hat dazu einen
Gesellschafterbeschluss vom … 1998 vorgelegt, nach dem alle bereits gewährten und
zukünftig gewährten Gesellschafterdarlehen mit jährlich 2 % zu verzinsen seien.
Gleichzeitig erklärte die Gesellschafterin der Antragstellerin zur Abwendung der
Überschuldung und dem Erhalt der Antragstellerin den Rangrücktritt für alle
Gesellschafterdarlehen.
Der Antragsgegner nahm bei der Antragstellerin eine Außenprüfung für die Jahre 2000
bis 2003 vor und vertrat danach die Auffassung, dass die Gesellschafterdarlehen gemäß
§ 6 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abzuzinsen seien. Er erließ am
08. Mai 2006 entsprechende Änderungsbescheide. Der Einspruch der Antragstellerin
dagegen hatte keine Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 10. September 2008). Die
Antragstellerin hat gegen die Einspruchsentscheidung Klage erhoben, die bei dem
beschließenden Senat unter dem Aktenzeichen 12 K 12188/08 anhängig ist.
Die Antragstellerin macht geltend, dass die Darlehen verzinslich gewesen seien. Es
könne davon ausgegangen werden, dass ihre, der Antragstellerin, Gesellschafterin
lediglich im Hinblick auf die Krisensituation auf die Zinszahlungen verzichtet habe. Die
Antragstellerin ist der Auffassung, dass die Darlehensbeträge bei ihr gemäß §§ 30, 31
des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) als
gebundenes Stammkapital anzusehen seien, so dass eine Abzinsung – mangels
Fremdkapitaleigenschaft – nicht in Betracht komme. Schließlich ist die Antragstellerin
der Ansicht, dass jedenfalls ein allfälliger Abzinsungsbetrag durch Berücksichtigung einer
verdeckten Einlage neutralisiert werden müsse. Sie hat dazu eine Diplomarbeit einer
Kauffrau und Steuerberaterin mit dem Titel „Das Abzinsungsgebot bei
Gesellschafterdarlehen im Fokus des Leistungsfähigkeitsprinzips“ eingereicht.
Der Senat hat das Verfahren hinsichtlich des ebenfalls von der Antragstellerin
angegriffenen Umsatzsteuerbescheides 2001 mit Beschluss vom 27. Februar 2009
abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 5 V 5051/09 zuständigkeitshalber an den 5.
Senat des Gerichts abgegeben.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß, die Vollziehung der Bescheide über Zinsen zur
Körperschaftsteuer 2001 sowie Gewerbesteuermessbetrag und Gewerbesteuer 2001,
sämtlich vom 08. Mai 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. September
2008, bis einen Monat nach Bekanntgabe einer das erstinstanzliche Verfahren 12 K
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2008, bis einen Monat nach Bekanntgabe einer das erstinstanzliche Verfahren 12 K
12188/08 abschließenden Entscheidung auszusetzen.
den Antrag abzuweisen,
Entscheidungsgründe
Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Soweit die Antragstellerin die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides über die
Festsetzung der Zinsen zur Körperschaftsteuer 2001 begehrt, ist der Antrag unzulässig.
Die Körperschaftsteuerfestsetzungen bilden im Verhältnis zu der Zinsfestsetzung nach §
233 a der Abgabenordnung (AO) Grundlagenbescheide; gemäß § 351 Abs. 2 AO können
Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid nur durch Anfechtung dieses Bescheides,
nicht auch durch Anfechtung des Folgebescheides angegriffen werden. In Konsequenz
dessen ist ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wegen der
Zinsfestsetzungen unzulässig, wenn und soweit sich der Steuerpflichtige mit seinem
Begehren allein gegen die Besteuerungsgrundlagen der Steuerbescheide (hier:
Körperschaftsteuer) wendet (vgl. Finanzgericht [FG] Düsseldorf, Beschluss vom 09.
Januar 2004 – 14 V 6204/03 A, m.w.N.; Senatsbeschluss vom 06. August 2007 – 12
V 12078/07; beide veröffentlicht in juris).
2. Im übrigen ist der Antrag zulässig, aber nicht begründet.
a) Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll
die Vollziehung eines angefochtenen Steuerbescheides ausgesetzt werden, wenn
ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den
Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene
Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH), der der beschließende Senat sich
anschließt, vor, wenn neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen
gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die
Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder
Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken.
b) Derartige ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide
über Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer bestehen nicht. Die Abzinsung der
unverzinslichen Darlehensverbindlichkeiten der Antragstellerin gegenüber ihrer
Gesellschafterin durch den Antragsgegner war vielmehr rechtmäßig.
aa) Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung sind
Verbindlichkeiten unter sinngemäßer Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusetzen
und mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen. Ausgenommen von der Abzinsung sind
nur Verbindlichkeiten, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als zwölf Monate
beträgt, und Verbindlichkeiten, die verzinslich sind oder auf einer Anzahlung oder
Vorausleistung beruhen.
Danach waren die Gesellschafterdarlehen abzuzinsen.
Die Gesellschafterdarlehen hatten – wovon die Beteiligten auch übereinstimmend
ausgehen – eine Laufzeit von mehr als zwölf Monaten.
Sie waren entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch unverzinslich. Der Senat
wertet die Abrede, nach der die Darlehen mit 2 % p.a. zu verzinsen waren, als für die
Besteuerung unbeachtliches Scheingeschäft i.S.d. § 41 Abs. 2 AO. Ein Scheingeschäft
liegt vor, wenn die Vertragsparteien offenkundig die notwendigen Folgerungen aus dem
Vertrag bewusst nicht gezogen haben (BFH-Urteile vom 07. November 2006 – IX R 4/06,
Bundessteuerblatt – BStBl. – II 2007, 372, unter II.2. der Gründe; vom 21. September
2004 – IX R 5/03, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFH/NV –
2005, 498, unter II.2. der Gründe). Das ist z.B. der Fall, wenn ein Darlehensvertrag
geschlossen wird, obwohl der Darlehensnehmer die Zins- und Tilgungsleistungen
ersichtlich nicht erbringen kann (vgl. BFH-Urteil in BStBl. 2007, 372, aaO.). Damit ist der
hier vorliegende Fall vergleichbar, in dem die Gesellschafterin der Antragstellerin die
Verzinslichkeit der Darlehen in einer Situation beschloss, in der sie zum Erhalt der
Antragstellerin gleichzeitig einen Rangrücktritt hinsichtlich ihrer Forderungen erklären
musste und in der folglich augenfällig war, dass die Antragstellerin Zinszahlungen nicht
würde leisten können. Für das Vorliegen eines Scheingeschäfts spricht auch, dass die
Antragstellerin und ihre Gesellschafterin keine Folgerungen aus dieser Abrede gezogen
haben. Weder sind – soweit ersichtlich – Zinszahlungen gebucht worden, noch hat es
Versuche der Gesellschafterin gegeben, diese einzutreiben. Die Antragstellerin selbst
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Versuche der Gesellschafterin gegeben, diese einzutreiben. Die Antragstellerin selbst
hat lediglich vorgetragen, dass „davon ausgegangen werden“ könne, dass ihre
Gesellschafterin im Hinblick auf die Krisensituation auf die Zinszahlungen verzichtet
habe. Es hat also offenbar auch keine ausdrückliche Verzichtserklärung gegeben. Die
Antragstellerin und ihre Gesellschafterin haben vielmehr die Verzinsungsabrede in der
Folge völlig unbeachtet gelassen.
Die Tatsache, dass es sich um eine Verbindlichkeit gegenüber einem Gesellschafter
handelt, führt nicht zur Unanwendbarkeit des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG (ebenso
Senatsbeschluss vom 08. September 2008 – 12 V 12115/07, Entscheidungen der
Finanzgerichte – EFG – 2008, 1947; Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 10.
Dezember 2007 – 6 K 446/06, juris; Glanegger in L. Schmidt, EStG, Kommentar, 27.
Auflage 2008, § 6 Rn. 402; Kiesel/Görner in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, KStG,
Kommentar, § 6 Anm. 1155 Stichwort „Unverzinsliche eigenkapitalersetzende
Gesellschafterdarlehen“; Förster/Wendland, GmbH-Rundschau – GmbHR – 2006, 169,
177; Groh, Der Betrieb – DB – 2007, 2275, 2279; Gschwendtner in Festgabe 100 Jahre
Deloitte, 2007, S. 633, 646; Hauber/Kiesel, Betriebs-Berater – BB – 2000, 1511; wohl
auch Hoffmann, Wolf-Dieter, GmbHR 2005, 972, 973; wie hier auch Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen vom 26. Mai 2005, BStBl. I 2005, 699, 702, Tz. 21).
Die Vorschrift ist nicht teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass sie auf
Gesellschafterdarlehen nicht anwendbar wäre (ebenso Senatsbeschluss in EFG, 2008,
1947; Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Dezember 2007 – 6 K 446/06,
juris; offen gelassen demgegenüber in dem BFH-Urteil vom 10. November 2005 – IV R
13/04, BStBl. II 2006, 618, unter II.2.d) der Gründe). Eine teleologische Reduktion setzt
eine Lücke im Gesetz voraus (Drüen in Tipke/Kruse, AO, FGO, § 4 AO Rn. 345 m.w.N.).
Eine Lücke besteht, wenn die Regelung eines bestimmten Sachbereichs keine
besondere Bestimmung für eine Frage enthält, die nach dem gesetzlichen
Grundgedanken und dem dem Gesetz immanenten System hätte mitgeregelt werden
müssen (Drüen aaO.). Dabei spricht man von verdeckten Lücken, wenn das Gesetz zwar
eine Regelung enthält, dies aber ihrem Zweck nach auf eine bestimmte Gruppe von
Fällen nicht passt, weil sie deren für die Wertung relevante Besonderheiten außer Acht
lässt, wenn also bei dem Zustandekommen des Gesetzes versäumt worden ist, eine
Einschränkung zu machen (Drüen aaO. Rn. 352). Keine Lücken sind hingegen
rechtspolitische Unvollständigkeiten, bei denen eine Regelung wünschenswert oder
zweckmäßig wäre (Drüen aaO. Rn. 345). Hier liegt lediglich eine rechtspolitische
Unvollständigkeit vor. Es wäre zwar denkbar gewesen, eine Ausnahme von der Regelung
des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG für Darlehen von Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft zu
machen; zwingend war dies aber nicht. Zwar führt die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 3
EStG in der für die Antragstellerin anwendbaren Fassung dazu, dass ein Vorteil, den die
Antragstellerin durch die unentgeltliche Kapitalüberlassung durch ihren Gesellschafter
erlangt, der Besteuerung unterworfen wird, während er bei Gewährung von Eigenkapital
nicht steuerpflichtig wäre (vgl. BFH in BStBl. II 2006, 618, aaO.). Dies trifft allerdings auf
anderweitige Nutzungseinlagen, die nicht zu aktivierungsfähigen Wirtschaftsgütern bei
der empfangenden Gesellschaft führen, auch nach sonst geltender Rechtslage zu
(Förster/Wendland, GmbHR 2006, 169, 177; ebenso wohl Kiesel/Görner aaO.).
Dementsprechend war der Gesetzgeber nicht gehalten, eine besondere Regelung für
unverzinsliche Gesellschafterdarlehen zu treffen. Dies gilt unabhängig davon, ob man
dies für wünschenswert hält oder nicht.
Auch der Umstand, dass es sich bei den Darlehen um eigenkapitalersetzende handelte,
führt nicht dazu, dass von einer Abzinsung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG abzusehen wäre.
Aus der Qualifikation einer Forderung als eigenkapitalersetzend i.S. des § 32a GmbHG
folgt nicht, dass sie steuerbilanziell als Eigenkapital des Schuldners zu behandeln ist. Die
leistungsverpflichtete Gesellschaft muss den ihr eigenkapitalersetzend zur Verfügung
gestellten Betrag weiterhin als Fremdkapital ausweisen (BFH-Urteil vom 06. November
2003 – IV R 10/01, BStBl. II 2004, 416, unter 1.b) der Gründe; FG Berlin-Brandenburg,
Beschluss vom 17. November 2008 – 6 V 6154/08, EFG 2009, 322).
bb) Der sich aus der Abzinsung der Darlehensverbindlichkeit ergebende Gewinn durfte
auch nicht durch die Annahme einer Einlage neutralisiert werden (ebenso FG Berlin-
Brandenburg in EFG 2009, 322; Senatsbeschluss in EFG 2008, 1947). Einlagefähig sind
nur Wirtschaftsgüter; die unentgeltliche Nutzungsüberlassung von Kapital ist kein
solches einlagefähiges Wirtschaftsgut (so zutreffend BFH in BStBl. II 2006, 618, unter
II.1.b)bb) der Gründe; Förster/Wendland, GmbHR 169, 177 f.; Groh, DB 2007, 2275, 2279;
Gschwendtner, Festgabe 100 Jahre Deloitte, 2007, 633, 643; Hauber/Kiesel, BB 2000,
1511, 1513; Prinz, Deutsches Steuerrecht – DStR – 2000, 661, 669; a.A., soweit
ersichtlich, nur van de Loo, DStR 2000, 508, 509). Die Gewährung des unverzinslichen
Darlehens führt lediglich zu einer Aufwandsersparnis bei der Antragstellerin.
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3. Der Senat lässt im Hinblick auf das bei dem BFH anhängige Verfahren I R 4/08 die
Beschwerde zu.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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