Urteil des FG Baden-Württemberg vom 11.10.2016

einkünfte, mittelpunkt der lebensinteressen, eintragung im handelsregister, integration

FG Baden-Württemberg Urteil vom 11.10.2016, 6 K 4219/13
Leitender Angestellter im Sinne des Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1992
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1 Streitig ist, ob der Kläger ein leitender Angestellter im Sinne des Art. 15 Abs. 4 Satz 1 des Abkommens
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Vermögen vom 11. August 1971
(BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) in der Fassung des Protokolls vom 21. Dezember 1992 (BGBl II
1993, 1888, BStBl I 1993, 928) – DBA-Schweiz 1992 – ist.
2 Der Kläger ist ein deutscher Staatsangehöriger, der in den Streitjahren 2009 bis 2011 sowohl in X
(Deutschland) als auch in Y (Schweiz) einen Wohnsitz unterhielt. Beschäftigt ist der Kläger seit dem
1. Januar 2009 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis bei der Z - A GmbH in Q in der Schweiz als Direktor
Strategie & Integration für Europa, Afrika und den Mittleren Osten.
3 Laut den eigenen Angaben des Unternehmens ist die Z - W, mit Hauptsitz in den USA, einer der weltweit
größten Hersteller von ..... und verkauft diese in über 140 Länder weltweit. Sie erzielte nach ihren Angaben
im Jahr 2011 einen globalen Umsatz von x,x Mrd. US-Dollar und verfügt über mehrere Werke in Nord- und
Südamerika, Europa, Afrika sowie im Nahen und Mittleren Osten. Vom 1. Juli 2007 an zentralisierte die Z -
W ihre europäischen Aktivitäten mit der Gründung eines Hauptsitzes in Q, Schweiz, unter dem Namen Z - A
GmbH.
4 In einer auf Wunsch des Klägers durch die Z - A GmbH erstellten Arbeitsplatzbeschreibung vom 8. Januar
2013 wird die Tätigkeit des Klägers für das Unternehmen wie folgt dargestellt:
5
„Herr S. leitet den Bereich Strategie & Integration für Z in Europa, Afrika und den Mittleren Osten (EAME).
Er berichtet an den regionalen Vorstand (Senior Vice President) für Z EAME und an den globalen Leiter des
Bereichs Strategy & Integration in E/USA. Z hat in der Region EAME einen Jahresumsatz von +X Milliarden
US-Dollar und ist mit mehreren .... Marken aktiv. Dazu gehören unter anderem die Marken 1, 2, 3 und
4.Bei der Funktion Strategie & Integration handelt es sich um eine Querschnittfunktion. Die
Strategieerarbeitung, -entscheidung und Umsetzung erfolgt in enger Zusammenarbeit mit dem oberen und
obersten Führungskreis von Z in der Region, als auch Z global. Spezielle strategische Fragestellungen sind
gegebenenfalls auch mit dem Vorstandsvorsitzenden abzusprechen und nur von ihm zu entscheiden. Unter
anderem führt Herr S. M&A-Verhandlungen (Kauf von Unternehmen oder Unternehmensanteilen) und
vertritt dabei die Interessen von Z. Insbesondere weitreichende Verbesserungsprogramme liegen im
Verantwortungsbereich von Herrn S. und dessen Bereich. Es ist für Z eine erfolgskritische Leitungsfunktion
auf einer übergeordneten Ebene, daher ist die Position auch in der europäischen Zentrale von Z in der
Schweiz angesiedelt.
Herr S. ist Mitglied des Executive Committee von Z Europa, Afrika und dem Mittleren Osten (EAME). Es ist
das höchste Entscheidungsorgan der Firma Z in dieser Region. Herr S. unterliegt nicht der Zeiterfassung,
sein Gehalt ist erfolgsabhängig. Er ist berechtigt für die Bonusprogramme der Fa. Z, die dem oberen
Führungskreis vorbehalten sind („LTIP Bonusprogramm“).
Herr S. hat selbst mehrere weitere Direktorenpositionen in seinem Bereich, die an ihn berichten und die für
die Strategie & Integration bestimmter Geschäftseinheiten verantwortlich sind. Herr S. übernimmt in seiner
Funktion die Weisungsbefugnis für die ihm unterstellten Mitarbeiter. Dies beinhaltet auch die Einstellung
neuer Mitarbeiter gemäß den firmeninternen Prozessen. Beispielhaft für seine Entscheidungsbefugnis seien
genannt, die Genehmigung von Geschäftsreisen, Lieferantenrechnungen, Personaleinsatz, Umfang von
Lohnerhöhungen, Auswahl von hochwertigen Beratungsleistungen, Kostenallokation bei strategischen
Projekten, Vertragsverhandlungen mit Lieferanten und Kooperationspartnern.
Die Summe der obigen Punkte drückt für uns aus, dass es sich bei der Position von Herrn S. eindeutig um
die Position eines leitenden Angestellten handelt.“
6 Weiterhin heißt es in einer Arbeitsbestätigung der Z - A GmbH vom 3. September 2012 unter anderem:
7
„Herr S. berichtet an den Senior Vice President, EAME („Vorstand“) und den Global Director for Strategy &
Integration und ist Mitglied der EAME staff group, welches das Exekutive Komitee der Region ist. In seiner
Position arbeitet Herr S. eng mit dem Senior Vice President der Region EAME und mit den Marken
(Hauptmarken sind 1, 4, 2, 3), um die strategische Ausrichtung von Z im EAME zu bestimmen. Dies
beinhaltet organisches wie anorganisches Wachstum und unternehmensweite Kostenoptimierung
gleichermaßen.“
8 Im Handelsregisterblatt für die Z - A GmbH ist der Kläger nicht mit seinen Funktionen eingetragen.
9 Der Kläger erzielte durch seine nichtselbständige Tätigkeit für die Z - A GmbH im Jahr 2009 einen Bruttolohn
in Höhe von xxx.xxx CHF, im Jahr 2010 in Höhe von xxx.xxx CHF und im Jahr 2011 in Höhe von xxx.xxx
CHF. Hiervon wurden im Jahr 2009 xx.xxx,xx CHF, im Jahr 2010 xx.xxx,xx CHF und im Jahr 2011 xx.xxx,xx
CHF Quellensteuer einbehalten.
10 Im März 2011 reichte der Kläger beim Beklagten eine Einkommensteuererklärung für beschränkt
Steuerpflichtige ein, in der er seine Einkünfte aus der nichtselbständigen Tätigkeit in der Schweiz als
steuerfreien Arbeitslohn deklarierte und unter anderem angab, unter der Woche in seiner Wohnung in Y in
der Schweiz zu wohnen und am Wochenende zu seinem Wohnsitz in X zurückzukehren. Der Beklagte
veranlagte zunächst erklärungsgemäß und erließ am 27. Mai 2011 den Einkommensteuerbescheid für 2009
unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
11 Mit Schreiben vom 31. Mai 2011 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er aufgrund seines inländischen
Wohnsitzes in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sei. Er bat den Kläger deshalb um die Nachreichung
eines neuen Mantelbogens für unbeschränkt Steuerpflichtige, um eine Aufstellung zu den Arbeitstagen im
Jahr 2009 in der Schweiz, der Bundesrepublik oder Drittstaaten sowie um einen Nachweis, dass die Schweiz
auf das ihr zustehende Besteuerungsrecht verzichtet habe oder Steuern in der Schweiz für die dort
bezogenen Einkünfte entrichtet worden seien.
12 Da der Kläger die angeforderten Nachweise nicht erbrachte, teilte ihm der Beklagte mit Schreiben vom
1. Februar 2012 mit, der Arbeitslohn für die Tätigkeit in der Schweiz könne bei der
Einkommensteuerveranlagung in Deutschland nicht steuerfrei gestellt werden. Am 12. Juli 2012 erließ der
Beklagte einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuerbescheid für
2009, in dem er einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von xxx.xxx EUR bei den Einkünften aus nichtselbständiger
Arbeit ansetzte.
13 Hiergegen legte der Kläger am 15. August 2012 unter teilweiser Vorlage der vom Beklagten angeforderten
Unterlagen Einspruch ein. Er begründete ihn im Wesentlichen damit, dass er, der Kläger, leitender
Angestellter im Sinne des Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 sei. Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992
weise dem Staat das Besteuerungsrecht zu, in dem die Kapitalgesellschaft ihre Geschäftsleitung habe.
Danach stehe der Schweiz das alleinige Besteuerungsrecht für die gesamten Vergütungen zu, die ihm von
seinem schweizerischen Arbeitgeber zugeflossen seien.
14 Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) werde die Tätigkeit eines in Deutschland ansässigen
leitenden Angestellten für eine schweizerische Kapitalgesellschaft auch dann in der Schweiz ausgeübt, wenn
sie tatsächlich überwiegend außerhalb der Schweiz verrichtet werde. Dies habe zur Konsequenz, dass die
Tätigkeit eines leitenden Angestellten, der aufgrund seines Wohnsitzes in Deutschland unbeschränkt
steuerpflichtig, aber gleichzeitig in der Schweiz ansässig sei, ausschließlich in der Schweiz besteuert werde.
Das gelte nach der Rechtsprechung selbst dann, wenn der leitende Angestellte auch außerhalb der Schweiz
tätig werde. Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 fingiere, dass die Tätigkeit des leitenden Angestellten auch
dann „in der Schweiz ausgeübt“ werde, wenn sie außerhalb der Schweiz verrichtet werde. Durch die
Vorlage des Lohnausweises und der Rentenbescheinigung sei nachgewiesen, dass die Schweiz die Einkünfte
besteuert habe. Im Übrigen sei seine Reisetätigkeit im Jahr 2009 nur von geringem Umfang gewesen; es
seien lediglich wenige Dienstreisen nach Frankreich und England angefallen. Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz
1992 werde auch nicht durch Art. 15a DBA-Schweiz 1992 verdrängt, da ihm, dem Kläger, die tägliche
Rückkehr an seinen deutschen Wohnsitz nicht zumutbar sei. Die Entfernung zwischen X und dem
Schweizer Arbeits- und Wohnort betrage einfach 174 km.
15 Im weiteren Einspruchsverfahren reichte der Kläger noch seinen Anstellungsvertrag mit der Z - A GmbH,
zwei von der Z - A GmbH ausgestellte Arbeitsplatzbeschreibungen, einen Handelsregisterauszug der Z - A
GmbH sowie eine Bescheinigung des Kantonalen Steueramts mit dem für ihn in den Jahren 2009 bis 2011
gemeldeten Bruttolohn und der davon einbehaltenen Quellensteuer ein. Außerdem legte er eine Aufstellung
zu den Arbeitstagen außerhalb der Schweiz für die Jahre 2009 bis 2011 vor, nach der er 2009 an 25 Tagen,
2010 an 28 Tagen und 2011 an 27 Tagen außerhalb der Schweiz (überwiegend in Frankreich, England und
Deutschland) für seinen Arbeitgeber tätig war.
16 Mit Schreiben vom 18. und 22. Januar 2013 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er wegen seines
inländischen Wohnsitzes in den Streitjahren in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig und
von einer Ansässigkeit in Deutschland im Sinne des Art. 4 Abs. 2a DBA-Schweiz 1992 auszugehen sei. Das
Besteuerungsrecht für Arbeitstage im Inland habe nach Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz 1992 nur Deutschland,
da Ansässigkeits- und Tätigkeitsstaat nicht auseinanderfielen. Arbeitstage in England und Frankreich seien
ebenfalls im Inland nachzuversteuern, da sich der Kläger jeweils unter 183 Tagen in den Staaten
aufgehalten und die Kostentragung durch den Schweizer Arbeitgeber stattgefunden habe. Die
Bruttoarbeitslöhne für die Tätigkeit in Deutschland und den Drittstaaten unterlägen der Nachversteuerung
im Inland. Aufteilungsmaßstab sei der Bruttoarbeitslohn dividiert durch die vereinbarten Arbeitstage und
multipliziert mit den tatsächlich in Deutschland und den Drittstaaten verbrachten Arbeitstagen. Danach
ergebe sich für das Jahr 2009 ein in Deutschland steuerpflichtiger Lohn in Höhe von xx.xxx EUR.
17 Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 sei auf den Kläger nicht anwendbar. Er sei im Jahr 2009 nicht für seinen
Schweizer Arbeitgeber im Handelsregister in seiner Funktion als leitender Angestellter eingetragen
gewesen. Nach der im Bundessteuerblatt (BStBl) I 2008, 935 veröffentlichten Verständigungsvereinbarung
zu Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992, die in den nach dem 31. Dezember 2008 beginnenden
Veranlagungszeiträumen zur Anwendung gelange, sei die Regelung nur auf Personen anzuwenden, deren
Prokura oder in Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA bzw. Ziffer 2 Buchstabe a) Satz 1 der
Verständigungsvereinbarung vom 7. Juli 1997 genannte Funktion im Handelsregister eingetragen sei. Hieran
fehle es jedoch beim Kläger.
18 Der Kläger entgegnete hierauf, die Verständigungsvereinbarung mit der Schweiz, die die Anwendung des
Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 von einem Handelsregistereintrag abhängig mache, widerspreche dem
klaren und eindeutigen Wortlaut des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992. Das DBA-Schweiz 1992 habe den
Rang eines einfachen Gesetzes und könne nicht durch eine Vereinbarung auf Verwaltungsebene geändert
werden.
19 Mit Bescheid vom 14. März 2013 änderte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 12. Juli
2012 und setzte bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von
xx.xxx EUR an und bezog im Übrigen die Einkünfte aus der nichtselbständigen Tätigkeit in der Schweiz mit
einem Anteil von xxx.xxx EUR in die Berechnung des Steuersatzes ein.
20 Im November 2012 hatte der Kläger auch die Einkommensteuererklärungen für 2010 und 2011 beim
Beklagten eingereicht und dabei die Einkünfte aus der nichtselbständigen Tätigkeit in der Schweiz jeweils als
aufgrund von Doppelbesteuerungsabkommen steuerfreigestellten Arbeitslohn deklariert. Der Beklagte teilte
dem Kläger mit, auch in den Jahren 2010 und 2011 seien die Arbeitstage des Klägers im Inland und in
Drittstaaten in Deutschland steuerpflichtig, sodass für 2010 Lohn in Höhe von xx.xxx EUR und für 2011 in
Höhe von xx.xxx EUR nachzuversteuern sei. Dementsprechend erließ der Beklagte am 22. März 2013
Einkommensteuerbescheide für 2010 und 2011, in denen er bei den Einkünften aus nichtselbständiger
Tätigkeit im Bescheid für 2010 einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von xx.xxx EUR und im Bescheid für 2011
einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von xx.xxx EUR ansetzte.
21 Gegen die Einkommensteuerfestsetzungen für 2010 und 2011 vom 22. März 2013 legte der Kläger am
19. April 2013 Einspruch ein, da er auch für diese Veranlagungsjahre davon ausgehe, dass die
Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 erfüllt seien. Zwar sei für die Jahre 2010 und 2011
zu beachten, dass der Gesetzgeber durch das Jahressteuergesetz 2010 mit § 2 Abs. 2 AO eine
Ermächtigungsgrundlage geschaffen habe, wonach das Bundesministerium der Finanzen ermächtigt werde,
zur Sicherung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung oder
doppelten Nichtbesteuerung mit Zustimmung des Bundesrates Rechtsverordnungen zur Umsetzung von
Konsultationsvereinbarungen zu erlassen und dies durch § 19 KonsVerCHEV (Deutsch-Schweizerische
Konsultationsvereinbarungsverordnung vom 20. Dezember 2010, Bundesgesetzblatt I 2010, 2187) für die
im Streitfall in Rede stehende Besteuerung leitender Angestellter geschehen sei; § 19 Abs. 2 Satz 2
KonsVerCHEV sehe dabei vor, Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 sei nur auf Personen anwendbar, deren
vom Anwendungsbereich der Vorschrift umfasste Funktion oder Prokura im Handelsregister eingetragen sei.
Freilich sei an diese Verwaltungsvereinbarung ausschließlich die Verwaltung gebunden. Nach dem Wortlaut
des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz komme es nicht darauf an, ob ein leitender Angestellter im Handelsregister
eingetragen sei.
22 Mit Bescheid vom 20. November 2013 wurde der Einkommensteuerbescheid für 2011 nach § 129 AO wegen
einer zwischen den Beteiligten unstreitigen Frage berichtigt.
23 Mit Einspruchsentscheidung vom 26. November 2013 wies der Beklagte die Einsprüche des Klägers wegen
Einkommensteuer 2009 bis 2011 als unbegründet zurück. Im Streitfall lägen die Voraussetzungen für die
Anwendung des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 nicht vor. Nach dieser Regelung habe der Staat der
Ansässigkeit des Arbeitgebers auch insoweit ein Besteuerungsrecht, als die Einkünfte auf Tätigkeiten im
Staat der Ansässigkeit des leitenden Angestellten und in Drittstaaten entfielen. Im Umkehrschluss führe das
dazu, dass bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 das
Besteuerungsrecht auf Erwerbseinkünfte, die auf Staaten außerhalb des Ansässigkeitsstaats des
Arbeitgebers entfielen, dem anderen Vertragsstaat zustehe.
24 Mit Verständigungsvereinbarung vom 7. Juli 1997 hätten sich die zuständigen Behörden der beiden
Vertragsstaaten darauf geeinigt, dass „zu den in Art. 15 Abs. 4 DBA genannten Direktoren auch
stellvertretende Direktoren oder Vizedirektoren und Generaldirektoren gehören“. Ferner sei vereinbart
worden, die Regelung auch auf Personen anzuwenden, die nicht im Handelsregister eingetragen seien, in
diesen Fällen aber zu verlangen, dass „sie entweder die Prokura oder weitergehende Vertretungsbefugnisse,
wie etwa die Zeichnungsberechtigung, haben“ und eine entsprechende Bestätigung ihres Arbeitgebers
vorlegten. Da der Verzicht auf eine Eintragung im Handelsregister in der Praxis zu Schwierigkeiten bei der
Abgrenzung des unter Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 fallenden Personenkreises geführt habe, sei nach
der in BStBl I 2008, 935 veröffentlichten Verständigungsvereinbarung Einvernehmen erzielt worden, in den
nach dem 31. Dezember 2008 beginnenden Veranlagungszeiträumen Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 nur
noch auf Personen anzuwenden, deren Prokura oder entsprechende Funktion im Handelsregister
eingetragen sei. Die Voraussetzung des Handelsregistereintrags erfülle der Kläger unstreitig nicht.
25 Die Frage, ob die mit dieser Verständigungsvereinbarung enger gefassten Voraussetzungen zur Anwendung
des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 bereits ab dem Jahr 2009 gefordert werden dürften oder ob ein
etwaiges Rückwirkungsverbot entgegenstehe, könne für den Streitfall offen bleiben. Denn zum einen habe
das Vertragsverhältnis des Klägers mit seinem Schweizer Arbeitgeber erst in 2009 begonnen. Zum anderen
habe der Kläger auch nicht nachgewiesen, dass er die vorher weiter gefassten Voraussetzungen, nämlich
das Innehaben der Prokura oder weitergehender Vertretungsbefugnisse, erfülle. Der Kläger habe auch nicht
nachgewiesen, dass er Mitglied des Vorstands sei, wie er in einigen Schriftsätzen vorgetragen habe. Somit
könne Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 in seinem Fall selbst unter Berücksichtigung der
Verständigungsvereinbarung vom 7. Juli 1997 und der bisher geübten Abkommenspraxis nicht zur
Anwendung gelangen. Die in den beiden Verständigungsvereinbarungen getroffenen
Anwendungsregelungen widersprächen Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 inhaltlich nicht, denn sie engten
den Sinn der in Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 verwandten Begriffe „Vorstandsmitglied, Direktor,
Geschäftsführer oder Prokurist“ nicht ein.
26 Schließlich seien für Veranlagungszeiträume von 2010 an die mit der Verständigungsvereinbarung vom
30. September 2008 getroffenen Regelungen in nationales Recht transformiert worden.
27 Mit seiner am 23. Dezember 2013 erhobenen Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor, im
Einspruchsverfahren habe sich der Beklagte darauf zurückgezogen, Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 sei
bereits deshalb nicht einschlägig, weil er, der Kläger, im schweizerischen Handelsregister nicht als Direktor,
Geschäftsführer, Vorstandsmitglied oder Prokurist eingetragen sei. In der Einspruchsentscheidung führe der
Beklagte nun erstmals aus, er sei bereits aufgrund seiner Stellung im Konzern nicht leitender Angestellter im
Sinne des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992. Dagegen spreche aber, dass er bei der Z - A GmbH als Direktor
Strategy & Integration angestellt sei. Er verantworte die strategische Entwicklung eines Konzerns in den
Regionen Europa, Afrika und Mittlerer Osten mit einem Jahresumsatz von über x,x Mrd. US-Dollar; er führe
M&A Verhandlungen und vertrete dort die Interessen von Z - A GmbH; er sei weisungsbefugt für die ihm
unterstellten Mitarbeiter; er könne neue Mitarbeiter einstellen und alle Aufträge extern oder konzernintern
vergeben, die zur Umsetzung der von ihm verantworteten Projekte notwendig seien. Die Summe dieser
Tätigkeiten lasse keine andere Wertung zu, als die Annahme eines leitenden Angestellten im Sinne des
Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992.
28 Nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d) DBA-Schweiz 1992 würden bei einer in der Bundesrepublik
Deutschland ansässigen Person Gehälter von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer
ausgenommen, wenn sie nach dem Abkommen in der Schweiz besteuert werden könnten und die Arbeit in
der Schweiz ausgeübt werde. Nach Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 seien die Einkünfte eines in
Deutschland ansässigen Arbeitnehmers aus einer Tätigkeit als Vorstandsmitglied, Direktor, Geschäftsführer
oder Prokurist einer in der Schweiz ansässigen Kapitalgesellschaft ausschließlich in der Schweiz zu
besteuern. Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 werde im Streitfall nicht durch Art. 15a DBA-Schweiz 1992
ausgeschlossen, da der Kläger in allen Jahren jeweils an mehr als 60 Arbeitstagen aufgrund seiner
Arbeitsausübung nicht an seinen Wohnsitz nach Deutschland zurückgekehrt sei.
29 Bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 2008 habe der Beklagte die Ansicht vertreten, der leitende
Angestellte müsse nicht im schweizerischen Handelsregister eingetragen sein, um unter Art. 15 Abs. 4 DBA-
Schweiz 1992 zu fallen. Später sei zur Vermeidung von Abgrenzungsproblemen zwischen den
Finanzverwaltungen beider Länder vereinbart worden, nur noch solchen Personen seien leitende Angestellte
im Sinne des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992, die im Handelsregister eingetragen seien. Allerdings lasse
die Oberfinanzdirektion D in einem Schreiben vom 27. September 2011 verlauten, der leitende Angestellte
habe, wenn er nicht im Handelsregister eingetragen sei, eine Bestätigung seines Arbeitgebers über seine
Vertretungsbefugnisse vorzulegen.
30 Der BFH habe in ständiger Rechtsprechung entschieden, Doppelbesteuerungsabkommen hätten
Gesetzesrang, Verständigungsabkommen hätten keinen Gesetzesrang und erzeugten keine Bindung für die
Gerichte. Für das Jahr 2009 sei deshalb allein Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 einschlägig, der eine
Eintragung ins Handelsregister gerade nicht verlange. Eine Verschärfung dieser Rechtslage zu Lasten der
Steuerpflichtigen durch Verwaltungsanweisung sei rechtswidrig. Durch das Jahressteuergesetz 2010 sei
rückwirkend die Ermächtigungsnorm des § 2 Abs. 2 AO eingeführt worden. In ihrer Allgemeinheit genüge § 2
Abs. 2 AO allerdings nicht den zwingenden Vorgaben des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG),
sodass die Regelung verfassungswidrig sei.
31 Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 14. März 2013, den Einkommensteuerbescheid für 2010 vom
22. März 2013 und den Einkommensteuerbescheid für 2011 vom 20. November 2013, allesamt in Gestalt
der Einspruchsentscheidung vom 26. November 2013, dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus dem
Arbeitsverhältnis mit der Z - A GmbH nicht als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erfasst werden,
die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,
hilfsweise, für den Fall des vollständigen oder teilweisen Unterliegens, die Revision zuzulassen.
32 Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
33 Er verweist auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.
34 Am 25. Februar 2016 hat der Berichterstatter den Streitfall mit den Beteiligten erörtert. Der
Prozessbevollmächtigte hat im Erörterungstermin vorgetragen, der Kläger habe in den Streitjahren und
auch heute noch seinen Lebensmittelpunkt in X. Er stamme von dort; seine Wohnung befinde sich in der
Nähe zum Wohnhaus seiner Eltern. Er habe mittlerweile seine langjährige Freundin, die ihren
Lebensmittelpunkt ebenfalls im Raum X habe, geheiratet. In den Streitjahren sei der Kläger freitags aus der
Schweiz, wo er eine Zwei-Zimmer-Wohnung habe, nach X gefahren und sonntags oder montagmorgens
wieder zurück.
35 Im Protokoll zum Erörterungstermin vom 25. Februar 2016 hat der Berichterstatter den Kläger aufgefordert,
im Einzelnen benannte Dokumente vorzulegen, anhand derer die rechtliche Stellung des Klägers bei seinem
Schweizer Arbeitgeber und seine dortigen rechtlichen Befugnisse nachgewiesen werden können. Der Kläger
ist dieser Aufforderung nicht nachgekommen.
36 Der Senat hat am 11. Oktober 2016 in der Sache mündlich verhandelt. Die Beteiligten haben in der
mündlichen Verhandlung zu Protokoll gegeben, sie seien sich einig, dass der Mittelpunkt der
Lebensinteressen des Klägers in den Streitjahren in Deutschland gelegen habe. In der mündlichen
Verhandlung hat der Beklagte auf Antrag des Klägers zugesichert, die Einkommensteuerbescheide für 2010
und 2011 dahingehend zu ändern, dass bei den Vermietungseinkünften des Klägers
Erhaltungsaufwendungen in einem anderen Umfang als bislang festgesetzt berücksichtigt werden. Am
7. November 2016 hat der Beklagte entsprechend geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2010
und 2011 erlassen. Die Änderung der Bescheide hatte keine Auswirkungen auf die im vorliegenden
Verfahren streitige Frage der steuerlichen Behandlung der Arbeitseinkünfte des Klägers.
37 Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die
gewechselten Schriftsätze, den Inhalt der beigezogenen Akten des Beklagten (je ein Heft
Einkommensteuerakte, Rechtsbehelfsakte und Akte Auslands-Sachverhalt) und das Protokoll zum
Erörterungstermin vom 25. Februar 2016 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
38 I. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht den Arbeitslohn des Klägers von
seinem schweizerischen Arbeitgeber, der nicht auf eine tatsächlich in der Schweiz ausgeübte Tätigkeit,
sondern rechnerisch auf Dienstreisen nach Deutschland und in Drittstaaten entfällt, der deutschen
Einkommensteuer unterworfen (1.). Der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzungen für die Anwendung der
Sonderregelung des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 für leitende Angestellte, nach der er mit seinen
gesamten von seinem Schweizer Arbeitgeber bezogenen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in der
Schweiz zu besteuern wäre (2.). Es bedarf keiner Entscheidung, ob Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 nur
auf Personen anwendbar ist, deren Funktion oder Prokura im Handelsregister eingetragen ist (3).
39 1. Der Kläger hatte in den Streitjahren in Deutschland einen Wohnsitz und war hier deswegen nach § 1
Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unbeschränkt steuerpflichtig; er unterlag im Grundsatz mit
allen in den Streitjahren erzielten Einkünften der deutschen Einkommensteuer. Allerdings wird das deutsche
Besteuerungsrecht an dem von seinem Schweizer Arbeitgeber an den Kläger bezahlten Arbeitslohn durch
das DBA-Schweiz 1992 eingeschränkt. Nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d) i. V. m. Art. 15 Abs. 1
DBA-Schweiz 1992 werden bei einer in Deutschland ansässigen Person Gehälter, Löhne und ähnliche
Vergütungen im Sinne des Art. 15 DBA-Schweiz 1992, soweit sie nicht unter Art. 17 DBA-Schweiz 1992
fallen, von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen, wenn sie nach dem Abkommen
in der Schweiz besteuert werden können und die Arbeit in der Schweiz ausgeübt wird. Der Kläger war –
hiervon gehen die Beteiligten übereinstimmend aus – im streitigen Zeitraum in Deutschland ansässig. Dies
belegen zum einen seine im Erörterungstermin vom 25. Februar 2016 dargestellten intensiven familiären
Bindungen im Inland, die sich in dem in den Einkommensteuererklärungen der Streitjahre geltend
gemachten Fahraufwand widerspiegeln, und zum anderen seine im Inland ausgeübten
Vermietungstätigkeiten. Der Beklagte hat mithin zu Recht – das wird vom Kläger auch nicht bestritten – die
Lohneinkünfte für die in der Schweiz ausgeübte Tätigkeit, die auch in der Schweiz dem Steuereinbehalt
unterlagen, von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen.
40 Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d) i. V. m. Art. 15 DBA-Schweiz 1992 findet bei der Tätigkeit eines in
Deutschland ansässigen Arbeitnehmers für seinen schweizerischen Arbeitgeber aber nur auf den Teil der
Einkünfte Anwendung, der auf eine Tätigkeit in der Schweiz entfällt, nicht jedoch auf den Teil, der sich auf
eine Tätigkeit in Deutschland oder in Drittstaaten bezieht; für sie verbleibt es beim deutschen
Besteuerungsrecht (vgl. BFH, Beschluss v. 19. April 1999 I B 141/98, BFH/NV 1999, 1317; Kempermann, in:
Flick/Wassermeyer/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz, Stand November
2015, Art. 15 Rn. 38; sowie zur vergleichbaren Rechtslage im DBA-Österreich BFH, Urteil v. 25. November
2014 I R 27/13, BStBl II 2015, 448). Der Beklagte hat mithin auch insoweit zu Recht den Arbeitslohn des
Schweizer Arbeitgebers des Klägers, der rechnerisch auf Tätigkeiten des Klägers in Deutschland, Frankreich
und Großbritannien entfallen ist, der deutschen Besteuerung unterworfen.
41 Es ist ebenfalls nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, soweit
sie auf die Tätigkeit des Klägers in Frankreich und Großbritannien entfallen, nicht nach den
Doppelbesteuerungsabkommen mit jenen Staaten von der Steuer im Inland freigestellt hat. Art. XI Abs. 3
DBA-Großbritannien (in der in den Streitjahren 2009 und 2010 geltenden Fassung) und Art. 14 Abs. 2 DBA-
Vereinigtes Königreich (in der im Streitjahr 2011 geltenden Fassung) sowie Art. 13 Abs. 1 und 4 DBA-
Frankreich enthalten insoweit im Wesentlichen gleichlautende Regelungen. Danach können Vergütungen,
die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person (hier: Deutschland) für eine im jeweils anderen
Vertragsstaat ausgeübte unselbständige Tätigkeit bezieht, nur im erstgenannten Staat (hier: Deutschland)
besteuert werden, wenn der Empfänger sich im anderen Staat insgesamt nicht länger als 183 Tage aufhält,
die Vergütungen von einem Arbeitgeber oder für einen Arbeitgeber gezahlt werden, der nicht im anderen
Staat ansässig ist und die Vergütungen nicht von einer Betriebsstätte oder einer festen Einrichtung
getragen werden, die der Arbeitgeber im anderen Staat hat. Da der Arbeitgeber des Klägers in der Schweiz
und damit nicht in Großbritannien oder Frankreich ansässig ist und der Kläger sich nicht länger als 183 Tage
in diesen Ländern aufgehalten hat, können die Vergütungen für die Tätigkeit in den genannten Staaten in
Deutschland besteuert werden.
42 2. Die Sonderregelung des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992, nach der der Kläger mit seinen gesamten von
seinem Schweizer Arbeitgeber bezogenen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, unabhängig davon, ob
sie in der Schweiz, in Drittstaaten oder im Inland ausgeübt wurde, der Besteuerung in der Schweiz
unterliegen würde, ist im Streitfall nicht anwendbar.
43 Nach Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 können vorbehaltlich des Art. 15a DBA-Schweiz 1992 die
Einkünfte einer in Deutschland ansässigen Person aus einer Tätigkeit als Vorstandsmitglied, Direktor,
Geschäftsführer oder Prokurist einer in der Schweiz ansässigen Kapitalgesellschaft in der Schweiz besteuert
werden, sofern die Tätigkeit nicht so abgegrenzt ist, dass sie lediglich Aufgaben außerhalb der Schweiz
umfasst. Besteuert die Schweiz diese Einkünfte nicht, so können sie in Deutschland besteuert werden (Art.
15 Abs. 4 Satz 2 DBA-Schweiz 1992).
44 a) Die Anwendung des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 wird im Streitfall nicht durch Art. 15a DBA-
Schweiz 1992 ausgeschlossen. Der Kläger ist kein Grenzgänger im Sinne des Art. 15a DBA-Schweiz 1992,
da er nach Überzeugung des Senats in den jeweiligen Streitjahren an mehr als 60 Arbeitstagen nicht an
seinen Wohnsitz zurückgekehrt ist (vgl. Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1992). Die tägliche Rückkehr
an den Wohnsitz war dem Kläger aus beruflichen Gründen nicht zumutbar, da die einfache Entfernung
zwischen inländischem Wohnsitz und Arbeitsort 174 km beträgt und bei der Tätigkeit des Klägers als
Führungskraft in einem internationalen Konzern eine hohe zeitliche Inanspruchnahme am Arbeitsort
unterstellt werden kann.
45 b) Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 ist im Streitfall aber deshalb nicht anzuwenden, weil der Kläger nicht
zu dem von der Vorschrift erfassten Personenkreis gehört.
46 Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 erfasst nach seinem eindeutigen Wortlaut nur einen abgegrenzten
Personenkreis und nicht schlechthin sämtliche „leitenden Angestellten“ einer Schweizer Kapitalgesellschaft
(FG Baden-Württemberg, Urteil vom 15. Oktober 2015 3 K 2913/13, EFG 2016, 1061; Urteil vom 18.
September 2014 3 K 1837/14, juris). Eine Ausweitung des in Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1992
genannten Personenkreises kommt in Anbetracht der abschließenden Aufzählung nicht in Betracht. Dem
stehen der Ausnahmecharakter der Norm und die ihr zugrunde liegenden Rechtsgrundsätze des Beschlusses
des Großen Senats des BFH vom 15. November 1971 GrS 1/71, BStBl II 1972, 68 entgegen (BFH, Beschluss
vom 19. April 1999 I B 141/98, BFH/NV 1999, 1317; FG München, Urteil vom 23. Juli 2003 1 K 1231/00,
DStRE 2004, 466; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Juli 2008 3 K 110/07, EFG 2009, 1724);
demgemäß rechnet etwa der Handlungsbevollmächtigte nicht zu den leitenden Angestellten im Sinne des
Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 (BFH, Beschluss vom 19. April 1999 I B 141/98, BFH/NV 1999, 1317; FG
Baden-Württemberg, Urteil vom 15. Oktober 2015 3 K 2913/13, EFG 2016, 1061; Urteil vom 24. Juli 2008 3
K 110/07, EFG 2009, 1724). Eine Einordnung in den von Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 erfassten
Personenkreis setzt voraus, dass der natürlichen Person ein dem Organ einer Gesellschaft vergleichbares
Weisungsrecht zukommt (vgl. BFH, Beschluss vom 19. April 1999 I B 141/98, BFH/NV 1999, 1317), sie also
über eine umfassende Vertretungsmacht verfügt (vgl. FG München, Urteil vom 23. Juli 2003 1 K 1231/00,
DStRE 2004, 466). Die natürliche Person muss aus zivilrechtlicher Sicht eine Stellung in der
Kapitalgesellschaft einnehmen, die im Hinblick auf die damit verbundene Leitungs- und Vertretungsmacht
derjenigen der in Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 aufgeführten Rechtsträger mindestens gleichsteht (vgl.
BFH, Urteil vom 14. März 2011 I R 23/10, BStBl II 2013, 73; FG Baden-Württemberg, Urteil vom
15. Oktober 2015 3 K 2913/13, EFG 2016, 1061).
47 Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze gelangt der Senat zu der Überzeugung, dass der Kläger nicht zu
dem in Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 genannten Personenkreis gehört. Das klägerische
Vorbringen lässt zwar den – für das vorliegende Verfahren nicht relevanten – Schluss zu, dass der Kläger
eine Führungsposition in einem internationalen Konzern begleitet, allerdings kann der Senat nicht
feststellen, dass dem Kläger bei seinem Arbeitgeber eine dem Organ einer Kapitalgesellschaft vergleichbare
Vertretungs- und Leitungsmacht eingeräumt ist.
48 Der im Klageverfahren vorgelegte, in englischer Sprache abgefasste Arbeitsvertrag („Employment Contract“)
des Klägers vom 29. Oktober 2008 sieht eine finanzielle Ausstattung und soziale Absicherung vor, die ohne
weiteres auf eine Führungsposition bei dem Schweizer Arbeitgeber schließen lässt. Konkrete Weisungs- und
Vertretungsbefugnisse im und für das Unternehmen lassen sich dem Arbeitsvertrag jedoch nicht entnehmen.
Die im Arbeitsvertrag gewählten Formulierungen zur Arbeitsplatzbeschreibung sprechen vielmehr dafür,
dass der Kläger eine mit dem Organ einer Kapitalgesellschaft vergleichbare Leitungs- oder Vertretungsmacht
nicht inne hat. Zum einen gehen die Vertragsparteien zunächst (nur) von einem Einsatz des Klägers als
Projektmanager aus, da es im Arbeitsvertrag heißt: „The Employee shall be appointed and employed … in a
position as Senior Project Manager, or in such other position as the Employer may assign to the Employee
from time to time.“ Zum anderen ergibt sich aus der Arbeitsplatzbeschreibung, dass der Kläger einem
„Director Strategy & Integration“ gegenüber berichtspflichtig und mithin hierarchisch eingebunden ist.
49 Der vom Kläger vorgelegten Führungskräfteübersicht seines Arbeitgebers für den Bereich Europa, Afrika und
Mittlerer Osten mit Stand vom 1. Oktober 2012 lässt sich zwar entnehmen, dass der Kläger die
Funktionsbezeichnung eines „Director Strategy & Integration“ trägt und sich damit gegenüber der im
Arbeitsvertrag zunächst festgelegten Position eines „Senior Project Managers“ weiterentwickelt hat. Es
ergeben sich aber aus der Führungskräfteübersicht keinerlei Hinweise, ob und welche Leitungs- und
Vertretungsbefugnisse mit dieser Position verbunden sind. In der Übersicht sind sechzehn Personen
aufgeführt, die unterschiedliche Funktionsbezeichnungen tragen (dreimal Vice President mit Managing
Director; einmal Vice President mit General Manager; siebenmal (nur) Vice President; einmal (nur) Managing
Director; einmal General Manager; dreimal Director). In welchem Hierarchieverhältnis die Führungskräfte
zueinander stehen oder welche Befugnisse mit den einzelnen Funktionen verbunden sind, lässt sich der
Übersicht nicht entnehmen. Nach dem vom Kläger vorgelegten Handelsregisterauszug seines Arbeitgebers
mit Stand vom 27. September 2012 sind nicht alle in der Führungskräfteübersicht aufgeführten Personen
(insbesondere nicht der Kläger) im Handelsregister eingetragen; jedenfalls aber die Führungskräfte, die
sowohl die Funktionsbezeichnung Vice President als auch Managing Director tragen.
50 Die vom Kläger vorgelegte Arbeitsbestätigung seines Arbeitgebers vom 3. September 2012, unterzeichnet
von einer Human Resources Specialist, führt auch nicht dazu, den Kläger dem von Art. 15 Abs. 4 Satz 1
DBA-Schweiz 1992 erfassten Personenkreis zuzurechnen. Aus ihr ergibt sich nämlich im Wesentlichen nur,
dass der Kläger als Direktor Strategie & Integration für Europa, Afrika und den Mittleren Osten tätig sowie
daneben Mitglied des „Exekutive Komitee“ für diese Region ist und an den Senior Vice President für diese
Region sowie den Global Director of Strategy & Integration berichtet und eng mit dem Senior Vice President
der Region Europa, Afrika und Mittlerer Osten zusammenarbeitet. Rechtlich konkretisierte Leitungs- und
Vertretungsbefugnisse lassen sich den Ausführungen in der Arbeitsbestätigung nicht entnehmen.
51 Schließlich bildet auch die zweite vom Kläger vorgelegte Arbeitsbestätigung vom 8. Januar 2013 keinen
Grund, ihn in den von Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 erfassten Personenkreis einzubeziehen. Die
Arbeitsbestätigung ist von einer Human Resource Managerin unterzeichnet und führt aus, der Kläger habe
die Position eines „leitenden Angestellten“ mit einer „erfolgskritischen Leitungsfunktion auf einer
übergeordneten Ebene“ und gehöre zum Kreis der Berechtigten für die Bonusprogramme seines
Arbeitgebers, „die dem oberen Führungskreis vorbehalten seien.“ Die Darstellung seiner Aufgaben und
Befugnisse wird gegenüber der Arbeitsbestätigung vom 3. September 2012 dahingehend konkretisiert, dass
der Kläger unter anderem Verhandlungen über den Kauf von Unternehmen oder Unternehmensanteilen
führe und „weitreichende Verbesserungsprogramme“ in seinem Verantwortungsbereich lägen. Er habe
Personalverantwortung, da mehrere Direktoren an ihn berichteten, er die Weisungsbefugnis für die ihm
unterstellten Mitarbeiter habe und neue Mitarbeiter gemäß den firmeninternen Prozessen einstellen könne.
Für seine Entscheidungsbefugnisse werden beispielhaft genannt „die Genehmigung von Geschäftsreisen,
Lieferantenrechnungen, Personaleinsatz, Umfang von Lohnerhöhungen, Auswahl von hochwertigen
Beratungsleistungen, Kostenallokation bei strategischen Projekten, Vertragsverhandlungen mit Lieferanten
und Kooperationspartnern.“
52 Die Darstellung der Tätigkeitsfelder und Verantwortungsbereiche des Klägers in der Arbeitsbestätigung vom
8. Januar 2013 sind von seinem Arbeitgeber nicht mit Hinweisen auf entsprechende gesellschaftsvertragliche
und/oder unternehmensorganisatorische Regelungen unterlegt worden. Auch der Kläger hat im
finanzgerichtlichen Verfahren trotz Aufforderung durch den Berichterstatter keine Dokumente wie etwa
Gesellschaftsverträge, Unternehmensstatuten oder Zeichnungsrechtsregelungen vorgelegt, anhand derer
sich rechtlich verbindlich die Leitungs- und Vertretungsmacht des Klägers bei seinem Arbeitgeber bestimmen
ließe.
53 Unabhängig von der fehlenden Vorlage von Dokumenten, die den rechtlichen Rahmen der Tätigkeit des
Klägers bei seinem Arbeitgeber benennen, lassen die Ausführungen in der Arbeitsbestätigung vom 8. Januar
2013 nicht den Schluss zu, dass dem Kläger Leitungs- und Vertretungsbefugnisse zukämen, die einem der in
Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 aufgeführten Rechtsträger mindestens gleichstehen. Es lässt sich
nicht erkennen, dass dem Kläger entsprechend einem Geschäftsführer einer schweizerischen GmbH die
Oberleitung der ihn beschäftigenden Gesellschaft und die Festlegung ihrer Organisation obliegt (vgl. Art. 810
[Aufgaben der Geschäftsführer] des Bundesgesetzes betreffend die Ergänzung des Schweizerischen
Zivilgesetzbuches [Fünfter Teil: Obligationenrecht]). Er agiert „in enger Zusammenarbeit mit dem oberen
und obersten Führungskreis“, spricht strategische Fragestellungen „ggf. auch mit dem
Vorstandsvorsitzenden ab“ und nimmt eine „erfolgskritische Leitungsfunktion auf einer übergeordneten
Ebene“ wahr. Der Kläger ist damit verantwortlich für einen bestimmten Geschäftsbereich in einer
höherrangigen, nicht aber in der höchstrangigen Hierarchiestufe, in der typischerweise die
geschäftsleitenden Entscheidungen bei einer Kapitalgesellschaft getroffen werden. Wenn es in der
Arbeitsbestätigung vom 8. Januar 2013 heißt, der Kläger führe Verhandlungen über den Kauf von
Unternehmen oder Unternehmensteilen, so bleibt gerade die entscheidende Frage offen, ob er nämlich auch
die Kaufentscheidung selbst und allein trifft oder ob dies den geschäftsführenden Organen der
Kapitalgesellschaft vorbehalten bleibt.
54 Soweit im Streitfall eine Doppelbesteuerung womöglich dadurch eintritt, dass sowohl die Schweiz als auch
Deutschland den Arbeitslohn des Klägers, der anteilig auf seinem Tätigwerden in Deutschland, Frankreich
und Großbritannien beruht, besteuern, wäre diese gegebenenfalls im Wege einer zwischenstaatlichen
Verständigung (Art. 26 DBA-Schweiz 1992) zu beseitigen (vgl. BFH, Urteil vom 25. November 2014 I R
27/13, BStBl II 2015, 448 zum DBA-Österreich).
55 3. Die von den Beteiligten kontrovers erörterte Frage, ob Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 nur auf
Personen anwendbar ist, deren Funktion oder Prokura im Handelsregister eingetragen ist, bedarf im
vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung. Nach dem unter 2. gefundenen Ergebnis hat der Kläger bei
seinem schweizerischen Arbeitgeber schon keine Position im Sinne des Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz
1992 inne, sodass die Frage einer Eintragung in das Handelsregister dahin stehen kann.
56 II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
57 III. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.