Urteil des FG Baden-Württemberg vom 23.06.2016

einkünfte, grundsatz der unmittelbarkeit, steuerverwaltung, direkte bundessteuer

FG Baden-Württemberg Urteil vom 23.6.2016, 3 K 3089/13
Besteuerungsrecht für Einkünfte aus unselbständiger Arbeit eines unbeschränkt
steuerpflichtigen Arbeitnehmers aus einer auf französischem Territorium eines Schweizer
Flughafens ausgeübten Tätigkeit
Tenor
1. Die Klage wegen Einkommensteuer 2005 und 2006 wird abgewiesen.
2. Die Einkommensteueränderungsbescheide für 2007 und 2009 vom 20. November 2013 werden dahingehend
geändert, dass bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit für 2007 3.125,10 CHF (= 1.890,69 EUR) und
für 2009 4.786,25 CHF (= 3.158,92 EUR)
wie Werbungskosten berücksichtigt werden; im Übrigen wird die
Klage für 2007 und 2009 abgewiesen. Die Berechnung der Einkommensteuer wird dem Beklagten übertragen.
3. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu 86 %, der Beklagte zu 14 % zu tragen.
4. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
5. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine
Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren
Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur
Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Kostenrechnung widersprechen, wenn der Kläger nicht
zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat.
6. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Der am xx.xx. 1950 geborene Kläger, der ausschließlich die Schweizerische Staatsangehörigkeit besitzt,
wird für die Veranlagungszeiträume 2005-2007 und 2009 (Streitjahre) allein zur Einkommensteuer
veranlagt.
2
Der Kläger war mit der Schweizer Staatsbürgerin S B (im Folgenden: S. B.) verheiratet gewesen. Die Ehe
wurde am xx.xx. 2011 geschieden. Die (ehemaligen) Eheleute haben zwei Kinder. Die Eheleute trennten
sich (auf Wunsch des Klägers) zum 1. März 2003. Seither leben die Eheleute getrennt. Der Kläger hat zum
vorgenannten Zeitpunkt des Auszugs aus dem ehelichen Logis in X, Kanton Y, ... strasse x an seine
damalige Ehefrau die Schlüssel zum ehelichen Logis abgegeben (Hinweis auf die Trennungsvereinbarung
vom 22. März 2003, Bl. 20 ff. Beweismittelordner -BMO- I).
3
In einem Telefonat am 1. Februar 2012 mit dem Steuerfahnder, von der Steuerfahndungsstelle beim
Finanzamt A -Steufa- (Bl. 501 der Ermittlungsakten -EA- ) erklärte S. B., dass sie von ihrem
Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch mache. Hiervon unabhängig legte sie jedoch dar, dass sie schon seit
Jahren von dem Kläger getrennt lebe. S. B. erklärte des Weiteren, dass sie mit dem Kläger abgeschlossen
habe und diesem nicht mehr begegnen wolle.
4
Die Söhne des Klägers wohnten in den Streitjahren bei ihrer Mutter in X/CH, ... strasse x (s. I. der
Vereinbarung über die Scheidungsfragen vom 1. März 2011, Bl. 29 ff. BMO I).
5
Im Übrigen wird auf die Aussagen der Nachbarinnen von S. B., N T, ... strasse x in X -im Folgenden: N T (Bl.
499, 555-572 ff. EA) und die telefonische Auskunft der Frau R, ... strasse x in X (Bl. 497 EA) verwiesen.
6
N T erklärte bei ihrer Zeugenvernehmung durch die Steufa am 17. Februar 2012 (Bl. 555 ff. EA) u.a. auf die
Frage des Steuerfahnders, ob sie beobachtet habe, wie der Kläger ausgezogen sei (Bl. 561 EA):
7
Nein, das habe ich nicht beobachtet. Er ist heimlich ausgezogen. S. B. hat es uns aber erzählt. Kl ist schon
vor ca. 9 bis 11 Jahren ausgezogen. Er ist aber nach seinem Auszug einmal pro Woche immer Donnerstag
für eine oder eineinhalb Stunden noch zu Besuch gekommen und hat dann die Post dort abgeholt. Herr Kl
hatte dort bei seiner Familie noch seine Postadresse. S. B. hat dann immer zu ihm gesagt, er solle jetzt mal
die Postadresse ändern. Dass Herr Kl die Post dort noch erhalten hat, das hat mir S. B. nach seinem
Auszug erzählt. Ich meine die Kls haben sich letztes Jahr scheiden lassen. Seither habe ich ihn noch ein-
oder zweimal gesehen. Ich bin davon überzeugt, dass S. B. es den Kindern zuliebe akzeptiert hat, dass Kl
einmal in der Woche noch vorbeikam. Die Ehefrau und die Kinder haben unter der Trennung sehr gelitten.
S. B. ist eine sehr korrekte Person…..
8
Der mehrmaligen Aufforderung der Berichterstatter, seine Söhne und seine von ihm geschiedene Ehefrau als
Zeugen in einen Gerichtstermin beim Finanzgericht (FG) zu stellen, kam der Kläger ohne Angabe von
Gründen nicht nach (Hinweis auf die Niederschrift über den gemäß § 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung -FGO- angeordneten Termin zur Erörterung des Sach- und Streitstandes und zur
gütlichen Beilegung des Rechtsstreits vom 15. Dezember 2015 -im Folgenden: Erörterungstermin-). Im
Übrigen kam der Kläger auch der Aufforderung des Berichterstatters, die Nutzung der Wohnung in X/CH in
den Streitjahren substanziiert und detailliert darzulegen, nicht nach (Hinweis auf III.8. der Niederschrift I,
Bl. 281, 286 der FG-Akten).
9
Nach der Wohnsitzbescheinigung der Gemeinde X/CH vom 24. November 2009 war der Kläger unter der
„aktuellen Wohnadresse ... strasse x X“ in der Gemeinde X wohnhaft (Bl. 59 der ESt-Akten).
10 Zum 1. Februar 2003 mietete der Kläger die Wohnung (2 Zimmer mit Balkon, Badezimmer und
Speisekammer, Keller und ein Abstellplatz) im Gebäude ... weg x in W / Deutschland an (Hinweis auf den
Mietvertrag vom 27. November 2002, Bl. 681 ff. EA). Das Mietverhältnis endete zum 31. Juli 2006 (s. die
Heiz- und Nebenkostenabrechnung 2006 vom 10. Juli 2007, Bl. 693 EA und die Einzelabrechnung vom 23.
März des Streitjahres 2007 für den Zeitraum 1. Januar - 25. Juli des Streitjahres 2006, Bl. 657 ff. EA). In der
Zeit von Februar 2003 bis Juni 2005 wurde die Wohnung auch von der in der mündlichen Verhandlung als
Zeugin gehörten, damaligen Lebensgefährtin des Klägers, T. U. (im Folgenden: T. U. genutzt (s. die Aussagen
des Vermieters -im Folgenden: Vermieter am 19. März 2012 und TU am 2. Oktober 2012 gegenüber der
Steufa [Bl. 667 ff. EA bzw. Bl. 867 EA]).
11 Mit Kaufvertrag vom 20. März 2006 erwarb der Kläger das Flurstück ... gasse x in H / Deutschland zu einem
Kaufpreis von 170.000 EUR (Bl. 3 der ESt-Akten bzw. Einheitswertakten; Grundbuchauszug vom 14.
Dezember 2009, Bl. 33-47 BMO IV). Übergeben wurde das Grundstück am 21. April 2006. [ … ]
12 Nachdem der Kläger das Gebäude für ca. 80.000 EUR unter Mitwirkung der G. M. (im Folgenden: G. M.) als
Geldgeberin (s. das Schreiben der Volksbank W vom 22. Februar 2012 zu 3., Bl. 1 ff. BMO IV) und Gehilfin
renoviert hatte, betrieb er auf 287 qm eine Fremdenpension (s. Anlage V zur Einkommensteuererklärung für
das Streitjahr 2007, Bl. 20 ff. der ESt-Akten). Er nutzte zusammen mit G. M., mit der er seit dem 20. Mai
2011 verheiratet ist, den Wohnteil mit 150 m² zu eigenen Wohnzwecken (Hinweis auf das Schreiben des
Klägers vom 20. Dezember 2009, Bl. 94 der ESt-Akten).
13 Seit dem Jahr 2005 ist G. M. die Lebenspartnerin des Klägers, die nach dem Erwerb des Gebäudes
eingezogen ist (s. Aktenvermerk über die Befragung der G. M. am 14. Juli 2011 durch die Steufa, Bl. 305 ff.
EA). Seit dem 21. Juni des Streitjahres 2006 hatte der Kläger G. M. die Verfügungsberechtigung über sein
Konto bei der Volksbank W eingeräumt (Bl. 26 BMO II), über das die Lebenshaltungskosten bezahlt wurden
(Bl. 29-158 BMO II).
14 Nach den Angaben des Einwohnermeldeamtes H / Deutschland ist G. M. am 15. Februar des Streitjahres
2007 ... gasse x eingezogen, am 31. Dezember 2007 [ … ] weggezogen, am 1. Februar 2008 in H /
Deutschland wieder eingezogen, am 1. April des Streitjahres 2009 nach E, ... allee x weggezogen, am 30.
Juni des Streitjahres 2009 wieder in H / Deutschland eingezogen und am 23. Mai 2011 nach L/CH, ... strasse
x weggezogen (s. Bl. 851-857 EA). Nach der Auskunft des Einwohnermeldeamtes der Stadt E Baden-
Württemberg vom 28. Mai 2009 (Bl. 47 EA) war die zuletzt in E/Baden, ... allee x wohnhaft gewesene G. M.
unter Angabe der Anschrift L/CH, ... strasse x ins Ausland weggezogen.
15 Zum 30. Juni des Streitjahres 2009 meldete G. M. einen Betrieb [ … ] an unter der Betriebsstätte ... gasse x
in H / Deutschland. Es handelt sich um eine Wiedereröffnung nach einer Verlegung aus einem anderen
Meldebezirk (vgl. die Gewerbe-Anmeldung von der Gemeinde H / Deutschland, Bl. 861 EA). Das Gewerbe
wurde zum 1. Juni 2010 umgemeldet (s. die Gewerbe-Ummeldung vom 2. Juni 2006, Bl. 859 EA).Unter der
Anschrift ... strasse x in L/CH hat die Fa. [ ... ] einen Briefkasten (Hinweis auf den Handelsregisterauszug aus
dem Schweizerischen Handelsregister vom 21. September 2012, Bl. 829 ff. EA).
16 Im Schreiben des Bürgermeisteramtes H / Deutschland vom 13. November 2008 wird bestätigt, dass eine
Pension unter dem Namen des Klägers bei der Touristeninformation gemeldet ist (B. 313 BMO II).
17 Der Kläger ist nach der Meldebestätigung des Einwohnermeldeamtes H / Deutschland vom 24. September
2008 seit dem 26. September 2007 zur Zeit mit alleiniger Wohnung unter der Anschrift ... gasse x, xxxxx H
/ Deutschland gemeldet (Bl. 310-311 BMO II). Nach der Abmeldebestätigung der Gemeinde H / Deutschland
vom 29. Juni 2010 ist er nach den Streitjahren zum 1. Juni 2010 aus der Wohnung ... gasse x in H /
Deutschland ausgezogen und nach X/CH, ... strasse x umgezogen (Bl. 312 BMO II; Bl. 863 EA). Nach den
Angaben von G. M. am 14. Juli 2011 (Bl. 305-309 EA) gegenüber der Steufa sei der Kläger in eine
Einraumwohnung im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses in der ... strasse x in L/CH umgezogen, die
einem Freund mit Namen V. J. gehöre. Wo der wohne, wisse sie nicht. Die Wohnung sei mit einem Teppich
und einem Kühlschrank ausgestattet.
18 Der Kläger wurde ab dem 1. Februar 2007 für das Gebäude ... gasse x in H / Deutschland zur
Zweitwohnungssteuer veranlagt (s. 39 ff. der ESt-Akten).
19 Der Kläger arbeitete seit dem xx.xx. 1977 und auch in den Streitjahren als Arbeitnehmer der F AG (im
Folgenden: F-AG bzw. Arbeitgeberin). Die Arbeitsverträge vom [ … ] wurden dem Finanzgericht (FG) nicht
vorgelegt (s. den Schriftsatz der C AG vom 19. Januar 2011 zu Rz. 10 ff. -Bl. 276, 280 ff. BMO; II. der
Niederschrift vom 17. Dezember 2015 -Niederschrift I- über den Termin vom 16. Dezember 2015 zur
Erörterung des Sach- und Streitstandes und zur gütlichen Beilegung des Rechtsstreits [Erörterungstermin]
2015, Bl. 281 ff. der FG-Akten). Das Arbeitsverhältnis wurde von der F-AG zum xx.xx. 2010 fristlos
gekündigt (s. die Verfügung vom xx.xx. 2010 des Amtes für Wirtschaft und Arbeit Öffentliche
Arbeitslosenkasse [Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt des Kantons L-], Bl. 2 BMO I;
Schreiben der F-AG vom 6. April 2010, BMO II, Bl. 273).
20 Nach den Feststellungen des erkennenden Senats hat der Kläger in den Streitjahren ausschließlich („im
französischen Teil“) des Flughafens Basel-Mulhouse (EuroAirport Basel-Mulhouse Freiburg -im Folgenden:
Flughafen F-) gearbeitet (s. die Luftbildaufnahme lt. Bl. 170 der FG-Akten). [ … ]
21 Der Sitz und der Ort der Geschäftsleitung der F-AG befanden sich in den Streitjahren in L (Kanton L,
Confoederatio helvetica [Schweizerische Eidgenossenschaft] -im Folgenden auch: Schweiz[ … ]. Dort hat
sich der Kläger nur einmal aufgehalten, und zwar aus Anlass der Einweihung der neuen Firmenzentrale im
Jahr 20xx.
22 Am 26. Juni 2006 ging beim Beklagten (dem Finanzamt -FA-) der vom Kläger ausgefüllte Fragebogen zur
Prüfung inländischer Einkünfte ein (Bl. 4 der Einkommensteuerakten zur Steuernummer: xxxxx/xxxxx -ESt-
Akten II-). Hierin erklärt der Kläger unter Angabe der Anschrift ... strasse x, X/CH, dass er in der
Bundesrepublik Deutschland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt begründet habe.
Er wohne seit seiner Geburt im Ausland. Im Übrigen könne eine Postzustellung auch über ... gasse x, H /
Deutschland erfolgen. Aus diesem Grundstück würden Vermietungseinkünfte (200 EUR/pro Monat) erzielt.
23 Am 29. April 2008 reichte der Kläger eine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2006 für beschränkt
Steuerpflichtige beim FA ein und erklärte einen Werbungskostenüberschuss aus Vermietung und
Verpachtung von 10.504 EUR (= 1.066 EUR [Einnahmen] ./. 11.570 EUR [Werbungskosten]).
24 Am 21. Mai 2008 gab das FA für das Streitjahr 2006 einen Einkommensteuerbescheid und einen
Verlustfeststellungsbescheid zur Post. Die Einkommensteuer wurde auf 0 EUR festgesetzt.
Werbungskostenüberschüsse aus Vermietung und Verpachtung wurden mit 10.504 EUR berücksichtigt. Im
Verlustfeststellungsbescheid wurde ein verbleibender Verlustvortag in derselben Höhe festgestellt. Die
Bescheide wurden, weil sie nicht angefochten wurden, bestandskräftig.
25 Der Kläger reichte am 21. April 2009 für das Streitjahr 2007 und am 2. Februar 2011 für das Streitjahr 2009
Einkommensteuererklärungen (bezüglich des Streitjahres 2007 für beschränkt Steuerpflichtige) beim FA ein.
Im Übrigen gab er auch Erklärungen zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags ab. Er erklärte
bezüglich des Betriebs der Fremdenpension inländische Einkünfte in Gestalt von
Werbungskostenüberschüssen aus Vermietung und Verpachtung von 9.839 EUR (für das Streitjahr 2007)
und von 5.434 EUR (für das Streitjahr 2009). Nachdem der Kläger erstmals für das (nicht mehr
streitbefangene) Jahr 2008 Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung von 6.794 EUR erklärt hatte,
setzte er auch für das Streitjahr 2009 solche Einnahmen an (in Höhe von 14.916 EUR).
26 Im Rahmen der Veranlagung für das Streitjahr 2007 wies das FA den Kläger im Schreiben vom 5. Mai 2009
darauf hin (Bl. 28 der ESt-Akten), dass er nach den Angaben in der Einkommensteuererklärung und des
Einwohnermeldeamtes (s. die Datenabfrage vom 4. Mai 2009 nach § 139b der Abgabenordnung -AO-, Bl. 29
der ESt-Akten) in H / Deutschland einen Wohnsitz habe und damit gemäß § 1 Abs. 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. §§ 8 und 9 AO unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sei. Dies
gelte auch dann, wenn er einen weiteren Wohnsitz in der Schweiz habe. Der Kläger solle eine
Einkommensteuererklärung zur unbeschränkten Einkommensteuerpflicht unter Einbeziehung seines
Welteinkommens einreichen. Im Übrigen solle er angeben, in welchem Staat sein Mittelpunkt der
Lebensinteressen liege (Hinweis auf Art. 4 Abs. 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der
Steuern vom Einkommen und Vermögen vom 11. August 1971 [BGBl II 1972, 1022,BStBl I 1972, 519] -
DBA-Schweiz 1971-).
27 Daraufhin reichte der Kläger am 27. August 2009 beim FA eine Einkommensteuererklärung für
unbeschränkt Steuerpflichtige ein (Bl. 33 der ESt-Akten) und den von der F-AG am 31. Januar 2009
ausgestellten Lohnausweis mit einem Bruttolohn total von 81.770 CHF. Im Übrigen vertrat er unter Hinweis
auf die Bescheide des Bürgermeisteramtes H / Deutschland über die Zweitwohnungssteuer vom 30. Januar
2007 für die Wohnung ... gasse x in H / Deutschland (Bl. 32, 39-41 der ESt-Akten) die Auffassung, dass in H
/ Deutschland nur ein Zweitwohnsitz bestehe. Ansässigkeitsstaat sei weiterhin die Schweiz. Nach Art. 4
Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 i.V.m. Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe d DBA-Schweiz 1971 seien
seine Einkünfte aus unselbständiger Arbeit für die in der Schweiz ausgeübte Tätigkeit im Inland steuerfrei
(unter Progressionsvorbehalt).
28 Daraufhin forderte das FA mit Verfügung vom 2. November 2009 zur Bearbeitung der
Einkommensteuererklärung zusätzliche Angaben und Belege an (Bl. 43, 44 der ESt-Akten). Im Einzelnen
(wörtlich):
29 . Schweizerischer Steuerbescheid und Zahlungsnachweis über die bezahlte Steuer (50d Abs. 8
EStG; auf dem Lohnausweis ist keine einbehaltene Steuer ausgewiesen);
.
Von welchem Wohnsitz aus fährt der Steuerpflichtige regelmäßig zur Arbeitsstelle?
.
Zur Bestimmung der Ansässigkeit nach Art 4 DBA/Schweiz bitte ich um Beantwortung folgender
Fragen:
1.
Wie groß ist die Wohnung in der Schweiz?
2.
Erlauben Größe und Ausstattung der jeweiligen Wohnung einen ständigen Aufenthalt? Bitte
nähere Angaben zur Zahl der Zimmer, Ausstattung, Größe und Lage der Wohnanlage.
3.
Wie lange hielt/hält sich der Steuerpflichtige in der jeweiligen Wohnung tatsächlich auf?
4.
Wurde/wird die jeweilige Wohnung bei Abwesenheit der Steuerpflichtigen durch andere Personen
genutzt ?
5.
Wurden/werden für die Zeiten der jeweiligen Abwesenheit Zustellungsbevollmächtigte bestellt
bzw. Nachsendeanträge bei der Post hinterlegt?
6.
Wenn ja, bitte nähere Angaben.
7.
Welche Anschrift wurde/wird für Zeitschriftenabonnements bzw. andere wiederkehrende
Lieferungen oder Leistungen verwendet?
8.
Wo fanden in Krankheitsfällen Behandlungen -von Notfällen abgesehen- statt?
9.
Welche verwandtschaftlichen Beziehungen bestanden/bestehen in beiden Staaten?
10. Bestanden/bestehen darüber hinaus besondere persönliche Beziehungen zu Personen in einem der
beiden Staaten?
11. Wenn ja, welche?
12. Welche Mitgliedschaften in Parteien, Vereinen oder Verbänden bestehen in Deutschland und in der
Schweiz?
13. Wurde/wird ein Kfz unterhalten und wo war/ist es angemeldet?
30 Anschließend legte der Kläger dem FA eine Wohnsitzbescheinigung der Gemeinde X/CH vom 24. November
2009 vor (Bl. 59 ESt-Akten), nach der er in X/CH unter der aktuellen Wohnadresse ... strasse x wohnhaft
sei. Im Übrigen legte er noch Unterlagen der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) des Kantons Y vor
zur Staatssteuer (Bl. 55, 56 und 61 der ESt-Akten) und direkten Bundessteuer (Bl. 57, 58 und 61 der ESt-
Akten). Des Weiteren legte er u.a. dar (Bl. 54 der ESt-Akten), dass er in der Regel von seinem Wohnsitz
X/CH aus zur Arbeitsstelle fahre. Die 5-Zimmer-Wohnung in X/CH habe eine Wohnfläche von 115 qm und
erlaube einen ständigen Aufenthalt. Während der Arbeitstage halte er sich überwiegend in der Schweiz, an
Wochenenden in H / Deutschland auf. Die Wohnung in der Schweiz werde durch ihn -den Kläger- und seine
Familie (Ehefrau und 2 Kinder) genutzt, die Zweitwohnung in H / Deutschland durch ihn selbst. Persönliche
und verwandtschaftliche Beziehungen bestünden in der Schweiz, eine freundschaftliche zu G. M. in H /
Deutschland. Diese verwalte und betreue die Pension in H / Deutschland. Mitgliedschaften in Parteien und
Vereinen bestünden weder in der Schweiz noch in Deutschland.
31 Der Sachbearbeiter für internationales Steuerrecht beim FA vertrat im Aktenvermerk vom 26. Januar 2010
folgende Auffassung zur steuerlichen Behandlung des grenzüberschreitenden Sachverhalts (Bl. 63 der ESt-
Akten):
32
Der Steuerpflichtige hat einen Wohnsitz in H / Deutschland und ist damit gem. § 1 EStG unbeschränkt
einkommensteuerpflichtig. Nach seinen Angaben hat er einen weiteren Wohnsitz im ... strasse x, CH-X.
Dort befindet sich sein Familienwohnsitz und damit der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen. Die
Ansässigkeit iSd Art 4 DBA/Schweiz ist in der Schweiz anzunehmen. Da sowohl der Arbeitsort als auch die
Ansässigkeit sich in der Schweiz befinden, hat das Besteuerungsrecht für den Arbeitslohn die Schweiz. Der
Nachweis der Versteuerung und tatsächliche Entrichtung der Steuer ist erfüllt (§ 50d Abs. 8 EStG). Der
Lohn ist auch unter Anwendung der sog. überdachenden Besteuerung steuerfrei mit Anwendung des
Progressionsvorbehalts (Art. 4 Abs. 3 i.V.m. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1d DBA/Schweiz).
Die Ansässigkeit ist in den Folgejahren zu überprüfen (weiterhin Zahlung der Zweitwohnungssteuer,
Adressenangaben auf den eingereichten Unterlagen usw.). Möglicherweise hat sich der Steuerpflichtige
getrennt und ist als Grenzgänger zu veranlagen. Straßenentfernung H / Deutschland-L 86 km.
Der Fall kann hinsichtlich der erklärten ausl. Einkünfte wie erklärt veranlagt werden. Die EK aus VuV bitte
ich in eigener Zuständigkeit zu prüfen.
33 Daraufhin gab das FA am 1. Februar 2010 für das Streitjahr 2007 einen Einkommensteuerbescheid zur Post
(Bl. 805 EA), der, weil er nicht angefochten wurde, in formeller Hinsicht bestandskräftig wurde. Es folgte der
Auffassung des Sachbearbeiters für Internationales Steuerrecht und berücksichtigte nur die erklärten
Werbungskostenüberschüsse aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 9.839 EUR und setzte
demzufolge die Einkommensteuer auf 0 EUR fest. Daneben stellte es im Verlustfeststellungsbescheid vom 1.
Februar 2010 den verbleibenden Verlustvortrag in derselben Höhe fest. Dieser Bescheid wurde gemäß § 172
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a AO (s. den Aktenvermerk vom 3. Februar 2010, Bl. 64 der ESt-Akten)
zugunsten des Klägers geändert und der verbleibende Verlustvortrag auf 20.343 EUR festgestellt (s. den
Bescheid vom 9. Februar 2010).
34 Für das Streitjahr 2009 übersandte der Kläger dem FA die Anlage N-Gre und den Lohnausweis vom 6.
Februar 2010 (Bruttolohn total: 84.535 CHF, Bl. 105 ff. und 116 der ESt-Akten). Er vertrat dabei die
Auffassung, es handele sich um nach Doppelbesteuerungsabkommen/zwischenstaatlichen Übereinkommen
mit der Schweiz steuerfreien Arbeitslohn (Zeile 21 der Anlage N für 2009, Bl. 103 der ESt-Akten). Im -unter
dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen (§ 164 Abs. 1 Satz 1 AO)- Einkommensteuerbescheid vom 25.
Februar 2011 setzte das FA die Einkünfte des Klägers aus unselbständiger Arbeit für die F-AG mit 0 EUR an
und begründete dies damit, dass der vom Kläger -für die in der Schweiz ausgeübte Arbeit- bezogene
Arbeitslohn unter Progressionsvorbehalt freizustellen sei. Im Übrigen berücksichtigte das FA die vom Kläger
erklärten Werbungskostenüberschüsse aus Vermietung und Verpachtung von 5.434 EUR. Die
Einkommensteuer betrug 0 EUR.
35 Im Verlustfeststellungsbescheid vom 25. Februar 2011 wurde unter Berücksichtigung der
Werbungskostenüberschüsse aus Vermietung und Verpachtung von 5.434 EUR ein verbleibender
Verlustvortrag von 44.989 EUR festgestellt. Beide Bescheide wurden, weil sie nicht angefochten wurden, in
formeller Hinsicht bestandskräftig.
36 Im Anschluss an die anonyme Anzeige vom 15. Juni 2010 nahm die Steufa die Ermittlung der
Besteuerungsgrundlagen des Klägers auf, in deren Verlauf am 12. April 2011 wegen des Verdachts der
Einkommensteuerhinterziehung und Hinterziehung von Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer für die
Streitjahre 2006, 2007 und 2009 gegen den Kläger ein Steuerstrafverfahren eingeleitet wurde (s. den
Einleitungsvermerk gemäß § 397 Abs. 3 AO vom 23. Mai 2011, Bl. 183-191 EA). Die Einleitung des
Strafverfahrens wurde dem Kläger am 14. Juli 2011 bekanntgegeben (Tz. 2.2 Abs. 2 des Ermittlungsberichts
vom 2. Oktober 2012, Bl. 877 ff. EA). Zuvor hatte der mit der Steuerfahndungsprüfung beauftragte
Steuerfahnder im Rahmen von Vorfeldermittlungen am 29. September 2010 den Nachbarn T. O., ... gasse y
in H / Deutschland -im Folgenden: T. O. (B. 39 EA) und am 19. Oktober 2010 den Postzusteller P. L. vom
Zustellstützpunkt H / Deutschland (Bl. 43-54 EA) telefonisch befragt. Der Nachbar erklärte, dass der Kläger
unter der Adresse ... gasse x in H / Deutschland wohne, und der Postzusteller sagte aus, dass er ungefähr
alle zwei Wochen Post für den Kläger zustelle.
37 Mit Beschluss vom 9. Juni 2011 ordnete das Amtsgericht D auf Antrag der Straf- und Bußgeldsachenstelle
beim FA (im Folgenden: Strabu-Stelle) vom 24. Mai 2011 (Bl. 193 ff. EA) u.a. die Durchsuchung der Wohn-
und Geschäftsräume und anderer Räume usw. des Klägers in H / Deutschland, ... gasse x an. Wegen der am
14. Juli 2011 durchgeführten Durchsuchung wird auf den Durchsuchungs- und Beschlagnahmebericht der
Steufa verwiesen (Bl. 235 ff. EA). Insbesondere wird auf den Aktenvermerk vom 14. Juli 2011 über die
Darlegungen der Ehefrau des Klägers (Bl. 305-309 EA) und die bei der Durchsuchung im Gebäude ... gasse x
in H / Deutschland gemachten Fotografien Bezug genommen (Bl. 353-427 EA). Im Übrigen wird auf Tz. 2.5
des Ermittlungsberichts vom 2. Oktober 2012 in der Strafsache gegen den Kläger -im Folgenden:
Ermittlungsbericht- (Vernehmung von Zeugen u.a. am 14. Juli 2011 der Nachbarn T. O. [Bl. 281-289 EA], U.
G., ... gasse z in H / Deutschland [Bl. 237-257 EA], F. L., ... gasse zy in H / Deutschland, [Bl. 259-279 EA])
und zu den Sachverhaltsermittlungen der Steufa auf den Ermittlungsbericht Bezug genommen (Bl. 887 ff.
EA).
38 Mit dem Übergabevertrag vom 18. August 2011 übertrug der Kläger den im Vertrag zu § 1 II. näher
bezeichneten Grundbesitz ... gasse x in H / Deutschland unentgeltlich auf seine Ehefrau. Die Übertragung
erfolgte unter dem Vorbehalt des lebtäglichen Wohnrechts bzw. der Wohnungsreallast (§ 4 a.a.O.) und eines
Rücktrittvorbehalts zugunsten des Klägers (§ 5 a.a.O.).
39 Die Steufa vertrat im Ermittlungsbericht die Auffassung (Bl. 877 ff. EA), dass der Kläger in den Streitjahren
seinen Wohnsitz im Inland gehabt habe, in abkommensrechtlicher Hinsicht im Inland ansässig gewesen sei
und demzufolge mit seinen Einkünften (insbesondere aus nichtselbständiger Arbeit) i.S.v. § 2 Abs. 1 des
Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung (EStG 2005-2007/2009) der
Einkommensteuer unterliege.
40 Das FA folgte den Feststellungen der Steufa im erstmaligen Einkommensteuerbescheid vom 27. August 2012
für das Streitjahr 2005, im Einkommensteuerbescheid vom 28. August 2012 für das Streitjahr 2006 und in
den Einkommensteueränderungsbescheiden vom 27. August 2012 für die Streitjahre 2007 und 2009. Als
Änderungsbescheide wurden sie auf die Vorschrift des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO (für das Streitjahr 2007)
und auf § 164 Abs. 2 Satz 1 AO (für das Streitjahr 2009) gestützt. Zur Begründung führte das FA aus, dass
der Kläger seit dem 1. März 2003 seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland habe, und er damit im
Inland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sei. Aufgrund der Arbeitstätigkeit des Klägers in der Schweiz
habe der Kläger den Grenzgängerstatus i.S.d. Art. 15a DBA-Schweiz 1971 i.d.F. des Protokolls vom 21.
Dezember 1992 (BGBl II 1993, 1888, BStBl I 1993, 928) -DBA-Schweiz 1992 bzw. DBA-Schweiz
1971/1992- und deshalb unterlägen seine Einkünfte aus unselbständiger Arbeit der Besteuerung im Inland.
Eine Anrechnung einer Schweizerischen Quellensteuer (s. Art. 15a Abs. 1 Sätze 2 und 3 DBA-Schweiz
1971/1992 i.V.m. Art. 15a Abs. 3 Buchstabe b DBA-Schweiz 1971/1992 i.V.m. III. des
Verhandlungsprotokolls zum Änderungsprotokoll vom 18. Dezember 1991 -Verhandlungsprotokoll- [BGBl II
1993, 1889, BStBl I 1993, 929]) komme mangels eines entsprechenden Nachweises für die Streitjahre 2005
und 2006 nicht in Betracht. Für die Streitjahre 2007 und 2009 rechnete das FA die von der F-AG vom
Arbeitslohn des Klägers einbehaltene und an die ESTV abgeführte Schweizerische Quellensteuer auf Grund
eines entsprechenden Nachweises (für das Streitjahr 2007 Bl. 38-40 BMO I und für das Streitjahr 2009 Bl.
53-56 BMO I) außerhalb der Einkommensteuerfestsetzung im Rahmen der Anrechnungsverfügung nach
Umrechnung in EUR in Höhe von 1.861 EUR (für das Streitjahr 2007) und 2.031 EUR (für das Streitjahr
2009) an (gemäß Art. 15a Abs. 3 Buchstabe a DBA-Schweiz 1971/1992 i.V.m. Art. 15a Abs. 1 Satz 3 DBA-
Schweiz 1971/1992 und III. des Verhandlungsprotokolls).
41 Für das Streitjahr 2007 hat der Kläger insgesamt 3.125,10 CHF (= 237,30 CHF [Direkte Bundessteuer, BL.
39 BMO I] + 2.887,80 CHF [Staatssteuer, Bl. 40 BMO I]), für das Streitjahr 2009 4.786,25 CHF (= 1,721
CHF [Gemeindesteuer, Bl. 51-53 BMO I] + 289,90 CHF [Direkte Bundessteuer Bl. 54 BMO I] + 2.785,55
CHF [Staatssteuer, Bl. 50 BMO I]) entrichtet. Für die Streitjahre 2005 und 2006 liegen dem FG lediglich die
vom Kläger bei der ESTV eingereichten Steuererklärungen vor (Bl. 21 BMO I). Der Aufforderung des FG,
weitere Unterlagen vorzulegen, kam der Kläger zunächst nicht nach (s. das Schreiben auf „richterliche
Anordnung“ vom 19. Januar 2016, Bl. 298, 299 der FG-Akten). In der mündlichen Verhandlung legte der
Kläger eine „amtliche Bestätigung des Steuerdomizils“ der Finanz- und Kirchendirektion der
Steuerverwaltung des Kantons Y vom 3. Februar 2016 vor. Danach ist der Kläger im Kanton Y unter der
Personenidentifikationsnummer xxx registriert. Er sei in der Schweiz unbeschränkt steuerpflichtig und habe
vom 1. Januar 1975 bis 19. Juli 2010 den ordentlichen Staats-, Gemeinde- und direkten Bundessteuern
unterlegen.
42 Die vor der Steuerfahndungsprüfung ergangenen Verlustfeststellungsbescheide für die Streitjahre wurden
vom FA aufgehoben.
43 Die form- und fristgerecht gegen die zuvor erwähnten Einkommensteuer-(änderungs)bescheide eingelegten
Einsprüche wurden vom FA mit Einspruchsentscheidung vom 16. August 2013 als unbegründet
zurückgewiesen. Auf die hierzu dargelegten Gründe wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug
genommen.
44 Mit seiner form- und fristgerecht erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und trägt vor,
dass er im Inland mit seinen von der F-AG bezogenen Einkünften aus unselbständiger Arbeit nicht der
Besteuerung unterliege, weil er im Inland nicht ansässig gewesen sei. Wegen des weiteren Vortrags des
Klägers wird auf dessen Schriftsatz vom 17. März 2014 Bezug genommen.
45 Am 20. November 2013 gab das FA -außerhalb des Streitpunkts des vorliegenden Klageverfahrens-
Einkommensteueränderungsbescheide für die Streitjahre zur Post. Als Änderungsbescheide wurden sie auf
die Vorschrift des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a AO gestützt. Die
Einkommensteueränderungsbescheide wurden gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des
Klageverfahrens.
46 Der Kläger beantragt, die Einkommensteueränderungsbescheide für die Streitjahre 2005-2007/2009 vom
20. November 2013, die Einkommensteuer(änderungs)bescheide für die Streitjahre 2005, 2007 und 2009
vom 27. August 2012 und für das Streitjahr 2006 vom 28. August 2012 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 16. August 2013 (ersatzlos) aufzuheben.
47 Das FA beantragt, die Klage abzuweisen.
48 Zur Begründung verweist es auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.
49 In der mündlichen Verhandlung trug der Vertreter des FA vor, dass nicht beabsichtigt sei, die Französische
Steuerverwaltung (z.B. durch eine Spontanauskunft) darüber zu informieren, dass der Kläger mit seinen
hier in Rede stehenden Einkünften aus unselbständiger Arbeit der Besteuerung in Frankreich unterliege. Er
wisse aus seiner langjährigen Erfahrung auf dem Gebiet des internationalen Steuerrechts und insbesondere
auch aus Kontakten mit Französischen Finanzbeamten, dass in Frankreich sehr kurz bemessene
Verjährungsfristen bestünden. Deshalb halte er eine Steuerfestsetzung für die lange zurückliegenden
Streitjahre 2005-2007 und 2009 durch die Französische Steuerverwaltung für nicht mehr zulässig.
50 Am 2. April 2015, 17. Dezember 2015 und am 11. März 2016 fanden vor den Berichterstattern des
erkennenden Senats Erörterungstermine statt. Auf die den Beteiligten bekanntgegebenen Niederschriften
wird Bezug genommen. Im Erörterungstermin vom 11. März 2016 erklärte der Prozessbevollmächtigte, dass
er noch schriftsätzlich Stellung nehmen und ggf. auf mündliche Verhandlung verzichten werde. Der
Berichterstatter des erkennenden Senats setzte ihm hierzu eine Frist bis zum 31. März 2016. Im Schriftsatz
vom 31. März 2016 legte der Prozessbevollmächtigte dar, dass er bis zum 15. April 2016 die Sache
erledigen werde. Eine
schriftliche Stellungnahme zum Streitpunkt des vorliegenden Verfahrens erfolgte
nicht mehr.
51 Mit Verfügung vom 5. April 2016 wurden die Beteiligten zur mündlichen Verhandlung auf den 2. Juni 2016
geladen, nachdem der Prozessbevollmächtigte dem FG zuvor mitgeteilt hatte, dass der Kläger und seine
Ehefrau (G. M.) sich bis Mai auf Auslandsurlaub befänden (Schreiben vom 4. April 2016, Bl. 418 der FG-
Akten). Der am 8. April 2016 vom Prozessbevollmächtigten anschließend gestellte Antrag, den Termin zur
mündlichen Verhandlung zu verlegen, weil er am 2. Juni 2016 bereits einen anderweitigen Termin
wahrzunehmen habe (Bl. 473 der FG-Akten), wurde mit Verfügung vom 11. April 2011 abgelehnt im
Hinblick auf die Vielzahl der bisher stattgegebenen Verlegungsanträge (Bl. 475 der FG-Akten und
Aktendeckel der FG-Akten I). Hiergegen legte der Prozessbevollmächtigte am 18. April 2016 sofortige
Beschwerde ein (Bl. 482 der FG-Akten), und im Übrigen lehnte er den Vorsitzenden Richter des
erkennenden Senats wegen sachfremder Erwägungen aus Anlass der Ablehnung der Terminsverlegung
wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Anschließend hat das FG auf Veranlassung des Vorsitzenden
Richters des erkennenden Senats mit dem Prozessbevollmächtigten eine Verlegung des Termins zur
mündlichen Verhandlung auf den 23. Juni 2016 vereinbart. In der mündlichen Verhandlung nahm der Kläger
den Antrag wegen Besorgnis der Befangenheit zurück.
52 G. M. wurde vom erkennenden Senat zur mündlichen Verhandlung als Zeugin geladen. Sie erschien zur
mündlichen Verhandlung, verweigerte aber als Ehefrau des Klägers die Aussage. Die Aussagen der TU
wurden auf eine CD gebrannt. Die CD befindet sich bei den FG-Akten.
53 Dem erkennenden Senat lagen folgende Akten vor:
54 · 1 Band Einkommensteuerakten Band I Steuernummer: xxxxx/xxxxx
55 · 1 Band Einkommensteuerakten Band I Steuernummer: xxxxx/xxxxx
56 · 1 Band Rechtsbehelfsakten Steuernummer: xxxxx/xxxxx
57 · 1 Band Einheitswertakten Aktenzeichen -Az.- xxx
58 · 1 Band Einheitswertakten unbebaute Grundstücke Az.: xxx
59 · 1 Band Einheitswertakten Az.: xxxxx
60 · 4 Bände Beweismittelordner (I-IV) Auftragsbuchnummer Steufa D
1 Band Ermittlungsakten
Entscheidungsgründe
61 Die Klage ist hinsichtlich der Streitjahre 2005 und 2006 unbegründet. Für die Streitjahre 2007 und 2009
ist sie zu einem geringen Teil begründet und im Übrigen unbegründet.
62 I. Der Kläger war in den Streitjahren im Inland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.
63 1. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG 2005-2007/2009 sind natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz
haben, unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Nach § 8 AO hat jemand dort einen Wohnsitz, wo er eine
Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und
benutzen wird. Ein Wohnsitz setzt nicht voraus, dass der Steuerpflichtige von dort aus seiner täglichen
Arbeit nachgeht. Ebenso wenig ist es erforderlich, dass der Steuerpflichtige sich während einer Mindestzahl
von Tagen oder Wochen im Jahr in der Wohnung aufhält (BFH-Urteil vom 19. März 1997 I R 69/96, BStBl II
1997, 447, Entscheidungsgründe zu II.3.). Das Vorliegen einer Wohnung setzt weder einen ständigen noch
einen zeitlich überwiegenden Aufenthalt an dem betreffenden Ort voraus (BFH-Urteil vom 24. April 2007 I
R 64/06, BFH/NV 2007, 1893, Entscheidungsgründe zu II.1.c). Es genügt, dass sich der Steuerpflichtige mit
einer gewissen Regelmäßigkeit und Gewohnheit in der Wohnung aufhält (BFH-Urteil vom 17. Mai 1995 I R
8/94, BStBl Il 1996, 2, Entscheidungsgründe zu II.1.).
64 Ob die Voraussetzungen des § 8 AO erfüllt sind, ist nach den objektiv erkennbaren Umständen zu
beurteilen (BFH-Urteil vom 22. August 2007 III R 89/06, BFH/NV 2008, 351), wobei alle Umstände
herangezogen werden können, die nach der Lebenserfahrung den Schluss erlauben, dass der
Steuerpflichtige die Wohnung innehat, um sie als solche zu benutzen (BFH-Urteil in BStBl II 1997, 447,
Entscheidungsgründe zu II.3.). Der Wille des Steuerpflichtigen kann nur insoweit berücksichtigt werden,
als er sich objektiv nach außen manifestiert (Buciek in: Beermann/Gosch, Steuerliches Verfahrensrecht, AO,
FGO, Nebengesetze, Kommentar, AO § 8, Anm. 38).
65 2.a) Nach diesen Rechtsgrundsätzen hatte der Kläger in den Streitjahren 2005 und 2006 (bis etwa im Juli)
in W / Deutschland im ... weg x seinen Wohnsitz. Er hatte dort nach den objektiv erkennbaren Tatsachen
eine Wohnung inne. Die Wohnung bestand nach den Angaben im Mietvertrag vom 27. November 2012 (Bl.
681 ff. EA) aus zum dauerhaften Wohnen geeigneten Räumlichkeiten (2 Zimmer, 1 Bad mit Einrichtung, 1
Diele, 1 Speisekammer, 1 Balkon und 1 Keller), die der Kläger -wie sich den Verbrauchsabrechnungen und
den Aussagen seiner damaligen Lebensgefährtin, der vom erkennenden Senat als Zeugin gehörten TU
unzweifelhaft entnehmen lässt- auch tatsächlich zu Wohnzwecken regelmäßig genutzt hat (s. die
Einzelabrechnungen für den Zeitraum 1. Januar des Streitjahres 2005 bis zum 25. Juli des Streitjahres
2006, Bl. 653-661 EA).
66 Die Wohnung war eine den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers entsprechende
Bleibe. Dies ergibt sich u.a. aus den glaubhaften Aussagen der Zeugin T U, mit der der Kläger bis Mitte des
Streitjahres 2005 in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammengelebt hat. Deren Aussagen hat
der Kläger nicht widersprochen.
67 Aufgrund des von ihm als Mieter abgeschlossenen Mietvertrags hatte der Kläger im Übrigen auch die -für
die Annahme des Wohnsitzes- erforderliche eigene Verfügungsmacht über die zum Aufenthalt geeigneten
und entsprechend eingerichteten Räume im ... weg x in W / Deutschland. Des Weiteren hat der Kläger
diese Wohnung regelmäßig genutzt. Er ist -wie die Zeugin TU zur Überzeugung des erkennenden Senats
dargelegt hat- jeden Tag morgens von der Wohnung in W / Deutschland zu seinem Arbeitsort nach F
gefahren und abends wieder dorthin zurückgekehrt. Dieser Sachverhalt wird im Übrigen auch durch die
Aussagen des Vermieters, [ … ] bei seiner Vernehmung als Zeuge durch die Steufa am 19. März 2012
bestätigt. Danach hat der Kläger dem Zeugen [ … ] erzählt, dass er von der Wohnung über die Autobahn
schnell in F sei, wo er arbeite (Bl. 667 [671]).
68 Eine Berücksichtigung dieser -gegenüber den Beamten der Steuerfahndung gemachten- Aussagen des
Zeugen [ ... ] im vorliegenden Klageverfahren ist zulässig, ohne dass der erkennende Senat gegen seine
Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) und gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der
Beweisaufnahme (§ 81 Abs. 1 FGO) verstoßen hat. Der Kläger hatte bei der Akteneinsicht in die
Ermittlungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Gelegenheit, die Aussagen des [ ...
] zur Kenntnis zu nehmen. Einwendungen gegen die Aussagen des Zeugen [ ... ] wurden nicht erhoben.
Einen Beweisantrag, den [ ... ] als Zeuge im vorliegenden Klageverfahren zu vernehmen, hat der Kläger
nicht gestellt. Aus diesen Gründen drängte sich dem erkennenden Senat eine Vernehmung von [ ... ] als
Zeugen nicht auf (BFH-Beschluss vom 19. Januar 2012 VII B 88/11, BFH/NV 2012, 761; Schallmoser in:
Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, FGO § 81 Anm. 30 mit
weiteren Nachweisen). Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass der Kläger seine Einwendungen gegen
die Annahme eines Wohnsitzes in W / Deutschland im Erörterungstermin vom 15. Dezember 2015 und in
der mündlichen Verhandlung nicht mehr weiterverfolgt hat (s. IV.6. der Niederschrift I).
69 b) Seit dem Frühjahr des Streitjahres 2006 hatte der Kläger für den verbleibenden streitbefangenen
Zeitraum in H / Deutschland im Gebäude ... gasse x seinen Wohnsitz i.S.d. § 8 AO. Er hatte dort nach den
objektiv erkennbaren Tatsachen eine Wohnung inne. Die dortige Wohnung mit 150 m² (= 34,32 % der
Gesamtfläche), die er mit seiner damaligen Lebensgefährtin und späteren Ehefrau G. M. nutzte, bestand
aus zu dauerhafter Nutzung als Wohnung geeigneten Räumen. Hierüber bestand zwischen den Beteiligten
kein Streit. Die Eignung, die Räume zu Wohnzwecken zu nutzen, ergibt sich im Übrigen anhand der
Aufnahmen, die die Steufa am Tag der Durchsuchung am 14. Juli 2011 gemacht hat (Bl. 353-421 EA).
Diesen ist in eindeutiger, nicht zweifelhafter Weise zu entnehmen, dass die Wohnung zum dauerhaften
Wohnen eingerichtet war. Dass sich die Verhältnisse im Zeitpunkt der Aufnahme der Bilder gegenüber
denjenigen in den Streitjahren geändert hatten, wurde weder vom Kläger vorgetragen noch ergeben sich
hierfür Hinweise aus den dem FG vorliegenden Akten. Die Wohnung stellte eine den persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers entsprechende Bleibe dar. In der Wohnung waren alle für einen
Aufenthalt erforderlichen persönlichen Gegenstände vorhanden (z.B. Kleidungsstücke [Krawatten,
Unterwäsche, Anzüge] und Schuhe usw., Waschutensilien für den Kläger, Medikamente, berufliche
Unterlagen und die Freizeitgestaltung betreffende Gegenstände usw.).
70 Aufgrund des am 20. März des Streitjahrs 2006 abgeschlossenen Kaufvertrags hatte der Kläger im Übrigen
auch die -für die Annahme des Wohnsitzes- erforderliche eigene Verfügungsmacht über die zum Aufenthalt
geeigneten und entsprechend eingerichteten Räume ... gasse x in H / Deutschland. Des Weiteren hat der
Kläger diese Wohnung regelmäßig genutzt. Er ist -wie den Darlegungen des Nachbarn T. O. bei seiner
Vernehmung durch Beamte der Steuerfahndung am 14. Juli 2011 als Zeuge zu entnehmen ist (Bl. 281 ff.
EA)- an Werktagen regelmäßig morgens gegen 7.00 Uhr von seiner Wohnung in H / Deutschland zu seinem
Arbeitsort gefahren und abends gegen 17.30 Uhr wieder zurückgekehrt (wegen weiterer Einzelheiten: Bl.
287 EA).
71 Eine Berücksichtigung dieser -gegenüber den Beamten der Steuerfahndung gemachten- Aussagen des
Zeugen T. O. im vorliegenden Klageverfahren ist zulässig, ohne dass der erkennende Senat gegen seine
Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) und gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der
Beweisaufnahme (§ 81 Abs. 1 FGO) verstoßen hat. Der Kläger hatte bei der Akteneinsicht in die
Ermittlungsakten der Steufa, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Gelegenheit, die
Aussagen des T. O. zur Kenntnis zu nehmen. Einwendungen gegen diese zuvor wiedergegebenen
Aussagen wurden nicht erhoben. Einen Beweisantrag, T. O. als Zeugen im vorliegenden Klageverfahren zu
vernehmen, hat der Kläger nicht gestellt. Aus diesen Gründen drängte sich dem erkennenden Senat dessen
Vernehmung als Zeugen nicht auf (BFH-Beschluss in BFH/NV 2012, 761; Schallmoser in:
Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, FGO § 81 Anm. 30 mit
weiteren Nachweisen). Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass der Kläger seine Einwendungen gegen
die Annahme eines Wohnsitzes in H / Deutschland im Erörterungstermin vom 15. Dezember 2015 und in
der mündlichen Verhandlung nicht mehr weiterverfolgt hat (s. IV.6. der Niederschrift I).
72 c) Des Weiteren berücksichtigt der erkennende Senat im zuvor dargelegten Zusammenhang, dass -
unberührt von den zuvor dargelegten Erwägungen- der Kläger entgegen seinem Vorbringen in X/CH im ...
strasse x in den Streitjahren keinen Wohnsitz (mehr) hatte.
73 aa) Das Vorliegen einer Wohnung setzt neben der Nutzungsmöglichkeit voraus, dass die Wohnung dem
Steuerpflichtigen in dem maßgeblichen Zeitraum als Bleibe dient (BFH-Urteil vom 26. Januar 2001 VI R
89/00, BFH/NV 2001, 1018). Das ist dann der Fall, wenn sie entweder ständig oder mit einer gewissen
Regelmäßigkeit zu Wohnzwecken aufgesucht wird (BFH-Urteil vom 23. November 2000 VI R 165/99, BStBl
II 2001, 279) oder zumindest für eine solche Nutzung bereitgehalten wird (BFH-Urteil vom 17. Mai 1995 I
R 8/94, BStBl II 1996, 2). Ein nur gelegentliches Verweilen während unregelmäßig aufeinander folgender
kurzer Zeiträume zu Besuchszwecken reicht nicht aus (BFH-Urteile vom 23. November 1988 II R 139/87,
BStBl II 1989, 182; in BStBl II 1994, 887; jeweils mit weiteren Nachweisen).
74 bb) Nach diesen Rechtsgrundsätzen hat die Wohnung in X/CH, nachdem der Kläger sich zum 1. Januar
2003 von seiner damaligen Ehefrau getrennt, aus dem ehelichen Logis ausgezogen, die Schlüssel zum
ehelichen Logis abgegeben hatte, dem Kläger nicht mehr -wie für die Annahme eines Wohnsitzes
erforderlich- als Bleibe zur Verfügung gestanden. Sie diente dem Kläger nur noch als Postanschrift. Er holte
lediglich die dort für ihn eingegangene Post regelmäßig donnerstags ab, wobei er sich bei diesen
Gelegenheiten nur sehr kurz in der Wohnung aufgehalten hat. Das Postabholen erledigte der Kläger auf
dem Heimweg von seinem Arbeitsort F, wobei sich die Dauer der Heimfahrt um ca. zwei Stunden
verlängerte. Dies hat die Zeugin TU ohne Widerspruch des Klägers und hiervon unabhängig einleuchtend
vorgetragen. Ihren in sich schlüssigen Aussagen folgt der erkennende Senat ohne Bedenken. Bestätigt wird
deren Aussage durch die Darlegungen der Nachbarin von S. B., NT als Zeugin gegenüber der Steufa am 17.
Februar 2012 (Bl. 561 EA): Der Kläger habe bei seiner Familie nur noch eine Postadresse gehabt, wobei
seine damalige Ehefrau (S. B. dies nur den gemeinsamen Kindern zuliebe akzeptiert hat. Der erkennende
Senat berücksichtigt in diesem Zusammenhang die Niederschrift, die die Steufa über die
Zeugenvernehmung der NT angefertigt hat, weil diese wegen ihres Wohnsitzes in der Schweiz für die
Erhebung eines unmittelbaren Beweises durch eine Vernehmung bezüglich dieses Auslandssachverhalts (§
90 Abs. 2 AO) vor dem erkennenden Senat nicht erreichbar war (BFH-Urteil vom 26. April 1988 VII R
106/85, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -HFR- 1988, 558). Die Zeugin NT wurde vom Kläger
(trotz mehrfacher Hinweise durch die Berichterstatter im vorliegenden Verfahren) ebenso wie seine Kinder
und seine inzwischen vom ihm geschiedene Ehefrau S. B. nicht in der mündlichen Verhandlung als Zeugin
gestellt (Hinweis auf den BFH-Beschluss vom 7. Juli 2007 VIII B 106/07, BFH/NV 2008, 2028; Herbert in:
Gräber, FGO, Kommentar, 8. Aufl., § 76 Anm. 42 mit umfangreichen Nachweisen zur Rechtsprechung des
BFH).
75 cc) Im Übrigen kam der Kläger der Aufforderung des Berichterstatters des erkennenden Senats nicht nach
(ohne Angabe von Gründen), eine substantiierte und detaillierte Beschreibung der Nutzung der Wohnung
in X/CH darzulegen und zu beweisen (III.8. der Niederschrift I). Damit hat der Kläger gegen den
allgemeinen Prozessgrundsatz verstoßen, nach dem er an der Aufklärung des Prozessstoffes mitwirken
muss und die Aufklärung eines unklaren Sachverhalts vor allem Sache desjenigen ist, der dem Sachverhalt
am nächsten steht, und ihn deshalb der Nachteil trifft, wenn der Sachverhalt nicht (restlos) aufgeklärt
werden kann (BFH-Urteil vom 13. November 1985 I R 7/85, BFH/NV 1986, 638). Hat demnach der Kläger
infolge der Verletzung seiner Mitwirkungspflichten nicht den Nachweis dafür erbracht, dass ihm die
Wohnung in X/CH in den Streitjahren als Bleibe diente, so war dieser Umstand im Rahmen der dem
erkennenden Senat obliegenden freien Beweiswürdigung dahin zu werten, dass die Wohnung in X/CH vom
Kläger tatsächlich nicht mit einer gewissen Regelmäßigkeit zu Wohnzwecken genutzt wurde, und er damit
dort keinen Wohnsitz i.S.d. § 8 AO innehatte.
76 II. Die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht des Klägers infolge seiner inländischen Wohnsitze in den
Streitjahren hat zur Folge, dass sich nach dem Welteinkommensprinzip die inländische Steuerpflicht auf alle
steuerbaren Einkünfte des Klägers erstreckt und zwar unabhängig davon, ob sie aus dem Inland oder -wie
zum Beispiel im Streitfall- aus dem Ausland stammen (§ 1 Abs. 1 EStG 2005-2007/2009 i.V.m. § 2 Abs. 1
EStG 2005-2007/2009). Danach ist der Kläger mit seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit für
seine in einem ausländischen Staat (hier: Frankreich) für die F-AG ausgeübte Arbeit unbeschränkt
einkommensteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 EStG 2005-2007/2009 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und § 19 EStG
2005-2007/2009 ; § 34d Nr. 5 Satz 1 EStG 2005-2007/2009).
77 III. In abkommensrechtlicher Hinsicht unterliegt der Kläger entgegen der Auffassung der Beteiligten mit
seinen Einkünften aus unselbständiger Arbeit nicht der Grenzgängerregelung nach Art. 15a
DBA-Schweiz
1971/1992
(siehe nachfolgend zu 1.), sondern der Regelung über die Einkünfte aus unselbständiger Arbeit
gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1
des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und
der Französischen Republik
zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts-
und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der
Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 21. Juli 1959 (BGBl II 1961, 397, BStBl I 1961, 342) i.d.F. des
Revisionsprotokolls vom 9. Juni 1969 (BGBl II 1970, 719, BStBl I 1970, 902) und des Zusatzabkommens
vom 20. Dezember 2001 (BGBl II 2002, 2370, BStBl I 2002, 891) -DBA-Frankreich 1959- (siehe
nachfolgend zu 2.).
78 1. Nach Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/1992 ist ein Grenzgänger i.S.d. Art. 15a Abs. 1 DBA-
Schweiz 1971/1992 jede in einem Vertragstaat (hier: Bundesrepublik Deutschland) ansässige Person, die in
dem anderen Staat (hier: Schweiz) ihren Arbeitsort hat und von dort regelmäßig an ihren Wohnsitz
zurückkehrt. Die Voraussetzungen für die Annahme, dass der Kläger in den Streitjahren den Status eines
Grenzgängers hatte mit der Folge eines Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich
seiner Vergütungen von der F-AG (Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/1992), liegen nicht vor.
79 a) Der Kläger war zwar in den Streitjahren ausschließlich im Inland ansässig nach Art. 4 Abs. 1 DBA-
Schweiz 1971 (i.V.m. Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/1992), weil er nach den Feststellungen
des erkennenden Senats im Inland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig (s. zuvor II.) und nach
Schweizerischem Recht in der Schweiz nicht unbeschränkt steuerpflichtig war. Er hatte nach der -auf der
Grundlage der Trennungsvereinbarung vom 20. März 2003 zum 1. März 2003 vollzogenen- tatsächlichen
und rechtlichen Trennung von seiner in der Schweiz lebenden damaligen Ehefrau an deren Wohnort in
X/CH in den Streitjahren keinen steuerrechtlichen Wohnsitz oder Aufenthalt mehr (vgl. zuvor zu I.2.c).
80 Hierzu hätte er sich mit der Absicht dauernden Verbleibens in der Schweiz aufhalten müssen (Urteil des
Schweizerischen Bundesgerichts -BGer- vom 7. November 2012 2C_452/2012, 2C_453/2012 in:
Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschland B.4.2 Nr. 69).Nach
Art. 3 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die direkten Steuern vom 14. Dezember 1990 -DBG- SR 642.11,
www.admin.ch) und Art. 3 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der direkten Steuern der
Kantone und Gemeinden vom 14. Dezember 1990 -StHG- [SR 642.14] sind natürliche Personen aufgrund
persönlicher Zugehörigkeit in der Schweiz steuerpflichtig, wenn sie ihren steuerpflichtigen Wohnsitz oder
Aufenthalt in der Schweiz bzw. im Kanton haben (s. § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Gesetzes über die
Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Y vom 7. Februar 1974 in der in den Streitjahren geltenden
Fassung -StG/BL- und § 8 Abs. 5 StG/BL). Dies war jedoch in den Streitjahren nicht der Fall. Der Kläger war
nach den zuvor vorgenannten Schweizer Bestimmungen und der hierzu ergangenen Rechtsprechung nicht
kraft persönlicher Zugehörigkeit in der Schweiz steuerpflichtig, weil er keinen steuerrechtlichen Wohnsitz
auf dem Hoheitsgebiet der Schweiz hatte. Er besuchte die Wohnung in X/CH, nachdem er seine Familie
zum 1. März 2003 verlassen hatte, nur, um die dort für ihn eingegangene Post abzuholen. Unter der
Anschrift der Wohnung unterhielt er lediglich eine Postanschrift. Im Übrigen hatte der Kläger in den
Streitjahren Lebensgefährtinnen, mit denen er im Inland in Wohnungen zusammenlebte, die er nach den
Umständen im vorliegenden Fall innehatte und auch tatsächlich beibehalten und genutzt hat (s. zuvor I.).
81 b) Jedoch hatte der Kläger nach den Feststellungen des erkennenden Senats nicht -wie für die Anwendung
des Art. 15a Abs. 1 DBA-Schweiz 1971/1992 zwingend geboten- seinen Arbeitsort auf dem Hoheitsgebiet
der Schweiz (s. II.1. der Niederschrift I), von dem er regelmäßig an seinen Wohnsitz im Inland hätte
zurückkehren müssen (Art. 15a Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Satz 2 DBA-Schweiz 1971/1992). Denn der Kläger
hielt sich in den Streitjahren nicht in der Schweiz auf, um dort seine Arbeit tatsächlich auszuüben (BFH-
Beschlüsse vom 8. Dezember 2010 I B 94/10, BFH/NV 2011, 802; vom 16. Mai 2002 I B 80/01, BFH/NV
2002, 1423), sondern auf Französischem Territorium (siehe nachfolgend zu 2.). Der Umstand, dass die
Arbeitgeberin des Klägers, die F-AG, ihren Sitz und den Ort der Geschäftsleitung in der Schweiz hatte,
spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle (Senatsurteil vom 5. Juni 2008 3 K 147/07, EFG 2009, 1399,
juris; insoweit bestätigt und aus anderen Gründen aufgehoben: BFH-Urteile vom 2. März 2010 I R 75/08,
BFH/NV 2010, 1820, Entscheidungsgründe zu II.2.; vom 17. November 2010 I R 76/09, BStBl II 2012, 276
zu II.7.c)bb); s. Fach A Teil 2 Nummer 13 des Grenzgängerhandbuchs der Finanzverwaltung Baden-
Württemberg -im Folgenden: Grenzgängerhandbuch-).
82 2. Nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 DBA-Frankreich 1959 können Einkünfte aus unselbständiger Arbeit
vorbehaltlich der Vorschriften der nachstehenden Absätze nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in
dem die persönliche Tätigkeit, aus der die Einkünfte herrühren, ausgeübt wird. Nach Art. 20 Abs. 1
Halbsatz 1 Buchstabe a Halbsatz 2 DBA-Frankreich 1959 wird die Doppelbesteuerung bei in der
Bundesrepublik Deutschland ansässigen Personen hinsichtlich der hier in Rede stehenden Einkünfte aus
unselbständiger Arbeit nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 DBA-Frankreich 1959 dadurch vermieden, dass von der
Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer die aus Frankreich stammenden Einkünfte ausgenommen
werden, die nach diesem Abkommen besteuert werden können. Der Bundesrepublik Deutschland bleibt das
Recht, die auf diese Weise von der inländischen Besteuerung ausgenommenen Einkünfte bei der
Festsetzung des Steuersatzes zu berücksichtigen (Art. 20 Abs. 1 Halbsatz 1 Buchstabe a Halbsatz 2 DBA-
Frankreich 1959).
83 a) Danach sind die streitigen Einkünfte des Klägers aus unselbständiger Arbeit von der
Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer ausgenommen und damit im Inland steuerfrei (unter
Progressionsvorbehalt, § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG 2005-2007/2009).
84 aa) Der Kläger war in den Streitjahren im Inland ansässig i.S.v. Art. 20 Abs. 1 Halbsatz 1 Buchstabe a
Halbsatz 2 DBA-Frankreich 1959 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe a DBA-Frankreich 1959. Nach dieser
Bestimmung bedeutet „eine in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Person“ (in Art. 20 Abs. 1
Halbsatz 1 Buchstabe a Halbsatz 2 DBA-Frankreich 1959), dass sie nach dem Recht dieses Staates (hier:
der Bundesrepublik Deutschland) dort auf Grund (u.a.) ihres Wohnsitzes steuerpflichtig ist. Der Kläger war
in den Streitjahren auf Grund seines Wohnsitzes in W / Deutschland und H / Deutschland in Inland
(einkommen)steuerpflichtig. Zur Begründung wird, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die Erwägungen
zu I. Bezug genommen.
85 bb) Im Streitfall hat Frankreich das Besteuerungsrecht hinsichtlich der Einkünfte des Klägers aus
unselbständiger Arbeit, weil der Kläger gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 DBA-Frankreich 1959 die persönliche
Tätigkeit, aus der seine Einkünfte aus unselbständiger Arbeit herrühren, auf Französischem Hoheitsgebiet
ausgeübt hat. F, wo der Kläger in den Streitjahren ausschließlich und tatsächlich gearbeitet hat, liegt auf
Französischem Hoheitsgebiet ([ … ]).
86 b) Auf der Grundlage der Grenzgängerregelung in Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich 1959, die dem Art. 13
Abs. 1 Satz 1 DBA-Frankreich 1959 vorgeht, ergibt sich kein Besteuerungsrecht der Bundesrepublik
Deutschland hinsichtlich der hier in Rede stehenden Einkünfte des Klägers aus unselbständiger Arbeit.
87 aa) Nach Art. 13 Abs. 5 Buchstabe a DBA-Frankreich 1959 können abweichend von Absatz 1 (siehe zuvor
zu 2.a) Einkünfte aus unselbständiger Arbeit von Personen, die im Grenzgebiet eines Vertragsstaates (hier:
Frankreich) arbeiten und ihre ständige Wohnstätte, zu der sie in der Regel zurückkehren, im Grenzgebiet
des anderen Staates (hier: Bundesrepublik Deutschland) haben, nur in diesem Staat (hier: in der
Bundesrepublik Deutschland) besteuert werden. Danach kommt ein Besteuerungsrecht hinsichtlich der
Einkünfte des Klägers aus unselbständiger Tätigkeit nicht in Betracht, weil der Kläger seine ständige
Wohnstätte, zu der er in der Regel jeden Tag von seinem Arbeitsort F im Grenzgebiet in Frankreich
zurückkehrte, nicht im Grenzgebiet der Bundesrepublik Deutschland hatte.
88 bb) Seine ständigen Wohnstätten hatte der Kläger in den Streitjahren in W / Deutschland und H /
Deutschland, weil die Wohnungen a.a.O. nach Art und Einrichtung zum Wohnen geeignet waren, der
Kläger über sie ständig verfügen konnte und sie regelmäßig genutzt hat (Hinweis auf die BFH-
Entscheidungen vom 30. September 2015 I B 29/14, BFH/NV 2016, 557; vom 5. Juni 2007 I R 22/06, BStBl
II 2007, 812; vom 16. Dezember 1998 I R 40/97, BStBl II 1999, 207; Wassermeyer/Kaeser in:
Wassermeyer, Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, Art. 4 MA Rn. 53 ff. mit umfangreichen
Nachweisen). Beide Gemeinden liegen jedoch außerhalb des Grenzgebiets i.S.d. Art. 13 Abs. 5 Buchstabe b
DBA-Frankreich 1959 (Hinweis auf die Aufstellung der in den Streitjahren zum Grenzgebiet im Sinne des
Art. 13 Absatz 5 Buchstabe b DBA-Frankreich 1959 zählenden deutschen Städte und Gemeinden:
Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen -BMF- vom 1. Juli 1985 IV C 5-S 1301 Fra-108/85, BStBl I
1985, 310; Hinweis auf die Aufstellung der zum Grenzgebiet im Sinn des Artikels 13 Abs. 5 Buchstabe b
des Abkommens zählenden deutschen Städte und Gemeinden lt. der Anlage 1 zu § 5 Abs. 1 der am 1.
Januar 2010 in Kraft getretenen Verordnung zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik [Deutsch-Französische
Konsultationsvereinbarungsverordnung -KonsVerFRAV-] vom 20. Dezember 2010, BStBl I 2011, 104; BGBI
I 2010, 2138), so dass eine inländische Besteuerung des Klägers als Grenzgänger mit seinen von der F-AG
bezogenen Vergütungen ausscheidet.
89 IV. Die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit unterliegen der Besteuerung im Inland nach
dem verfassungskonformen (Beschluss des Bundesverfassungsgericht -BVerfG- vom 15. Dezember 2015 2
BvL 1/12, Deutsches Steuerrecht -DStR- 2016, 359), mit Wirkung ab dem Jahr 2004 in der Fassung des
Zweiten Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz 2003 vom 15.
Dezember 2003 -StÄndG 2003- BGBl I 2003, 2645) -EStG 2002 n.F.- in das EStG eingefügten § 50d Abs. 8
Satz 1 EStG 2002 n.F. (i.V.m. § 52 Abs. 1 EStG i.d.F. des StÄndG 2003).
90 1. Nach § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG 2002 n.F. wird die Freistellung bei der Veranlagung nur gewährt, wenn
die Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) nach einem
Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer
auszunehmen sind, soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass der Staat, dem nach dem Abkommen das
Besteuerungsrecht zusteht, auf dieses Besteuerungsrecht verzichtet hat oder dass die in diesem Staat auf
die Einkünfte festgesetzten Steuern entrichtet wurden.
91 a) Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift sind die Einkünfte des Klägers aus seiner in Frankreich in F
ausgeübten nichtselbständigen Tätigkeit gemäß Art. 20 Abs. 1 Halbsatz 1 Buchstabe a Halbsatz 2 DBA-
Frankreich 1959 i.V.m. Art. 13 Abs. 1 Satz 1 DBA-Frankreich 1959 (s. zuvor zu III.) nicht von der
deutschen Besteuerung freizustellen, sondern in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer nach §
32 EStG 2005-2007/2009 aufzunehmen. Für den erkennenden Senat steht mangels eines entsprechen
Nachweises durch den Kläger fest, dass die Französische Republik, die das Besteuerungsrecht hinsichtlich
der streitigen Einkünfte nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 DBA-Frankreich 1959 hat, auf ihr Besteuerungsrecht
hinsichtlich dieser Einkünfte des Klägers für seine in Frankreich ausgeübte Tätigkeit nicht verzichtet hat.
Sie hat ihr Besteuerungsrecht nach der freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen
Überzeugung des erkennenden Senats (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) ausschließlich deshalb nicht ausgeübt,
weil sie von dem entscheidungserheblichen Sachverhalt durch die Beteiligten (und dabei insbesondere
durch den Kläger) pflichtwidrig und/oder aus Unkenntnis der maßgeblichen abkommensrechtlichen
Rechtsgrundsätze nicht informiert wurde, wobei dieser Zustand wohl bis heute fortdauert.
92 b) Diese Auslegung nach dem Wortlaut steht auch in Übereinstimmung mit der Zielsetzung des § 50d Abs.
8 EStG 2002 n.F.. Die Vorschrift will verhindern, dass Einkünfte deshalb nicht besteuert werden, weil der
Steuerpflichtige die Einkünfte im Tätigkeitsstaat pflichtwidrig nicht erklärt und dieser Staat seinen
Steueranspruch nicht mehr durchsetzen kann, wenn er nachträglich von Sachverhalten erfährt, weil dann
z.B. keine Vollstreckungsmöglichkeiten mehr bestehen (Bundestagsdrucksache -im Folgenden: BT-Drs. bzw.
BT-Druck.- 15/1562, Seite 39 ff. zu Nummer 22 [§ 50d], zu Buchstabe b [Absatz 8]; BFH-Urteil vom 5. März
2008 I R 54/07, I R 55/07, BFH/NV 2008, 1487).
93 Im Streitfall hat der Kläger seine Einkünfte aus der in F ausgeübten nichtselbständigen Tätigkeit gegenüber
der Französischen Finanzverwaltung nicht erklärt. Infolge deren Unkenntnis von dem hier in Rede
stehenden Sachverhalt ist die Annahme ausgeschlossen, die Nichtbesteuerung habe ihre Ursache in einem
Verzicht der Französischen Steuerverwaltung auf das Recht die hier in Rede stehenden Einkünfte des
Klägers gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 13 Abs. 5 Buchstaben a und b DBA-Frankreich 1959 in
Frankreich der Besteuerung zu unterwerfen. Unberührt hiervon sind für den erkennenden Senat auf der
Grundlage von nach außen erkennbaren Umständen (z.B. Verständigungsvereinbarungen, Äußerungen im
Schrifttum und in der Rechtsprechung) keine Anhaltspunkte erkennbar für einen Verzicht der
Französischen Steuerverwaltung auf das Besteuerungsrecht für die hier in Rede stehenden Einkünfte des
Klägers. Dabei berücksichtigt der erkennende Senat auch, dass nicht zum ersten Mal bei einem - F für
einen in der Schweiz ansässigen Arbeitgeber arbeitenden- Arbeitnehmer nach der notwendigen Aufklärung
des entscheidungserheblichen Sachverhalts durch das Finanzgericht die Zuweisung des
Besteuerungsrechts hinsichtlich seiner Vergütungen an die Französische Republik zweifelsfrei festgestellt
wurde (trotz der unmissverständlichen -aus dem Jahr 1996 stammenden- Anweisung mit der Zuweisung
des Besteuerungsrechts in solchen Fällen an die Französische Republik lt. Fach A Teil 2 Nummer 13 des
Grenzgängerhandbuchs).
94 c) Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er einen Nachweis für den Verzicht der
Französischen Steuerverwaltung auf die Besteuerung seiner streitigen Einkünfte aus nichtselbständiger
Arbeit nicht zu erbringen brauchte, weil aus anderen Gründen ohnehin deren Verzicht auf das
Besteuerungsrecht bereits feststand (vgl. BFH-Urteil vom 11. Januar 2011 I R 27/11, BFH/NV 2012, 862;
BFHE 236, 327). Die Französische Steuerverwaltung hat nicht auf Grund der insoweit in Betracht zu
ziehenden, zwischen der Schweiz und Frankreich bestehenden abkommensrechtlichen Regelungen zur
Grenzgängerbesteuerung auf ihr Besteuerungsrecht verzichtet.
95 aa) Die Französische Republik hat nicht nach den Bestimmungen des Art. 17 Abs. 4 des Abkommens
zwischen der Schweiz und Frankreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern
vom Einkommen und Vermögen und zur Vermeidung von Steuerbetrug und Steuerflucht vom 9. September
1966 (SR 0.672.934.91) -DBA Schweiz-Frankreich 1966- i.V.m. Art. 1, 3 der Vereinbarung zwischen dem
Schweizerischen Bundesrat und der Französischen Republik über die Besteuerung der Erwerbseinkünfte
von Grenzgängern vom 11. April 1983 -Grenzgängerabkommen 1983- (Bundesblatt -BBl- 1983 II 535,
abrufbar unter: www.admin.ch; Hinweis in diesem Zusammenhang: BGer, Entscheid vom 26. Januar 2010
i.S. X. c[ontre]. Steuerverwaltung des Kantons Genf und Verwaltungsrekurskommission des Kantons Genf,
Pra [2010] Nr. 124, 2C_319/2009, 2 C_321/2009, Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts -
BGE- 136 II 241, Erwägungen zu III.9.) auf ihr Besteuerungsrecht hinsichtlich der streitigen Einkünfte des
Klägers (zugunsten des Besteuerungsrechts der Schweizerischen Eidgenossenschaft) verzichtet. Denn eine
Anwendung des Grenzgängerabkommens, das eine Zuweisung des Besteuerungsrechts bezüglich der
Vergütungen eines Grenzgängers an den Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers (hier ggf. die Schweiz)
vorsieht, scheidet nach Art. 3 des Grenzgängerabkommens schon deshalb aus, weil der Kläger in F nicht
bei
(Hervorhebung durch den erkennenden Senat) einem in diesem anderen Staat (Frankreich) ansässigen
Arbeitgeber eine bezahlte Tätigkeit ausgeübt hat, sondern für seine in der Schweiz ansässige Arbeitgeberin
(die in L ansässige F-AG). Im Übrigen ist der Kläger auch nicht in der Regel jeden Tag -wie in Art. 5 des
Grenzgängerabkommens 1983 gefordert- in die Schweiz zurückgekehrt, sondern zu seinen ständigen
Wohnstätten bzw. Wohnsitzen in W / Deutschland bzw. H / Deutschland in die Bundesrepublik
Deutschland. Schließlich war der Kläger nach den Feststellungen des erkennenden Senats auch nicht -wie
in Art. 3 des Grenzgängerabkommens vorgesehen- in den Streitjahren in der Schweiz ansässig gewesen
i.S.v. Art. 4 Abs. 1 und 2 DBA-Schweiz-Frankreich 1966 (s. zuvor zu I.2.c).
96 bb) Da der Kläger nicht in der Schweiz, sondern in der Bundesrepublik Deutschland ansässig war, kommen
auch die allgemeinen Regelungen zur Verteilung des Besteuerungsrechts hinsichtlich der Einkünfte aus
unselbständiger Arbeit zwischen der Schweiz und Frankreich nach Art. 17 Abs. 1 und 2 DBA Schweiz-
Frankreich 1966 nicht zur Anwendung, so dass hieraus kein Besteuerungsrecht der Schweiz für die hier in
Rede stehenden Einkünfte des Klägers abgeleitet werden kann.
97 cc) Im Übrigen kann sich der Kläger nicht mit Erfolg darauf berufen, dass inzwischen -wie vom Vertreter
des FA zur Begründung für einen Verzicht auf eine Spontanauskunft (Art. 22 Abs. 2 DBA-Frankreich 1959;
§ 117 Abs. 2 AO) in der mündlichen Verhandlung erklärt- in Frankreich eine Steuerfestsetzung hinsichtlich
der Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit für die schon länger zurückliegenden Streitjahre
wegen Eintritts der Verjährung nicht mehr durchgeführt werden kann.
98 Der eventuelle Eintritt der Verjährung bedeutet unter Berücksichtigung der Zielsetzung des § 50d Abs. 8
EStG 2002 n.F. nicht, dass der Kläger den Verzicht auf das der Französischen Republik zustehende
Besteuerungsrecht nicht (mehr) nachweisen muss, weil damit aus anderen Gründen ohnehin der Verzicht
des Tätigkeitsstaates (Frankreich) auf das Besteuerungsrecht hinsichtlich der streitigen Einkünfte aus
unselbständiger Arbeit bereits feststeht (BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 812). Der aus der
Entstehungsgeschichte der Vorschrift sich ergebende und für deren Auslegung maßgebliche „Wille des
Gesetzgebers“ (Sachs, Anm. in Juristische Schulung -JuS- zum BVerfG-Beschluss vom 16. Dezember 2014 1
BvR 2142/11, juris) ging dahin, dass mit einem Nachweis über den tatsächlich erklärten oder sonst sich
ergebenden Verzicht des Tätigkeitsstaates auf sein Besteuerungsrecht gerade das verhindert werden soll,
was im Streitfall (ggf.) geschehen ist, dass nämlich der Tätigkeitsstaat (hier: Frankreich) die Einkünfte aus
unselbständiger Arbeit deshalb nicht besteuert (bzw. nicht mehr besteuern kann), weil der Steuerpflichtige
(hier: der Kläger) im Tätigkeitsstaat seine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit pflichtwidrig nicht erklärt
hat, und der Tätigkeitsstaat deshalb seinen Steueranspruch nicht mehr durchsetzen kann, wenn er von
dem Sachverhalt erfährt. Es geht also darum, die „Steuermoral“ der Arbeitnehmer, demzufolge deren
Einstellung zu Steuern und zur Besteuerung zu stärken (BT-Drs. 15/1562 Seite 39 zu Nummer 22 [§ 50d],
zu Buchstabe b [Absatz 8]; BFH-Vorlagebeschluss vom 10. Januar 2012 I R 66/09, BFH/NV 2012, 1056,
Entscheidungsgründe zu B.II.3.b)bb)bbb); BFH-Beschluss vom 10. Juni 2015 I R 66/09, BFH/NV 2015, 1250,
zu II.3.).
99 Da der Kläger den hiernach erforderlichen Nachweis über einen Verzicht der Französischen
Steuerverwaltung auf das Besteuerungsrecht gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 DBA-Frankreich 1959
hinsichtlich seiner Einkünfte aus der in Frankreich ausgeübten unselbständigen Arbeit nicht erbracht hat
(z.B. durch Vorlage von Steuererklärungen, Steuerbescheiden, Zahlungsnachweisen, Bescheinigungen,
gutachterlichen Stellungnahmen der Französischen Steuerverwaltung usw.), sind diese nicht nach Art. 20
Abs.1 Halbsatz 1 Buchstabe a Halbsatz 2 DBA-Frankreich 1959 von der Besteuerung im Inland (unter
Progressionsvorbehalt) auszunehmen, sondern gemäß § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG 2002 n.F. der Besteuerung
im Inland zu unterwerfen.
100 dd) Der Kläger hätte nach den zuvor dargelegten Erwägungen in jedem Fall einen Verzicht der
Französischen Steuerverwaltung auf ihr Besteuerungsrecht wegen Eintritts der Verjährung hinsichtlich der
streitigen Einkünfte aus unselbständiger Arbeit substantiiert und detailliert nachzuweisen (z.B. durch
Vorlage von bei der Französischen Steuerverwaltung eingereichten Steuererklärungen, von
Steuerbescheiden der Französischen Steuerverwaltung, des Schriftverkehrs mit der Französischen
Steuerverwaltung u.ä.; vgl. in diesem Zusammenhang: BFH-Urteil vom 25. November 2014 I R 27/13,
BStBl II 2015, 448). Da dies bisher (s. § 50d Abs. 8 Sätze 2 und 3 EStG 2002 n.F.) nicht geschehen ist,
konnte der erkennende Senat offen lassen, ob der Eintritt der Verjährung einer Steuerfestsetzung für die
Streitjahre im Tätigkeitsstaat Frankreich tatsächlich entgegensteht. Er war deshalb, weil insoweit keine
konkreten Anhaltspunkte für eine Verjährung der Steueransprüche dargelegt wurden, auch nicht
verpflichtet, gemäß §§ 76 Abs. 1 Satz 1, 96 Abs. 1 Satz 1, 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 293 der
Zivilprozessordnung -ZPO- den Eintritt der Verjährung selbst festzustellen (auf der Grundlage des
französischen Steuerrechts durch Beauftragung eines sachverständigen Gutachters).
101 Der Verpflichtung des Klägers, einen Nachweis i.S.d. § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG 2002 n.F. darüber zu
erbringen, dass der Tätigkeitsstaat Frankreich auf sein Besteuerungsrecht nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 DBA-
Frankreich 1959 hinsichtlich der Vergütungen für seine nach F ausgeübte Tätigkeit verzichtet hat, steht
nicht der Umstand entgegen, dass die Schweizerische Eidgenossenschaft (wie sich aus der amtlichen
Bestätigung der ESTV des Kantons Y vom 3. Februar 2016 und den Feststellungen des erkennenden Senats
zu den Streitjahren 2007 und 2009 lt. Seite 15 Abs. 2 des Tatbestandes ergibt) die hier in Rede stehenden
Vergütungen des Klägers der Besteuerung in der Schweiz unterworfen hat, und der Kläger die in der
Schweiz festgesetzten Steuern auch entrichtet hat (wobei für die Streitjahre 2005 und 2006 allerdings
Angaben zur Höhe der festgesetzten und gezahlten Steuer fehlen). Damit es ist im Streitfall zwar keine
sog. Keinmalbesteuerung eingetreten, die nach Auffassung des Gesetzgebers (s. hierzu: Mitschke, DStR
2011, 2221) rechtfertigt, die Freistellung lt. dem einschlägigen Abkommensrecht nicht zu gewähren und
eine Besteuerung im Inland durchzuführen (§ 50d Abs. 8 Satz 1 EStG 2002 n.F.). Gleichwohl ist eine
Besteuerung der hier in Rede stehenden Vergütungen des Klägers nach § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG 2002 n.F.
zulässig. Nach Auffassung des erkennenden Senats kann die Frage der doppelten Nichtbesteuerung -der
sog. Keinmalbesteuerung- (BFH-Beschluss in BFH/NV 2015, 1250 zu II.3.) aus der Natur der Sache heraus
nur beantwortet werden auf der Grundlage der Verteilung des Besteuerungsrechts zwischen dem
Tätigkeitsstaat (hier: Frankreich) und dem Ansässigkeitsstaat (Bundesrepublik Deutschland) nach dem
maßgeblichen -bilateral zwischen diesen Staaten abgeschlossenen- Abkommen. Danach hat die
Französische Republik nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 DBA-Frankreich 1959 das Besteuerungsrecht für die
Vergütungen des Klägers für seine Tätigkeit nach F. Die Freistellung dieser Vergütungen nach Art. 20 Abs. 1
Halbsatz 1 Buchstabe a Halbsatz 2 DBA-Frankreich 1959 ist zu Recht vom FA gemäß § 50d Abs. 8 Satz 1
EStG 2002 n.F. nicht gewährt worden, weil der Kläger nicht nachgewiesen hat, dass und insbesondere
auch warum die Französische Steuerverwaltung auf ihr Besteuerungsrecht verzichtet hat (bzw. es nicht
wahrgenommen hat). Dadurch wird in Übereinstimmung mit der Zielsetzung des § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG
2002 n.F. sichergestellt, dass die Vergütungen des Klägers aus unselbständiger Arbeit durch die hierfür in
Betracht kommenden Vertragstaaten Frankreich und Deutschland, nachdem in Frankreich entgegen Art. 13
Abs. 1 Satz 1 DBA-Frankreich 1959 keine Steuer festgesetzt wurde, nicht „keinmal“, sondern „einmal“ der
Besteuerung unterworfen werden.
102 V. Eine Besteuerung der Einkünfte, die aus der in F ausgeübten unselbständigen Arbeit des Klägers
herrühren, im Inland nach § 50d Abs. 9 i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2007 (BGBl I 2006, 2878, BStBl
2007, 28) -EStG 2002 n.F.- kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger diese Einkünfte nicht
gegenüber der Französischen Steuerverwaltung erklärt hat (Hinweis auf BFH-Beschluss vom 16. August
2010 I B 119/09, BFH/NV 2010, 2055). Auf die verfassungsrechtlichen Bedenken wegen der Frage der
Rückwirkung der Anwendungsvorschrift in § 52 Abs. 59a Satz 9 EStG 2002/2007 EStG i.d.F. des
AmtshilfeRLUmsG vom 26. Juni 2013 (BGBl I 2013, 1809) braucht deshalb nicht eingegangen zu werden
(BFH-Urteil vom 21. Januar 2016 I R 49/14, BFHE 253, 115, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt; BFH-
Beschlüsse in BFH/NV 2010, 2055; vom 19. Mai 2010 I B 191/09, BStBl II 2011, 156; BFH-Vorlagebeschluss
von 20. August 2014 I R 86/13, BStBl II 2015, 14, BVerfG-Az.: 2 BvL 21/14).
103 VI. Die in der Schweiz für die Streitjahre 2007 und 2009 vom Kläger gezahlte Steuer in Höhe von
(umgerechnet) 1.890,69 EUR und 3.158,92 EUR auf seine Einkünfte aus der (für die in der Schweiz
ansässige F-AG) ausgeübten unselbständigen Tätigkeit ist nach § 34c Abs. 3 EStG 2007/2009 i.V.m. § 34c
Abs. 6 Satz 6 EStG 2007/2009 bei der Ermittlung der Einkünfte wie Werbungskosten abzuziehen (zur
Vermeidung einer Doppelbesteuerung). Die Voraussetzungen für die Abziehbarkeit dieser Schweizer
Steuer sind im Streitfall nach der Rechtsprechung des BFH erfüllt (s. Urteil in BStBl II 2012, 276,
Entscheidungsgründe zu II.7.b) ff.).
104 Die diesbezüglichen Einkünfte unterliegen der deutschen Einkommensteuer (s. zuvor zu II.). Des Weiteren
stammen die Einkünfte aus Frankreich und nicht aus der Schweiz (§ 34c Abs. 6 Satz 6 EStG 2007/2009
i.V.m. § 34c Abs. 3 EStG 2007/2009). Im Übrigen hat die Steuererhebung durch die Schweiz ihre Ursache
nicht in einer Gestaltung, für die wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen (vgl. in diesem
Zusammenhang: BFH-Urteil vom 2. März 2016 I R 73/14, Internationales Steuerrecht -IStR- 2016, 634). In
der Erklärung der hier in Rede stehenden Einkünfte gegenüber der ESTV manifestiert sich aus inländischer
Sicht keine „Steuerumgehung“ oder ein Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 34c Abs. 6 Satz 6 EStG 2007/2009
i.V.m. § 42 AO (BFH-Beschluss in BFH/NV 2015, 1250, zu II.3. mit weiteren Nachweisen). Schließlich sind
nach den Feststellungen des erkennenden Senats keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass hinsichtlich
der in der Schweiz erhobenen Steuer ein Ermäßigungsanspruch des Klägers bestanden hat (§ 34c Abs. 3
EStG 2007/2009).
105 VII.1. Soweit der zunächst angegriffene Einkommensteueränderungsbescheid für das Streitjahr 2007 vom
27. August 2012 (später: vom 20. November 2013) als Änderungsbescheid auf die Vorschrift des § 173 Abs.
1 Satz 1 Nr. 1 AO gestützt wurde bestehen hiergegen keine Bedanken. Dem FA sind die steuererhöhenden
Tatsachen in Gestalt des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Arbeitslohns des Klägers nach § 50d Abs. 8
EStG 2002 n.F. (Tätigkeit des Klägers in F für eine in der Schweiz ansässige Arbeitgeberin ohne
Anwendung der Grenzgängerregelung nach Art. 13 Abs. 5 Buchstabe a und b DBA-Frankreich 1959; kein
Verzicht der Französischen Republik auf ihr Besteuerungsrecht nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 DBA-Frankreich
1959) deshalb nachträglich bekannt geworden, weil es sie im Zeitpunkt des Erlasses des geänderten
Bescheides vom 1. Februar 2010 weder positiv kannte noch unter dem Gesichtspunkt von Treu und
Glauben hätte kennen müssen bzw. können (vgl. Gräber/Rüsken, AO, Kommentar, 13. Aufl., 2016, § 173
Anm. 80 ff. mit Nachweisen zur höchstrichterlichen Rechtsprechung). Dies ist zwischen den Beteiligten zu
Recht unstreitig und bedarf auch aus diesem Grund keiner weiteren Erläuterungen.
106 2. Das Gleiche gilt auch hinsichtlich des zunächst angegriffenen Einkommensteuerbescheids für das
Streitjahr 2006 vom 28. August 2012 (später: vom 20. November 2013), der gemäß § 128 AO als
Änderungsbescheid i.S.v. § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu beurteilen ist, nachdem der ursprünglich
ergangene Einkommensteuerbescheid vom 21. Mai 2008 zuvor bestandskräftig geworden war (s.
Senatsurteil vom 18. Juni 2015 3 K 2075/12, juris Entscheidungsgründe zu 5. und 6.; aus anderen
Gründen aufgehoben: BFH-Beschluss vom 7. Juni 2016 I B 159/15).
107 VIII. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO; die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 und 711 ZPO.
108 IX. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren ist gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO für
notwendig zu erklären. Der Kläger konnte die Hilfe eines sach-kundigen Bevollmächtigten für
unentbehrlich halten (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Dezember 1967 VI B 2/67, BStBl II 1968, 181).
109 X. Die Revision war zuzulassen. Der Sache kommt grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zu
im Hinblick auf die Erwägungen zu § 50d Abs. 8 EStG 2002 n.F.. Dabei weist der erkennende Senat darauf
hin, dass Entscheidungen zu sog. „Dreiecksverhältnissen“, in denen die Anwendung mehrerer
Doppelbesteuerungsabkommen in Frage steht, von den Außensenaten des Finanzgerichts Baden-
Württemberg in Freiburg schon häufiger getroffen wurden (z.B. Senatsurteile vom 15. Oktober 2015 3 K
2913/13 nicht rechtskräftig, Revision eingelegt -BFH-Az.: I R 22/16- EFG 2016, 1061, juris, Rz. 78 ff.; vom
12. März 2009 3 K 4105/08, EFG 2010, 778, juris zu Rz. 96 ff., vom BFH aufgehoben: BFH-Urteil in BStBI ll
2012, 276; vom 5. Juni 2008 3 K 121/07, rechtskräftig, EFG 2009, 91, juris, Rz. 45; Urteil vom 26.
September 2012 2 K 776/11, rechtskräftig [BFH-Beschluss vom 4. November 2014 I R 19/13, BFH/NV
2015, 333] EFG 2013, 707; Gosch, Internationale Wirtschaftsbriefe -IWB- 2015, 112; Wassermeyer, IStR
2015, 144; Lang, Steuer Wirtschaft International -SWI- 2015, 198).