Urteil des FG Baden-Württemberg vom 12.01.2017

nahestehende person, gerichtsakte, rückzahlung, geldwerte leistung

FG Baden-Württemberg Urteil vom 12.1.2017, 3 K 2647/15
Sperrwirkung von Art. 9 DBA-Schweiz 1971 gegenüber einer Einkünftekorrektur nach § 1 Abs.
1 AStG 2003 bei Teilwertabschreibung auf ein unbesichert begebenes Darlehen an eine
Tochtergesellschaft
Tenor
1. Unter Änderung des Körperschaftsteueränderungsbescheids 2003 vom 23. Oktober 2012 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 4. Juli 2013 wird die Körperschaftsteuer um 8.714 EUR auf 74.939 EUR
herabgesetzt.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten wird für notwendig erklärt.
4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine
Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat die Klägerin in Höhe des vollstreckbaren
Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur
Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht
zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat.
5. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1 Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Ausbuchung einer Darlehensforderung gegen eine Schweizer
Tochtergesellschaft nach § 1 des Außensteuergesetzes in der Fassung vom 16. Mai 2003 (BGBl. I 2003, 660:
im Folgenden AStG 2003) zu korrigieren ist.
2 Die Klägerin ist eine GmbH mit Sitz in A und einem Stammkapital von 103.000 EUR. Gegenstand des
Unternehmens ist u.a. der Einkauf und Verkauf von Werkzeugen und Maschinen aller Art. Alleinige
Anteilseignerin ist seit dem 4. Februar 2002 die K Vermögensverwaltungs GmbH & Co. KG (vgl. Vertragsakte
Bl. 65).
3 Am 20. September 2001 beteiligte sich die Klägerin zur Hälfte am Aktienkapital in Höhe von 100.000 CHF
der X SA, B, Kanton C/Schweiz. Die Anschaffungskosten der Klägerin beliefen sich auf 16.519,98 EUR.
Weiterer Anteilseigner war die Y SA, B, Kanton C/Schweiz. Der Geschäftsführer der Klägerin, L, wurde
Präsident des Verwaltungsrats der X SA, M und N von der Y SA Vizepräsident bzw. Delegierter. Nach dem
zwischen der Klägerin und der Y SA geschlossenen Aktionärsbindungsvertrag vom 20. September 2001
(unter I. Geschäftspolitik, Gerichtsakte Bl. 77 ff.) erstreckte sich der Tätigkeitsbereich der X SA auf den
Vertrieb von Industrieausrüstung, insbesondere von Werkzeugen und Werkzeugmaschinen. Die X SA sollte
sich grundsätzlich selbst finanzieren, in der Anfangsphase sollte die Finanzierung durch Aufnahme von
Darlehen bei Aktionären oder Bankinstituten sichergestellt werden.
4 Zum 1. Januar 2002 gewährte die Klägerin der X SA ein Darlehen über 50.000 CHF. Das Darlehen wurde für
eine feste Laufzeit bis zum 31. Dezember 2003 gewährt. Es war höchstens zu den Zinssätzen für
Vorschüsse von Beteiligten gemäß dem jeweiligen Merkblatt der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV)
betreffend Zinssätze für die Berechnung der geldwerten Leistungen (im Folgenden: Merkblatt der ESTV)
verzinslich. Sicherheiten wurden keine vereinbart. Jedoch sicherte die X SA zu, anderen Gläubigern ohne
ausdrückliche Zustimmung der Klägerin keinerlei Kreditsicherheiten einzuräumen, welche den übrigen
Gläubigern mehr Sicherheiten einräumen als den beiden Aktionärinnen (vgl. den schriftlichen
Darlehensvertrag vom 23. November 2002, Rechtsbehelfsakten Bl. 17). Der Mitgesellschafter, die Y SA,
gewährte der X SA ein Darlehen über 50.000 CHF zum 1. Januar 2002 zu denselben Bedingungen
(Gerichtsakte Bl. 123). Die gesamten Verbindlichkeiten der X SA gegenüber der Y SA beliefen sich
ausweislich der vorläufigen Bilanz zum 31. Dezember 2002 auf 248.350 CHF (Gerichtsakte Bl. 89).
5 Nach dem Merkblatt der ESTV vom 28. Januar 2002 (Gerichtsakten Bl. 127) betrug der Zinssatz seit dem
1. Januar 2001 für Betriebsmittelkredite von Beteiligten bei Handels- und Fabrikationsunternehmen 6 ½ %.
Dabei handelt es sich um Maximalsätze. Niedrigere Ansätze sind zulässig, während höhere Zinsen als
geldwerte Leistung der Gesellschaft an ihre Gesellschafter angesehen werden (vgl. Kreisschreiben Nr. 3 der
ESTV vom 27. Januar 2003, Gerichtsakte Bl. 129). Ab dem 1. Januar 2003 wurde der Maximalzinssatz für
Betriebsmittelkredite auf 5 % ermäßigt (Merkblatt der ESTV vom 20. Januar 2003, Gerichtsakte Bl. 128).
Nach den Angaben in der Bilanz der Klägerin zum 31. Dezember 2003 wurde das Darlehen an die X SA mit
6 % verzinst (vgl. Anlage III Blatt 8 der Bilanz). Entsprechende Buchhaltungsbelege der X SA sind nicht
mehr vorhanden (vgl. Auskunft von N vom 21. Oktober 2016, Gerichtsakte Bl. 125).
6 Zum 31. Dezember 2001 war das Eigenkapital der X SA durch die bis dahin angefallenen Verluste bis auf
2.899 CHF aufgebraucht (Bp-Arbeitsbogen Fach 4). Für das Geschäftsjahr 2002 wies die X SA einen Verlust
über 268.125,59 CHF aus, der zur bilanziellen Überschuldung der Gesellschaft führte (vgl. Jahresbericht
2002 der X SA, Rechtsbehelfsakten Bl. 19; s.a. bereinigte Jahresrechnung der X SA vom 17. Januar 2003,
Gerichtsakte Bl. 89). Am 14. Oktober 2002 bzw. 1. April 2003 erklärten die Klägerin und die Y SA den
Rangrücktritt (vgl. Bericht der WP Ges. vom 24. April 2003, Bp-Arbeitsbogen Fach 4; Zirkulationsbeschluss
des Verwaltungsrats vom 23.05./06.06/13.10.2003, Rechtsbehelfsakten Bl. 20). Der Verwaltungsrat
beschloss, die Geschäftstätigkeit der X SA auf den 30. April 2003 einzustellen (vgl. Jahresbericht 2002 vom
Mai 2003, Rechtsbehelfsakten Bl. 19). Am 1. November 2005 wurde die Gesellschaft im Schweizer
Handelsregister gelöscht.
7 Mit Vertrag vom 27. Mai/6. Juni 2003 (Rechtsbehelfsakten Bl. 10) verkaufte die Klägerin der Y SA die 50
Namenaktien der X SA (Nennwert je 1.000 CHF) für einen symbolischen Kaufpreis von insgesamt 2 CHF. L
trat von seinem Amt als Verwaltungsrat zurück. Der Erwerb erfolgte unter dem Vorbehalt, dass die Klägerin
unwiderruflich auf die Rückzahlung ihres Darlehens an die X SA zzgl. allfälliger Zinsen verzichtet, was am
27. Mai 2003 erfolgte (Rechtsbehelfsakte Bl. 13).
8 In der Bilanz zum 31. Dezember 2003 nahm die Klägerin aufgrund der Veräußerung der Beteiligung und des
Verzichts auf die Darlehensforderung eine erfolgswirksame Ausbuchung/Wertberichtigung in Höhe von
49.403 EUR vor (16.519 EUR: Veräußerungsverlust; 32.883,84 EUR: Ausbuchung Darlehensforderung; vgl.
Anlage III Bl. 8 und 22 zum Jahresabschluss auf den 31. Dezember 2003). Der Verlust aus der Veräußerung
der Aktien in Höhe von 16.519 EUR wurde -anders als die Ausbuchung der Darlehensforderung- nach § 8b
Abs. 3 des Körperschaftsteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (KStG 2003)
außerbilanziell hinzugerechnet (vgl. Körperschaftsteuerakte VZ 2003 Bl. 7).
9 Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) veranlagte die Klägerin unter Vorbehalt der Nachprüfung entsprechend
der eingereichten Steuererklärung (vgl. Körperschaftsteuerbescheid 2003 vom 2. März 2005).
10 Im Rahmen einer für die Veranlagungszeiträume 2003 bis 2006 durchgeführten Außenprüfung vertrat der
Prüfer die Auffassung, dass nicht nur der Verlust aus der Veräußerung der Beteiligung, sondern auch die
Ausbuchung der Darlehensforderung nach § 8b Abs. 3 KStG 2003 außerbilanziell zu korrigieren sei (vgl. Tz.
45 des Berichtes über die Außerprüfung vom 9. Januar 2009, Betriebsprüfungsakten Bl. 20). Das FA folgte
der Auffassung des Prüfers in dem nach § 165 der Abgabenordnung (AO) teilweise vorläufigen
Körperschaftsteueränderungsbescheid 2003 vom 30. Januar 2009. Die Körperschaftsteuer wurde auf 83.653
EUR festgesetzt, der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.
11 Hiergegen legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein. Nach Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 14.
Januar 2009 I R 52/08, BStBl II 2009, 674 war das FA zunächst unter Hinweis auf das Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 29. März 2011, IV B 5-S 1341/09/10004, FMNR10f000011
(BStBl I 2011, 277) der Ansicht, dass wegen der Teilwertabschreibung bzw. Ausbuchung der
Darlehensforderung eine Zurechnung nach § 1 AStG 2003 in Höhe von 32.883,84 EUR zu erfolgen habe.
Die Klägerin vertrat daraufhin die Ansicht, dass nach Punkt 1 des Darlehensvertrags eine
gesellschaftsvertragliche Vereinbarung und keine schuldrechtliche Beziehung vorliege. Des Weiteren
entstehe durch die Teilwertabschreibung keine Gewinnverlagerung ins Ausland, da es sich um einen
notwendigen rein inlandsbezogenen Bilanzansatz handele. Während des Einspruchsverfahrens wurde der
Körperschaftsteuerbescheid vom 30. Januar 2009 am 23. Oktober 2012 aus nicht in Zusammenhang mit
dem Klageverfahren stehenden Gründen nach § 165 Abs. 2 Satz 2 AO für endgültig erklärt. Der
Änderungsbescheid wurde zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens. Mit Einspruchsentscheidung vom 4.
Juli 2013 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte das FA aus, dass die
Erhöhung des Einkommens um den Betrag des Darlehens, auf dessen Rückzahlung die Klägerin verzichtet
habe, rechtmäßig sei. Die Rechtsgrundlage für die Korrektur stelle indes nicht § 1 Abs. 1 AStG 2003, sondern
§ 8 Abs. 3 KStG dar. Hinsichtlich des streitbefangenen Sachverhalts liege eine verdeckte
Gewinnausschüttung vor.
12 Hiergegen wendet sich die fristgerecht erhobene Klage. Zur Begründung trägt die Klägerin im Wesentlichen
vor: Grund für die Beteiligung der Klägerin an der X SA sei die Suche nach einem in der Schweiz ansässigen
Partner für den Vertrieb gewesen. Die Y SA habe die Mitarbeiter und die Beziehungen gehabt, den Vertrieb
in der Schweiz aufzubauen. Der bei der X SA für den Vertrieb zuständige Mitarbeiter sei für diese Aufgabe
indes nicht geeignet gewesen und habe deshalb gekündigt werden müssen. Es sei nicht möglich gewesen,
Ersatz zu finden. Die Klägerin habe Anfang 2003 einen wesentlich größeren Vertriebspartner gefunden.
Deshalb sei der Geschäftsbetrieb der X SA zum 30. April 2003 eingestellt und die Gesellschaft liquidiert
worden.
13 Die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung scheide aus, da das Darlehen im Streitfall von der
Mutter- an die Tochtergesellschaft gegeben worden sei und zudem keine Gesellschafter der Klägerin an der X
SA beteiligt gewesen seien.
14 Der Korrektur einer Teilwertabschreibung nach § 1 AStG 2003 stehe nach der Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) Art. 9 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der
Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern
vom Einkommen und Vermögen vom 11. August 1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 51; im Folgenden
DBA-Schweiz 1971) entgegen, der inhaltlich Art. 9 Abs. 1 des Musterabkommens der Organisation für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD MA) entspreche.
15 Die Klägerin beantragt,
den Körperschaftsteueränderungsbescheid 2003 vom 23. Oktober 2012 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 4. Juli 2013 dahingehend zu ändern, dass von einer Hinzurechnung von
Einkünften in Höhe von 32.884 EUR abgesehen wird;
hilfsweise die Revision zuzulassen.
16 Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen;
hilfsweise die Revision zuzulassen.
17 Es vertritt unter Hinweis auf das BMF-Schreiben vom 29. März 2011, IV B 5-S 1341/09/10004 (a.a.O.) die
Ansicht, dass der Darlehensvertrag nicht einem Fremdvergleich standhalte, da keine ausreichende Sicherheit
vereinbart und dies auch nicht durch einen fremdüblichen Risikozuschlag auf den vereinbarten Zinssatz
ausgeglichen worden sei. Es weist ferner auf den zu den BFH-Urteilen vom 17. Dezember 2014 I R 23/13
und 24. Juni 2015 I R 29/14 ergangenen Nichtanwendungserlass hin (BMF-Schreiben vom 30. März 2016, IV
B 5-S 1341/11/10004-07, BStBl I 2016, 455).
18 Die Berichterstatterin hat am 12. September 2016 die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert.
Auf die Niederschrift über den Erörterungstermin, die den Beteiligten übersandt wurde, wird Bezug
genommen (Gerichtsakte Bl. 113).
19 Am 12. Januar 2017 fand die mündliche Verhandlung statt. Dem Senat lagen bei der Entscheidung die vom
FA übersandten Steuerakten vor (Gerichtsakte Bl. 31).
Entscheidungsgründe
20 I. Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Körperschaftsteueränderungsbescheid vom 23.
Oktober 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Juli 2013 ist rechtswidrig und verletzt die
Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-). Das FA hat zu Unrecht
32.883,84 EUR außerhalb der Bilanz dem Einkommen der Klägerin hinzugerechnet.
21 1. Nach § 8 Abs. 1 KStG 2003 i.V. mit § 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist die
Darlehensforderung infolge des am 27. Mai 2003 gegenüber der X SA erklärten Verzichts der Klägerin auf
die Rückzahlung des Darlehens gewinnmindernd auszubuchen. Aufgrund des bei der X SA in 2002
angefallenen Verlustes in Höhe von 268.125,59 CHF, der bilanziellen Überschuldung der X SA, der per 30.
April 2003 erfolgten Betriebseinstellung und der an den Mitgesellschafter Y SA erfolgten Anteilsübertragung
zu dem symbolischen Kaufpreis von 2 CHF betrug der Teilwert der Forderung im Zeitpunkt des Verzichts 0
EUR. Für die Annahme einer verdeckten Einlage/Erhöhung der Anschaffungskosten der Beteiligung an der X
SA bleibt bei dieser Sachlage kein Raum.
22 2. Entgegen der in der Einspruchsentscheidung vertretenen Auffassung kann die Erhöhung des Einkommens
nicht auf § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 2003 gestützt werden.
23 Unter einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 2003 ist nach der
ständigen Rechtsprechung des BFH bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte
Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe
des Unterschiedsbetrags gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 2003 auswirkt und in keinem
Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der
BFH die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem
Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und
gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte. Außerdem muss der
Vorgang geeignet sein, bei dem begünstigten Gesellschafter einen Bezug i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2
EStG auszulösen (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH-Urteil vom 11. November 2015 I R 5/14, BStBl II
2016, 491 m.w.N.).
24 Im Streitfall hat nicht eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter, sondern umgekehrt der Gesellschafter
seiner Kapitalgesellschaft ein ungesichertes Darlehen gewährt (Downstream-Darlehen). Die
Voraussetzungen einer vGA liegen daher nicht vor. Denn die Klägerin hat gerade in ihrer Eigenschaft als
Gesellschafterin der X SA das ungesicherte Darlehen gewährt. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür,
dass die X SA eine der Gesellschafterin der Klägerin, der K Vermögensverwaltungs GmbH & Co. KG,
nahestehende Person ist, und dieser ein Vermögensvorteil zugewandt wurde. Für unmittelbare Beziehungen
familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art zwischen der
K Vermögensverwaltungs GmbH & Co. KG und der X SA ist nichts ersichtlich.
25 3. Zutreffend gehen die Beteiligten zwischenzeitlich übereinstimmend davon aus, dass die außerbilanzielle
Korrektur nicht auf § 8b Abs. 3 KStG 2003 gestützt werden kann. Auf das Urteil des BFH vom 14. Januar
2009 I R 52/08 (BStBl II 2009, 674) wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
26 4. Auch eine Hinzurechnung auf der Grundlage von § 1 AStG 2003 scheidet aus.
27 a) Nach § 21 Abs. 11 Satz 1 AStG findet für das Streitjahr 2003 § 1 AStG in der Fassung des Artikels 11 des
Gesetzes vom 16. Mai 2003 (BGBl. I S. 660) Anwendung.
28 b) Werden Einkünfte eines Steuerpflichtigen aus Geschäftsbeziehungen mit einer ihm nahestehenden
Person dadurch gemindert, dass er im Rahmen solcher Geschäftsbeziehungen zum Ausland Bedingungen
vereinbart, die von denen abweichen, die von-einander unabhängige Dritte unter gleichen oder ähnlichen
Verhältnissen vereinbart hätten, so sind seine Einkünfte nach § 1 Abs. 1 AStG 2003 unbeschadet anderer
Vorschriften so anzusetzen, wie sie unter den zwischen unabhängigen Dritten vereinbarten Bedingungen
angefallen wären. Dem Steuerpflichtigen ist eine Person nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG 2003 u.a. dann
nahestehend, wenn die Person an dem Steuerpflichtigen mindestens zu einem Viertel unmittelbar oder
mittelbar beteiligt (wesentlich beteiligt) ist oder auf den Steuerpflichtigen unmittelbar oder mittelbar einen
beherrschenden Einfluss ausüben kann oder umgekehrt der Steuerpflichtige an der Person wesentlich
beteiligt ist oder auf diese Person unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann.
29 aa) Die unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Klägerin hielt 50 v.H. der Gesellschaftsanteile an der in
der Schweiz ansässigen X SA. Sie war im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des
Darlehensvertrages und der Auszahlung der Darlehensvaluta (vgl. Pohl in Blümich, Kommentar zu EStG,
KStG, GewStG und Nebengesetzen, § 1 AStG Rz. 59) wie auch (noch) im Zeitpunkt des Verzichtes auf die
Rückzahlung des Darlehens eine der Klägerin nahestehende Person im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG
2003.
30 bb) Eine Geschäftsbeziehung im Sinne der Absätze 1 und 2 ist nach der Legaldefinition in § 1 Abs. 4 AStG
2003 jede den Einkünften zugrunde liegende schuldrechtliche Beziehung, die keine gesellschaftsvertragliche
Vereinbarung ist und entweder beim Steuerpflichtigen oder bei der nahestehenden Person Teil einer
Tätigkeit ist, auf die die §§ 13, 15, 18 oder 21 EStG anzuwenden sind oder im Fall eines ausländischen
Nahestehenden anzuwenden wären, wenn die Tätigkeit im Inland vorgenommen würde.
31 Das der X SA gewährte Darlehen beruhte auf einer schuldrechtlichen Vereinbarung, nämlich dem
Darlehensvertrag, und nicht auf einer gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung. Auf die Ursache für die
schuldrechtliche Beziehung kommt es dabei nicht an. Auch eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung wie
z.B. eine unentgeltliche Leistung mit eigenkapitalersetzendem Charakter stellt eine Geschäftsbeziehung dar
(Kaligin in Lademann, AStG, 2. Aufl., § 1 AStG Rz. 27a).
32 Der Umstand, dass der Verzicht auf die Rückzahlung des Darlehens in Zusammenhang mit der Veräußerung
der Anteile an den Mitgesellschafter erfolgte, führt zu keiner anderen Beurteilung. Da der Verzicht auf die
Rückzahlung des Darlehens aufgrund der fehlenden Werthaltigkeit der Forderung nicht als verdeckte Einlage
(s.o. zu 1.) anzusehen ist, ist die nach Maßgabe des § 1 AStG 2003 zu beurteilende „Geschäftsbeziehung“
nicht der Verzicht auf die Rückzahlung des Darlehens, sondern das Darlehensverhältnis als solches. Im
Hinblick auf etwaige aus der Wertlosigkeit der Forderung auf Rückzahlung der Darlehensvaluta abzuleitende
Folgerungen kann auf die Grundsätze zurückgegriffen werden, die bei der Behandlung von
Teilwertabschreibungen auf Forderungen angewandt werden.
33 Nach der zu § 1 Abs. 4 AStG i.d.F. vom 25. Februar 1992 ergangenen Rechtsprechung ist die Gewährung
eines Gesellschafterdarlehens dann nicht Gegenstand einer „Geschäftsbeziehung", wenn sie entweder nach
den Vorschriften des für die Darlehensnehmerin maßgeblichen Gesellschaftsrechts als Zuführung von
Eigenkapital anzusehen ist oder wenn sie der Zuführung von Eigenkapital in einer Weise nahesteht, die eine
steuerrechtliche Gleichbehandlung mit jener gebietet. Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn die
Darlehensgewährung eine unzureichende Eigenkapitalausstattung der Kapitalgesellschaft ausgleicht und
eine notwendige Bedingung dafür ist, dass diese Gesellschaft die ihr zugedachte wirtschaftliche Funktion
erfüllen kann (vgl. BFH-Urteil vom 23. Juni 2010 I R 37/09, BStBl II 2010, 895 m.w.N.).
34 Vorliegend ist das Darlehen nach den Vorschriften des Schweizer Gesellschaftsrechts (Art. 620 ff. des
Obligationenrechts -OR-) nicht als Eigenkapital anzusehen, da nach der insoweit maßgeblichen
zivilrechtlichen Gestaltung die Hingabe des Kapitals auf einem Darlehensvertrag beruhte (vgl.
Neuhaus/Blättler in Basler Kommentar Obligationenrecht II, 4. Aufl., Art. 663a Rz. 13). Im Zeitpunkt der
Darlehensgewährung am 1. Januar 2002 ist keine offensichtliche Unterkapitalisierung der X SA
anzunehmen, bei der sich die Darlehensgewährung von vornherein einem Fremdvergleich entziehen würde.
Ausweislich der Bilanz zum 31. Dezember 2001 hat das gesamte Fremdkapital der X SA das Eigenkapital
von 100.000 CHF (Mindestkapital nach Art. 621 OR) nicht überstiegen. Es braucht daher nicht entschieden
zu werden, ob das Vorliegen einer „Geschäftsbeziehung“ auch dann nach § 1 Abs. 4 AStG 2003 zu
beurteilen wäre, wenn das Darlehen vor 2003 ausgereicht wurde, im Veranlagungszeitraum 2003 jedoch
weiterbesteht (so BMF-Schreiben vom 29. März 2011, IV B 5-S 1341/09/10004, a.a.O, Rz. 34).
35 cc) Im Streitfall lässt sich aufgrund der nachgewiesenen tatsächlichen Umstände nicht mit der notwendigen
Sicherheit zur Überzeugung des Senats feststellen, dass der streitgegenständliche Darlehensvertrag und der
darin vereinbarte Zinssatz dem zwischen fremden Dritten Üblichen entsprach. Dies gilt insbesondere für die
Frage, ob bei der Bemessung des Zinssatzes der fehlenden Sicherheit durch die Vereinbarung eines
angemessenen Sicherheitszuschlags Rechnung getragen wurde.
36 Unüblich zwischen fremden Dritten ist nach Auffassung des Senats jedenfalls, dass in dem erst über 10
Monate nach Hingabe der Darlehensvaluta schriftlich niedergelegten Darlehensvertrag kein bestimmter
fester oder variabler Zinssatz vereinbart wurde, sondern nur ein Höchstbetrag festgelegt wurde, sich der
Zinssatz nach dem Wortlaut des Vertrags also in einer Spanne zwischen 0 und 6 ½ % bewegen konnte.
37 Die bei der Klägerin für das Darlehen im Jahr 2002 verbuchten Zinsen betrugen 6 % der Darlehenssumme
und lagen damit um 0,5 % unter dem nach dem Merkblatt der ESTV für Betriebsmittelkredite an
Handelsunternehmen bei der Berechnung von geldwerten Leistungen für Vorschüsse von Beteiligten
anzusetzenden Höchstbetrag (übersetzte Zinsen). Der Senat ist der Auffassung, dass sich den von der ESTV
festgelegten Höchstbeträgen für Zinsen für Darlehen, die Aktionäre an ihre Kapitalgesellschaft hingegeben
haben, keine hinreichenden Anhaltspunkte für den im Rahmen des § 1 AStG durchzuführenden
Fremdvergleich entnehmen lassen. Mit der Festlegung von Höchstbeträgen verfolgt die ESTV im
Wesentlichen den Zweck, die steuerliche Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen bei gesellschafterfinanzierten
Kapitalgesellschaften einzuschränken. Zwar differenziert die ESTV bei Festlegung der zulässigen
Höchstsätze nach (dinglich gesicherten) Liegenschaftskrediten und Betriebsmittelkrediten. Abgesehen davon
werden jedoch die konkreten Konditionen der Darlehensgewährung, wie Sicherheiten, Risikozuschlag, Dauer
der Darlehensgewährung, auf die es bei Überprüfung der Frage, ob auch ein gesellschaftsfremder Dritter bei
sonst gleichen Umständen das Darlehen gewährt hätte, nicht berücksichtigt. Konkrete Nachweise zur Höhe
der im Jahr 2002 bei Betriebsmittelkrediten ohne Sicherheiten im Geschäftsverkehr üblichen Zinsen konnte
die insoweit nach § 90 Abs. 2 AO zur erhöhten Mitwirkung verpflichtete Klägerin trotz Aufforderung nicht
vorlegen. Der ehemalige Verwaltungsrat der X SA teilte in seiner Email vom 21. Oktober 2016 mit, dass er
keinen Beweis antreten könne, wie hoch der im Jahr 2002 übliche Zinssatz bei Darlehen war. Verbleibende
Zweifel des Senats, dass in dem -den vereinbarten Rahmen nicht ganz ausschöpfenden- Zinssatz von 6 %
ein die fehlenden Sicherheiten und die im Zeitpunkt der Darlehensgewährung unsichere wirtschaftliche
Situation der X SA (Aufbauphase, Verluste und fast vollständige Aufzehrung des Eigenkapitals)
angemessenen berücksichtigender Risikozuschlag enthalten ist, gehen zu Lasten der die Feststellungslast
tragenden Klägerin.
38 dd) In der Rechtsprechung der Finanzgerichte und der Literatur ist umstritten, ob § 1 AStG 2003 auf
Vermögensminderungen aufgrund von Teilwertabschreibungen oder anderen Wertminderungen auf
Darlehen Anwendung findet (so BMF-Schreiben vom 29. März 2011, IV B 5-S 1341/09/10004, a.a.O.).
Umstritten ist insbesondere, ob die fehlende Besicherung eines Darlehens eine Bedingung im Sinne von § 1
AStG 2003 ist, und ob die fehlende Besicherung und eine infolgedessen ausgelöste Teilwertabschreibung
nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG für die Einkünfteminderung als Gewinnverlagerung in das Ausland
ursächlich ("dadurch") ist. Der BFH hat diese Fragen ausdrücklich offen gelassen (BFH-Entscheidungen vom
17. Dezember 2014 I R 23/13, BStBl II 2016, 261; vom 24. Juni 2015 I R 29/14, BStBl II 2016, 258; vom 24.
März 2015 I B 103/13, BFH/NV 2015, 1009, jeweils mit weiteren Nachweisen aus Rechtsprechung und
Literatur).
39 c) Nach der gefestigten Rechtsprechung des BFH, der der erkennende Senat folgt, scheidet eine
Einkünftekorrektur nach § 1 AStG 2003 wegen der fehlenden Besicherung und der dadurch ausgelösten
Teilwertabschreibung (bzw. hier der Wertlosigkeit der Forderung auf Rückzahlung der Darlehensvaluta)
bereits deshalb aus, weil Art. 9 des DBA-Schweiz 1971 insoweit eine Sperrwirkung entfaltet.
40 aa) Art 9 DBA-Schweiz 1971, der Art. 9 Abs. 1 OECD MA entspricht (vgl. Baumhoff in
Flick/Wassermeyer/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland Schweiz, Art. 9 Rz. 3),
berechtigt zu einer Korrektur von Verrechnungspreisen zwischen verbundenen Unternehmen auf der Basis
des Fremdvergleichs.
41 Diese Vorschrift erfordert allerdings eine innerstaatliche Rechtsgrundlage, die ihrerseits die Gewinnkorrektur
nach Maßgabe des Art. 9 DBA-Schweiz 1971 ermöglicht; die Regelung dient -als abkommensrechtliche
Vorschrift- der Gewinnabgrenzung, nicht aber der (unmittelbaren) Gewinnkorrektur (keine sog. "self
executing-Wirkung"). Art. 9 DBA-Schweiz 1971 legt also nur den "Rahmen" und die abkommensrechtlichen
Bedingungen für die vorzunehmenden Gewinnkorrekturen fest. Zugleich kommt der Vorschrift als
Ausprägung der sog. Schrankenwirkung des Abkommens begrenzende Wirkung zu: Auch wenn Art. 9 DBA-
Schweiz 1971 Korrekturmöglichkeiten des Anwenderstaats nicht schafft, so "sperrt" sie für ihren
Anwendungsbereich doch weiter gehende, innerstaatlich zulässige Korrekturmöglichkeiten jenes Staats. Nur
so -durch einen einheitlichen und verbindlichen Beurteilungsmaßstab für beide Vertragsstaaten- lässt sich
erreichen, dass die beanstandeten Preise und Preisbestandteile in den einzelnen Staaten nicht doppelt
erfasst werden (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2016, 261 m.w.N.; s. a. Eigelshoven in Vogel/Lehner, DBA, 6.
Aufl., Art. 9 Rz. 18 ff., 20; Blümich/Pohl, § 1 AStG Rz. 12; Schönfeld/Ditz, DBA, Art. 9 Rz. 19).
42 bb) In den Vergleichsmaßstab des Art. 9 DBA-Schweiz 1971 sind nur diejenigen (Sachverhalts-)Umstände
einbezogen, welche sich auf die besagten “wirtschaftlichen oder finanziellen Bedingungen“ auswirken, also
die Angemessenheit (Höhe) des Vereinbarten berühren; eine Gewinnkorrektur, die sich nicht nur auf die
Angemessenheit (Höhe) des Vereinbarten erstreckt, sondern -in einem zweistufigen Vorgehen-
gleichermaßen auf dessen "Grund" (Üblichkeit der Konditionen, Ernsthaftigkeit), ist den Vergleichsmaßstäben
des "dealing at arm's length" als Gegenstand der Angemessenheitsprüfung fremd. Diese Vergleichsmaßstäbe
sind -schon um mangels einer entsprechenden Gegenkorrektur andernfalls drohenden doppelten
Besteuerungen sowohl in dem einen wie in dem anderen Vertragsstaat vorzubeugen- einem
abkommenseigenen und damit einheitlichen Begriffsverständnis unterworfen, der innerstaatlichen
Modifikationen des Fremdvergleichsbegriffs ex ante entgegensteht (BFH-Urteil in BStBl II 2016, 261 m.w.N.).
43 cc) Der entgegenstehenden Auffassung der Finanzverwaltung (vgl. BMF-Schreiben vom 30. März 2016 IV B
5-S 1341/11/10004-07, a.a.O) folgt der Senat angesichts der gefestigten höchstrichterlichen
Rechtsprechung des BFH nicht. Er geht vielmehr davon aus, dass der I. Senat des BFH auch in seiner
heutigen Besetzung jedenfalls im Ergebnis an seiner bisherigen Rechtsauffassung festhalten wird. Dem steht
insbesondere nicht der zwischenzeitlich ergangene Beschluss des Zweiten Senats des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 15. Dezember 2015 2 BvL 1/12 (NJW 2016, 1295) entgegen,
wonach eine einfachrechtliche Gesetzesvorschrift des nationalen Steuerrechts, welche die
abkommensrechtliche Regelung eines Doppelbesteuerungsabkommens überschreibt (sog. Treaty override),
nicht als verfassungswidrig anzusehen ist. Zwar war der I. Senat des BFH in seinem Vorlagebeschluss vom
10. Januar 2012 I R 66/09 (BFH/NV 2012, 1056), den er durch weiteren Beschluss vom 10. Juni 2015 I R
66/09 (BFH/NV 2015, 1250) ergänzte, noch von der Verfassungswidrigkeit des § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG
2002 in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz
2003) vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645) -EStG 2002 n.F.- wegen eines Verstoßes gegen den
allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes (Art. 3 Abs. 1 GG) überzeugt. Nachdem das BVerfG die
Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift ungeachtet des damit einhergehenden Völkerrechtsverstoßes bejaht
hatte, ist der BFH dieser Entscheidung des BVerfG im nachfolgenden Beschluss vom 29. Juni 2016 I R 66/09
(BFH/NV 2016, 1688) nunmehr gefolgt.
44 Das ändert indes nichts daran, dass nach der Rechtsprechung des BFH schon nicht ersichtlich ist, dass es sich
bei § 1 AStG überhaupt um eine Abkommensüberschreibung im Sinne eines Treaty override handelt (vgl.
BFH in BStBl II 2016, 258 unter II 3 c). Dem stimmt der erkennende Senat zu. Denn die vorrangige
Anwendung des § 1 AStG im Verhältnis zu Art. 9 OECD MA wurde weder ausdrücklich in § 1 AStG 2003
angeordnet noch ergibt sie sich aus den allgemeinen Regeln der Gesetzeskonkurrenz (vgl. Vogel, StuB 2016,
462; Pohl, a.a.O., § 1 AStG Rz. 12). Bei den in § 1 Abs. 1 AStG in Bezug genommenen Vorschriften handelt
es sich, wie sich u.a. aus den Gesetzesmaterialien zum Unternehmensteuerreformgesetz 2008 ergibt, um
die gegenüber § 1 AStG vorrangigen Regelungen der verdeckten Einlage, verdeckten Gewinnausschüttung,
Einlage und Entnahme (vgl. BT-Drs. 16/4841, 85 zu § 1 AStG Abs. 1 Satz 3).
45 II. 1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt folgt aus § 151 Abs. 3 FGO i.V. mit §§ 708 Nr. 11, 709, und 711 der
Zivilprozessordnung.
46 Die von der Klägerin beantragte Zuziehung des Bevollmächtigten zum Vorverfahren war für notwendig zu
erklären. Dem Verfahren lag ein Sachverhalt zugrunde, der in rechtlicher Hinsicht nicht von vornherein als
einfach zu beurteilen war. Die Klägerin durfte sich daher eines Rechtskundigen bedienen, um eine
erfolgversprechende Rechtsverfolgung zu erreichen (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO).
47 2. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zugelassen. Der Senat hält
die Rechtsfrage der Sperrwirkung des Art. 9 OECD MA bzw. hier des Art. 9 DBA-Schweiz trotz der
gefestigten Rechtsprechung des BFH wegen des ergangenen und ausführlich begründeten
Nichtanwendungserlasses des BMF für klärungsbedürftig. Im Übrigen würden sich, wenn der Auffassung des
BMF in der Frage der Sperrwirkung zu folgen wäre, eine Reihe weiterer streitiger Fragen im Rahmen der
Auslegung des § 1 AStG stellen, die der BFH bisher ausdrücklich offen gelassen hat.