Urteil des FG Baden-Württemberg vom 05.06.2008

FG Baden-Württemberg: china, eidgenössische steuerverwaltung, joint venture, einkünfte, grenzgänger, verlassen der arbeitsstelle, sitz im ausland, kapitalgesellschaft, vertragsstaat, betriebsstätte

FG Baden-Württemberg Urteil vom 5.6.2008, 3 K 2564/08
Abgrenzung des Besteuerungsrechts zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz: Kollektivprokurist ist leitender
Angestellter im Sinne des Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz - Grenzgänger - Berücksichtigung der Arbeitstage in Drittstaaten als
Nichtrückkehrtage im Sinne des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz - Erteilung der Prokura durch Konstituierungsbeschluss - Tatsächliche
Übung der Finanzämter - Maßgebendes DBA für Besteuerungsrecht für Tätigkeit im Drittstaat
Tatbestand
1
Die Kläger sind Eheleute, die für den Veranlagungszeitraum 1999 (Streitjahr) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Die Kläger
haben ihren Wohnsitz in X. Der Kläger ist von Beruf Dipl. Ingenieur.
2
Der am 5. Juni 1937 geborene Kläger arbeitete seit dem 1. Januar 1986 bis zu seiner Pensionierung zum 31. Mai 2001 bei der ..... AG (im
folgenden: H-AG bzw. Arbeitgeberin -Hinweis auf das Schreiben der H-AG vom 14. Juni 2007 als Anlage zum Schreiben des Klägers vom 25.
Juni 2007-) in der Schweiz (vgl. den auch noch für die Streitjahre im wesentlichen verbindlichen Arbeitsvertrag vom 20. November 1985 -s. die
Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 15. Juni 2007-). Seine regelmäßige Arbeitsstätte war die Zentralstelle der H-AG (Division ...) in Y (Kanton
Z). Dort arbeitete der Kläger außerhalb der Zeiten im Streitjahr, in denen er in der Volksrepublik China tätig war (siehe hierzu die später
folgenden Feststellungen).
3
Durch Beschluss des Verwaltungsrates der H-AG vom 23. April 1990 (Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 14. Mai 2008) wurde der Kläger
zum Prokuristen ernannt [Hinweis auf Art. 716a Abs. 1 Nr. 4 des Bundesgesetzes betreffend die Ergänzung des Schweizerischen
Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht) -im folgenden: OR- und auf Art. 721 OR; Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches
Aktienrecht, Bern, 1996, § 30 Rn. 46] und zwar -wie in der Schweiz generell üblich bei Großgesellschaften (wie der H-AG)- zum
Kollektivprokuristen (bei dem die Unterschrift des einzelnen Prokuristen ohne die Mitwirkung weiterer Unterschriftsberechtigter nicht verbindlich
ist: vgl. hierzu: Watter in: Basler Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Obligationenrecht I, 4. Aufl., 2007, Zürich -im folgenden: BSK OR I-
Bearbeiter- Art. 460 Rn. 7-11) und als solcher auch im zuständigen Handelsregister des Kantons T Hauptregister eingetragen (S. 7 oben des
Registerauszugs vom 5. Dezember 1995 als Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 25. Juni 2007 -Auszüge aus dem Schweizerischen
Handelsregister können auch über www.moneyhouse.ch eingesehen werden-). Der Verwaltungsrat der H-AG ist demzufolge seiner
Verpflichtung gemäß Art. 720 OR nachgekommen, die zur Vertretung befugten Personen zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden (unter
Vorlegung einer beglaubigten Abschrift des (Konstituierungsbeschlusses -vgl. hierzu: BSK OR II-Watter Art. 718 Rn 17).
4
Aus Art. 721 OR („Der Verwaltungsrat kann Prokuristen und andere Bevollmächtigte ernennen“) folgt, dass alle Zeichnungsberechtigungen -
einschließlich der nicht im Schweizerischen Handelsregister einzutragenden Handlungsvollmacht (Art. 462 OR; BSK OR I-Watter, 4. Aufl., 2007,
Art. 462 Rn. 3)- durch den Gesamtverwaltungsrat zu erteilen sind. Dies wird bei Großgesellschaften -wie z.B. der H-AG-, in denen jährlich
Hunderte von Zeichnungsberechtigungen (Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, a.a.O., § 30 Rn. 85) zu erteilen sind, als unsinnig angesehen
(Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, a,a.O., § 29 Rn. 64; BSK OR II-Watter, a.a.O., Art. 716a Rn. 16), vom Schweizerischen Gesetzgeber aber
offenbar bewusst so gewollt (vgl. Botschaft 182 zitiert bei: Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, a.a.O. § 29 Fn. 11; BSK OR II-Watter, Art. 721 Rn. 2).
Deshalb sind eine Vielzahl Schweizerischer Großunternehmen (z.B. A-AG, B-AG, C-AG, D-AG u.a. -Hinweis auf die bei den FG-Akten
befindlichen Handelsregisterauszüge-) dazu übergegangen, (fast) allen nach außen auftretenden Personen ohne weiteres nach einer gewissen
Anstellungszeit die Unterschriftsberechtigung im Sinne einer nicht im Handelsregister einzutragenden Handlungsvollmacht zu erteilen (Meier-
Hayoz/Forstmoser, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, 10. Aufl., 2007, § 9 Rn. 62-64; Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, a.a.O. § 29 Fn.12) bzw.
diese Personen im Handelsregister mit einem Zeichnungsrecht ohne Titel einzutragen (üblicher Eintrag: „Kollektivunterschrift zu zweien“; BSK
OR II-Watter, Art. 720 Rn 5 und Art. 721 Rn. 8), wobei jedoch darauf hinzuweisen ist, dass im Einzelfall mit diesem Eintrag nicht nur eine
Bevollmächtigung im Sinne von Art. 462 OR umschrieben wird, sondern eine Organvollmacht gemeint sein kann (BSK OR II-Watter Art. 721 Rn
8). Die H-AG ist dieser Übung jedoch nicht gefolgt (Hinweis auf den Auszug aus dem Handelsregister des Kantons T Hauptregister vom 15. Juni
2007, nach dem
1607
Funktionsbezeichnung], Bl. 194 und 195 der FG-Akten- s. Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 25. Juni 2007). Nach den Erfahrungen des
erkennenden Senats wird die (Kollektiv-)Prokura bei der Tätigkeit durchweg selten benötigt.
5
Der Aufforderung des Finanzgerichts (FG), die Statuten und das Organisationsreglement der H-AG (Hinweis auf Art. 716b Abs. 1 und 2 OR;
Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, a.a.O., § 11) vorzulegen, kam der Kläger nicht nach, weil die H-AG diese dem Kläger nicht zur Verfügung stellte
(zur Frage, inwieweit die Ernennung eines Prokuristen einer statuarischen Basis bzw. einer Konkretisierung bedarf: Forstmoser/Meier-
Hayoz/Nobel, a.a.O., § 29 Rn. 63-74). Diese Nichtvorlage entspricht der ständigen Übung gegenüber dem FG gerade der großen (Welt-)
Unternehmen in der Schweiz. Weniger bedeutende Unternehmen gestatten regelmäßig die Einsichtnahme in diese Unterlagen (vgl. zum Einblick
in das Organisationsreglement: BSK OR II-Watter Art. 716b Rn. 14-17).
6
Der Beschluss des Verwaltungsrates der H-AG über die Ernennung des Klägers zum Kollektivprokuristen liegt dem FG -wie bereits erwähnt- vor.
Dieser Konstituierungsbeschluss wird beim Schweizerischen Handelsregister hinterlegt (vgl. Art. 720 OR) und wird auf Anforderung auch zur
Verfügung gestellt (s. S. 2 des Auszugs aus dem Protokoll über die Sitzung des Verwaltungsrates der H-AG vom 23. April 1990, Anlage zum
Schriftsatz des Klägers vom 14. Mai 2008).
7
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1999 (s. Angaben zur Zeile 19 Anlage N-Gre, Bl. 10/1997 der ESt-Akten) gingen die Kläger
davon aus, dass der Kläger nicht als Grenzgänger nach Art. 15a des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der
Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen
vom 11. August 1971 -DBA-Schweiz 1971- in der Fassung des Protokolls vom 21. Dezember 1992 -DBA-Schweiz 1992- (BGBl II 1993, 1888,
BStBl I 1993, 928) der deutschen Besteuerung unterliege. Zusammen mit der am 21. Februar 2001 eingereichten Einkommensteuererklärung
übersandten die Kläger dem Beklagten (dem Finanzamt -FA-) eine Bestätigung der H-AG, nach der der Kläger insgesamt 113 Arbeitstage zur
örtlichen Betreuung und Abwicklung des ......projekts in G/Volksrepublik China verbracht habe (Bl. 17/1999 der ESt-Akten). Am 2. März 2001 legte
der Kläger ergänzend eine Bescheinigung seiner Arbeitgeberin vom 21. Februar 2001 vor (mit einem Sichtvermerk des Steueramts des Kantons
Z vom 1. März 2001 -Bl. 67/1999 der ESt-Akten-), nach der er an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund seiner Arbeitsausübung nicht an seinen
Wohnsitz zurückgekehrt sei.
8
Die vom Kläger angegebenen 113 Arbeitstage an denen er seine Arbeit in der Volksrepublik China ausgeübt habe, errechnen sich wie folgt:
9
vom
6.1. bis 4.2.
entsprechend 22 Arbeitstagen
} 15.3. bis 30.3.
}
12 }
} 19.4. bis 3.5.
}
9 }
} 21.6. bis 13.7.
}
16 }
} 16.8. bis 29.9.
}
33 }
} 17.11. bis 17.12. }
21 }
insgesamt
113 Arbeitstage
10 Bezüglich der Dienstreisen vom 6. Januar - 4. Februar, vom 15. März - 30. März, vom 16. August - 29. September sind als Arbeitstage nicht die
Samstage und Sonntage, jedoch die Anreise- und Abreisetage (Flugroute jeweils Basel - Zürich - G und umgekehrt) ab Antritt des jeweiligen
Fluges in Basel bzw. G -Bl. 27-29 der ESt-Akten; Bl. 20 der ESt-Akten; Bl. 24-26 der ESt-Akten;) berücksichtigt. Dem entsprechend ermittelt
ergeben sich für die Dienstreisen vom 19. April - 3. Mai 10 Arbeitstage, vom 21. Juni - 13. Juli 17 Arbeitstage und vom 17. November - 17.
Dezember 1997 23 Arbeitstage. In der Anlage zum Schriftsatz vom 14. Mai 2008 gibt der Kläger nunmehr für die einzelnen Dienstreisen 24
(bisher: 22), 12 (wie bisher), 15 (bisher: 9 -nunmehr bis 7. Mai-), 20 (bisher: 16 -nunmehr bis 17. Juli-), 23 (bisher: 33 -nunmehr bis 15.
September) und 23 (bisher: 21), demzufolge insgesamt 117 Arbeitstage an, wobei insbesondere darauf hingewiesen wird, dass nach diesen
Angaben des Klägers die Dienstreise, die am 16. August begann, schon am 15. September endete. Im übrigen wird darauf hingewiesen, dass
bei der Berechnung der Nichtrückkehrtage vom FA Samstage, Sonntage und Feiertage als Arbeitstage (vgl. II 2. des Verhandlungsprotokolls vom
18. Dezember 1991) berücksichtigt werden, wenn der Arbeitgeber die Reisekosten (nach Auffassung der Finanzverwaltung wohl inkl.
Verpflegungsmehraufwendungen -Fach A Teil 2 Nummer 8 zu Ergänzender Hinweis des Grenzgängerhandbuches) trägt (Locher/Meier/von
Siebenthal/Kolb, Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschland, Kommentar, B 15 a.2 Nr. 31 Ziffer 2).
11 Das FA errechnete auf der Grundlage der zuvor dargelegten Bestätigung der H-AG für die ersten vier Dienstreisen 30, 16, 15, 23, insgesamt also
84 „Nichtrückkehrtage“ (vgl. Aktenvermerk auf Bl. 17 der ESt-Akten) und berücksichtigte dabei Samstage und Sonntage einschließlich An- und
Abreisetage. Nach den Ermittlungen des FG sind als Arbeitstage keine Feiertage am Sitz der H-AG in Y/Kanton Z angesetzt worden.
12 Zur Tätigkeit des Klägers im Rahmen des .....-Projektes in G wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 9. Juli 2007 Bezug
genommen (Bl. 96-99 der FG-Akten) und auf die Aussagen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 5. Juni 2008, die auf eine CD
gebrannt wurden. Diese befindet sich bei den FG-Akten und kann ggf. den Beteiligten auf Anforderung zur Verfügung gestellt werden. Das .....-
Projekt umfasste die Herstellung eines ...-Herstellungsbetriebes im Rahmen eines Joint Venture. Die Investitionssumme betrug rd. 70.000.000
CHF. Die Herstellungsarbeiten in der Volksrepublik China dauerten ungefähr 2 Jahre. Inzwischen wurde das Werk weiterverkauft.
13 Nach den Angaben auf dem Lohnausweis wurde von der Arbeitgeberin vom Lohn des Klägers (Schweizerische) Quellensteuer von 7.835 CHF
für das Streitjahr abgezogen. Nach dem Berechnungsblatt des Steueramts des Kantons Z vom 5. März 2001 (Bl. 66/1999 der ESt-Akten)
schuldete der Kläger Quellensteuer in Höhe von insgesamt 34.823,60 CHF. Nach der Steuerbescheinigung des Departements Finanzen und
Ressourcen des Kantonalen Steueramts des Kantons Z vom 21. Juni 2007 hat der Kläger Quellensteuer von insgesamt 34.823,60 CHF gezahlt,
darin enthalten Kantons-, Gemeinde-, Kirchen- und Feuerwehrsteuer sowie die direkte Bundessteuer (vgl. Anlage zum Schriftsatz des Klägers
vom 25. Juni 2007). Die Besteuerung sei erfolgt nach Z- Tarif gemäß Bescheinigung Gre 3.
14 In dem -im vorliegenden Klageverfahren angegriffenen- Einkommensteueränderungsbescheid vom 16. August 2003, der zum Gegenstand des
zuvor form- und fristgerecht eingeleiteten Einspruchsverfahrens wurde (s. Schreiben vom 5. Juni 2001 [Bl. 67 der Rbst-Akten]; Hinweis auf § 365
Abs. 3 Satz 1 der Abgabenordnung -AO-), folgte das FA der Auffassung des Klägers, dass er nicht als Grenzgänger der deutschen Besteuerung
unterliege. Das FA ging davon aus, dass die Einnahmen des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit nur insoweit der deutschen Einkommensteuer
zu unterwerfen seien, als die Tätigkeit (an 113 Tagen; s. Erläuterungen zum Steuerbescheid vom 5. April 2001, Bl. 70 und 71 der ESt-Akten) in
der Volksrepublik China (G) ausgeübt worden sei (von 101.336 DM = 177.874 CHF [Zeilen 16 und 17 der Anlage N-Gre, Bl. 10 der ESt-Akten und
Bl. 12 der ESt-Akten] x 121 v.H. [durchschnittlicher Umrechnungskurs Anlage N-Gre unten] = 215.227 DM x 113/240 [Bl. 12 der ESt-Akten]). Den
restlichen Lohn des Klägers berücksichtigte es bei der Berechnung des Steuersatzes (113.891 DM [Bl. 12 der ESt-Akten ] und Erläuterungen zum
Bescheid vom 16. Juni 2003 [Bl. 81 und 82 der ESt-Akten]). Im übrigen rechnete das FA die Schweizerische Quellensteuer auf die in der
Volksrepublik China ausgeübte Tätigkeit des Klägers gemäß § 34c Abs. 1 EStG auf die Einkommensteuer an (19.839 DM = 34.823 CHF [=
Schweizerische Quellensteuer] x 121 v.H. = 42.135 CHF x 113/240 [Bl. 12 der ESt-Akten]).
15 Die Volksrepublik China hat für die Tätigkeit des Klägers in G (in Zusammenhang mit der Errichtung der ......... Fabrik) kein Besteuerungsrecht
ausgeübt (Hinweis auf Art. 15 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 10. Juni 1985 -DBA-China-).
16 Das Einspruchsverfahren ruhte einvernehmlich zwischen den Beteiligten (s. Schreiben des FA vom 20. November 2001 und der Kläger vom 5.
Juni 2001). Im Schreiben vom 29. Juli 2004 teilte das FA den Klägern mit, dass das Verfahren fortgesetzt werde. Daraufhin wurde mit
Rechtsbehelfsentscheidung vom 8. Dezember 2004 (u.a.) der Einspruch für das Streitjahr als unbegründet zurückgewiesen. Das FA ist der
Auffassung, der Anteil der Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit, der auf die Arbeitstage in der Volksrepublik China entfalle, sei in
der Bundesrepublik Deutschland zu besteuern. Die Vorschrift des Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz, nach der ein in der Bundesrepublik
Deutschland ansässiger Prokurist (wie der Kläger) einer Schweizerischen Kapitalgesellschaft mit den Einkünften aus dieser Tätigkeit unter
weiteren Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz in der Schweiz besteuert werden „kann“, schließe die Besteuerung auch im
Wohnsitzstaat (der Bundesrepublik Deutschland) nicht aus. Die Doppelbesteuerung werde insoweit nicht durch Steuerfreistellung (unter
Progressionsvorbehalt), sondern (lediglich) durch Anrechnung der in der Schweiz gezahlten Quellensteuer gemäß Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-
Schweiz beseitigt. Dies sei in den angegriffenen Steuerbescheiden geschehen.
17 Anschließend erhoben die Kläger form- und fristgerecht Klage, mit der sie zunächst das Ruhen des Verfahrens beantragten im Hinblick auf das
damals beim Bundesfinanzhof (BFH) noch anhängige Revisionsverfahren zu dem Aktenzeichen I R 18/04 (Vorentscheidung: Urteil des FG
Baden-Württemberg, Außensenate Stuttgart vom 10. Dezember 2003 12 K 171/01, EFG 2004, 870 -aufgehoben durch BFH-Urteil vom 25.
Oktober 2007 I R 18/04, BFH/NV 2007, 875). Sie machen geltend, die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit unterlägen insgesamt
nicht der Besteuerung in der Bundesrepublik Deutschland.
18 Die Kläger beantragen: den Einkommensteueränderungsbescheid für 1999 vom 16. Juni 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8.
Dezember 2004 zu ändern und die Einkommensteuer auf 12.647 DM festzusetzen.
19 Das FA beantragt: die Klage abzuweisen.
20 Es verweist im wesentlichen auf die Ausführungen Im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 6. Juli 2007, das dem FG am
9. Juli 2007 durch einen Vertreter des Finanzministeriums Baden-Württemberg übergeben wurde. Das Schreiben enthält eine (ablehnende)
Stellungnahme zum BFH-Urteil vom 26. Oktober 2006 I R 81/04 (zur amtlichen Veröffentlichung vorgesehen, BFHE 215, 237; BFH/NV 2007, 593
-Vorentscheidung: Urteil des FG Köln vom 24. Mai 2004 10 K 494/00, EFG 2005, 22-).
21 Die -im oben dargelegten Klageantrag wiedergegebene- Berechnung der von den Klägern begehrten Steuerfestsetzung für das Streitjahr folgt
einer Berechnung durch den erkennenden Senat. Die Berechnungen des FA und der Kläger sind insoweit fehlerhaft, als die Einkünfte des
Klägers aus nichtselbständiger Arbeit nicht in voller Höhe (von 213.227 DM) bei der Berechnung des Steuersatzes berücksichtigt wurden (s. §
32b Abs. 1 Nr. 3 Alternative 1 der im Streitjahr geltenden Fassung des Einkommensteuergesetzes -EStG 1999- Hinweis auf den Schriftsatz des
FA vom 5. Juni 2007, Bl. 67, 76-79 der FG-Akten).
22 Die Kläger erklärten im Schriftsatz vom 25. Juni 2007 (Bl. 93 der FG-Akten), eine getrennte Veranlagung sei günstiger als eine
Zusammenveranlagung. Mit den Beteiligten (und dabei insbesondere mit den Klägern) bestand insoweit Einigkeit, dass dieser Hinweis als
Anregung an das FA gedacht ist, nach Eintritt der Rechtskraft im Falle eines -der Klage stattgebenden- Urteils über dieses Begehren zu
entscheiden. Auf das Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 19. Mai 2004 III R 18/02 (BStBl II 2004, 980) wird im übrigen hingewiesen.
23 Mit Beschluss des 3. (Voll-)Senats vom 25. Juni 2007 3 K 121/07 wurde der Rechtsstreit (u.a.) für die Streitjahre auf den Einzelrichter übertragen.
24 Am 9. Juli 2007 fand vor dem Einzelrichter mündliche Verhandlung statt. Der Termin wurde nach seinem Beginn aufgehoben. Auf die
Niederschrift über diesen Termin, die den Beteiligten bekannt gegeben wurde, wird Bezug genommen.
25 Mit Beschluss des Einzelrichters vom 8. April 2008 3 K 121/07 wurde der Rechtsstreit (u.a.) für die Streitjahre auf den 3. (Voll-)Senat
zurückübertragen.
26 Mit Senatsbeschluss vom 5. Juni 2008 3 K 121/07 wurde (nach gemeinsamer Verhandlung mit den Verfahren 3 K 121/07 und 3 K 2565/08) das
vorliegende Verfahren zur gesonderten Entscheidung getrennt.
27
Dem Senat lagen folgende Akten vor:
1 Bd Einkommensteuerakten Bd III Stnr.:
1 Bd Einkommensteuerakten Bd IV Stnr.:
1 Bd Rechtsbehelfsakten Stnr.:
Entscheidungsgründe
28 Die Klage ist begründet. Der Kläger unterliegt mit seinen Einkünften aus unselbständiger Arbeit weder insgesamt als Grenzgänger im Sinne von
Art. 15a DBA-Schweiz (siehe nachfolgend zu 1.) noch teilweise -im Hinblick auf seine Tätigkeit in der Volksrepublik China- als leitender
Angestellter, der eine in Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz abschließend bestimmte Tätigkeit (als Prokurist) ausgeübt hat (BFH-Beschluss vom
12. September 2006 I B 27/06, BFH/NV 2007, 13 zu II. 4.), der deutschen Besteuerung (siehe nachfolgend zu 2.). Ein Besteuerungsrecht ergibt
sich insoweit auch nicht aus Art. 15 Abs. 2 DBA-China (siehe nachfolgend zu 3.).
29 1. Nach der speziellen Bestimmung des Art. 15a Abs.1 Satz 1 DBA-Schweiz (Hinweis auf die [Eingangs-]Formulierungen: „Ungeachtet des
Artikels 15“ in Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz und: „Vorbehaltlich [u.a.] des Artikels 15a“ in Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz) sind Gehälter,
Löhne und ähnliche Vergütungen, die ein Grenzgänger aus unselbständiger Arbeit bezieht, in dem Vertragsstaat zu besteuern, in dem der
Grenzgänger ansässig ist. Die Bestimmung des Art. 15a (Abs. 1 Satz 1) DBA-Schweiz geht auch der Bestimmung zu den leitenden Angestellten
nach Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz vor (Hinweis auch auf die Formulierung in Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz: „ Vorbehaltlich des Artikels 15a“),
die insoweit den nichtleitenden Angestellten gleichgestellt sind (Bundesrätliche Botschaft über ein Protokoll zur Änderung des
Doppelbesteuerungsabkommens mit der Bundesrepublik Deutschland vom 1. März 1993 Ziffer 2 Besonderer Teil Artikel II Abs. 2, Bundesblatt -
BBl- Band I 1993, 1521, 1525).
30 Demgegenüber gelten für Einkünfte von in einem Vertragsstaat ansässigen Arbeitnehmern, die in dem anderen Vertragsstaat ihre Arbeit
ausüben und die nicht Grenzgänger sind, hinsichtlich des Besteuerungsrechts die Regelungen in Art. 15 in Verbindung mit Art. 24 DBA-Schweiz;
danach ist bei einem in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Arbeitnehmer mit Arbeitsort in der Schweiz die Schweiz zur Besteuerung
der Arbeitseinkünfte berechtigt (Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-Schweiz), jedenfalls soweit die Arbeit in der Schweiz ausgeübt wird (BFH-Beschlüsse
vom 19. April 1999 I B 141/98, BFH/NV 1999, 1317, zu 1. b; vom 19. Mai 1995 I B 189/94, BFH/NV 1995, 1048; Brandis in: Debatin/Wassermeyer,
Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 15 Schweiz Rn. 33, mit weiteren Nachweisen) und die Bundesrepublik Deutschland zur Freistellung dieser
Einkünfte von der Einkommensteuer verpflichtet (Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe d DBA-Schweiz). Gemäß der spezielleren Bestimmung (bzw.
Sonderregelung) des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz steht der Schweiz bei Arbeitnehmern, die leitende Angestellte einer in der Schweiz ansässigen
Kapitalgesellschaft (vgl. hierzu: BFH-Urteil vom 21. August 2007 I R 17/07, BFH/NV 2008, 530) sind, das Besteuerungsrecht zu für die gesamten
Einkünfte des leitenden Angestellten aus unselbständiger Arbeit (unter weiteren in Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz genannten Voraussetzungen).
Für den Streitfall folgt hieraus, dass der (gesamte) Arbeitslohn des Klägers nur dann der deutschen Besteuerung unterliegt, wenn der Kläger
Grenzgänger ist. Die hierfür erforderlichen Voraussetzungen im Sinne des Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz liegen jedoch nicht vor.
31 a) Nach Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz ist Grenzgänger im Sinne von Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz jede in einem Vertragsstaat
ansässige Person, die in dem anderen Vertragsstaat ihren Arbeitsort hat und von dort regelmäßig zurückkehrt. Zum Begriff des Grenzgängers
gehört, dass der Arbeitnehmer regelmäßig die Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz in beide Richtungen
überquert (vgl. zur Rechtsprechung vor dem 1. Januar 1994: BFH-Urteil vom 21. August 1996 I R 80/95, BStBl II 1997, 134). Die
Grenzgängereigenschaft eines Arbeitnehmers hängt damit nicht allein von der regelmäßigen Rückkehr nach Arbeitsende (im Anschluss an das
Verlassen der Arbeitsstelle [BFH-Urteil vom 15. September 2004 I R 67/03, BFH/NV 2005, 267 zu II. 4.]) aus dem Staat seines Arbeitsortes in den
Wohnsitzstaat ab (in diesem Sinne wohl: Hundt, Der Betrieb -DB- 1995, 171, zu II. 2. bb [2]; vgl. im übrigen: Kempermann, Finanz-Rundschau -
FR- 1994, 564, II. 2.). Das Erfordernis der regelmäßigen Rückkehr „von dort“ setzt bei natürlicher Betrachtung nach Auffassung des erkennenden
Senats voraus, dass sich der Arbeitnehmer regelmäßig „nach dort“ (also in den Staat seines Arbeitsortes) begeben hat (vgl. in diesem
Zusammenhang: BFH-Beschluss vom 16. März 1994 I B 186/93, BStBl II 1994, 696 zu II.2.; Züger, Die abkommensrechtlichen
Grenzgängerbestimmungen in: Gassner/Lang/Lechner/Schuch/Staringer [Hrsg.], Arbeitnehmer im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen,
Wien 2003, S. 177 [191 ff] zu II. 5; Kolb in: Gocke/Gosch/Lang, Körperschaftsteuer Internationales Steuerecht Doppelbesteuerungsabkommen,
Festschrift für Wassermeyer, München 2005, S. 757 [763 ff] zu II. 2. b).
32 b) Hiernach bestehen an der Grenzgängereigenschaft des Klägers insoweit keine Zweifel. Der Kläger hat sich zwar im Streitjahr an den
Arbeitstagen (Hinweis auf Nr. II 2. des Verhandlungsprotokolls zum Änderungsprotokoll vom 18. Dezember 1991 [BGBl II 1993, 1889, BStBl I
1993, 929] -Verhandlungsprotokoll-), an denen er seine Arbeit in G in der Volksrepublik China ausgeübt hat und demzufolge an höchstens 117
Tagen, nicht in den anderen Staat im Sinne des Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz an seinen Arbeitsort in Y in der ...zentrale der H-AG
begeben, wo der Kläger in den Betrieb seines Arbeitgebers im Streitjahr eingegliedert war und damit seinen Arbeitsort im Sinne des Art. 15a Abs.
2 Satz 1 DBA-Schweiz hatte (Züger in: Gassner/Lang/Lechner/Schuch/Staringer [Hrsg.], a.a.O., S.177 [S. 188] zu II. 4., mit weiteren Nachweisen).
Hinsichtlich der Zahl dieser Arbeitstage, die der Kläger in der Volksrepublik China höchstens verbracht hat, folgt der erkennende Senat damit
dessen Angaben im Schriftsatz vom 14. Mai 2008, die in sich schlüssig sind (Hinweis auf die beigefügten Flugdaten, Eintragungen im Reisepass
und die handschriftlichen, zeitnah angefertigten Tabellen zu den Arbeitstagen) und auch ansonsten auf keine Bedenken stoßen. Ausgehend von
den üblicherweise im Streitjahr bei Grenzgängern anzusetzenden 240 Arbeitstagen (Hinweis auf Fach A Teil 2 Nummer 8 des
Grenzgängerhandbuches) hat der Kläger damit im Streitjahr an (rund) 123 Arbeitstagen die Grenze zur Schweiz überquert. Er hat damit mehr als
nur gelegentlich, wenn auch nicht täglich, was auch nicht erforderlich ist, die Grenze zur Schweiz überquert. Mithin ist von einem regelmäßigen
Pendeln über die Grenze als einer notwendigen Voraussetzung für die Annahme der Grenzgängereigenschaft des Klägers auszugehen.
33 aa) In den zuvor erwähnten 117 Arbeitstagen (in der Volksrepublik China) sind auch Tage enthalten, an denen der Kläger auf dem Weg in die
Volksrepublik China und zurück (vom Flughafen Basel über Zürich nach G und umgekehrt -Hinweis z.B. auf die Angaben zum 6. Januar und 4.
Februar, s. Reiseprogramm vom 23. Dezember 1998 lt. Anlagen zum Schriftsatz des Klägers vom 14. Mai 2008-) die Grenze zur und von der
Schweiz aus kommend überflogen hat. Ob diese Tage bei der Entscheidung der Rechtsfrage über das regelmäßige Pendeln über die Grenze zur
Schweiz zu berücksichtigen sind, kann der Senat offen lassen (vgl. in diesem Zusammenhang: BFH-Urteil vom 14. Dezember 1988 I R 148/87,
BStBl II 1989, 319, zu II. 2.), weil dieser Umstand die Zahl der Tage, an denen der Kläger die Grenze zur Schweiz in beide Richtungen überquert
haben könnte, nur noch weiter erhöhen würde und die vom Senat zuvor berücksichtigten 123 Tage des Pendelns über die Grenze bereits
ausreichend sind für die Annahme, der Kläger habe sich regelmäßig in die Schweiz begeben, und er erfülle insoweit die Voraussetzungen für die
Grenzgängereigenschaft.
34 bb) Der erkennende Senat ist bei der Beurteilung, ob der Kläger regelmäßig über die Grenze gependelt ist, im Anschluss an eine Anweisung der
Baden-Württembergischen Finanzverwaltung im Grenzgängerhandbuch von 240 (vereinbarten) Arbeitstagen ausgegangen (Hinweis auf Fach A
Teil 2 Nummer 8 a.a.O. in Verbindung mit Nr. II. 2. des Verhandlungsprotokolls; Berechnung danach wohl: 365 Tage ./. 104 Samstage und
Sonntage ./. 21 Tage Urlaub). Der Senat kann offen lassen, ob er dieser Berechnung der Arbeitstage (wohl ohne Ansatz von Feiertagen) folgt
oder ob er z.B. lediglich 220 Arbeitstage (Vogelgesang in: Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA-Kommentar, Art. 15 OECD -MA Rn 239 und 240) für
zutreffend hält (insbesondere auch unter Berücksichtigung der -dem erkennenden Senat bekannten- Feiertage am Sitz der H-AG und der
Urlaubstage des Klägers im Streitjahr). Nach Abzug der im wesentlichen in der Volksrepublik China verbrachten 117 Tage ergeben sich bei 220
Arbeitstagen noch 103 Tage, an denen der Kläger vom seinem Wohnort an seinen Arbeitsort in der Schweiz hin- und zurück über die
schweizerische Grenze gependelt ist. Auch diese Anzahl von Tagen erfüllt die Voraussetzungen der Grenzgängereigenschaft des Klägers
insoweit, als er regelmäßig die Grenze überquert haben muss (in beide Richtungen).
35 c) Der Kläger ist im Streitjahr jedoch nicht als Grenzgänger zu beurteilen (mit der Folge, dass ein Besteuerungsrecht der Bundesrepublik
Deutschland für seine [gesamten] Einkünfte aus unselbständiger Arbeit nicht besteht), weil er in Zusammenhang mit seinem Aufenthalt in der
Volksrepublik China (demzufolge also in einem Drittstaat/Drittland) aus Anlass der Errichtung der ... -Fabrik im Sinne von Art. 15a Abs. 2 Satz 2
DBA-Schweiz an mehr als 60 Tagen aus beruflichen Gründen nicht an seinen Wohnsitz zurückgekehrt ist. Arbeitstage in Drittstaaten sind bei der
Berechnung der (60) Nichtrückkehrtage zu berücksichtigen. Dies ergibt sich durch Auslegung des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz.
36 Nach Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz entfällt die Grenzgängereigenschaft nur dann, wenn der Arbeitnehmer nicht jeweils nach Arbeitsende
an seinen Wohnsitz zurückkehrt und der Arbeitnehmer bei einer Beschäftigung während des gesamten Jahres an mehr als 60 Arbeitstagen auf
Grund seiner Arbeitsausübung nicht an seinen Wohnsitz zurückkehrt.
37 Bei der Auslegung von Bestimmungen eines Doppelbesteuerungsabkommens ist nicht nur deren Wortlaut (dem jedoch eine besondere
Bedeutung zukommen kann: Henkel in: Gosch/Kroppen/Grotherr, a.a.O., Grundlagen Rn 23-25; Art. 31 Abs. 4 des Wiener Abkommens über die
Verträge vom 23. Mai 1969, BGBl II 19985, 926 ff -WÜRV-), sondern auch auf deren systematischen Zusammenhang (Henkel in:
Gosch/Kroppen/Grotherr, a.a.O., Grundlagen Rn 26-32; Art. 31 Abs. 2 und 3 WÜRV) und den Sinn und Zweck der auszulegenden Bestimmung
abzustellen (BFH-Urteile vom 23. Februar 2005 I R 13/04, BFH/NV 2005, 1241; vom 15. Juni 1973 III R 118/70, BStBl II 1973, 810; Art. 31 Abs. 1
WÜRV). Die Vorschriften des WÜRV sind bei der Auslegung des Art. 15a DBA-Schweiz unmittelbar heranzuziehen, weil diese Bestimmung nach
Inkrafttreten des WÜRV für die Bundesrepublik Deutschland am 20. August 1987 (BGBl II 1987, 757) und für die Schweizerische
Eidgenossenschaft am 6. Juni 1990 (AS 1990, 1112) vereinbart wurde.
38 Nach seinem Wortlaut verlangt Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz, dass der Arbeitnehmer von dort (also aus dem Staat seines Arbeitsortes)
regelmäßig an seinen Wohnsitz zurückkehren muss, um als Grenzgänger beurteilt werden zu können. Damit wird jedoch nur
eine
der Grenzgängereigenschaft bezeichnet, nämlich das Erfordernis des regelmäßigen Pendelns über die Grenze, was der Kläger im Streitjahr
erfüllt hat, weil er sich an über 100 Tagen an seinen Arbeitsort in Y begeben hat und nach Arbeitsende an seinen Wohnort in X zurückgekehrt ist.
Demgegenüber entfällt nach dem Wortlaut des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz die Grenzgängereigenschaft des Arbeitnehmers dann, wenn
dieser nach Arbeitsende an mehr als 60 Tagen nicht an seinen Wohnsitz zurückkehrt und dies ohne Einschränkung in der Hinsicht, dass die
Grenzgängereigenschaft nur dann entfällt, wenn er nach Arbeitsende
im Staat seines Arbeitsortes
Gassner/Lang/Lechner/Schuch/Staringer/ [Hrsg.], a.a.O., S. 177 ff [S. 188] zu II. 4.; BMF-Schreiben vom 19. September 1994 IV C 6 - S 1301 Schz
- 60/94, BStBl I 1994, 683, zu Tz. 08), an mehr als 60 Tagen nicht zurückkehrt. Nach dem Wortlaut des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz entfällt
die Grenzgängereigenschaft demzufolge auch dann, wenn der Arbeitnehmer -wie der Kläger-
aus einem Drittstaat
den Wohnsitzstaat zurückkehrt.
39 Das zuvor dargelegte Ergebnis, das dem Wortlaut der Bestimmungen des Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz und des Art. 15a Abs. 2 Satz 2
DBA-Schweiz entspricht und den systematischen Zusammenhang auf der Grundlage des jeweiligen Regelungsgehalts der Bestimmungen
berücksichtigt, steht auch in Übereinstimmung mit dem Sinn und Zweck der Regelung über die Nichtrückkehren (= Nichtrückkehrtage im
Schweizerdeutschen Sprachgebrauch -vgl. hierzu: Küng, Thomas, Gebrauchsanweisung für die Schweiz, 9. Aufl., 2007, S. 46 ff [Die Sprache(n)
der Eingeborenen], S. 60 Abs. 2 ff-).
40 Sinn und Zweck des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz, dem Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht zu geben (bei Nichtrückkehr des
Arbeitnehmers aus beruflichen Gründen in den Wohnsitzstaat an mehr als 60 Arbeitstagen), ist, dass der Staat des Arbeitsortes (Züger in:
Gassner/Lang/Lechner/Schuch/Staringer [Hrsg.], a.a.O., S. 177 zu II.4.), der über die Geltendmachung der Lohnzahlung als Betriebsausgaben
Steuerausfälle hinnehmen muss (Züger in: Gassner/Lang/Lechner/Schuch/Staringer [Hrsg.], a.a.O., S. 196-197), zu diesem Verzicht nur bereit ist,
wenn sich der Arbeitnehmer nicht längere Zeit im Staat des Arbeitsortes (vgl. hierzu: BMF in BStBl I 1994, 683 zu Tz. 08) aufhält (Mössner, Recht
der Internationalen Wirtschaft -RIW-2001, 433, 439). Kehrt er auf Grund der Arbeitsausübung an mehr als 60 Tagen nicht zurück, besteht nicht
nur eine besonders intensive Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Tätigkeitsstaates, und damit ein Grund für dessen Besteuerungsrecht,
wenn der Arbeitnehmer im Staat des Arbeitsortes verbleibt, sondern auch dann, wenn er für seinen Arbeitgeber in einem Drittstaat seine Arbeit
verrichtet und von dort nicht zurückkehrt: Denn der Arbeitnehmer tritt im Drittstaat als Beschäftigter eines Schweizerischen Arbeitgebers auf. Als
dessen Repräsentant in einem Drittstaat tritt eine engere Verbindung zum Arbeitgeber und in dessen Arbeitsorganisation ein, insbesondere
wenn der Arbeitnehmer aus Gründen seiner Arbeitsausübung an mehr als 60 Arbeitstagen nicht in seinen Wohnsitzstaat zurückkehren kann.
Dies rechtfertigt das Besteuerungsrecht des Staates seines regelmäßigen Arbeitsortes, in dessen Arbeitsorganisation der Arbeitnehmer aus den
vorgenannten Gründen auch bei einer Tätigkeit in einem Drittstaat intensiver eingegliedert ist.
41 Im übrigen werden durch die mehr als 60malige Nichtrückkehr (im Streitfall die rund 117malige) in den Wohnsitzstaat wegen des Verbleibens im
Drittstaat die Beziehungen (persönliche Verbindung) des Arbeitnehmers zum Wohnsitzstaat gelockert (Debatin/Wassermeyer,
Doppelbesteuerungsabkommen, MA Art. 15 Rn. 160a). Der Arbeitnehmer ist mit dem Lebenskreis des Wohnsitzstaates (BFH-Urteil vom 16. März
1994 I B 186/93, BStBl II 1994, 696) nicht mehr so eng verhaftet (Vogel/Lehner, DBA, Kommentar, 5. Aufl., 2008, Art. 15 Rn. 132) und das für den
Grenzgänger typische Pendeln über die Grenze tritt zurück, und es tritt stärker hervor die mit einer „Arbeit im Ausland“ in Art. 15 DBA-Schweiz
typischer Weise erfasste Tätigkeit eines Arbeitnehmers (Debatin/Wassermeyer, a.a.O., MA Art. 15 Rn. 160a; Vogelgesang in:
Gosch/Kroppen/Grotherr, a.a.O. Art. 15 OECD-MA Rn. 279). Dies rechtfertigt es, nicht dem Wohnsitzstaat wie im Falle eines Grenzgängers das
Besteuerungsrecht zuzuerkennen (Art. 15a Abs. 1 DBA-Schweiz), sondern grundsätzlich dem Tätigkeitsstaat wie bei den von Art. 15 DBA-
Schweiz erfassten Arbeitnehmern (unter Beachtung der in Art. 15 Abs. 2-4 DBA-Schweiz geregelten Tatbestände).
42 d) Nach der Rechtsprechung des BFH wird die Tätigkeit eines in Deutschland ansässigen leitenden Angestellten (zu denen der Kläger rechnet -
s. hierzu später zu a cc-) für eine Schweizerische Kapitalgesellschaft (Art. 15 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe d DBA-
Schweiz) in der Schweiz ausgeübt, wenn nicht eine abgegrenzte Tätigkeit vorliegt, die lediglich Aufgaben außerhalb der Schweiz umfasst (BFH-
Urteil vom 25. Oktober 2006 I R 81/04, BFHE 215, 237, BFH/NV 2007, 593). Die Bestimmung des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz enthält
für ihren
Anwendungsbereich
zum Arbeitsort in Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz bzw zur Arbeitsausübung in Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz, bei denen es sich jeweils
um speziellere Bestimmungen handelt, die dem Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz vorgehen, nicht zu berücksichtigen (nach dem Grundsatz: legis
specialis derogat legi generali -Kruse/Drüen in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 4 AO Tz. 270).
43 2. a) Nach den zuvor dargelegten Erwägungen unterliegen die gesamten, von der H-AG bezogenen Einkünfte des Klägers aus unselbständiger
Arbeit nicht der Besteuerung in der Bundesrepublik Deutschland (s. zu 1.). Darüber hinaus unterliegen auch die Einkünfte des Klägers aus
unselbständiger Arbeit wegen der in der Volksrepublik China ausgeübten Arbeit nicht der Besteuerung durch die Bundesrepublik Deutschland.
Diese Einkünfte sind nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz in der Bundesrepublik Deutschland von der
Besteuerung freizustellen und unterliegen lediglich dem Progressionsvorbehalt (§ 32b Abs. 1 Nr. 3 Alternative 1 EStG 1999; vgl. hierzu: Probst in:
Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 32b Rn. 82a-85).
44 Nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe d DBA-Schweiz werden bei einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Person aus der Schweiz
stammende Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen im Sinne des Art. 15 DBA-Schweiz, soweit sie nicht unter Art. 17 DBA-Schweiz fallen,
von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen, wenn sie in der Schweiz besteuert werden können (aa) und wenn die
Arbeit in der Schweiz ausgeübt wird (bb-cc).
45 aa) In der Schweiz besteuert werden können gemäß Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz (vorbehaltlich des Art. 15a DBA-Schweiz) die Einkünfte
einer natürlichen Person, die in Deutschland ansässig, aber als Vorstandsmitglied, Direktor, Geschäftsführer oder Prokurist einer in dem anderen
Vertragsstaat (hier: in der Schweiz) ansässigen Kapitalgesellschaft tätig ist, sofern die Tätigkeit nicht so abgegrenzt ist, dass sie lediglich
Aufgaben außerhalb dieses anderen Staates (hier. der Schweiz) umfasst. Besteuert der andere Staat (die Schweiz) diese Einkünfte nicht, so
können sie in der Bundesrepublik Deutschland besteuert werden (Art. 15 Abs. 4 Satz 2 DBA-Schweiz).
46 bb) Im Streitfall war der Kläger als (Kollektiv-)Prokurist der in Y ansässigen H-AG tätig. Er hat damit eine Tätigkeit im Sinne des Art. 15 Abs. 4 Satz
1 DBA-Schweiz ausgeübt.
47 Nach der Rechtsprechung des BFH (Beschluss in BFH/NV 1999, 1317, zu 2. a bb), der sich der erkennende Senat in vollem Umfang anschließt,
kommt eine Ausweitung des in Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz genannten Personenkreises in Anbetracht der abschließenden Aufzählung
nicht in Betracht (in diesem Sinne ursprünglich auch die Eidgenössische Steuerverwaltung: s. Schreiben des Bundesministeriums der
Finanzen -BMF- vom 18. Dezember 1985 IV C 6 - S 1301 Schz - 138/85, DB 1986, 357 zu 3.). Einer Ausweitung des Personenkreises -so der
BFH- a.a.O. weiter, stehe zudem entgegen, dass die Bestimmung von der abkommensrechtlichen Maßgeblichkeit des tatsächlichen
Tätigkeitsortes eine Ausnahme mache (BFH-Urteile in BFHE 215, 237; vom 5. Oktober 1995 I R 67/93 BStBl II 1995, 95, zu II. 5.; Urteil des FG
München vom 23. Juli 2003 1 K 1231/00, Internationales Steuerrecht -IStR- 2004, 168) und Ausnahmevorschriften nach allgemeinen
Auslegungsregeln einer erweiternden Auslegung grundsätzlich nicht zugänglich sind (BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 530, zu II. 2. b aa; BFH-
Beschluss in BFH/NV 2007, 13 zu II.4.; BFH-Urteil vom 8. April 1992 I R 68/91, BFH/NV 1993, 295 -Kruse/Drüen in: Tipke/Kruse, a.a.O., § 4 AO
Tzn. 224-226, mit weiteren Nachweisen). Sollten hieran anschließend die Ausführungen der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben vom 7. Juli
1997 IV C 6 - S 1301 Schz- 37/97 (BStBl I 1997, 723 zu 2. Buchstabe a) dahingehend zu verstehen sein, dass mit der a.a.O. dargelegten
weitergehenden Vertretungsbefugnis, wie z.B. der Zeichnungsberechtigung
eine lediglich auf Art. 721 OR in Verbindung mit Art. 462 OR gestützte Handlungsvollmacht gemeint ist (s. das Schreiben des Finanzministeriums
Baden-Württemberg vom 23. Juli 2007 3 S 1301 Schweiz/3 zu S. 3 Abs. 5), könnte dem der Senat nicht folgen: Denn der
Handlungsbevollmächtigte im Sinne des Art. 462 OR (BSK OR I-Watter Art. 462 Rn 1ff; Meier-Hayoz/Forstmoser, a.a.O., § 9 Rn. 33-55 -
insbesondere zur Rechtslage bei Großunternehmen: Meier-Hayoz/Forstmoser, a.a.O., § 9 Rn. 62- 64-) gehört nicht zu dem
abschließend
15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz genannten Personenkreis (BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 1317 zu 2. a bb -anderer Auffassung [ohne
Begründung] wohl das FG Münster in seinem Urteil vom 14. Februar 2008 2 K 1660/03 E [juris], in dem es einen Speditionskaufmann der ........AG
mit eingetragener Zeichnungsberechtigung zur Kollektivunterschrift zu zweien und damit einer [lediglich] Handlungsbevollmächtigung im Sinne
von Art. 721 OR in Verbindung mit Art. 462 OR als leitenden Angestellten beurteilt hat [Meier-Hayoz/Forstmoser, a.a.O., § 9 Rn. 62-64; BSK OR II-
Watter Art. 721 Rn.8; Rebsamen, Karl, Das Handelsregister, 2. Aufl., 1999, Rn. 471; Meier, Robert, Die Aktiengesellschaft, 3. Aufl., 2005, Tzn.
9.49-9.51; Krneta, Georg, Verwaltungsrat Praxiskommentar 2. Aufl., 2005 Tzn.1970-1976]).
48 cc) Zur Tätigkeit eines Prokuristen, die gemäß Art. 3 Abs. 2 DBA-Schweiz nach den diesbezüglichen Vorschriften des OR zu bestimmen ist (vgl.
Art. 721 OR in Verbindung mit Art. 458 OR ff; Meier, Robert, Die Aktiengesellschaft, Ein Rechtshandbuch für die praktische Arbeit in der
schweizerischen Aktiengesellschaft, 3. Aufl., Genf 2005 Rn. 9.49), enthält die Vorschrift des Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz keine
Einschränkung auf eine -dem Arbeitnehmer (Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, a.a.O., § 29 Rn. 68) erteilte-
Einzel
Hayoz/Forstmoser, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, 10. Aufl., Bern, 2007, § 9 Rn 3-16). Entscheidend ist daher nach Auffassung des
erkennenden Senats, dass dem Arbeitnehmer überhaupt die Prokura erteilt wurde. Dazu gehört auch die Kollektivprokura (BSK OR I-Watter, Art.
460 Rn 7-11; Meier-Hayoz/Forstmoser,a.a.O., § 9 Rn. 18, jeweils mit umfangreichen Nachweisen), wobei darauf hinzuweisen ist, dass diese
Form der Prokura von Schweizerischen Großgesellschaften fast ausschließlich erteilt wird. Nicht wenige Schweizerische Großgesellschaften
ernennen darüber hinaus keine (Einzel- bzw. Kollektiv-)Prokuristen mehr (vgl. Art. 716a Abs. 1 Nr. 4 in Verbindung mit Art. 721 OR -vgl. hierzu die
Feststellungen des erkennenden Senats auf S. 4 Abs. 3 ff des Tatbestandes).
49 dd) Gegen ein Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Einkünfte des Klägers aus seiner Tätigkeit als
Kollektivprokurist der H-AG in der Volksrepublik China bestehen auch insoweit keine Bedenken, als die Tätigkeit des Klägers nicht so abgegrenzt
gewesen sein durfte im Streitjahr, dass sie lediglich Aufgaben außerhalb der Schweiz umfasste. Wo der Kläger als Kollektivprokurist und damit
als leitender Angestellter seine Tätigkeit (tatsächlich) ausgeübt hat, ist insoweit nach der Rechtsprechung des BFH (grundsätzlich) ohne Belang;
Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz enthält -wie bereits dargelegt- für seinen Anwendungsbereich eine Fiktion des Tätigkeitsortes (BFH-Urteile in BFHE
215, 237; BFH/NV 2007, 593; in diesem Sinne auch schon Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 19. Februar 1988 3 K 257/85 -rechtskräftig- EFG
1988, 403).
50 Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Fiktion sind auch insoweit vom Kläger im Streitjahr erfüllt worden. Der Kläger hat entsprechend der
Fiktion des Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz seine Tätigkeit als (Kollektiv)Prokurist in der Schweiz (dem Sitz seines Arbeitgebers -der H-AG-)
ausgeübt. Gegen diese Fiktion des Tätigkeitsortes könnte mit Erfolg nur eingewandt werden, dass die Tätigkeit des Klägers lediglich Aufgaben
außerhalb der Schweiz umfasst habe. Dies ist jedoch nicht der Fall. Der Kläger hat lediglich an 117 Arbeitstagen außerhalb der Schweiz und
zwar in der Volksrepublik China seine Tätigkeit ausgeübt, ansonsten aber am Sitz der H-AG in der Schweiz in Y und damit eine Arbeit verrichtet,
die nicht nur im Ausland sich auswirkende Aufgaben umfasste (Heger in: juris Praxisreport Steuerecht -jurisPR-SteuerR- 12/2007 Anm. 1).
51 ee) Das (ausschließliche) Besteuerungsrecht der Schweiz bleibt im Streitfall auch insoweit bestehen, als hierfür Voraussetzung ist, dass die
Schweiz das Besteuerungsrecht auch ausgeübt haben muss (Art. 15 Abs. 4 Satz 2 DBA-Schweiz). Die Besteuerungszuordnung für die Einkünfte
aus unselbständiger Arbeit eines in Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz bezeichneten leitenden Angestellten zugunsten der Schweiz, weil dessen
Tätigkeit fiktiv am Sitz der Kapitalgesellschaft in der Schweiz als ausgeübt gilt, steht unter dem Vorbehalt, dass die Schweiz die Einkünfte des
leitenden Angestellten auch tatsächlich besteuert. Nur die tatsächliche [effektive] Doppelbesteuerung soll beseitigt werden (BFH-Urteil vom 17.
Oktober 2007 I R 96/06, IStR 2008, 262). Die Beseitigung der bloß virtuellen Doppelbesteuerung genügt daher nicht (vgl. hierzu das inzwischen
überholte BFH-Urteil vom 17. Dezember 2003 I R14/02, BStBl II 2004, 260), um das Entstehen des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik
Deutschland als Ansässigkeitsstaat zu verhindern (Holthaus, Internationale Wirtschafts-Briefe -IWB- Fach 10 International Gr. 2 S. 1751 zu II. 2. a;
Debatin, Der Betrieb -DB- 1972, 2030, 2035; Hangartner, Die Aktiengesellschaft -AG- 1971, 325 [326]; Brandis in: Debatin/Wassermeyer, a.a.O.,
Art. 15 Schweiz Rn. 107; Kempermann in: Flick/Wassermeyer/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz Art. 15 Rn.
85 a.E.; Verfügung der Oberfinanzdirektion -OFD- Frankfurt vom 13. April 2006 S 1301 A - 55 - St III 1a, Steuer-Eildienst -StEd- 2006, 540, zu C.).
52 Im Streitfall verbleibt es hiernach beim (ausschließlichen) Besteuerungsrecht der Schweiz. Diese hat nach der Quellensteuerabrechnung des
Steueramtes des Kantons Z vom 6. März 2001 den vom Kläger aus seiner Tätigkeit für die H-AG erzielten Bruttolohn von 174.118 CHF (Hinweis
auf den Lohnausweis für das Streitjahr) insgesamt der Schweizerischen Quellensteuer in Höhe von 34.823.60 CHF unterworfen (= 20 v.H. des
Bruttolohns). In diesem Betrag sind enthalten neben der direkten Bundessteuer, die Kantons-, Gemeinde-, Kirchen- (BdF-Schreiben vom 23.
Februar 1987 IV C 6 - S 1301 Schz -21/87, Steuererlasse in Karteiform -StEK- Doppelbesteuerung Schweiz Nr. 60) und Feuerwehrsteuer
(Hinweis auf die Steuerbescheinigung vom 21. Juni 2007 des Departements Finanzen und Ressourcen des Kantonalen Steueramtes des
Kantons Z).
53 ff) Der BMF hat in seinem an den erkennenden Senat gerichteten Gutachten vom 6. Juli 2007 seine abweichende Auffassung zum BFH-Urteil in
BFHE 215, 237, BFH/NV 2007, 593 dargelegt. In dieser Entscheidung hat der BFH -wie zuvor bereits dargelegt- die Auffassung vertreten, die
Bestimmung des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz enthalte eine Fiktion und diese gelte auch für die Bestimmung des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe d
DBA-Schweiz in dem Sinne, dass die Tätigkeit eines in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen leitenden Angestellten für eine in der
Schweiz ansässige Kapitalgesellschaft auch dann im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe d DBA-Schweiz „in der Schweiz ausgeübt“ wird,
wenn sie tatsächlich überwiegend außerhalb der Schweiz verrichtet wird und demzufolge der Schweiz (unter weiteren Voraussetzungen) das
Besteuerungsrecht für die Einkünfte aus dieser Tätigkeit zusteht. Der BMF wendet sich gegen diese Fiktion des Tätigkeitsortes eines leitenden
Angestellten mit Erwägungen zum Wortlaut, zum systematischen Zusammenhang und zum Sinn und Zweck der Bestimmungen des Art. 15 Abs. 4
DBA-Schweiz und des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe d DBA-Schweiz. Diese Erwägungen hat der BMF bereits nach seinem Beitritt zum
Revisionsverfahren, das zum BFH-Urteil in BFHE 215, 237, BFH/NV 2007, 593 geführt hat, vorgetragen. Die Stellungnahme des BMF liegt dem
erkennenden Senat vor. Der BFH hat sich der Auffassung des BMF weder in dem Gerichtsbescheid in der Sache I R 81/04 noch in dem auf die
mündliche Verhandlung vom 25. Oktober 2006 ergangenen Urteil angeschlossen (BFH-Urteil in BFHE 215, 237, BFH/NV 2007, 593, zu II. 2. b bb;
inzwischen bestätigt durch BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 530, zu II. 2. b). Nach einem Gedächtnisprotokoll eines Prozessbevollmächtigten über die
mündliche Verhandlung wurden die abweichenden Auffassungen zwischen dem I. Senat des BFH und dem Vertreter des BMF intensiv erörtert
und dabei dem BMF eingeräumt, dass die von ihm vertretene Auffassung, nach der es bei leitenden Angestellten für das Besteuerungsrecht
hinsichtlich deren Einkünfte aus dieser Tätigkeit darauf ankomme, wo sie physisch/tatsächlich ihre Tätigkeit ausgeübt haben, dem Wortsinn der
hier in Rede stehenden Bestimmungen nach möglich sei (Hinweis in diesem Zusammenhang z.B. auf die für die Auslegung grundsätzlich
unbeachtliche -vom Abkommenstext abweichende- Anwendungspraxis im BFH-Beschluss vom 15. Dezember 1998 I B 45/98, BFH/NV 1999,
751, zu II. 3.). Der erkennende Senat folgt auch im Anschluss an diese Erwägungen der Ansicht des BFH im Urteil in BFHE 215, 237, BFH/NV
2007, 593. Im übrigen weist er daraufhin, dass der BMF wie jeder andere Beteiligte eines steuergerichtlichen Verfahrens keinen Anspruch darauf
hat, dass das Gericht seiner Auffassung folgt.
54 Entscheidend für den BFH, dem sich der erkennende Senat auch insoweit anschließt, war, dass die Vertragsstaaten (die Bundesrepublik
Deutschland und die Schweiz) die Vorschrift des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz im Sinne einer Fiktion des Tätigkeitsortes von bestimmten leitenden
Angestellten am Sitz der Kapitalgesellschaft in der Schweiz über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren (vgl. hierzu: Mitteilung der
Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 30. September 1999, abgedruckt in: Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, Doppelbesteuerungsabkommen
Schweiz-Deutschland B 15.4 Nr. 17) übereinstimmend ausgelegt haben (Kempermann, Finanz-Rundschau -FR- 2007, 498; Mitteilung der
Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 29. November 2005 abgedruckt in: Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, a.a.O., B 15.4 Nr. 27). Das
einvernehmliche Verständnis der Vertragsstaaten enthalte eine für die Abkommensauslegung maßgebliche authentische Interpretation durch die
Vertragsparteien, von der sich die deutsche Finanzverwaltung nicht einseitig durch eine abweichende Deutung des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz
lösen könne.
55 Den hiergegen vorgetragenen Einwendungen des BMF (s. zu V. 1. des Gutachtens) folgt der erkennende Senat nicht. Danach soll bis
einschließlich dem Veranlagungszeitraum 1995 (Hinweis auf die Verfügung der OFD Freiburg vom 30. Mai 1996 S 1301 A -St 22 2/1009, juris;
und das BMF-Schreiben in BStBl I 1997, 723, zu 2. Buchstabe c), obwohl die betroffenen Finanzämter davon ausgegangen sind (und dabei
insbesondere das beklagte FA, in dessen Bezirk fast die Hälfte der rund 40.000 „Grenzgänger“ zur Schweiz ansässig ist), dass hinsichtlich der
Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit von in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen leitenden Angestellten von in der Schweiz
ansässigen Kapitalgesellschaften die Schweiz nach Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz als Quellenstaat (unter weiteren Voraussetzungen) das
Besteuerungsrecht hat, keine dementsprechende Übung zur Auslegung des Abkommens bestanden haben und dies, obwohl diese
Finanzbehörden (im Ergebnis) der Meinung waren, dass Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz für seinen Anwendungsbereich eine Fiktion des
Tätigkeitsortes von leitenden Angestellten am Sitz der Kapitalgesellschaft beinhalte und dem entsprechend -wie dem erkennenden Senat
bekannt ist- die Veranlagungen von leitenden Angestellten auch über Jahrzehnte durchgeführt haben. Dies begründet der BMF damit,
entscheidend sei nicht die Anwendungspraxis untergeordneter Behörden, sondern das Verhalten der völkerrechtlich zuständigen Organe. Nur
die beiden Regierungen könnten durch ihr Verhalten eine anzuerkennende Übung begründen. Dass diese Organe zur Auslegung des Art. 15
Abs. 4 DBA-Schweiz eine andere Auffassung vertreten haben als die „untergeordneten Behörden“ wird durch den BMF in seinem Gutachten vom
6. Juli 2007 nicht dargelegt. Im übrigen wird durch die veröffentlichten Meinungsäußerungen des BMF deutlich, dass die untergeordneten
Behörden in Übereinstimmung mit dessen Auffassung, der Teil der deutschen Regierung ist, gehandelt haben (BMF-Schreiben vom 11. Januar
1982 VV DEU BMF 1982-01-11 IV C 5 - S 1301 Italien-100/81, juris; vom 18. Dezember 1985 IV C 6 - S 1301 Schz - 138/85, DB 1986, 357 zu 2.;
vom 5. Juli 1995 VV DEU BMF 1995 -07-05 IV C 5-S1300-73/95, BStBl I 1995, 373; Erlass des Finanzministeriums Baden-Württemberg vom 13.
August 1985 S 1301 A - Schweiz - 30/84, Ast-Kartei der OFDen Freiburg Karlsruhe Stuttgart DBA-Schweiz Art. 15 Nr. 2 [2. Erg.-Lfg. 1986]). In
Übereinstimmung mit dieser Auffassung und der ihr folgenden Anwendungspraxis der deutschen Finanzverwaltung hat auch die Schweizerische
Eidgenössische Steuerverwaltung gehandelt (Hinweis auf das BMF-Schreiben in DB 1986, 357, zu 2., das auf einer generellen
Verständigungsvereinbarung mit der Schweizerischen Eidgenössischen Steuerverwaltung beruht; s. Locher/Meier/von Siebenthal/ Kolb, a.a.O., B
15.5 Nr. 5; Mitteilung der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 29. Juni 1987, abgedruckt in: Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, a.a.O., B 15.5
Nr.6). Insbesondere weist der erkennende Senat auf die Mitteilung der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 29. Juni 1987 hin (a.a.O., Abs. 2
Sätze 1-3) mit der zutreffenden (und nicht im geringsten zweifelhaften) Wiedergabe der damaligen Rechtslage im Verständnis der
Vertragsstaaten:
56 Mit Artikel 15 Absatz 5 wurde somit die erwähnte Streitfrage im Sinne der deutschen Auffassung beigelegt. Aus der Entstehungsgeschichte wird
klar, dass
Absatz 5 eine Konkretisierung des Artikels
nämlich für die
leitenden
können leitende Angestellte sodann mit ihren Einkünften aus dieser Tätigkeit am Arbeitsort besteuert werden. Schweizerischerseits ist und war
man dabei stets der Meinung, dass sich die Sonderregelung des Absatzes 5 nur auf solche Fallgestaltungen beziehen kann, in denen eine
Person in einem Vertragsstaat ansässig, jedoch in einer im anderen Vertragsstaat ansässigen Kapitalgesellschaft als leitender Angestellter tätig
ist und von dieser Gesellschaft für diese Tätigkeit ein Salär bezieht….
57 Aus den Mitteilungen der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 19. Juni 1985 und vom 13. November 1985 folgt -entgegen der Auffassung
des BMF-nichts anderes (bisher
nicht
Zwar soll nach dem Satz 2 der Mitteilung bei leitenden Angestellten, die im Ansässigkeitsstaat des Arbeitgebers tätig sind, der Umfang dieser
Tätigkeit bzw. der Tätigkeit im Wohnsitzstaat oder in Drittstaaten nur insofern eine Rolle spielen, als gemäß Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe d DBA-
Schweiz die Bundesrepublik Deutschland
nur für die Einkünfte aus der in der Schweiz ausgeübten Tätigkeit
anzuwenden hat (ansonsten -wie zu ergänzen sein dürfte- die Anrechnungsmethode). Der erkennende Senat misst dieser Meinungsäußerung
keine durchgreifende Bedeutung zu, zumal die Eidgenössische Steuerverwaltung in einer -auf Art. 26 Abs. 3 DBA-Schweiz gestützten-
generellen Verständigungsvereinbarung mit der deutschen Finanzverwaltung kurze Zeit später, am 18. Dezember 1985 (abgedruckt in DB 1986,
357 zu 2. und in: Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, a.a.O., B 15.5 Nr. 5 zu 2.) die Auffassung vertreten hat, dass die Arbeitseinkünfte leitender
Angestellter für Tätigkeiten in Drittstaaten im Ansässigkeitsstaat des Arbeitgebers (Kapitalgesellschaft) steuerbar sind (unter weiteren
Voraussetzungen), und an dieser Auffassung bis heute festgehalten hat (Mitteilung vom 29. November 2005, abgedruckt in: Locher/Meier/von
Siebenthal/Kolb, a.a.O., B 15.4 Nr. 27).
58 Abschließend weist der erkennende Senat noch darauf hin, dass die generelle Vereinbarung vom 18. Dezember 1985 (vgl. hierzu:
Flick/Wassermeyer/Kempermann, a.a.O., Art. 26 Rn. 32 a.E.) zwar keine Gesetzeswirkung hat (Eilers in: Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 25 MA
Rn. 61), auch trotz ihrer völkerrechtlichen Qualität als Verwaltungsabkommen im Sinne von Art. 59 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes (GG;
Jarass/Pieroth, GG Kommentar, 9. Aufl., 2007, Art. 59 Rn. 20 ff). Sie ist jedoch als Verwaltungsvorschrift für die Steuerbehörden (demzufolge für
die deutsche Finanzverwaltung und die Eidgenössische Steuerverwaltung) verbindlich (Musterkommentar zu Art. 25 MA Rz. 36;
Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, a.a.O., B 26.1 Nr. 14). Der deutschen Finanzverwaltung bleibt es unbenommen, dieses
Verwaltungsabkommen aufzukündigen und eine einvernehmliche Lösung der streitigen Rechtsfrage mit der Eidgenössischen Steuerverwaltung
anzustreben.
59 3. Unberührt von den zuvor dargelegten Erwägungen weist der Senat auf folgendes hin:
60 a) Selbst wenn der Senat sich der Auffassung des FA anschlösse, dass die Einkünfte des Klägers aus seiner in der Volksrepublik China
ausgeübten Tätigkeit nicht der (ausschließlichen) Besteuerung durch die Schweiz unterlägen, weil die Tätigkeit des Klägers insoweit nicht
gemäß Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz in Verbindung mit Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe d DBA-Schweiz als in der Schweiz (fiktiv) ausgeübt zu
beurteilen sei, hätte dies nicht zur Folge, dass insoweit die Bundesrepublik Deutschland das Besteuerungsrecht beanspruchen könnte. Da der
Kläger seine Tätigkeit tatsächlich/physisch im Streitjahr (an über 100 Arbeitstagen) in der Volksrepublik China ausgeübt hat, ist die Frage des
Besteuerungsrecht unter Berücksichtigung des Art. 15 DBA China zu entscheiden (BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 1317 zu 2. c aa; allgemein in
diesem Zusammenhang: Urteil des FG Köln vom 16. April 2007 14 K 1233/04 -rechtskräftig- EFG 2007, 1446 zu 3. b aa). Danach sind die
Einkünfte des Klägers aus unselbständiger Arbeit bei der Bemessungsgrundlage auszunehmen, weil dies aus der Regelung in Art. 15 Abs.
2 DBA-China folgt.
61 aa) Nach Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-China (in Verbindung mit Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DBA-China) dürfen Vergütungen, die eine in einem
Vertragsstaat ansässige Person für eine im anderen Vertragsstaat ausgeübte unselbständige Arbeit bezieht, grundsätzlich im anderen Staat
(Tätigkeitsstaat -hier: in der Volksrepublik China-) besteuert werden. Ist der Arbeitnehmer (wie z.B. der Kläger) in der Bundesrepublik
Deutschland ansässig und ist die Volksrepublik China der Tätigkeitsstaat, so sind die betreffenden Einkünfte von der Bemessungsgrundlage der
deutschen Steuer auszunehmen (Art. 23 Abs. 2 Buchstabe a DBA-China). Ein Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaats nach Art 15 Abs. 1 Satz 2
DBA-China besteht jedoch nicht, wenn die in Art. 15 Abs. 2 DBA-China genannten Voraussetzungen erfüllt sind; dann ist vielmehr nur derjenige
Vertragsstaat steuerberechtigt, in dem der Arbeitnehmer ansässig ist. Das ist im Streitfall die Bundesrepublik Deutschland, weil der Kläger hier
seinen Wohnsitz und demzufolge auch den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hat (Art. 4 Abs. 1 DBA-China).
62 bb) Im Streitfall kommt es daher darauf an, ob sich aus Art. 15 Abs. 2 DBA-China ein ausschließliches deutsches Besteuerungsrecht ergibt (BFH-
Urteil vom 18. September 2007 I R 93/06, BFH/NV 2008, 206 zu II. 2. b ). Dies setzt zunächst voraus, dass sich der Kläger nicht länger als 183
Tage in der Volksrepublik China aufgehalten hat (Art. 15 Abs. 2 Buchstabe a DBA-China). Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Unter
Einbeziehung der Ankunfts- und Abreisetage, der Arbeitstage und der Samstage, Sonntage und Feiertage (BMF-Schreiben vom 14. September
2006 IV B 6 - S 1300 - 367/06, BStBl I 2006, 532 zu Tz. 4. 2) hat sich der Kläger im Streitjahr lediglich an ca. 160 Tagen in der Volksrepublik
China aufgehalten.
63 cc) Die in Art. 15 Abs. 2 Buchstabe b DBA-China genannte weitere Voraussetzung, dass die Vergütung von einem nicht in der Volksrepublik
China ansässigen Arbeitgeber gezahlt worden ist, liegt ebenfalls vor. Die H-AG, die in der Schweiz (in Y -Kanton Z) ansässig ist, war auch für den
Zeitraum, in dem der Kläger im Streitjahr in der Volksrepublik China seine Tätigkeit ausübte, dessen wirtschaftliche Arbeitgeberin (BFH-Urteil
vom 23. Februar 2005 I R 46/03, BStBl II 2005, 547 zu II. 4.). Die H-AG hat weiterhin die Vergütungen gezahlt. Ob sie diese auch wirtschaftlich
getragen hat, kann im vorliegenden Zusammenhang offenbleiben. Denn unberührt von der Entscheidung über diese Rechtsfrage hat ein
Arbeitgeberwechsel zu dem Unternehmen mit Sitz in der Volksrepublik China, an dem die H-AG und eine chinesische Firma beteiligt waren und
das im Rahmen eines Joint Venture (Hinweis auf Gablers Wirtschaftslexikon, 16. Aufl., 2005 Stichwort: Joint Venture) eine ......... Fabrik errichtete,
nicht stattgefunden: Denn der Kläger arbeitete nicht für den Betrieb in G und er war dort nicht weisungsgebunden eingegliedert. Er nahm
lediglich die Interessen der H-AG war. Wegen der weiteren Tatsachen wird auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 9. Juli 2007
und auf die Aussagen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 5. Juni 2008 (die als CD zur Verfügung gestellt werden können) Bezug
genommen.
64 dd) Die weitere (erforderliche) Voraussetzung für ein ausschließliches deutsches Besteuerungsrecht, dass nämlich die Vergütung nicht von einer
Betriebstätte des Arbeitgebers im Tätigkeitsstaat (Volksrepublik China) getragen worden ist (Art. 15 Abs. 2 Buchstabe c DBA-China), liegt
indessen nicht vor. Eine Vergütung wird im Sinne des Art. 15 Abs. 2 Buchstabe c DBA-China von einer Betriebsstätte des Arbeitgebers im
Tätigkeitsstaat getragen, wenn erstens der Arbeitgeber in jenem Staat eine Betriebsstätte im Sinne des Art. 5 DBA-China besitzt (siehe
nachfolgend zu aaa) und zweitens die Vergütung nach Maßgabe des Art. 7 DBA-China der Betriebsstätte zuzurechnen ist (BFH-Urteil vom 28.
Januar 2004 I R 48/03, BFH/NV 2004, 1075 -siehe nachfolgend zu bbb-).
65 aaa) Die H-AG hatte eine Betriebsstätte in der Volksrepublik China, weil das Unternehmen mit Sitz in der Volksrepublik China, an dem die H-AG
und eine chinesische Firma beteiligt waren, im Streitjahr eine Tätigkeit ausübte, die es zur Betriebsstätte qualifiziert (Prokisch in: Vogel/Lehner,
Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, 5. Aufl., 2008, Art. 15 Rz.68) und zwar unabhängig davon, ob es sich bei dem rechtlich
selbständigen Unternehmen in der Volksrepublik China um eine Kapital- oder Personengesellschaft handelt (Löwenstein in: Löwenstein/Looks,
Betriebsstättenbesteuerung, 2003 Rz. 1252), wobei die Beherrschung der Kapitalgesellschaft mit Sitz im Ausland allein jedoch keine
Betriebsstätte begründet (Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 5 MA Rn. 258). Der hiernach maßgebliche Betriebstättenbegriff ist derjenige des Art.
5 DBA-China (BFH-Beschluss vom 26. April 2005 I B 157/04, BFH/NV 2005, 1763). Nach dessen Abs. 3 Buchstabe b umfasst der Ausdruck
„Betriebsstätte“ insbesondere eine Bauausführung oder Montage oder eine damit zusammenhängende Aufsichtstätigkeit, deren Dauer sechs
Monate überschreitet. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall unzweifelhaft gegeben. Das Joint Venture bestand darin, dass über einen
Zeitraum von mehr als 2 Jahren und mit einem Kostenaufwand von mehr als 50.000.000 CHF eine wirtschaftlich und technisch verbrauchte
Fabrik in ein (modernen Ansprüchen genügendes) Werk zur Herstellung von ......... umgebaut und damit im Ergebnis neu errichtet wurde. Der
Kooperationspartner H.-AG war im wesentlichen für die Planung und die Überwachung der plangerechten Erstellung und die Inbetriebsetzung
der Fabrik zuständig, wobei die verschiedenen Tätigkeiten der H-AG (und damit auch die des Klägers) Teil eines einheitlichen Ganzen waren
(BFH-Urteil vom 16. Mai 2001 I R 47/00, BStBl II 2002, 846, zu II. 4. b cc). Die H-AG verfügte über das Know-how, während der chinesische
Partner für die Durchführung der Baumaßnahmen verantwortlich war. Die Tätigkeit der H-AG erfüllt demzufolge unabhängig
(Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 5 MA Rz. 144) von der Leistung des chinesischen Partners die Voraussetzungen für die Annahme einer -eine
Betriebsstätte begründende- Montage oder Bauausführung bzw Aufsichtstätigkeit im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Buchstabe a DBA-China.
66 bbb) Im übrigen setzt Art. 15 Abs. 2 Buchstabe c DBA-China nicht voraus, dass die Vergütung (hier: diejenige des Klägers) von der Betriebsstätte
an den Arbeitnehmer ausgezahlt wird oder im Verhältnis zwischen den Unternehmen der Betriebsstätte konkret belastet wird. Allein
entscheidend ist der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen der Vergütung und der Betriebsstättentätigkeit: Dies ist im Streitfall gegeben. Der
Kläger wurde tätig im Rahmen der Montagearbeiten und Aufsichtstätigkeit, die die Betriebstätte in der Volksrepublik China begründen. Damit ist
die Vergütung des Klägers wirtschaftlich der Betriebsstätte in der Volksrepublik China zuzuordnen (BMF-Schreiben vom 21 . April 1981 IV C 5 - S
1300 - 171/81, BStBl I 1981, 337 zu 2.) und wird von ihr demzufolge im Sinne von Art. 15 Abs. 2 Buchstabe c DBA-Schweiz getragen. Nicht
entscheidend ist, dass sie tatsächlich von H-AG in der Schweiz ausgezahlt wurde (Hinweis auf die Gehaltsabrechnungen für die einzelnen
Monate des Streitjahres [s. Anlagen zum Schriftsatz der Kläger vom 14. Mai 2008]; Hinweis im übrigen auf das BMF-Schreiben in BStBl I 1981,
337 zu 4.) und dass eine unternehmensinterne Verrechnung zwischen dem Unternehmen in der Volksrepublik China und der H-AG in der
Schweiz erfolgt ist (BFH-Urteil in BFH/NV 2004, 1075, zu II. 4. Buciek in: Flick/Wassermeyer/Kempermann, a.a.O., Art. 7 Rn 618-622).
67 b) Nach diesen Erwägungen besteht wegen der hier in Rede stehenden Einkünfte des Klägers kein Besteuerungsrecht der Bundesrepublik
Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Klägers, weil nicht alle in Art. 15 Abs. 2 Buchstaben a-c DBA-China genannten Bedingungen (kumulativ)
erfüllt sind (ständige Rechtsprechung des BFH: s. etwa BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 206, zu II. 2. b).
68 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt auf den §§ 151
Abs. 3, 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 und 711 der Zivilprozessordnung.
69 5. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO für notwendig zu erklären, weil die Kläger die
Hilfe eines Bevollmächtigten zur Beurteilung der Rechtslage und zu ihrer Vertretung für unentbehrlich halten durften (BFH-Beschluss vom 21.
Dezember 1967 VI B 2/67, BStBl II 1968, 181).
70 6. Die Revision war nicht zuzulassen. Der Sache kommt insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Die
Entscheidung beruht auf in ständiger Rechtsprechung vom BFH angewandten Rechtsgrundsätzen.