Urteil des FG Baden-Württemberg vom 10.12.2008

FG Baden-Württemberg: berechtigung, forstwirtschaft, einspruch, absicht, anteil, begünstigung, nebenerwerb, bedürfnis, anfechtungsklage, verpachtung

FG Baden-Württemberg Urteil vom 10.12.2008, 2 K 417/04
Keine Ermittlung des Gewinns aus Landwirtschaft und Forstwirtschaft nach Durchschnittssätzen bei Nichtvorhandensein von selbst
bewirtschafteten Flächen
Tatbestand
1
Streitig ist, ob die Voraussetzungen für die Berechtigung zur Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen nach § 13a Abs. 1 Satz 1
Einkommensteuergesetz (EStG) vorliegen, insbesondere ob § 13a Abs. 1 Satz 1 EStG auch dann anwendbar ist, wenn keine
selbstbewirtschafteten landwirtschaftlichen Flächen vorliegen.
2
Die Kläger sind Eigentümer landwirtschaftlicher (7 ha 32 ar 65 qm) und forstwirtschaftlicher (1 ha 43 ar 23 qm) Nutzflächen. Sie haben sämtliche
landwirtschaftlichen Nutzflächen seit Jahren verpachtet und bewirtschaften nach eigenen Angaben selbst lediglich noch forstwirtschaftliche
Flächen, aus denen sie Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielen.
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Mit Bescheid vom 8. April 2004 stellte der Beklagte (das Finanzamt - FA) fest, dass die Voraussetzungen des § 13a Abs. 1 Nr. 2 EStG für die
Berechtigung zur Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen nicht mehr vorlägen, weil es an einer selbst bewirtschafteten Fläche fehle. Die
Kläger seien verpflichtet, ab Beginn des nächstfolgenden Wirtschaftsjahres (d. h. ab dem 1. Juli 2004) den tatsächlichen Gewinn ihres land- und
forstwirtschaftlichen Betriebs zu ermitteln.
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Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 13. April 2004 erhoben die Kläger Einspruch. Zur Begründung machten sie geltend, dass eine
Gewinnermittlung nach § 13a EStG auch dann möglich sei, wenn die selbst bewirtschaftete Fläche - z. B. wegen Verpachtung - 0 ha betrage.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 6. Juli 2004 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies es auf den Wortlaut
des Gesetzes.
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Mit der am 12. Juli 2004 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Zur Begründung tragen sie ergänzend vor, dass ab dem
Jahr 1999 die Untergrenze des § 13a Abs. 1 Nr. 2 EStG a. F. weggefallen sei. Nach Sinn und Zweck des Gesetzes erscheine es zweckmäßig, bei
fehlenden selbstbewirtschafteten Flächen die Durchschnittssatzermittlung beizubehalten, da die Gewinnermittlung für Sondergewinne mit und
ohne Anwendung des § 13a EStG dieselbe sei, nämlich nach § 4 Abs. 3 EStG. Das Gesetz regele in § 13a Abs. 1 Nr. 2 EStG lediglich eine
Obergrenze. Es verlange jedoch nicht, dass selbstbewirtschaftete Flächen der landwirtschaftlichen Nutzung überhaupt vorhanden seien. Sie
beantragen, den Bescheid vom 8. April 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Juli 2004 aufzuheben, hilfsweise, die Revision
zuzulassen.
7
Das FA beantragt, die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und auf die dem Senat vorliegenden
Akten des Beklagten verwiesen.
10 In der Streitsache wurde im Hinblick auf die beabsichtigte Revisionszulassung am 10. Dezember 2008 eine mündliche Verhandlung vor dem
Senat durchgeführt (§ 94 a Finanzgerichtsordnung - FGO). Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
11 Die zulässige Anfechtungsklage ist nicht begründet.
12 Der angefochtene Bescheid vom 8. April 2004, mit dem das FA die Kläger auf das Fehlen der Voraussetzungen nach § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
EStG und auf deren Verpflichtung, ab Beginn des nächstfolgenden Wirtschaftsjahres den tatsächlichen Gewinn ihres land- und
forstwirtschaftlichen Betriebes zu ermitteln, hingewiesen hat, ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.
13 Der Bescheid vom 8. April 2004 entspricht, was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, den inhaltlichen Anforderungen des § 13a Abs. 1 Satz 2
EStG und hat die Kläger rechtzeitig vor Beginn des nächstfolgenden Wirtschaftsjahres erreicht.
14 Zu Recht ist das FA davon ausgegangen, dass bei den Klägern die Voraussetzungen für die Berechtigung zur Gewinnermittlung nach
Durchschnittsätzen nach § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht (mehr) vorliegen.
15 Nach § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in der für den Streitfall maßgeblichen Fassung vom 19. Oktober 2002 (BGBl I 2002, S. 4210) ist der Gewinn
für einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft nur noch dann nach Durchschnittssätzen (§ 13a Abs. 3 bis 6 EStG) zu ermitteln, wenn - neben
anderen Voraussetzungen - die selbst bewirtschaftete Fläche der landwirtschaftlichen Nutzung (§ 34 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a des
Bewertungsgesetzes - BewG -) ohne Sonderkulturen (§ 52 BewG) 20 ha nicht überschreitet.
16 Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Anteil der selbstbewirtschafteten Flächen der landwirtschaftlichen Nutzung bei den Klägern 0 ha
beträgt, nachdem sie sämtliche Flächen dieser Art verpachtet haben und selbst lediglich noch forstwirtschaftliche Flächen bewirtschaften.
17 In der Literatur ist streitig, ob § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG lediglich eine Flächenhöchstgrenze festsetzt, mit der Folge, dass die Norm auch im
Streitfall Anwendung finden könnte (vgl. z. B. Blümich / Selder, EStG, Stand: September 2008, § 13a RdNr. 7; Schild in Frotscher, EStG, Stand:
Juli 2008, § 13a RdNr. 24), oder ob die Norm - wie § 13a Abs. 1 Nr. 2 EStG a. F. - das Vorhandenensein von selbst bewirtschafteten Flächen der
landwirtschaftlichen Nutzung voraussetzt (vgl. z. B. Mittelpleininger in Littmann / Bitz / Pust, Das Einkommensteuerrecht, Stand August 2006,
§ 13a EStG, RdNr. 26; Kirchhof / Söhn / Mellinghof, EStG, Stand: November 2008, § 13a RdNr. A 63, B5; Leingärtner / Kanzler, Besteuerung der
Landwirte, Stand: Mai 2007, Kap. 21 RdNr. 185; Märkle / Hiller, Die Einkommensteuer bei Land- und Fortwirten, 9. Aufl. 2006, RdNr. 11f).
18 Für die Auffassung, dass § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG lediglich eine Flächenhöchstgrenze festsetzt, spricht lediglich der Umstand, dass der
Gesetzgeber die alte Formulierung „mehr als O DM“ nicht fortgeführt hat und dass der Wortlaut „nicht übersteigt“, der auch bei § 13a Abs. 1 Nr. 3
und 4 EStG Verwendung findet, für sich genommen eine entsprechende Auslegung nahe legt. Denn es ist unstreitig, dass eine
Durchschnittssatzgewinnermittlung auch dann möglich ist, wenn der Betrieb weder über Tierbestände noch über Sondernutzungen verfügt.
19 Den Gesetzgebungsmaterialien lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber die Absicht verfolgt hätte, von dem Erfordernis des
Vorhandenenseins selbst bewirtschafteter Flächen der landwirtschaftlichen Nutzung abzurücken. Die Zielsetzung der damaligen Neugestaltung
der Durchschnittssatzgewinnermittlung lag im wesentlichen in der Vereinfachung der Gewinnermittlung für kleinere land- und
forstwirtschaftlichere Betriebe und - daraus resultierend - in einer maßvollen Begünstigung dieser Betriebe. Zur „Vereinfachung der Ermittlung
des Geltungsbereichs“ wurde in § 13a Abs. 1 Nr. 2 EStG unmittelbar auf die selbstbewirtschaftete Fläche der landwirtschaftlichen Nutzung Bezug
genommen (vgl. BT-Drucks. 14/265 Seite 177) und deren Vorhandensein dadurch nach Auffassung des Senats vorausgesetzt. Durch diese
Bezugnahme wollte der Gesetzgeber eine zielgenaue Ausrichtung der Durchschnittssatzgewinnermittlung auf Kleinbetriebe erreichen. Diese
werden regelmäßig im Nebenerwerb geführt und sind dadurch gekennzeichnet, dass Sondernutzungen oder verstärkte Tierhaltungen nur in
geringem Umfang oder gar nicht vorhanden sind. Es wäre daher mit Sinn und Zweck der Regelung unvereinbar, diese im Streitfall anzuwenden,
in dem ausschließlich Sondernutzungen vorliegen, für die kein Bedürfnis nach einer Vereinfachung der Gewinnermittlungsart besteht und die
Erfassung der Pachtzahlungen nach § 13a Abs. 3 Nr. 4 EStG unter Abzug betrieblicher Schuldzinsen einer Einnahmenüberschussrechnung
gleicht.
20 Dass der Gesetzgeber von einem wirtschaftenden Betrieb ausgegangen ist, ergibt sich schließlich auch daraus, dass er für die Bemessung des
Grundbetrages in § 13a Abs. 4 EStG auf den Hektarwert der selbst bewirtschafteten Flächen abstellt (Kanzler, Die neue
Durchschnittsatzgewinnermittlung für Land- und Forstwirte - oder: einfach und zielgenau in die Verfassungswidrigkeit?, DStZ 1999, 682 [685]).
Dagegen finden weder Tierbestände im Sinne von § 13a Abs. 1 Nr. 3 EStG noch Sondernutzungen im Sinne von § 13a Abs. 1 Nr. 4 EStG bei der
Höhe des Grundbetrages Berücksichtigung. Daher spricht auch die Gesetzessystematik für die Auffassung des Senats.
21 Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO, die Zulassung der Revision aus § 115 Abs. 2 FGO.