Urteil des FG Baden-Württemberg vom 01.04.2008

FG Baden-Württemberg: kapitalgesellschaft, inhaftierung, schweizer recht, eidgenössische steuerverwaltung, einkünfte, arbeitsort, aufenthalt im ausland, doppelbesteuerungsabkommen, grenzgänger

FG Baden-Württemberg Urteil vom 1.4.2008, 11 K 90/06
Abgrenzung des Art. 15 DBA-Schweiz und Art. 15a DBA-Schweiz - Untersuchungshaft als beruflich bedingte Nichtrückkehrtage im Sinne der
Grenzgängerregelung
Tatbestand
1
Streitig ist, ob Einkünfte des Klägers in den Streitjahren 2001 und 2002 aus einer Tätigkeit in Drittländern für eine schweizerische
Kapitalgesellschaft in der Schweiz oder in der Bundesrepublik steuerpflichtig sind.
2
Der Kläger war einzelzeichnungsberechtigter Direktor der im Handelsregister des Kantons X eingetragenen Co AG, die am 10. Oktober 1983 ins
Handelsregister des Kantons X eingetragen wurde. Am 9. Juni 1989 und 1. November 1991 wurden die Statuten geändert. Der Sitz der
Gesellschaft befand sich in O / Schweiz,. Das voll liberierte Aktienkapital betrug 50.000 Schweizer Franken (Sfrs). DU war Mitglied des
Verwaltungsrates. Wegen der Einzelheiten wird auf den Handelsregisterauszug (FG-Akte 11 K 91/06, Bl. 173) Bezug genommen.
3
Die Gesellschaft befasste sich mit dem Handel von Flugzeugen und Flugzeugteilen auf zivilem und militärischem Gebiet. Der Kläger war weltweit
tätig und führte sowohl die Verhandlungen bezüglich des Ankaufs bei Lieferanten, als auch mit Kunden bezüglich des Verkaufes von
Flugzeugteilen und Flugzeugen. Sowohl die Einkäufe als auch die Verkäufe fanden international statt. Die Kunden waren schwerpunktmäßig im
nahen und fernen Osten angesiedelt, wobei es sich teilweise um staatliche, halbstaatliche und zivile Luftfahrtorganisationen handelte. Die Co AG
AG hatte eine Militärlizenz, die sie nach Schweizer Recht berechtigte, auch militärisch brauchbare Güter zu exportieren. Hierfür musste sie bei
einer Genehmigungsbehörde in der Schweiz entsprechende Listen mit den zu exportierenden Gütern vorlegen, wobei die Schweizer Behörde
dann die Ausfuhr genehmigte oder ablehnte. Diese Genehmigungen wurden eingereicht, bevor überhaupt Gespräche mit potentiellen Kunden
oder Lieferanten stattfanden. Während der Kläger im Wesentlichen reiste und die Verhandlungen führte, erfolgte die administrative Abwicklung
durch zwei bis drei Mitarbeiter, die teilweise auch kleinere zivile Geschäfte erledigten.
4
Im Streitjahr 2001 unternahm der Kläger Dienstreisen nach Teheran vom 30. Januar bis 2. Februar, vom 27. Februar bis 11. März, nach Madrid
vom 22. bis 4. März, nach Moskau vom 27. bis 29. März sowie für die Zeit vom 4. bis 5. Juli in die USA.
5
Im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit reiste der Kläger im Jahr 2001 am 4. Juli in die Vereinigten Staaten von Amerika ein. Bereits am 28. Juni
2001 war gegen ihn ein Haftbefehl ergangen, der ihm vorwarf, bewusst und gewollt in zahlreichen Fällen im Zusammenwirken mit anderen
Personen aufgrund einer Verschwörung gegen Export- und Waffenembargobestimmungen der Vereinigten Staaten verstoßen zu haben. Er habe
ohne Genehmigung der zuständigen amerikanischen Behörden militärisch nutzbare Teile von Flugzeugen und Hubschraubern in den Iran
geliefert. Dabei wurden ihm als Verantwortlicher der Firma Co AG AG die Lieferung von Flugzeugteilen am 23. Mai 1996, 14. Februar, 25. April, 6.
Juni, 20. Juni und 27. Juni 1997, von neun Antriebswellen am 5. Juni 1998, 17. Juli und 21. August 1998, sowie weiterer, militärisch nutzbarer
Güter am 16. Oktober 1998 und 13. März 1999 vorgeworfen. Nach den Beschuldigungen im Haftbefehl handelte es sich um Gegenstände, die
auf der Waffenliste der vereinigten Staaten aufgeführt waren, wobei die Export- und Waffenhandelsverbote seit 1995 bestanden hätten. Dabei
wurde dem Kläger insbesondere vorgeworfen, dass Getriebewellen und teilweise Kugellager als Teile für Zivilluftfahrzeuge auf
Exportversanddokumenten für die Zollverwaltung der Vereinigten Staaten falsch angegeben worden seien.
6
Der Kläger wurde aufgrund dieser Vorwürfe am 5. Juli 2001 verhaftet. Schließlich kam im Februar 2002 eine Vereinbarung zwischen der
Anklagebehörde und dem Kläger zustande, nach der dieser lediglich den Anklagevorwurf Nr. 7 (Lieferung von Antriebswellen in die Schweiz am
5. Juni 1998) einräumte. Danach drohten ihm bis zu 37 Monate Haft, die er zu akzeptieren hatte. Durch das Urteil vom 18. Juli 2002 wurde er zu
30 Monaten Haft und einer Geldstrafe von 10.000 US-Dollar verurteilt, worin Kosten für den Gefängnisaufenthalt mit enthalten waren. Aufgrund
des Urteils befand sich der Kläger ab 18. September 2002 in Pennsylvania in Strafhaft. Er wurde hieraus von den Vereinigten Staaten am 9.
September 2003 entlassen.
7
Unmittelbar nach seiner Inhaftierung erschien in einer amerikanischen Publikation „XXX“ ein reißerisch aufgemachter Artikel über die illegale
Ausfuhr von Waffen zu der „Achse des Bösen“. Danach hätten in fast 40 Fällen seit 1995 Schmuggler illegal Waffenteile für F14-Flugzeuge und
weitere militärisch nutzbare Teile für 34 frühere Militärhubschrauber mit einem Wert von 12 Millionen US-Dollar geschmuggelt. In diesem
Zusammenhang wurde der Fall des Klägers geschildert und das Geständnis des Klägers berichtet, wobei verdeckte Ermittler gegen den Kläger
im Einsatz waren. Außerdem wird berichtet, dass der ahnungslose Kläger den Ermittlern weitere Geschäfte genannt habe. Diese zitierten ihn
damit, dass er gedacht hatte, er nehme gerade Geschäfte wahr, obwohl er tatsächlich dabei war, sich selbst zu beschuldigen.
8
Nach den Angaben des Klägers zu diesem Vorgang im Erörterungstermin brachte er selbst unbewusst die Ermittlungen ins Rollen, weil er für
einen Geschäftsfreund in Amerika Antriebswellen für Hubschrauber an eine andere schweizerische Gesellschaft weiterfakturierte. Er selbst stellte
jedoch fest, dass es Qualitätsprobleme mit den Getriebewellen für Hubschrauber gab. Deshalb schickte er diese von der Schweiz in die USA
zurück und ließ sie über einen Bekannten bei dem amerikanischen Militär testen. Es stellte sich dann heraus, dass es sich bereits um sehr alte
Antriebswellen handelte, diese nicht den erforderlichen Qualitätsstandards entsprachen und Hubschrauber dann, wenn diese Wellen eingebaut
worden wären, damit abgestürzt wären. Er flog in die USA, damit ihm die Testreports übergeben werden sollten. Nach Übergabe der Testreports
wurde er dort am 5. Juli verhaftet.
9
Während der Untersuchungshaft wurde dem Kläger das Gehalt von der Co AG weiterbezahlt bis zum 30. April 2002. Ab diesem Zeitpunkt ging
der Kläger in Rente und erhielt ab 1. Mai 2002 eine Rente von der Seekasse in H von monatlich 534,93 EUR, von der schweizerischen
eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (AHV) eine Rente von 702 EUR sowie eine Zusatzrente für den Ehegatten
von 211 EUR. Aus der Rente der Seekasse bezog der Kläger nach den Angaben in der Steuererklärung im Jahr 2002 4.693 EUR und von der
AHV i.H.v. 4.966 EUR. Die Klägerin bezog eine Rente i.H.v. 4.185 EUR.
10 Der Kläger gab für das Streitjahr 2001 seine Einkommensteuererklärung am 6. Dezember 2002 ab und erklärte Einkünfte nach Art. 15 Abs. 4
DBA-Schweiz i.H.v. 198.000 Sfrs. oder 253.440 DM, die dem mit der Steuererklärung vorgelegten schweizerischen Lohnausweis entsprachen. Er
ging davon aus, dass davon 145/254 auf die inländische Besteuerung entfielen und einschließlich der Haftzeit 109/254 auf Drittlandstage, die
nur dem Progressionsvorbehalt unterlägen. Er machte 200, vom Arbeitgeber bestätigte Nichtrückkehrtage geltend und wies nach, dass der
Arbeitgeber an das kantonale Steueramt X 25.017,60 Sfrs. an Quellensteuern aus dem Bruttoeinkommen von 192.000 Sfrs. ohne Spesen
abgeführt hatte.
11 Mit der am 23. Januar 2004 abgegebenen Einkommensteuererklärung 2002 erklärte der Kläger einen Bruttoarbeitslohn von 64.000 Sfr oder
43.520 EUR und machte in der Schweiz erhobene Abzugssteuer geltend. Er legte zum Nachweis des Bruttoarbeitslohnes den schweizerischen
Lohnausweis vor. Ferner machte er 120 Nichtrückkehrtage für die Zeit von Januar bis April 2002, der Zeit der Dauer des Arbeitsverhältnisses,
geltend.
12 Zunächst meinte das beklagte FA im Einkommensteuerbescheid vom 21. März 2003, für das erste Halbjahr 2001 werde der Arbeitslohn des
Ehemannes der Grenzgängerbesteuerung nach Art. 15 a DBA-Schweiz unterstellt, sodass die anrechenbare Quellensteuer 4,5 Prozent aus
99.000 Sfr betrage. Für das zweite Halbjahr sei die Besteuerung nach Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz i.V.m. Art. 24 DBA-Schweiz maßgebend, da
die Arbeit nicht in der Schweiz ausgeübt worden sei. Daher werde die Entlastung lediglich nach der Anrechnungsmethode gewährt, was zu einer
Anrechnung nach § 34 c EStG von 50 Prozent aus 24.016 Sfr oder 12.008 Sfr, somit 15.370 DM, führe. Die Zeit der Inhaftierung in den USA zähle
nach Ziffer 11 bis 13 des Einführungsschreibens zu Art. 15 a DBA-Schweiz nicht zu den maßgeblichen Rückkehrtagen. Diese Auffassung vertrat
das beklagte FA auch für das Jahr 2002 im Einkommensteuerbescheid vom 30. April 2004, mit dem es den Kläger weiterhin als Grenzgänger
behandelte und 4,5 Prozent der anzurechnenden Quellensteuer, somit 2.880 Sfrs, anrechnete. Es ging davon aus, dass im Übrigen die Schweiz
zur Rückerstattung der Quellensteuer verpflichtet sei.
13 Nach einem Schreiben des kantonalen Steueramtes X vom 4. Februar 2002 an die Co AG vertrat die Schweiz die Auffassung, ihr stehe das
Besteuerungsrecht zu, da der Kläger an mehr als 60 Taten beruflich bedingt nicht nach Deutschland zurückgekehrt sei und erhob die
schweizerische Quellensteuer im Abzugsverfahren. Diese betrug nach dem Lohnausweis und der Quellensteuerabrechnung für 2002 9.627,20
Sfrs.
14 Gegen die ergangenen Einkommensteuerbescheide legten die Kläger form- und fristgerecht Einsprüche ein, mit denen sie im Wesentlichen
geltend machten, die Verhaftung in den Vereinigten Staaten führe für die Zeit, die der Kläger dort habe in Haft verbringen müssen, bis zum Ende
des Arbeitsverhältnisses zu Nichtrückkehrtagen. Die Grenzgängereigenschaft des Klägers ende nicht mit dessen Inhaftierung in den USA. Dies
ergebe sich bereits aus der Definition des Grenzgängers gemäß Art. 15 a Abs. 1 DBA-Schweiz. Gemäß dieser Vorschrift komme es auf die
regelmäßige Rückkehr vom Arbeitsort an den Wohnsitz an, was eine Rückkehr jeweils nach Arbeitsende bedeute. Dies bedeute, dass eine
Grenzüberschreitung an den Tagen nicht verlangt werde, an denen sich der Grenzgänger aus beruflichen oder privaten Gründen nicht zur Arbeit
über die Grenze begeben habe, also auch nicht zurückkehren könne. Solche beruflichen oder privaten Gründe seien z. B. eine Dienstreise,
Urlaub oder auch Krankheit. Ob nun eine schwerwiegende Krankheit für die Dauer von mehreren Monaten vorliege oder eine Inhaftierung,
mache keinen Unterschied (Kempermann in Flick/Wassermeyer/ Wingert, Kommentar zum Doppelbesteuerungsabkommen
Deutschland/Schweiz, § 15 a Rz. 33).
15 Der Kläger sei leitender Angestellter nach Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz, sodass er seine Arbeit am Sitz der Gesellschaft ausübe. Die
Inhaftierung in den USA sei wegen der beruflichen und geschäftlichen Tätigkeit des Klägers als Direktor der Co AG AG ausschließlich
berufsbedingt erfolgt. Bei der dadurch ausgelösten Nichtrückkehr fehle es an jeder privaten Veranlassung. Fehle jede private Veranlassung für
die Nichtrückkehr, sei vielmehr die Rückkehr an den Wohnort aufgrund einer beruflichen Auslandsreise oder aufgrund eines beruflich bedingten
Auslandsaufenthaltes ausgeschlossen oder jedenfalls unzumutbar, liege ein Nichtrückkehrtag i. S. d. Art. 15 a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz vor
(BFH-Urteil vom 16. Mai 2001 I R 100/00, BStBl II 2001, 633). Diese Berufsbedingtheit des durch die Haft ausgelösten Aufenthalts in den USA
und damit zugleich die Berufsbedingtheit der Nichtrückkehr an den Wohnort werde auch dadurch bestätigt, dass die Co AG AG die monatliche
Vergütung während der gesamten Haftdauer weiter bezahlt habe. Dies entspreche auch der BFH-Rechtsprechung im Urteil vom 15. September
2004 I R 67/03, IStR 2005, 65. Darin habe der BFH ausdrücklich betont, dass ein beruflicher Grund für die Nichtrückkehr vorliegen müsse. Die
neue Rechtsprechung betone damit im Ergebnis die Anbindung des Arbeitnehmers an den Tätigkeitsstaat. Die einschränkungslose Anwendung
des Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz führe dazu, dass die gesamte Arbeitsleistung als am Sitz der Kapitalgesellschaft erbracht anzusehen sei
und demzufolge der Arbeitslohn von der Besteuerung in Deutschland auszunehmen sei.
16 Nach einer Verböserungsandrohung änderte das beklagte FA den Einkommensteuerbescheid 2001 mit der Einspruchsentscheidung vom 17.
März 2006 zu Lasten des Klägers dahingehend, dass es für das gesamte Streitjahr 2001 von der Grenzgängerbesteuerung ausging und die ESt
mit 38.741,61 EUR festsetzte. Im Übrigen wurden die Einsprüche für die Streitjahre 2001 und 2002 jeweils durch die Einspruchsentscheidungen
vom 17. März 2006 als unbegründet zurückgewiesen, da die Haftzeit keine Nichtrückkehrtage begründe.
17 Dagegen richten sich die form- und fristgerecht erhobenen Klagen unter den Aktenzeichen 11 K 90/06 und 11 K 91/06, die im weiteren Verlauf
zur einheitlichen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen 11 K 90/06 verbunden worden sind, mit der der Kläger seinen
bisherigen Vortrag aufrecht erhält und die Anwendung des zwischenzeitlich zu seinen Gunsten ergangenen BFH-Urteils vom 25. Oktober 2006 I
R 81/04 BFHE 215, 237 begehrt.
18 Er weist in tatsächlicher Hinsicht darauf hin, dass die vom beklagten FA in der Einspruchsentscheidung noch zugrunde gelegte Berichterstattung
in dem oben zitierten Artikel in XXX vom Sachverhalt unrichtig sei. Der Kläger habe sich weder schuldig bekannt, im Jahre 1998 Bestandteile von
Militärhubschraubern und von Flugzeugkanonen in den Iran geliefert zu haben, noch sei diese Behauptung zutreffend. Auch habe der Kläger
keine Kriegswaffen in den Iran geliefert.
19 Aus Sicht der Co AG AG habe sich der Kläger nach dem Recht der Schweiz keiner strafbaren Handlung schuldig gemacht. Alle
Exportbewilligungen, die erforderlich gewesen seien, um die streitigen Güter in den Iran zu exportieren, seien vom zuständigen Schweizer
Bundesamt für Außenwirtschaft (Seco) erteilt worden. Dies habe ein Bediensteter dieses Amtes am 12. Juli 2001 gegenüber dem für die Co AG
AG tätigen Rechtsanwalt Dr. J. bestätigt. Bei dem dem Kläger vorgeworfenen Delikt handele es sich um ein politisches. Die ihm vorgeworfenen
Straftaten habe er in Erfüllung seiner arbeitsrechtlichen Pflichten ausgeführt. Die Vergütungszahlungen seien weiterhin aus der Tätigkeit für die
Co AG AG aufgrund des Arbeitsvertrages gezahlt worden. Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses wäre deshalb nach Schweizer Recht
missbräuchlich gewesen.
20 Richtig sei, dass sich der Kläger im amerikanischen Ermittlungsverfahren auf Anraten seiner US-Anwälte lediglich dazu schuldig erklärt habe,
neun Antriebswellen für einen Militärhubschrauber Chinook CH-47 ohne Genehmigung der zuständigen Behörden aus den USA in die Schweiz
importiert zu haben. Diese Antriebswellen seien von einer amerikanischen Lieferfirma als „Civil Aircrafts Parts“, also gerade nicht als Militärteile
oder Waffen, verkauft worden. Eine Lieferung von Kriegswaffen in den Iran habe es nicht gegeben. Insoweit sei in allen anderen Anklagepunkten
weder ein Schuldbekenntnis, noch eine Verurteilung des Klägers erfolgt.
21 Die Hafttage seien auch als Nichtrückkehrtage zu werten. Der haftbedingte Aufenthalt im Ausland sei durch das Arbeitsverhältnis oder durch die
Arbeitsausübung bedingt. Es sei für einen Nichtrückkehrtag nicht maßgeblich, dass sich der Arbeitnehmer bei bestehender Rückkehrmöglichkeit
aufgrund der Arbeitsausübung entscheide, am Arbeitsort zu bleiben. Diese Sichtweise finde in Art. 15 a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz keine
Grundlage. Wenn die Inhaftierung ausschließlich wegen der beruflichen Tätigkeit erfolge, so sei die Unmöglichkeit der Rückkehr in den
Wohnsitzstaat berufsbedingt und nicht privat veranlasst oder gar willkürlich herbeigeführt.
22 Soweit sich das beklagte FA auf das Einführungsschreiben zur Neuregelung der Grenzgängerbesteuerung vom 19. September 1994 berufe,
komme dem für das Gericht keine bindende Wirkung zu. Die Verständigungsvereinbarung i.S.d. Art. 26 Abs. 3 DBA- Schweiz binde nur die
zuständigen Behörden, nicht aber das Gericht. Im Arbeitsvertrag als Arbeitstage vereinbarte Tage (Montag bis Freitag) blieben im Sinne der Tz.
11 persönlich im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeitstage, gleichgültig, ob der Kläger sich in der Schweiz oder in den USA befunden habe. Auch
die Regelung in Tz. 13 der Verständigungsvereinbarung könne die Auffassung des FA nicht stützen. Dabei sei lediglich maßgebend, dass die
Nichtrückkehr aufgrund der Arbeitsausübung (aus beruflichen Gründen) erfolgen müsse. Auch die Überlegungen des FA, es fehle im Falle der
Inhaftierung an einer einen Nichtrückkehrtag begründenden Arbeitsausübung am Arbeitsort, gehen fehl. Maßgebend sei allein, dass der Kläger
als Folge seiner Tätigkeit für den Arbeitgeber und in Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung in den USA dort inhaftiert worden sei.
23 Aufgrund der Fiktion des Arbeitsortes in Art. 15 Abs. 4 DBA- Schweiz komme es für die Besteuerung gerade nicht auf den tatsächlichen Arbeitsort
und die körperliche Anwesenheit am Arbeitsort an. Demzufolge müsse der Kläger entsprechend dem ergangenen Urteil des BFH vom 25.
Oktober 2006 I R 81/04 aaO in vollem Umfang nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 d DBA-Schweiz von der Besteuerung freigestellt werden.
24 Die Kläger beantragen,
1. die zuletzt ergangenen Einkommensteuerbescheide 2001 und 2002 vom 21. März 2003 und vom 30. April 2004 in Gestalt der
Einspruchsentscheidungen jeweils vom 17. März 2006 dahingehend abzuändern, dass die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von
247.011 DM für 2001 und von 42.476 EUR für 2002 unter Progressionsvorbehalt steuerfrei gestellt werden und die Einkommensteuer
dementsprechend herabgesetzt wird,
2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,
3. hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
25 Das beklagte FA beantragt,
1. die Klage abzuweisen,
2. hilfsweise, für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
26 Das beklagte FA verweist auf den Inhalt seiner Einspruchsentscheidungen vom 17. März 2006, mit denen es im Wesentlichen ausgeführt hatte,
zwar sei das bezogene Gehalt in vollem Umfang Grenzgängerlohn, jedoch könnten die Tage der Haft nicht als Nichtrückkehrtage anerkannt
werden. Zwar begründeten Dienstreisen in ausländische Drittstaaten unabhängig von einer Übernachtung aufgrund der dortigen
Arbeitsausübung regelmäßig beruflich bedingte Nichtrückkehrtage. Dabei seien als Arbeitsausübung alle Zeiten anzusehen, für die aufgrund des
Arbeitsverhältnisses eine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Anwesenheit am Arbeitsort bestehe. Dies setze aber voraus, dass Zeitpunkt, Ort
und Dauer der Dienstreise vom Arbeitgeber bzw. Arbeitnehmer grundsätzlich beeinflusst werden könnten. Krankheits- und unfallbedingte
Abwesenheitszeiten könnten daher nicht als Nichtrückkehrtage gelten. Auch in sonstigen Fällen, in denen Arbeitgeber und Arbeitnehmer die
Entscheidungs- und Einflussmöglichkeit über die Fortsetzung oder Beendigung der Dienstreise entzogen sei, fehle es an einer einen
Nichtrückkehrtag begründenden Arbeitsausübung am Arbeitsort, denn das Verbleiben des Arbeitnehmers im Drittstaat beruhe nicht auf einer sich
aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Verpflichtung.
27 Mit seiner Festnahme habe der Kläger die für Dienstreisen typische Entscheidungs- und Einflussmöglichkeit über den weiteren Verlauf der
Dienstreise und insbesondere über den Zeitpunkt der Rückreise an seinen Wohnort in Deutschland verloren. Dies bewirke, dass er sich in den
Vereinigten Staaten nicht mehr aufgrund einer sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Verpflichtung aufgehalten habe. Deshalb könne dies
keine Nichtrückkehr aufgrund der Arbeitsausübung begründen. Auch der Hinweis auf die Gehaltsfortzahlung gebe für die Beurteilung des
Streitfalles nichts her. Für die Beantwortung der Frage, ob Tage der Inhaftierung als Nichtrückkehrtage zu behandeln seien, lasse sich aus dem
zur Auslegung der Tz. II 1 des Verhandlungsprotokolls vom 18. Dezember 1991 ergangenen BFH-Urteil I R 100/00 aaO nichts ableiten.
28 Es reiche für die Annahme eines Nichtrückkehrtages nicht aus, dass der Arbeitnehmer durch ein x-beliebiges, beruflich veranlasstes Ereignis an
der Rückkehr an den inländischen Wohnsitz gehindert sei. Erforderlich sei vielmehr, dass die Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit der Rückkehr
aufgrund der Arbeitsausübung eingetreten sei. Der Arbeitnehmer müsse also aufgrund einer sich aus seinem Arbeitsvertrag ergebenden
Verpflichtung am Arbeitsort geblieben sein. Deshalb entfalle die Grenzgängereigenschaft eines Arbeitnehmers nicht, wenn er nach einem
Betriebsunfall in einer Klinik stationär behandelt werde und deshalb an mehr als 60 Arbeitstagen nicht an seinen inländischen Wohnsitz
zurückkehre. Weder ein beruflich veranlasster Unfall noch ein anschließender Krankenhausaufenthalt könnten bewirken, eine aufgrund der
Berufsausübung erfolgte Nichtrückkehr anzunehmen. Weder durch den Unfall, noch durch den Krankenhausaufenthalt erfülle der Arbeitnehmer
eine arbeitsvertragliche Verpflichtung. Für den Fall der Inhaftierung könne nichts anderes gelten. Der Kläger sei arbeitsvertraglich nicht
verpflichtet gewesen, in die USA zu reisen, um sich verhaften zu lassen und dort zu verbleiben, bis er entlassen werde. Dass er während einer
Dienstreise inhaftiert worden sei und dass die Haft durch die berufliche Tätigkeit veranlasst gewesen sei, reiche für den Wegfall der
Grenzgängereigenschaft nicht aus. Maßgebend sei, das strafrechtliche Verurteilung und anschließende Haftstrafe untrennbar mit persönlicher
Schuld verbunden und daher höchstpersönlicher Natur sei. Die sich aus der Inhaftierung ergebende Nichtrückkehr sei daher durch die nach
Überzeugung des Gerichts vorliegende, persönliche Schuld des Angeklagten verursacht. Diese sei daher dem privaten Bereich zuzuordnen,
nicht dem beruflichen.
29 Selbst wenn die Grenzgängereigenschaft verneint würde, könne die Klage keinen Erfolg haben. Das FA gehe davon aus, dass der Kläger
während der Inhaftierung nicht mehr als Direktor der Kapitalgesellschaft tätig sein könne. Die Zahlung der Vergütung erfolge nicht für seine
Tätigkeit als Direktor, sondern aus anderen Gründen. Deshalb führe der Wegfall der Grenzgängereigenschaft im Fall der Inhaftierung zur
Anwendung der Regelung des Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz. Danach stehe Deutschland das Besteuerungsrecht als Wohnsitzstaat zu.
30 Das beklagte FA stellte unstreitig, dass die Exportbewilligung vom Schweizer Bundesamt für Außenwirtschaft erteilt wurde, die Fortzahlung der
Vergütung auf arbeitsrechtlicher Grundlage erfolgte und der Arbeitsvertrag fortbestand.
31 In der mündlichen Verhandlung führte die Vertreterin des beklagten Finanzamts ergänzend aus, die Parallele zu den Strafverteidigerkosten sei
nicht einschlägig, da zu differenzieren sei zwischen diesen Kosten und der Strafe als solche, die nach § 12 EStG nicht abzugsfähig sei.
32 Der BFH folgte im Urteil vom 25. Oktober 2006 I R 81/04 BFHE 215, 237 der von den Klägern vertretenen Auffassung zu Art. 24 DBA-Schweiz
(Anwendung der Freistellungsmethode). Das beklagte FA wurde jedoch angewiesen, die bisherige Auffassung weiter zu vertreten. Der
Bundesminister der Finanzen hält die Auffassung des BFH für falsch und hat hierzu eine ausführliche Stellungnahme erarbeitet, die das beklagte
FA mit Schreiben vom 5. Oktober 2007, auf das insgesamt Bezug genommen wird, dem Gericht mitgeteilt hat. Es befasst sich einerseits mit der
historischen Auslegung des BFH und meint, es habe keine übereinstimmende Auffassung beider Staaten bei Abfassung des Art. 15 a DBA-
Schweiz in der jetzigen Fassung vorgelegen. Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz einerseits und Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Ziffer d DBA-Schweiz seien nicht
einheitlich auszulegen. Im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses habe keineswegs ein übereinstimmender Wille beider Vertragsstaaten
vorgelegen, die Freistellungsmethode unabhängig von der Art der Tätigkeit auf den gesamten Arbeitslohn anzuwenden. Der Wille im Zeitpunkt
des Vertragsabschlusses sei Tatfrage und sei festzustellen. Er könne nicht durch eine unzutreffende Übertragung der zu Art. 4 Abs. 1 DBA-
Schweiz 1931/1959 ergangenen BFH-Rechtsprechung auf die Methodenwahl nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe d DBA-Schweiz ersetzt
werden. Deshalb halte das FA daran fest, dass die Doppelbesteuerung für den Teil des Arbeitslohnes, den der Kläger durch seine Tätigkeit in
Drittstaaten erziele, nach der Anrechnungsmethode zu beseitigen sei.
33 Bezüglich des weiteren Vortrags im Einzelnen wird auf die im Besteuerungs-, Einspruchs- und Klageverfahren gewechselten Schriftsätze nebst
sämtlichen Anlagen, insbesondere die Lohnnachweise, Quellensteuerrechnungen sowie den amerikanischen Haftbefehl, die Anklageschrift, das
Schuldeingeständnis und das Strafurteil nebst Übersetzungen (FG-Akte 11 K 90/06 Bl. 102 - 147), die zuletzt ergangenen
Einkommensteuerbescheide 2001 und 2002 vom 21. März 2003 und 30. April 2004, die Einspruchsentscheidungen vom 17. März 2006 und die
Niederschrift des Erörterungstermins vom 9. Oktober 2007 verwiesen.
Entscheidungsgründe
34 Die zulässige Klage ist begründet.
35 1. Im Streitfall ist bis zur Verrentung des Klägers die Regelung des Art. 15 a DBA-Schweiz anwendbar. Der Kläger hat aber im Streitjahr 2001
mehr als 60 Nichtrückkehrtage, im Streitjahr 2002 bis April mehr als 20 Nichtrückkehrtage nachgewiesen und war deshalb kein Grenzgänger
nach Art. 15 a DBA-Schweiz, sodass die Regelung des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz zur Anwendung kommt.
36 a) Nach § 1 Abs.1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist eine natürliche Person unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, wenn sie im
Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dabei beurteilt sich der Wohnsitzbegriff nach § 8 der Abgabenordnung (AO
1977). Diese Voraussetzungen sind unstreitig erfüllt. Die Kläger hatten einen Wohnsitz i.S.d. § 8 AO und eine ständige Wohnstätte nach Art 4
Abs. 4 DBA-Schweiz in der Bundesrepublik in ihrem Wohnhaus in Jestetten, wo auch die Ehefrau des Klägers lebte. Beide sind damit in der
Bundesrepublik ansässig.
37 b) Nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 werden bei einer in Deutschland ansässigen Person aus der Schweiz stammende
Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen i.S. des Art. 15 DBA-Schweiz 1992, soweit sie nicht unter Art. 17 DBA-Schweiz 1992 fallen, von der
Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen, wenn sie in der Schweiz besteuert werden können und die Arbeit in der Schweiz
ausgeübt wird. Nach Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 kann eine natürliche Person, die in Deutschland ansässig, aber als Vorstandsmitglied,
Direktor, Geschäftsführer oder Prokurist einer in der Schweiz ansässigen Kapitalgesellschaft tätig ist, mit den Einkünften aus dieser Tätigkeit
grundsätzlich in der Schweiz besteuert werden. Diese Regelung gilt jedoch nur vorbehaltlich verschiedener anderer Bestimmungen, u.a. des Art.
15 a DBA-Schweiz 1992. Deshalb dürfen, wenn die betreffende Person Grenzgänger i.S. des Art. 15 a DBA-Schweiz 1992 ist, die von ihr
bezogenen Gehälter, Löhne und ähnlichen Vergütungen in Deutschland besteuert werden (Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1992). Art. 15
Abs. 4 DBA-Schweiz ist eine Sonderregelung, die die in Art. 15 Abs. 1 enthaltene Grundregel abschließend verdrängt (Urteile des
Bundesfinanzhofs -BFH- vom 21. August 2007 I R 17/07 (Juris-Datenbank) und vom 5. Oktober 1994 I R 67/93 Bundessteuerblatt -BStBl- II 1995,
95).
38 Grenzgänger i.S. des Art. 15a DBA-Schweiz 1992 ist jede in einem Vertragstaat ansässige Person, die in dem anderen Vertragstaat ihren
Arbeitsort hat und von dort regelmäßig an ihren Wohnsitz zurückkehrt (Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz 1992). Bei einer in Deutschland
ansässigen und in der Schweiz arbeitenden Person entfällt die Grenzgängereigenschaft nur dann, wenn die Person bei einer Beschäftigung
während des gesamten Kalenderjahres an mehr als 60 Tagen auf Grund ihrer Arbeitsausübung nicht an ihren Wohnsitz in Deutschland
zurückkehrt (Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1992, BFH-Urteile vom 16. Mai 2001 I R 100/00, Sammlung der amtlich veröffentlichten
Entscheidungen des BFH -BFHE- 195, 341, BStBl II 2001, 633; vom 15. September 2004 I R 67/03, BFHE 207, 452, m.w.N; zum Vorstehenden:
BFH-Urteil vom 25. Oktober 2006 I R 18/04, Sammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2007, 875).
39 c) Der Senat teilt die Auffassung des beklagten FA, dass es sich um Einkünfte aus „unselbständiger Arbeit“ iSd. Art 15 oder 15 a DBA-Schweiz
handelt. Dieser Begriff wird abkommensrechtlich nicht definiert. Im Streitfall wurden die Vergütungen unstreitig aufgrund des Arbeitsvertrages des
Klägers mit der Co AG AG bezahlt. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger tatsächlich nicht arbeiten, sondern seine Arbeit in der Haft nur
anbieten konnte. Maßgebend ist allein, dass die Zahlungen aufgrund des Arbeitsvertrages erfolgten. Auch das Sich-Bereithalten ist demzufolge
arbeitsrechtlich ein Anbieten der Arbeitsleistung, d. h., ein Tun, das dort geschieht, wo sich der Arbeitnehmer beim Anbieten aufhält. Zur
Verfügung halten kann sich die Person nur dort, wo sie sich körperlich aufhält. Abwarten kann man ein Ereignis dazu nur an dem jeweiligen,
tatsächlichen Aufenthaltsort. Deshalb ist auch das Bereithalten eines Arbeitnehmers am Ort der physischen Anwesenheit während der Dauer des
Bereithaltens zuzuordnen. Auch dann, wenn man davon ausgeht, dass das Gehalt dafür gezahlt wird, dass der Kläger nicht arbeiten konnte,
besteht dennoch ein ausreichender wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Arbeitsvertrag, aufgrund dessen die Zahlungen unstreitig geleistet
wurden. Auch dann handelt es sich für Vergütungen aus nichtselbständiger Arbeit i.S.d. Art. 15 DBA-Schweiz oder aus nichtselbständiger Arbeit
i.S.d. § 19 EStG (Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Kommentar zu den Doppelbesteuerungsabkommen, Musterabkommen -MA- Art. 15
Anm. 64; BFH-Urteil vom 9. September 1970 I R 19/19 BStBl II 1970, 867).
40 d) Der Senat wendet die Grenzgängerregelung des Art. 15 a DBA-Schweiz an.
41 Zweifelhaft ist im Streitfall, ob die Spezialregelung des Art. 15 a DBA-Schweiz für das ganze Streitjahr 2001 oder ob direkt die Regelung des Art.
15 Abs. 4 DBA-Schweiz für Zeiträume ab dem 5. Juli 2001 anzuwenden ist.
42 aa) Nach Art. 15 a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz entfällt bei einem in einem Vertragsstaat ansässigen und im anderen Vertragsstaat arbeitenden
Personen die Grenzgängereigenschaft nur dann, wenn die Person bei einer Beschäftigung während des gesamten Kalenderjahres an mehr als
60 Arbeitstagen aufgrund ihrer Arbeitsausübung nicht an ihren Wohnsitz zurückkehrt. Ergänzend dazu erfolgt nach Nr. II 1 des
Verhandlungsprotokolls zum Änderungsprotokoll vom 18. Dezember 1991 (Bundesgesetzblatt II 1993, 1889, BStBl I 1993, 929) für den Fall, dass
ein Steuerpflichtiger nur einen Teil des Jahres in der Schweiz arbeitet, eine Kürzung der 60-Tage-Grenze dahingehend, dass für jeden Monat
fünf Nichtrückkehrtage erforderlich sind. Übernachtet daher ein Arbeitnehmer beruflich bedingt im Kalenderjahr an einem Stück 59 mal im
Tätigkeitsstaat, führt dies nach dem Wortlaut des Art. 15 a Abs. 2 DBA-Schweiz weiterhin zur Annahme der regelmäßigen Rückkehr und der
Anwendung des Art. 15 a DBA-Schweiz.
43 bb) Die Grenzgängerregelung des Art. 15 a DBA-Schweiz geht als Spezialregelung nach ihrem Wortlaut den Regelungen der Art 15 Abs.1 und 4
DBA-Schweiz vor. Zweifelhaft ist, in welchem Verhältnis die Regelungen des Art. 15 a DBA-Schweiz einerseits und des Art. 15 DBA-Schweiz
andererseits in den Fällen zueinander stehen, in denen ein Arbeitnehmer zeitweise für kürzere oder längere Zeiten, die mehr als 60 Tage
betragen, die Voraussetzungen der regelmäßigen Rückkehr des Arbeitnehmers an seinen Wohnort nicht mehr erfüllt. Dies sind u. a.
Fallgestaltungen, bei denen z. B. ein Arbeitnehmer für mehrere Monate von einem Konzern in ein Drittland entsandt wird, ohne dass ein
Arbeitgeberwechsel erfolgt oder in denen der Arbeitnehmer im Staat der Arbeitsausübung oder einem Drittstaat, z. B. aufgrund von
Kriegseinwirkungen, Streiks oder sonstiger höherer Gewalt nicht zurückreisen kann oder - wie im Streitfall - inhaftiert wird. In all diesen Fällen
stellt sich die Frage, ob insoweit für die Zeiten von mehreren Monaten die Regelung des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz direkt anzuwenden ist für
den Zeitraum, in dem eine regelmäßige Rückkehr an den Wohnort nicht mehr erfolgt, oder ob insoweit in weiter Auslegung des Art. 15 a DBA-
Schweiz diese Vorschrift anzuwenden ist und folgerichtig im Zusammenhang hiermit die Tage, in denen der Arbeitnehmer sich -möglicherweise
unbeabsichtigt und zwangsweise- im Ausland befindet, dann als Nichtrückkehrtage anzuerkennen sind.
44 Unterschiede in den Rechtsfolgen können sich - wie im Streitfall für das Jahr 2001 - dann ergeben, wenn für die Zeit vom 1. Januar bis zum 5. Juli
eine Anwendung des Art. 15 a DBA-Schweiz erfolgte, dann eine Zäsur gemacht und lediglich die bis zu diesem Zeitpunkt zu beurteilenden
Nichtrückkehrtage berücksichtigt werden. In diesem Fall lägen im Streitfall für die Reisen nach Teheran vom 30. Januar bis 2. Februar, vom 27.
Februar bis 11. März, für die Reisen nach Madrid vom 22. bis 4. März und nach Moskau vom 27. bis 29. März sowie für die Zeit vom 4. bis 5. Juli
20 Nichtrückkehrtage vor. Dabei sind jeweils nur die Übernachtungen anzusetzen. Der letzte Tag der Reise ist als Rückkehrtag nicht
mitzuzählen. Bei einem Abstellen auf den 5. Juli als Zäsur wären nach der Grenzgängerregelung jedoch selbst dann, wenn man die Kürzung der
Arbeitstage nach dem Verhandlungsprotokoll zugunsten des Klägers analog anwenden wollte, sechs mal fünf Tage zuzüglich eines Tages für
die erste Juliwoche oder 31 Nichtrückkehrtage erforderlich, damit das Besteuerungsrecht an die Schweiz zurückfiele. Betrachtet man hingegen
einen Jahreszeitraum und wertet die Zeiten von Entsendungen in Drittländer oder Hafttagen, Streiks, Naturkatastrophen etc, die einen Aufenthalt
im Staat des Arbeitsortes zwangsläufig nach sich ziehen, dem Grunde nach als unschädlich für die Anwendung der Grenzgängerregelung,
obwohl der Arbeitnehmer zeitweise für diese Zeiten vorübergehend nicht mehr regelmäßig an seinen Wohnort zurückkehrt, so ist im Streitfall
dann, wenn die Zeiten der Haft ebenfalls als Nichtrückkehrtage zu werten sind, das gesamte Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit in den
Streitjahren 2001 und 2002 von der Besteuerung in der Bundesrepublik freizustellen. Insofern bestehen im Streitfall und möglicherweise auch in
anderen Fällen, wie z. B. der Arbeitnehmerentsendung, Unterschiede im Ergebnis zwischen diesen Lösungen.
45 e) Der Senat wendet die Regelung des Art. 15 a DBA-Schweiz als Spezialvorschrift an und betrachtet jeweils bis zum Ende eines
Arbeitsverhältnisses den Zeitraum von einem Kalenderjahr entsprechend dem Wortlaut und dem Sinn der Vorschrift.
46 aa) Art. 15 a DBA-Schweiz stellt in seinem Abs. 1 Satz 1 auf den Ansässigkeitsstaat ab. Diese Regelung wird ergänzt durch die Möglichkeit der
Wegzugsbesteuerung in Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz sowie nach Art. 4 Abs. 5 DBA-Schweiz für den Wechsel der Ansässigkeit während eines
Jahres. Beim Wohnsitzwechsel während des Jahres kann jeder Staat die Steuern auf der Grundlage der unbeschränkten Steuerpflicht nur nach
Maßgabe der Zeit erheben, während der die Person als in diesem Staat ansässig gilt. Die Grenzgängereigenschaft entfällt nach dem eindeutigen
Wortlaut des Art. 15 a Abs. 2 Satz 2 DBA, wenn mehr als 60 Nichtrückkehrtage während des gesamten Kalenderjahres vorliegen.
47 bb) Art. 15 Abs. 2 DBA- Schweiz enthält mit der 183 - Tage -Regel eine aus Praktikabilitätsgründen eingeführte Intensitätsregel, die das strikte
Arbeitsortprinzip des Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-Schweiz einschränkt. In zeitlicher Hinsicht regeln die Abkommen nach Art. 15 Abs. 2 des OECD
Musterabkommens, dass ein Wechsel des Besteuerungsrechtes von einem in den anderen Vertragsstaat erst nach einem Aufenthalt von 183
Tagen in dem Vertragsstaat des Arbeitsortes erfolgt. Bis zur Grenze von 183 Tagen betrachten die OECD-Musterabkommen die Tätigkeit in
einem Staat aus Praktikabilitätserwägungen außerhalb des Ansässigkeitsstaates als vorübergehend (Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer
aaO Art. 15 MA Anm. 91). Der Wohnsitzstaat bleibt danach nur unter den engen Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 des Musterabkommens für
die Besteuerung zuständig. Dabei gelten die Regelungen der Art. 15 Abs. 1, 4 DBA-Schweiz vorbehaltlich des Art. 15 a DBA-Schweiz. Dies ist im
Verhältnis zu Drittstaaten der Fall, z.B. in den Entsendefällen, soweit nicht die Regelung des Art 15 Abs. 4 DBA-Schweiz eingreift. Dauert hier die
Entsendung länger als 183 Tage, fällt das Besteuerungsrecht im Regelfall in den Drittstaat, falls nicht die übrigen Voraussetzungen des Art. 15
Abs. 2 DBA-Schweiz eingreifen. Für den Fall, dass nach Art. 15 a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz die Person nicht jeweils nach Arbeitsende an ihren
Wohnsitz zurückkehrt, entfällt die Grenzgängereigenschaft nur dann, wenn die Person bei einer Beschäftigung während des gesamten
Kalenderjahres an mehr als 60 Arbeitstagen aufgrund ihrer Arbeitsausübung nicht an ihren Wohnsitz zurückkehrt. Selbst dann sind jedoch beim
Arbeitnehmer, der die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz nicht erfüllt, die Einkünfte für Tage im Ansässigkeitsstaat und
Drittstaaten in der Bundesrepublik steuerpflichtig.
48 cc) Diese Regelungen der Art. 15 Abs. 2 und 15 a DBA-Schweiz zeigen nach dem Wortlaut und in ihrer Gesamtschau, dass Art. 15 a DBA-
Schweiz ebenso wie Art. 15 Abs. 2 DBA-Schweiz auf ein Kalenderjahr abstellen. § 4 Abs. 5 DBA-Schweiz regelt eine zeitweise Betrachtung und
eine zeitliche Aufteilung der Einkünfte nur für den Fall, dass ein Wohnsitzwechsel stattfindet. Aus der Zusammenschau dieser Vorschriften
entnimmt der Senat, dass jedenfalls eine Anwendung des Art. 15 a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz solange nicht ausgeschlossen wird, als nicht die
Regelung des Art. 15 Abs. 2 DBA-Schweiz für einen Drittstaat außerhalb des regelmäßigen Ansässigkeitsstaates und des Staates des
Arbeitsortes eingreift. Für das Verhältnis der am Grenzgängerstatus beteiligten Vertragsstaaten (hier Deutschland und die Schweiz) ist hingegen
die spezielle Regelung des Art. 15 a DBA-Schweiz ausschließlich anwendbar, da ein Arbeitnehmer regelmäßig mehr als 183 Arbeitstage in der
Schweiz verbringt. Eine Verkürzung des Jahreszeitraumes kommt nur zugunsten des Steuerpflichtigen im Rahmen des Art. 15 a DBA-Schweiz
aufgrund der gesetzlichen Regelung im Verhandlungsprotokoll vom 18. Dezember 1991 (a.a.O.) und nur dann infrage, wenn der Arbeitnehmer
nicht während des gesamten Kalenderjahres in dem anderen Staat beschäftigt ist. Die deutsche Finanzverwaltung hat diese Regelung zu Lasten
eines Steuerpflichtigen auch auf den Fall des Arbeitgeberwechsels und einer Tätigkeit im ganzen Jahr ausgedehnt und zwar selbst dann, wenn
bei einem Arbeitgeber bereits mehr als 60 Nichtrückkehrtage unter dem Jahr entstanden waren. Der Senat hat diese Auffassung nicht gebilligt,
sondern im Einklang mit der Auffassung der eidgenössischen Steuerverwaltung entschieden, dass dann nach dem klaren Wortlaut des Art. 15 a
Abs. 2 DBA-Schweiz ein Wechsel des Besteuerungsrechtes für das gesamte Jahr erfolgt (Urteil des FG Baden-Württemberg vom 25. September
2007 11 K 571/04 EFG 2008, 189; so auch zu Art. 13 Abs. 5 DBA Frankreich: Hartmann in: Die Information 2006, 705 ff, 707). Diese Entscheidung
ist rechtskräftig geworden, obwohl der Senat die Revision zugelassen hat. Auch dabei hat der Senat auf den Jahreszeitraum abgestellt.
49 dd) Die Regelung des Art. 15 Abs. 2 DBA-Schweiz zeigt, wie oben dargestellt, dass ein Wechsel des Besteuerungsrechts vom Wohnsitz- in einen
Drittstaat für einen dort genannten Grundfall nur langfristig betrachtet wird, nämlich bei mehr als 183 Kalendertagen im Jahr in einem Drittstaat,
wobei dieser Zeitraum nicht zusammenhängend dort verbracht werden muss. Die Grundaussagen dieser Regelungen ergeben daher bei einer
Zusammenschau, dass die Doppelbesteuerungsabkommen - ersichtlich schon aus praktischen Erwägungen - grundsätzlich auf einen längeren
Zeitraum abstellen, soweit nicht eine Sonderregelung wie im Verhandlungsprotokoll vom 18. Dezember 1991 (a.a.O.) zugunsten des
Steuerpflichtigen eingreift. Diese Ausnahmeregelung bestätigt die Grundaussage des 15 a DBA-Schweiz, dass der Betrachtungszeitraum
grundsätzlich ein Kalenderjahr ist.
50 ee) Die Vertragsparteien gingen bei der Verständigungsvereinbarung in BStBl I 1994, 683 Tz. 13, für den Krankheits- und Unfallfall davon aus,
dass die Grenzgängereigenschaft als solche dadurch nicht tangiert wird. Da dort ebenfalls keine Zeiten genannt werden, gilt dies auch für
längere Erkrankungen, z. B. bei schweren Unfällen in Ausübung des Dienstes, z. B. Verkehrsunfällen in Drittländern, Flugzeugunfällen oder
sonstigen Berufsunfällen, wie z. B., wenn ein Arbeitnehmer in einem Drittland für längere Zeit nicht transportfähig ist. Für den Senat ist bei der
Auslegung des Begriffs der regelmäßigen Rückkehr des Art. 15 a DBA-Schweiz maßgebend, ob das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber
weiterhin besteht und ob nach dem regelmäßigen Verlauf des Arbeitsverhältnisses auch nach kürzerer oder längerer Aufenthaltszeit in einem
anderen Land zu erwarten ist, dass der Arbeitnehmer wieder nach diesem Aufenthalt als Grenzgänger tätig wird und regelmäßig wieder an
seinen Wohnort zurückkehrt. Dies gilt nach Auffassung des Senats nur dann nicht, wenn die Regelung des Art. 15 Abs. 2 DBA-Schweiz eingreift,
und der Arbeitnehmer im Kalenderjahr länger als 183 Tage in ein und demselben Drittland verweilt. In diesem Fall geht nach seiner Auffassung
die Regel des Art. 15 Abs. 2 DBA-Schweiz vor, da nach Ablauf dieser Zeit nicht mehr von einer regelmäßigen Rückkehr an den Wohnort nach Art.
15 a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz gesprochen werden kann. Bis zu diesem Zeitpunkt wendet der Senat als Spezialregelung den Art. 15 a DBA-
Schweiz im Verhältnis der Vertragsparteien Deutschland und die Schweiz an.
51 ff) Der Senat ist sich bewusst, dass dies eine weite Auslegung der regelmäßigen Rückkehr i.S.d. Art. 15 a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz ist, er hält
diese jedoch nach dem systematischen Zusammenhang der beiden Vorschriften der Art. 15 und Art. 15 a DBA-Schweiz für zutreffend, da sich
dadurch eine praktikable und einfache Abgrenzung zwischen beiden Vorschriften finden lässt. Da Art 15 a DBA-Schweiz ebenso wie Art. 15 Abs.
2 DBA-Schweiz auf den Jahreszeitraum abstellt, ist auch die Frage der regelmäßigen Rückkehr nach Auffassung des Senats hieran
anzuknüpfen. Verbringt der Arbeitnehmer mehr als 183 Tage im Jahr in ein und demselben Drittland außerhalb des Staates des Tätigkeitsortes,
so handelt es sich nach der Wertung des Art. 15 Abs. 2 DBA-Schweiz letztlich um eine dauernde Abwesenheit, die die regelmäßige Rückkehr
i.S.d. Art. 15 a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz ausschließt. Bleibt hingegen die regelmäßige Rückkehr unterhalb des Zeitraumes von 183 Tagen in
ein und demselben Drittstaat, so gilt bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses diese Abwesenheit als vorübergehend und steht einer auf das
Kalenderjahr bezogenen, überwiegenden regelmäßigen Rückkehr an den Wohnort nicht entgegen. Der Übergang des Besteuerungsrechts an
die Schweiz wird danach durch die ergänzende Spezialregelung des Art 15 a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz von mehr als 60 beruflich bedingten
Nichtrückkehrtage abschließend geregelt. Bei den längerfristigen Entsendefällen ohne Arbeitgeberwechsel wird daher regelmäßig die Zahl von
60 Nichtrückkehrtagen überschritten.
52 Die Lösung des Senats entspricht auch beim leitenden Angestellten i.S.d. Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz den Bedürfnissen der Praxis. Wollte man
für die Entsendung bei der Frage der regelmäßigen Rückkehr z.B. auf Vierteljahreszeiträume abstellen, so müsste bei einer Entsendung in ein
Drittland zu einem anderen Konzernteil geprüft werden, ab welchem Zeitpunkt die Regelung des Art. 15 a DBA-Schweiz nicht mehr anzuwenden
ist und bis zu welchem Zeitpunkt die Regelung des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz direkt gilt. Nach der auf ein Kalenderjahr anzustellenden
Betrachtung, ist die Regelung des Art. 15 a DBA-Schweiz nach Auffassung des Senats daher bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses zum 30.
April 2002 anzuwenden, da in beiden Jahren die Zeiträume für die Anwendung des Art. 15 Abs. 2 DBA-Schweiz isoliert betrachtet nicht erreicht
werden.
53 gg) Die Auffassung des Senats steht auch in Einklang mit den Fällen, in denen ein Steuerpflichtiger -ohne leitender Angestellter nach Art 15 Abs.
4 DBA-Schweiz zu sein- an mehr als 60 Tagen beruflich bedingt in Drittstaaten oder im Tätigkeitsstaat übernachtet. In diesem Fall wird die
Spezialregelung des Art. 15 a DBA-Schweiz auch nach Auffassung der Finanzverwaltung für die Frage der regelmäßigen Rückkehr und der
Nichtrückkehrtage bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis auf das gesamte Jahr bezogen. Die Fälle des Art 15 Abs. 4 DBA-Schweiz und des nicht
leitenden Arbeitnehmers nach Art. 15 a DBA-Schweiz unterscheiden sich nur bezüglich der Regelung des Arbeitsortes. Während in Art. 15 Abs. 4
DBA-Schweiz der Arbeitsort nach der Rechtsprechung des BFH am Sitz der Kapitalgesellschaft fingiert wird, ist dies bei den übrigen
Arbeitnehmern nicht der Fall. Deshalb können bei den zuletzt genannten Steuerpflichtigen Arbeitstage im Ansässigkeits- und Drittstaaten
besteuert werden, wenn die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 MA nicht vorliegen (BFH-Beschluss vom 19. April 1999 I B 141/98 BFH/NV
1999, 1317). Dieser Vergleich zeigt, dass nach Art. 15 a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz allein die Tage der Nichtrückkehr dafür maßgebend sind, ob
die Eigenschaft als Grenzgänger besteht oder wegfällt und die Frage des Wechsels des Besteuerungsrechts in die Schweiz nur von diesem
Tatbestandsmerkmal abhängt.
54 hh) Nach diesen Rechtsgrundsätzen ergibt sich für den Streitfall: Im Jahr 2001 wurde der Kläger am 5. Juli 2001 verhaftet. Er war demzufolge
höchstens 180 Tage in den Vereinigten Staaten. Im Jahr 2002 endete das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30. April 2002 altersbedingt, indem
der Kläger in den Ruhestand eintrat, unabhängig davon, dass er sich auch zu diesem Zeitpunkt noch in Haft befand. Nach diesem Zeitpunkt
wurde kein Gehalt mehr gezahlt, sondern vielmehr die zuvor bereits beantragte Rente.
55 2. Der Kläger ist kein Grenzgänger nach Art. 15 a Abs. 1 DBA-Schweiz, da er in beiden Streitjahren mehr als 60 Tage (2001) bzw. 20 Tage (2002)
beruflich bedingt nicht in die Bundesrepublik zurückkehrte.
56 a) Der Senat ist zur Auffassung gelangt, dass die Tage, in denen der Kläger bis zum Erreichen der Altersgrenze mit dem 30. April 2002 inhaftiert
war, als Nichtrückkehrtage i.S.d. Art. 15 a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz zu berücksichtigen sind, weil die Inhaftierung aus beruflichem Anlass
erfolgte.
57 aa) Was beruflich veranlasst ist, ist im Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz ebenso wenig definiert wie die betriebliche Veranlassung
nach § 4 Abs. 4 EStG. Beide Begriffe sind entsprechend auszulegen sind. Demzufolge muss für das Steuerrecht eigenständig geprüft werden, ob
eine betriebliche oder berufliche Veranlassung gegeben ist. Danach schließen Fragen des Verschuldens oder eines strafbaren Handelns oder
sonstigen Gesetzesverstoßes eine gegebene betriebliche oder berufliche Veranlassung grundsätzlich nicht aus (Beschluss des Großen Senats
des BFH GrS 2-3/77 BStBl II 1978, 105 zur Frage des Verschuldens beim Autounfall). Maßgebend ist, ob aus Sicht des Unternehmers bei der
betrieblichen Veranlassung ein tatsächlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Betrieb besteht. Dabei entscheidend ist im Einzelfall,
ob das auslösende Moment im betrieblichen Bereich liegt (Beschluss des Großen Senats des BFH GrS 2-3/77 a.a.O.).
58 Andererseits genügt ein mittelbarer betrieblicher Zusammenhang jedenfalls dann nicht, wenn er durch außerbetriebliche Umstände überlagert
ist. Ein anteiliger betrieblicher Zusammenhang führt grundsätzlich zur anteiligen Berücksichtigung im betrieblichen Bereich, soweit es um die
Abgrenzung zu anderen Einkünften geht. Bei anteiliger privater Mitveranlassung ist ein Abzug von Betriebsausgaben nur möglich, soweit nicht §
12 EStG entgegensteht (Beschluss des Großen Senats des BFH GrS 2/70 BStBl II 1971, 17). Die Grenzen jeder betrieblichen Veranlassung
liegen dort, wo bereits bei objektiver Betrachtung ein sachlicher Zusammenhang mit dem Betrieb nicht mehr begründet werden kann. Kosten der
Strafverteidigung können –im Unterschied zur Strafe selbst (§ 12 Nr. 4 EStG)– auch bei vorsätzlich begangenen Straftaten und auch bei einer
Verurteilung ausnahmsweise Betriebsausgaben sein, wenn die zur Last gelegte Tat in Ausübung der beruflichen Tätigkeit begangen worden ist
(BFH-Urteile vom 21. Juni 1989 X R 20/88, BFHE 157, 397, BStBl II 1989, 831, und vom 13. Dezember 1994 VIII R 34/93, BFHE 176, 564, BStBl II
1995, 457). Ein betrieblicher Zusammenhang besteht nur, wenn die dem Steuerpflichtigen zur Last gelegte Tat ausschließlich und unmittelbar
aus seiner betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit heraus erklärbar ist (BFH-Urteil vom 20. September 1989 X R 43/86, BFHE 158, 356, BStBl II
1990, 20; vom 12. Juni 2002 XI R 35/01 BFH/NV 2002, 1441). Hingegen sind die Strafen oder Geldbußen in Höhe des ahndungsrechtlichen
Teiles als solche nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 EStG nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig.
59 bb) Nach diesen Grundsätzen der Rechtsprechung, denen der Senat folgt, kommt er zum Ergebnis, dass jedenfalls dann, wenn die Einnahmen
des Klägers als Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit zu werten sind, obwohl der Kläger in Haft war und seine Arbeit nur anbieten, jedoch
nicht ausüben konnte, auch die durch die Verhaftung bedingte Nichtrückkehr beruflich veranlasst ist. Ansonsten ergibt sich ein unlösbarer
Wertungswiderspruch zwischen der Behandlung der Einnahmen als Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit einerseits und der Behandlung
der Nichtrückkehrtage als nicht berufsbedingt andererseits. Auch § 14 Strafgesetzbuch -StGB- rechnet die für eine Kapitalgesellschaft
begangenen Handlungen dem vertretungsberechtigten Organ oder gesetzlichen Vertreter zu. Nach diesen Rechtsgrundsätzen kommt es nicht
darauf an, ob der Kläger schuldhaft oder schuldlos nicht mehr in die Schweiz zurückkehren konnte.
60 cc) Für die einengende Interpretation der Nichtrückkehrtage durch die Finanzverwaltung dahingehend, dass der Kläger selbst über die
Nichtrückkehr bestimmen müsse, findet sich im Wortlaut und Sinn und Zweck des Art. 15 a DBA-Schweiz keine Stütze. Maßgebend ist allein, ob
ein Steuerpflichtiger beruflich bedingt nicht mehr nach Arbeitsende an seinen Wohnsitz zurückkehrt. Nicht maßgebend ist, ob dies freiwillig oder
unfreiwillig geschieht. Zumal auch sonstige Umstände möglich sind, die nicht im Belieben des Steuerpflichtigen stehen. Hierzu gehören z. B. die
Verlängerung seiner Entsendung durch den Arbeitgeber, der er sich nicht widersetzen kann, die ungeplante Verlängerung einer Dienstreise
durch Verhalten von Kunden, Lieferanten, Vertragspartnern, Streiks im Flug- oder Bahnverkehr, Kriegswirren, Naturkatastrophen.
61 Für den Senat ist lediglich maßgebend, dass die Dienstreise als solche beruflich bedingt war und aus beruflichen Gründen erfolgte. Ergeben sich
im Zusammenhang mit der Dienstreise Umstände, die ein längeres Verbleiben an einem dritten Ort ohne Einwirkung des Arbeitnehmers
erfordern, so handelt es sich nach Auffassung des Senats auch insoweit um beruflich bedingte Nichtrückkehrtage. Denkbar wäre z. B., dass ein
Arbeitnehmer zu Verhandlungen in ein drittes Land reist, die Verhandlungen sich dann in die Länge ziehen und er dann durch höhere Gewalt
nicht mehr zurückreisen kann. In diesem Fall hat der Arbeitnehmer es nicht in der Hand, zurückzureisen, das Verbleiben in dem Drittstaat erfolgt
jedoch nicht aus privaten Gründen, sondern im Zusammenhang mit der Dienstreise und zwar danach - wenn auch unfreiwillig - beruflich
veranlasst.
62 b) Mit dieser Wertung befindet sich der Senat auch in Übereinstimmung mit der zitierten Rechtsprechung des BFH, wonach Ausgaben für die
Strafverteidigung als Betriebsausgaben abziehbar sein können, und zwar auch bei vorsätzlich begangenen Straftaten. Voraussetzung ist auch
dort lediglich, dass das Strafverfahren in ursächlichem Zusammenhang mit einem betrieblichen Vorgang steht.
63 Diese Fallkonstellation liegt im Streitfall vor. Der Kläger wurde aufgrund der Geschäfte, die er für die Co AG AG tätigte, wegen Embargoverstößen
und Verstößen gegen Waffenhandelsbestimmungen der USA inhaftiert, wobei eine Vielzahl von Vorwürfen erhoben wurde, der Kläger sich
jedoch nur in einem Punkt schuldig bekennen musste und daraufhin verurteilt wurde. Die Umstände der Inhaftierung sowie die Tatsache, dass
nach dem bislang bekannten Sachverhalt nur der Kläger wegen dieser Taten verfolgt wurde, er möglicherweise selbst auch Opfer von
geschäftlichen Praktiken war, die er selbst zunächst nicht durchschaute, sondern im Einflussbereich Dritter lagen, zeigen, dass die Inhaftierung
jedenfalls ausdrücklich in Zusammenhang mit einem Geschäft der Co AG AG erfolgte. Der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen, dass er
selbst Tests von Antriebswellen in den USA in Auftrag gegeben hat, da deren Beschaffenheit ihm zweifelhaft erschienen sei und deshalb diese
Antriebswellen auf Testständen des amerikanischen Militärs getestet wurden. Auch zeigt die Veröffentlichung der Presseberichte, dass der
Kläger unwissend verdeckten Ermittlern von seinen Geschäften erzählte, ohne dass er ersichtlich zuvor über seine Rechte als Beschuldigter
belehrt worden war. Die Darstellung des Klägers zeigt, dass er jedenfalls kein Risiko für Leib und Leben Dritter eingehen wollte und Zweifel an
der Verwendbarkeit der gelieferten Ersatzteile hatte. Die Tests ergaben, dass seine Zweifel berechtigt waren, die Ersatzteile alt und unbrauchbar
und die Teile nach seinen Angaben sowohl militärisch als auch zivil nutzbar waren. Der Kläger reiste demzufolge arglos zur Wahrnehmung von
Geschäften und deren Abwicklung in die Vereinigten Staaten ein und wurde dann für ihn selbst völlig überraschend inhaftiert. Die Inhaftierung
stand ausschließlich mit Geschäften der Co AG AG in Zusammenhang. Ob der Kläger bezüglich der Verstöße gegen Embargovorschriften
vorsätzlich, grob fahrlässig oder unwissentlich gehandelt hat oder selbst Opfer von Machenschaften Dritter wurde, braucht der Senat nicht zu
entscheiden. Selbst wenn der Kläger mit dem aufgrund seines Geständnisses ergangenen Urteil in den Vereinigten Staaten vorsätzlich
gehandelt haben sollte, schließt dies den beruflichen Anlass der Reise nicht aus.
64 Die hier streitigen Tage verbrachte der Kläger in Untersuchungshaft, nicht in Strafhaft, da das Strafurteil erst am 18. Juli 2002 verkündet wurde.
Die Vereinbarung mit der Staatsanwaltschaft über ein Schuldeingeständnis erfolgte im Februar 2002. Bis zur Urteilsverkündung galt für den
Kläger die Unschuldsvermutung, sodass es im Streitfall nicht um die Berücksichtigung von Strafhaft geht. Vielmehr wird die Untersuchungshaft
nur auf die Strafhaft angerechnet (§ 51 Abs. 1, 3 StGB). Bis zur Verurteilung ist vor allem in einem Fall wie diesem, bei dem nur ein kleiner Teil
der Vorwürfe zur Verurteilung führt, die Verhängung von Untersuchungshaft als vorübergehendes Ereignis zu werten, das das Arbeitsverhältnis
nicht berührt, solange es arbeitsrechtlich weiter besteht.
65 cc) Private Gründe dafür, dass der Kläger in den USA verblieben ist, lagen nicht vor. Die Abgrenzung in Art. 15 a Abs. 2 DBA-Schweiz soll
verhindern, dass ein Kläger aus privaten Gründen am Arbeitsort verbleibt und die Verhältnisse so gestalten kann, dass die 60-Tage-Grenze
erreicht wird. Darauf zielen auch die in Verständigungsvereinbarungen getroffenen Regeln beider Staaten über die Zumutbarkeit der Rückkehr
vom Arbeitsort zum Wohnsitz ab.
66 Die Inhaftierung war Ausfluss der geschäftlichen Tätigkeit und hatte keinerlei private Motive. Die in der Haft verbrachten Übernachtungen
während der Arbeitstage stellen sich demzufolge als beruflich veranlasste Nichtrückkehrtage dar. Neben den bereits oben dargestellten 19
Nichtrückkehrtagen des ersten Halbjahres sind bei einer Anerkennung dem Grunde nach auch nach Auffassung der Finanzverwaltung zusätzlich
145 Nichtrückkehrtage im Streitjahr 2001 anzusetzen, wenn nur die Werktage als vertraglich vereinbarte Arbeitstage angesetzt werden.
Anschließend ergeben sich pro Woche im Jahr 2002 mindestens vier Übernachtungen für die Dauer von vier Monaten, somit mindestens vier mal
fünfzehn Übernachtungen bis zum 30. April 2002. Damit wird die Anzahl der erforderlichen Nichtrückkehrtage im Streitjahr 2001 mit 60 Tagen
und im Streitjahr 2002 mit 20 Nichtrückkehrtagen aufgrund des Endes des Arbeitsverhältnisses zum 30. April 2002 deutlich überschritten.
67 dd) Entgegen der Auffassung des beklagten FA ergibt auch ein Vergleich der Verhaftung mit krankheits- und unfallbedingten Abwesenheitszeiten
nach Überzeugung des Senats keine andere Auslegung.
68 Das beklagte FA hat sich auf Tz. 13 der Verständigungsvereinbarung im BStBl I 1994, 685 bezogen, wonach krankheits- und unfallbedingte
Abwesenheiten nicht als Tage der Nichtrückkehr gelten. Nach der Rechtsprechung des BFH können Krankheitstage nicht zum Verlust der
Grenzgängereigenschaft führen. Durch Krankheitstage wird danach die Eingliederung des Arbeitnehmers in die Arbeitsorganisation des
Tätigkeitsstaates oder in die Lebenswelt des Wohnsitzstaates nicht beeinträchtigt (BFH-Beschluss vom 16. März 1994 I B 186/93 BStBl II 1994,
696). Dem folgt die Finanzverwaltung im Einklang mit der eidgenössischen Steuerverwaltung. Krankheitstage sind daher neutral und führen nicht
zu Nichtrückkehrtagen. Deshalb könne für die berufliche Veranlassung von Hafttagen hieraus für keine der beiden Auffassungen Schlüsse
gezogen werden.
69 Für die Aufteilung des Arbeitslohnes zwischen Ansässigkeits- und Tätigkeitsstaat nach Art. 15 Abs. 1 des OECD-Musterabkommens -MA- geht
auch die Finanzverwaltung davon aus, dass die Lohnfortzahlung für den Fall der Erkrankung dazu führt, dass die Krankheitstage zu den
vereinbarten Arbeitstagen gehört. Arbeitslohn für die Zeit einer im Ausland verbrachten Erkrankung ist danach im Inland steuerfrei.
Krankheitstage ohne Lohnfortzahlung mindern hingegen die vereinbarten Arbeitstage (BMF-Schreiben vom 14. September 2006 IV B - S 1300-
367/06 BStBl I 2006, 532). Insoweit stellt auch die Finanzverwaltung bei den Krankheitstagen eine korrespondierende Betrachtung zwischen
Einnahmen und Nichtrückkehrtagen an.
70 Da der Kläger in beiden Streitjahren die erforderliche Anzahl der Nichtrückkehrtage überschritt, lag das Besteuerungsrecht für die Einkünfte aus
nichtselbständiger Tätigkeit nach Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz bei der Schweiz. Das Anbieten der Arbeit steht der Ausübung der Arbeit gleich,
sodass die Regelung des Art 15 Abs. 4 DAB Schweiz anzuwenden ist und die Regelung des Art 15 Abs. 1 DBA-Schweiz dadurch
ausgeschlossen wird. Demzufolge sind diese Einkünfte unter Progressionsvorbehalt nach Art. 24 DBA-Schweiz von der Besteuerung
auszunehmen.
71 3. Der Tätigkeitsort des Klägers war entgegen der Auffassung des beklagten Finanzamts in der Schweiz am Sitz der Kapitalgesellschaft. Der
Senat folgt der vom BFH im Urteil vom 25. Oktober 2006 I R 81/04 BFHE 215, 237 vertretenen Auffassung. Darin hat der BFH die hier zu
beurteilende Rechtsfrage wie folgt entschieden:
72 a) Die Tätigkeit eines in Deutschland ansässigen leitenden Angestellten für eine schweizerische Kapitalgesellschaft, die unter Art. 15 Abs. 4
DBA-Schweiz 1992 fällt, wird auch dann i.S. des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 "in der Schweiz ausgeübt", wenn sie
tatsächlich überwiegend außerhalb der Schweiz verrichtet wird.
73 Nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 werden bei einer in Deutschland ansässigen Person aus der Schweiz stammende
Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen i.S. des Art. 15 DBA-Schweiz 1992, soweit sie nicht unter Art. 17 DBA-Schweiz 1992 fallen, von der
Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen, wenn sie in der Schweiz besteuert werden können (aa) und wenn die Arbeit in der
Schweiz ausgeübt wird (bb).
74 aa) In der Schweiz besteuert werden können gemäß Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA/Schweiz und vorbehaltlich des Art. 15a DBA-Schweiz 1992 die
Einkünfte einer natürlichen Person, die in Deutschland ansässig, aber als Vorstandsmitglied, Direktor, Geschäftsführer oder Prokurist einer in der
Schweiz ansässigen Kapitalgesellschaft tätig ist. Die Tätigkeit darf allerdings nicht so abgegrenzt sein, dass sie lediglich Aufgaben außerhalb der
Schweiz umfasst. Besteuert die Schweiz diese Einkünfte nicht, so können sie in Deutschland besteuert werden (Art. 15 Abs. 4 Satz 2 DBA-
Schweiz 1992.
75 bb) Die Tätigkeit eines in Deutschland ansässigen leitenden Angestellten für eine schweizerische Kapitalgesellschaft, die Art. 15 Abs. 4 DBA-
Schweiz 1992 unterfällt und nicht so abgegrenzt ist, dass sie nur Aufgaben außerhalb der Schweiz umfasst, wird i.S. des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1
Buchst. d DBA-Schweiz 1992 "in der Schweiz ausgeübt". Das gilt auch dann, wenn sie tatsächlich überwiegend außerhalb der Schweiz verrichtet
wird. Denn Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 enthält für seinen Anwendungsbereich eine Fiktion des Tätigkeitsortes.
76 b) Für eine solche Auslegung des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 spricht, wie der BFH schon in seinem Beschluss vom 15. Dezember 1998 I B
45/98 (BFH/NV 1999, 751) ausgeführt hat, die Entstehungsgeschichte der Vorschrift.
77 Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 ist in den Jahren bis 1971 verhandelt, am 18. Juni 1971 paraphiert und am 11. August 1971 unterzeichnet
worden. Zu jener Zeit galt noch das Abkommen zwischen dem Deutschen Reich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung
der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Erbschaftsteuern vom 15. Juli 1931 i.d.F. des Zusatzprotokolls vom 20.
März 1959 (DBA-Schweiz 1931/1959). Nach Art. 4 dieses Abkommens durften Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit -von hier nicht
bedeutsamen Ausnahmen abgesehen- "nur in dem Staat besteuert" werden, "in dessen Gebiet die persönliche Tätigkeit ausgeübt wird". Dazu
hatte sich in langjähriger Rechtsprechung und Praxis der Grundsatz herausgebildet, dass die Tätigkeit von Direktoren und Geschäftsführern
einer Kapitalgesellschaft am Ort des Sitzes der Gesellschaft "ausgeübt" werde, sofern sie nicht lediglich im Ausland sich auswirkende Aufgaben
umfasse (vgl. dazu BFH-Urteil vom 12. August 1960 VI 300/58 S, BFHE 71, 514, BStBl III 1960, 441, m.w.N.). Diese Handhabung wurde zwar
sodann vom erkennenden Senat in Frage gestellt und zum Gegenstand einer Anrufung des Großen Senats des BFH gemacht (BFH-Beschluss
vom 16. Dezember 1970 I R 203/66, BFHE 100, 534 A). Im Verfahren des Großen Senats des BFH machte der Bundesminister für Wirtschaft und
Finanzen jedoch ausdrücklich geltend, dass durch die Jahrzehnte bestehende kontinuierliche Handhabung sowohl in Deutschland als auch in
der Schweiz möglicherweise sogar ein Gewohnheitsrecht des genannten Inhalts entstanden sei (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH
vom 15. November 1971 GrS 1/71, BFHE 103, 433, 436, BStBl II 1972, 68, 69).
78 Vor diesem historischen Hintergrund ist davon auszugehen, dass mit den im DBA-Schweiz 1992 getroffenen Regelungen die seinerzeit übliche
und später vom Großen Senat des BFH gebilligte Handhabung festgeschrieben werden sollte (ebenso schon BFH-Urteil vom 5. Oktober 1994 I R
67/93, BFHE 175, 424, BStBl II 1995, 95). Das wird vor allem daran deutlich, dass sowohl der damals geltende Grundsatz (Besteuerungsrecht
des Staates der Kapitalgesellschaft) als auch die vom BFH anerkannten Ausnahmen von diesem Grundsatz -namentlich der Fall der
abgegrenzten Auslandstätigkeit- in den Abkommenstext eingearbeitet worden sind. Zudem heißt es in der Denkschrift der Bundesregierung zum
Abkommen, dass die in Art. 15 Abs. 5 (heute: Abs. 4) enthaltene Regelung "auf ... einer langjährigen höchstrichterlichen Rechtsprechung" beruhe
(BT-Drucks VI/3233, Abschnitt B, zu Art. 15). Angesichts dessen spiegelt die Zuweisung des Besteuerungsrechts in Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz
1992 erkennbar die Vorstellung des Gesetzgebers wider, dass ein leitender Angestellter seine Leitungstätigkeit regelmäßig am Ort der
Ansässigkeit der Kapitalgesellschaft ausübt (so auch BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 751; a.A. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Mai
2003 11 K 125/99, EFG 2003, 1459).
79 c) Ob man dieser Einschätzung in der Sache folgt, ist für die Auslegung von Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 unerheblich. Man mag der Fiktion
des Tätigkeitsortes entgegenhalten, dass dadurch die Verwertung einer nichtselbständigen Arbeit unzulässigerweise mit ihrer Ausübung
gleichgesetzt werde (vgl. F.W., Internationales Steuerrecht -IStR- 1993, 331; Sutter/Burgstaller in Gassner/Lang/Lechner/Schuch/Staringer,
Arbeitnehmer im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 2003, S. 77 f.). Man kann auch darauf verweisen, dass der I. Senat des BFH in
Bezug auf andere Abkommen der Auffassung des Großen Senats des BFH in späteren Entscheidungen ausdrücklich nicht (mehr) gefolgt ist
(BFH-Beschluss vom 5. Juli 1990 I B 17/90, BFH/NV 1991, 146; BFH-Urteil in BFHE 175, 424, BStBl II 1995, 95; BFH-Beschluss vom 2. Mai 1997 I
B 117/96, BFH/NV 1998, 18, jeweils zu Art. 15 DBA-Kanada). Das historisch geprägte Verständnis des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 wird
hierdurch nicht in Frage gestellt (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 11. Oktober 2000 I R 44-51/99, BFHE 193, 343, BStBl II 2002, 271).
80 d) Die Bedeutung des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 als Fiktion des Tätigkeitsortes muss auch bei der Auslegung des Art. 24 Abs. 1 DBA-
Schweiz 1992 berücksichtigt werden (ebenso Brandis in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 15 DBA-Schweiz Rz 106; Prokisch in
Vogel/Lehner, DBA, 4. Aufl., Art. 15 Rz 80; Kolb in Gocke/Gosch/M. Lang, Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Festschrift für
Wassermeyer, 2005, S. 768 f.; Miessl, IStR 2005, 477, 480; Eidgenössische Steuerverwaltung -EStV- vom 4. Juni 1997 und vom 30. September
1999, abgedruckt in Locher/Meier/v. Siebenthal/ Kolb, Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschland, B 24.1.1 Nr. 27 und B 15.4 Nr. 17;
FW, IStR 1999, 117, 118; a.A. BMF-Schreiben in BStBl I 1997, 723; FG Baden-Württemberg, Urteil in EFG 2003, 1459; Kempermann in
Flick/Wassermeyer/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz, Art. 15 Rz 83; Neyer, IStR 2005, 514). Zwar ist dem FA
ebenso wie dem BMF zuzugeben, dass eine solche Interpretation nicht die einzig mögliche ist. Auch die von der Finanzverwaltung vertretene
Auffassung, dass es nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 darauf ankomme, wo die Arbeit eines leitenden Angestellten
tatsächlich ausgeübt wird, ist durch den Wortlaut der Bestimmung gedeckt. Doch ist nicht nur im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte des Art.
15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992, sondern vor allem in Ansehung der langjährigen Praxis der Vertragsstaaten der von den Klägern vertretenen
Auslegung der Vorzug zu geben.
81 Die deutsche Finanzverwaltung (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 1997, 723) und die Eidgenössische Steuerverwaltung (vgl. EStV vom 4. Juni
1997, abgedruckt in Locher/Meier/v. Siebenthal/ Kolb, a.a.O., B 24.1.1 Nr. 27) haben über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg die Fiktion des
Tätigkeitsortes leitender Angestellter nicht nur auf Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992, sondern auch auf Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d DBA-
Schweiz 1992 bezogen. Die Berücksichtigung der nachfolgenden Praxis der Vertragsdurchführung bei der Auslegung internationaler Verträge ist
völkergewohnheitsrechtlich anerkannt (vgl. Ipsen, Völkerrecht, 4. Aufl., § 11 Rz. 14, m.w.N.) und darüber hinaus in Art. 31 Abs. 3 Buchst. b des
Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge kodifiziert. Sie ist ein gewichtiges und objektiv feststellbares Indiz dafür, wie die Parteien
den Vertrag einvernehmlich verstehen bzw. zumindest im Zeitpunkt des Vertragsschlusses und in den darauf folgenden Jahren verstanden
haben. Dieses einvernehmliche Verständnis enthält eine für die Abkommensauslegung maßgebliche authentische Interpretation durch die
Vertragsparteien, von der sich die deutsche Finanzverwaltung nicht einseitig durch eine abweichende Deutung des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz
1992 lösen kann (ebenso FW, IStR 1999, 117; Kolb in Gocke/Gosch/M. Lang, a.a.O., S. 768 f.; zum Vorstehenden: BFH-Urteil vom 25.10.2006 I R
81/04 BFHE 215, 237).
82 4) a) Der Senat geht mit dem BFH davon aus, dass entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung ein völkerrechtliches Gewohnheitsrecht des
genannten Inhalts entstanden ist. Nach den Gründen der zitierten BFH-Entscheidung I R 81/04 a.a.O. hat der Bundesminister für Wirtschaft und
Finanzen bereits im Verfahren vor dem Großen Senat, das zum Beschluss vom 15. November 1971 GrS 1/71 a.a.O. führte, geltend gemacht, dass
durch die Jahrzehnte bestehende kontinuierliche Handhabung sowohl in Deutschland, als auch in der Schweiz ein Gewohnheitsrecht des
genannten Inhalts entstanden sei.
83 Dies muss erst recht gelten, nachdem dasselbe Verfahren ersichtlich von beiden Finanzverwaltungen nochmals 25 Jahre bis zum Jahr 1996 so
praktiziert wurde. Es stellt ein widersprüchliches Verhalten dar, wenn die Finanzverwaltung bereits im Verfahren vor dem BFH im Jahre 1971
geltend macht, es handele sich um Völkergewohnheitsrecht, diese tatsächliche Übung dann weiterführt und schließlich ab dem Jahr 1997 ihren
eigenen Vortrag, der durch die Abfassung des Abkommens im Jahre 1971 ersichtlich bestätigt wird, wiederum bestreitet. Vielmehr spricht nach
Überzeugung des Senats aus den vom BFH angeführten Gründen alles dafür, dass beide Staaten die bereits damals geltende, langjährige
Rechtsprechung des BFH der Fassung des Abkommens zugrunde legten, sich daher bei der Abfassung des Art. 15. Abs. 4 DBA-Schweiz im Jahr
1971 hierauf festlegten und dies bei den Revisionsverhandlungen für das Abkommen 1990/1991 wiederum bestätigten.
84 b) Das beklagte FA kann nach Auffassung des Senats auch nicht damit gehört werden, dass es auf die Sonderregelungen für Schiffe und
Luftfahrzeuge abstellt, da sich insoweit die dort zu beurteilenden Sachverhalte anders darstellen und ebenfalls einer konkreten Sonderregelung
unterworfen wurden.
85 c) Die vom BFH gefundene Auslegung entspricht auch den praktischen Bedürfnissen bei der Rechtsanwendung durch die beteiligten
Kapitalgesellschaften, deren leitenden Organen und den mit der Umsetzung des Steuerrechts vor Ort betrauten Finanzbeamten der beiden
Staaten.
86 Die Auffassung des BFH führt zu einer klaren und eindeutigen, für die Praxis einfachen Abgrenzung, die in anderen Bereichen des DBA-
Schweiz, z. B. im Rahmen des Art. 15 a Abs. 1 DBA-Schweiz, gerade fehlt. Dort kommen immer wieder Fälle vor, bei denen sowohl Deutschland
die erforderliche Anzahl von Nichtrückkehrtagen aufgrund von sehr hohen Nachweisanforderungen als nicht erbracht sieht, während die
Schweiz andererseits die Ansässigkeit in ihrem Gebiet bereits aufgrund einer angemieteten Zweitwohnung und einer Aufenthaltsbewilligung
bejaht. Selbst Verständigungsverfahren sind bereits in diesem Bereich gescheitert, sodass Kläger entgegen dem Sinn eines DBA von beiden
Staaten tatsächlich doppelt besteuert werden und Lösungen -wenn überhaupt- allenfalls im Billigkeitsverfahren erfolgen.
87 Nach der vom BFH gefundenen Lösung erfolgt die Besteuerung des leitenden Angestellten i. S. d. Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz, der diese
abschließend nennt, ausschließlich am Sitz der Kapitalgesellschaft, gleich wo sich die leitenden Angestellten zeitweise tatsächlich aufhalten.
Dies führt zu einer erheblichen Steuervereinfachung, da keine sog. Drittlandtage mehr im Inland zu besteuern sind, wobei für jedes Land im
Einzelnen nachzuprüfen ist, inwieweit die Besteuerung durch das Doppelbesteuerungsabkommen mit dem jeweiligen Staat im Inland möglich ist
(vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 15. Dezember 1998 I B 45/98 BFH/NV 1999, 751). Nach der vom BFH gefundenen Auslegung bleibt das
Besteuerungsrecht in vollem Umfang in dem Staat, in dessen Gebiet die Kapitalgesellschaft ihren Sitz hat, während im Inland diese Einkünfte
lediglich dem Progressionsvorbehalt unterliegen. Auch werden Streitigkeiten zwischen den Beteiligten vermieden, wie z. B. die Drittlandtage im
Einzelnen ganz oder teilweise anzusetzen sind, inwieweit hierunter auch Samstage, Sonn- und Feiertage oder Krankheitstage zu
berücksichtigen sind und welchen Einfluss hierauf ausländische Feiertage haben. Angesichts der Vielzahl streitiger Rechtsfragen zwischen den
Finanzverwaltungen von Deutschland und der Schweiz, die trotz genereller Verständigungsvereinbarungen dennoch manchmal unterschiedlich
praktiziert werden, bringt die Entscheidung des BFH entgegen der Auffassung des Bundesministers der Finanzen eine Vereinfachung für die
beteiligten Steuerbürger, die beteiligten Finanzbeamten und dient damit der Verwaltungsvereinfachung, ohne dass insoweit die dadurch
entstehenden Steuerausfälle im Verhältnis zum gesamten Steueraufkommen nennenswert sein dürften. Vielmehr entspricht diese Auslegung
einer praxisnahen Anwendung, was angesichts der Vielzahl der Fälle und der besonders engen Beziehungen zwischen Deutschland und der
Schweiz im gesamten Grenzbereich beiden Staaten und deren Bürgern nur zum Vorteil gereicht.
88 d) Die Finanzverwaltung legt die Regelungen in Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz und Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe d DBA-Schweiz letztlich
unterschiedlich aus. Soweit sie darauf abstellt, dass das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat der Kapitalgesellschaft dann nicht mehr
zugewiesen sei, wenn die Tätigkeit „so abgegrenzt sei, dass sie lediglich Aufgaben außerhalb dieses Staats umfasst“, weitet sie eine dort
enthaltene Ausnahmebestimmung über den regelmäßigen Wortlaut hinaus aus. Die Ausnahmebestimmung soll letztlich nur dann eingreifen,
wenn ein leitender Angestellter der Kapitalgesellschaft im Ansässigkeitsstaat der Kapitalgesellschaft entsprechend den Regelungen in der
Satzung oder den Geschäftsordnungen ausschließlich in einem dritten Staat und nur dort sich auswirkende Aufgaben erledigt. In diesem Fall
steht das Besteuerungsrecht nicht dem Staat zu, in dem die Gesellschaft ansässig ist, sondern entweder dem Wohnsitzstaat oder dem Staat, in
dem die Tätigkeit tatsächlich ausgeübt wird (BFH-Urteil vom 12. August 1960 VI 300/58, BFHE 71, 514, BStBl III 1960, 441;
Flick/Wassermeyer/Kempermann, Art. 15 Anm. 84).
89 e) Auch die Behauptung, es sei Sinn und erklärtes Ziel der deutschen Seite im Rahmen der Revisionsverhandlungen gewesen, Art. 24 Abs. 1 Nr.
1 Buchstabe d DBA-Schweiz wie auch die anderen Unterziffern dieses Artikels - so auszugestalten, dass die Freistellung von der deutschen
Steuer auf tatsächlich in der Schweiz ausgeübte, wirtschaftliche Tätigkeiten (aktive, werbende Tätigkeiten) zu beschränken, steht dem nicht
entgegen. Unstreitig werden leitende Angestellte wie Prokuristen, Direktoren und Geschäftsführer regelmäßig in großem Umfang tatsächlich am
Sitz der Kapitalgesellschaft als Ort der tatsächlichen Arbeitsausübung tätig. Dieses Argument ist daher nicht geeignet, die historisch begründete
Auffassung des BFH zu widerlegen. Zumindest hat dieses -erst von der deutschen Finanzverwaltung mit der Änderung der Praxis nach 1996
verfolgte Ziel- im Wortlaut des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 d DBA-Schweiz keinen ausreichenden Niederschlag gefunden.
90 Da der Kläger einzelzeichnungsberechtigter Direktor der Co AG AG war, fällt er unter Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz. Tätigkeitsort war nach Art. 15
Abs. 4 DBA-Schweiz die Schweiz. Demzufolge können die vom Kläger erzielten Einkünfte aus Tätigkeiten in Drittländern entsprechend der
Rechtsprechung des BFH von Deutschland nicht besteuert werden.
91 4. Die Bundesrepublik hat das Besteuerungsrecht auch nicht nach der Rückfallklausel des Art 15 Abs. 4 Satz 2 DBA-Schweiz erlangt (sog.
Subject-to-tax-clause).
92 Entscheidende Voraussetzung für eine Zurückverweisung des Besteuerungsrechts ist, dass der Einsatzstaat nach seiner Gesetzgebung nicht
besteuern kann. Ein Rückfall tritt also nicht ein, wenn der andere Staat, aus welchen Gründen auch immer, tatsächlich nicht besteuert
(Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerungsabkommen, Bd. I, Musterabkommen -MA- Art. 15 Anm. 23; Brandis in
Debatin/Wassermeyer Art 15 DBA-Schweiz Anm. 107) Allerdings hindert schon eine Besteuerung in Form einer Quellensteuer mit
proportionalem Steuersatz die Annahme eines subsidiären Besteuerungsrechts des Arbeitnehmers. (BFH-Urteile vom 8. April 1992 I R 68/91
BFH/NV 1993, 295; vom 27. August 1997 I R 127/95 BStBl II 1998, 58). In der Schweiz ist eine Quellenbesteuerung für im Ausland ansässige
Mitglieder der Geschäftsführung schweizerischer Personen in Art. 5 Abs. 1 Buchstabe b, Art. 93 DBG; Art. 4 Abs. 2 Buchstabe b; Art. 35 Abs. 1
Buchstabe d) StHG vorgesehen (Brandis aaO Anm. 107). Durch die vorgelegten Quellensteuerbescheide ist nachgewiesen, dass die Schweiz
von ihrem Quellensteuerrecht auch tatsächlich Gebrauch gemacht und die Quellensteuer erhoben hat.
93 Die Berechnung der ESt im Einzelnen wird dem beklagten FA nach § 100 Abs. 2 FGO im Hinblick auf die noch vorhandenen, sonstigen Einkünfte
aus Leibrenten für beide Streitjahre übertragen.
94 Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Finanzgerichtsordnung (FGO).
95 Die Zuziehung eines Bevollmächtigten wird für notwendig erklärt, da es sich um schwierige Fragen des internationalen Steuerrechts handelt und
die Kläger sich daher eines Bevollmächtigten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bedienen durften.
96 Die Revision war zuzulassen, da es sich um nicht geklärte, grundsätzliche Fragen der Reichweite der Anwendung der Art. 15 a und 15 DBA-
Schweiz handelt und die Frage, ob Hafttage als Nichtrückkehrtage zu bezeichnen sind oder nicht, bislang - soweit ersichtlich - von der
Rechtsprechung des BFH noch nicht geklärt sind.
97 Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.