Urteil des FG Baden-Württemberg vom 18.12.2008

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FG Baden-Württemberg Urteil vom 18.12.2008, 13 K 2508/08
Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung eines angestellten Rechtsanwalts als Arbeitslohn
Tatbestand
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Streitig ist, ob die von einem Arbeitgeber gezahlten Beiträge zu einer Berufshaftpflichtversicherung für einen angestellten Rechtsanwalt
Arbeitslohn darstellen.
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Die Klägerin ist eine in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) betriebene Anwaltssozietät, die einen angestellten
Rechtsanwalt beschäftigt. Die Klägerin ist Versicherungsnehmerin einer Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für sämtliche Sozien und
angestellte Rechtsanwälte. Der auf den angestellten Rechtsanwalt Dr. X entfallende Halbjahresversicherungsbeitrag beträgt 575,30 EUR.
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Unter Bezug auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 26. Juli 2007 VI R 64/06 (BStBl II 2007, 892) holte die Klägerin eine Auskunft des
Beklagten zur Lohnsteuerpflicht der auf den angestellten Anwalt entfallenden Versicherungsbeiträge ein. Der Beklagte teilte der Klägerin mit,
dass nach dem zitierten Urteil des Bundesfinanzhofs die Übernahme der Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung eines angestellten
Rechtsanwalts durch den Arbeitgeber zu Arbeitslohn führe. In der am 22. Februar 2008 per Datenübermittlung übersandten Lohnsteuer-
Voranmeldung der Klägerin für Februar 2008 ist der auf den angestellten Rechtsanwalt entfallende Halbjahresversicherungsbeitrag als
Arbeitslohn erfasst.
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Am 26. Februar 2008 erhob die Klägerin gegen die Lohnsteuer-Voranmeldung Einspruch und trug vor, im Unterschied zu dem vom
Bundesfinanzhof entschiedenen Fall sei die Haftpflichtversicherung nicht von dem einzelnen Rechtsanwalt, sondern von ihr abgeschlossen
worden. Sie sei Versicherungsnehmerin. Der angestellte Rechtsanwalt werde von ihr auch nicht gefragt, ob er in die Haftpflichtversicherung
einbezogen werden wolle. Alle Bedingungen der Versicherung, insbesondere die das gesetzliche Mindestmaß übersteigende
Jahreshöchstleistung und die Versicherungssumme, die für jeden Einzelfall gelte, würden von ihr ohne Mitwirkung des angestellten Anwalts
festgelegt. Sie sei daher der Auffassung, dass die Versicherung nicht im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu
Arbeitslohn führe.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 29. April 2008 wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung ist im
Wesentlichen ausgeführt, nach § 51 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) sei der Rechtsanwalt verpflichtet, eine
Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen. Ein Verstoß gegen diese gesetzliche Pflicht werde mit der Nichtzulassung zum Beruf oder der
Entfernung aus diesem sanktioniert. Der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung sei somit unabdingbar für die Berufsausübung eines
angestellten Rechtsanwalts. Die Zahlung der Beiträge durch den Arbeitgeber liege damit in besonderer Weise im eigenen Interesse des
Arbeitnehmers. Die Übernahme der Versicherungsbeiträge durch den Arbeitgeber führe beim Arbeitnehmer zu Arbeitslohn. Es handele sich um
eine Bereicherung des Arbeitnehmers, die ihre Ursache allein im Arbeitsverhältnis habe. Versicherungspflichtig und anspruchsberechtigt sei der
jeweilige Rechtsanwalt. Habe der Arbeitgeber ein Interesse an einer die Mindestsumme übersteigenden Versicherungssumme, folge daraus
nicht, dass das Interesse des einzelnen Arbeitnehmers am Abschluss der Berufshaftpflichtversicherung als unerheblich einzustufen wäre. Die
Rechtsprechung weise vielmehr darauf hin, dass wegen des erweiterten Haftungsrisikos im Falle einer Sozietät eine höhere
Versicherungssumme im Interesse jedes einzelnen Sozius liege.
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Mit ihrer Klage trägt die Klägerin ergänzend vor, der angestellte Rechtsanwalt habe keinen Einfluss auf die Versicherungsbedingungen, wenn
die Arbeitgeberin - wie vorliegend - Versicherungsnehmerin sei. Der angestellte Rechtsanwalt könnte als Berufsanfänger beim Abschluss einer
Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung auf eigenen Namen besondere Rabatte der Versicherungsgesellschaften in Anspruch nehmen, die
ihm bei der Versicherung durch sie nicht gewährt würden. Auch habe der angestellte Rechtsanwalt kein Interesse, einen die
Mindestversicherungssumme gemäß § 51 Abs. 4 BRAO in Höhe von 250.000 EUR übersteigenden Versicherungsschutz zu erlangen. Dies
erkläre sich daraus, dass der angestellte Rechtsanwalt gegenüber seinem Arbeitgeber im Falle einer Haftung einen Anspruch auf Freistellung
habe, sofern er nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt habe. Daher sei es für die Lohnsteuerpflicht nicht unbeachtlich, ob der
Arbeitnehmer selbst Versicherungsnehmer sei oder seine Arbeitgeberin. Aus diesem Grunde sei der vom Bundesfinanzhof entschiedene Fall auf
den vorliegenden nicht übertragbar. Jedenfalls aber sei eine Unterwerfung des Versicherungsbetrags, der auf die die
Mindestversicherungssumme übersteigende Versicherungssumme entfalle, unter die Lohnsteuer ausgeschlossen. Auf Grund des
Haftungsprivilegs des angestellten Rechtsanwalts erfolge eine über die Mindesthaftpflichtversicherung hinausgehenden Versicherung nicht im
Interesse des angestellten Rechtsanwalts. Soweit sich der Bundesfinanzhof auf den Standpunkt stelle, dass eine höhere Versicherung im
Interesse jedes einzelnen Sozius liege, betreffe dies den vorliegenden Fall nicht. Denn der angestellte Rechtsanwalt sei gerade kein Sozius,
sondern Angestellter der Sozietät.
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Die Klägerin beantragt,
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1.die Lohnsteueranmeldung vom 22. Februar 2008 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 29. April 2008 dahingehend zu ändern,
dass der Beitrag für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Herrn Rechtsanwalt Dr. X in Höhe von 575,30 EUR nicht der Lohnsteuer
unterworfen wird,
10 2.hilfsweise, die Revision zuzulassen.
11 Der Beklagte beantragt,
12 die Klage abzuweisen,
13 und erwidert, dass er an der in der Einspruchsentscheidung vertretenen Auffassung festhalte.
14 Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die gewechselten Schriftsätze und den
Inhalt der beigezogenen Akten des Beklagten (ein Heft Lohnsteuer- und Rechtsbehelfsakten) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
15 Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
16 Die Lohnsteueranmeldung für Februar 2008 vom 22. Februar 2008, die gemäß §§ 167, 168 der Abgabenordnung (AO) einer Steuerfestsetzung
unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht, sowie die Einspruchsentscheidung vom 29. April 2008 sind rechtmäßig und verletzen die
Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beklagte hat den von der Klägerin entrichteten und auf den angestellten Rechtsanwalt Dr. X entfallenden
Beitrag zu der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung der Klägerin für ihre Sozien und angestellten Rechtsanwälte zu Recht der Lohnsteuer
unterworfen.
17 Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören u.a. Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt
werden, zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. Dem Tatbestandsmerkmal "für" ist nach ständiger Rechtsprechung zu entnehmen,
dass ein dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft haben
muss, um als Arbeitslohn angesehen zu werden. Dagegen sind solche Vorteile kein Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller
Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen. Ein Vorteil wird
dann aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse gewährt, wenn im Rahmen einer Gesamtwürdigung aus den Begleitumständen zu
schließen ist, dass der jeweils verfolgte betriebliche Zweck im Vordergrund steht. In diesem Fall des "ganz überwiegend" eigenbetrieblichen
Interesses kann ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden.
Die danach erforderliche Gesamtwürdigung hat insbesondere Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur
gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seine besondere Geeignetheit für den jeweils verfolgten
betrieblichen Zweck zu berücksichtigen. Tritt das Interesse des Arbeitnehmers gegenüber dem des Arbeitgebers in den Hintergrund, kann eine
Lohnzuwendung zu verneinen sein. Ist aber - neben dem eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers - ein nicht unerhebliches Interesse des
Arbeitnehmers gegeben, so liegt die Vorteilsgewährung nicht im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers und führt zur
Lohnzuwendung.
18 Die Übernahme der Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung eines angestellten Rechtsanwalts durch den Arbeitgeber erfolgt auch im eigenen
Interesse des angestellten Rechtsanwalts und führt deshalb zu Arbeitslohn. Denn der Anwalt ist gemäß § 51 BRAO gesetzlich verpflichtet, eine
Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen. Ein Verstoß gegen diese Pflicht wird mit der Nichtzulassung zum Beruf (§ 12 Abs. 2 BRAO) oder der
Entfernung aus diesem sanktioniert (§ 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO). Der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung ist damit unabdingbar für die
Ausübung des Berufs eines (angestellten) Rechtsanwalts. Kommt er der gesetzlichen Verpflichtung nach, handelt er in typischer Weise im
eigenen Interesse. Soweit der Arbeitgeber eines angestellten Rechtsanwalts im Hinblick auf die Haftungsrisiken aller weiteren Sozien ein
Interesse an einer die Mindestsumme von 250.000 EUR (vgl. § 51 Abs. 4 BRAO) übersteigenden Versicherungssumme hat, hat dies nicht zur
Folge, dass das Interesse des einzelnen Arbeitnehmers am Abschluss der Berufshaftpflichtversicherung als unerheblich zu qualifizieren wäre.
Wegen des erweiterten Haftungsrisikos im Fall einer Sozietät liegt eine höhere Versicherungssumme im Interesse jedes einzelnen Sozius (vgl.
BFH, Urteil vom 26. Juli 2007 VI R 64/06, aaO).
19 In Anwendung dieser Grundsätze stellen auch die von der Klägerin gezahlten Beiträge zur Berufshaftpflicht-Versicherung ihres angestellten
Rechtsanwalts Arbeitslohn dar. Dabei ist es für die Beurteilung der Frage, ob die Leistung in ganz überwiegendem eigenbetrieblichen Interesse
der Klägerin als Arbeitgeberin oder in nicht unerheblichem Interesse des angestellten Rechtsanwalts als Arbeitnehmer erfolgt, entgegen der
Auffassung der Klägerin unerheblich, ob die Klägerin selbst Versicherungsnehmerin der Versicherung ist oder die Beiträge aus einer
Versicherung ihres Arbeitnehmers trägt. In beiden Fällen gilt, dass auch der angestellte Rechtsanwalt verpflichtet ist, eine
Berufshaftpflichtversicherung zu unterhalten, ohne die er die Zulassung als Rechtsanwalt nicht erlangen oder aufrechterhalten kann. Schon
daraus ergibt sich, dass die Beiträge zu der Berufshaftpflichtversicherung in nicht unerheblichem Interesse des einzelnen Rechtsanwalts
entrichtet werden. Angesichts dessen kann es auch nicht als ausschlaggebend angesehen werden, dass der angestellte Rechtsanwalt der
Klägerin, da diese Versicherungsnehmerin ist, keinen Einfluss auf Gestaltung und Versicherungssumme hat und möglicherweise
Berufsanfängerrabatte nicht in Anspruch nehmen kann. Diese Umstände beruhen auf arbeitsvertraglichen Absprachen zwischen der Klägerin
und ihrem angestellten Rechtsanwalt, denen letzterer - zumindest konkludent -zugestimmt hat. Im Übrigen wurden auch der Klägerin als
Arbeitgeberin Rabatte (25 % Sondernachlass und 10 % Dauernachlass) gewährt. Und dass ein die Mindestversicherungssumme übersteigender
Versicherungsschutz auch im Interesse der Sozien der Klägerin liegt, lässt das nicht unerhebliche Interesse des angestellten Rechtsanwalts nicht
entfallen.
20 Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO
nicht vorliegen.