Urteil des EuGH vom 07.02.2017

Klage auf Nichtigerklärung, Juristische Person, Verordnung, Einspruch

Vorläufige Fassung
BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Neunte Kammer)
7. Februar 2017(
*
)
„Rechtsmittel – Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 – Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel – Garantiert traditionelle Spezialitäten –
Verspätete Erhebung des Einspruchs durch die zuständigen nationalen Behörden – Art. 181 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs – Offensichtlich
unbegründetes Rechtsmittel“
In der Rechtssache C‑446/16 P
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 9. August 2016,
Kohrener Landmolkerei GmbH
DHG Deutsche Heumilchgesellschaft mbH
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt A. Wagner,
Rechtsmittelführerinnen,
andere Partei des Verfahrens:
Europäische Kommission,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Juhász sowie der Richter C. Vajda und C. Lycourgos (Berichterstatter),
Generalanwalt: E. Tanchev,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, gemäß Art. 181 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit
Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
folgenden
Beschluss
Mit ihrem Rechtsmittel begehren die Kohrener Landmolkerei GmbH und die DHG Deutsche Heumilchgesellschaft mbH die Aufhebung des Beschlusses
des Gerichts der Europäischen Union vom 8. Juni 2016, Kohrener Landmolkerei und DHG/Kommission (T‑178/15, nicht veröffentlicht, im Folgenden:
angefochtener Beschluss, EU:T:2016:358), mit dem das Gericht ihre Klage auf Nichtigerklärung der im Schreiben des Direktors der Direktion B
„Multilaterale Beziehungen, Qualitätspolitik“ der Generaldirektion „Landwirtschaft und ländliche Entwicklung“ der Kommission vom 9. Februar 2015 mit
dem Aktenzeichen Ares (2015)529719 enthaltenen Entscheidung (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) abgewiesen hat, mit der die
zuständigen deutschen Behörden darüber informiert wurden, dass der am 5. Januar 2015 nach Art. 51 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl. 2012, L 343,
S. 1) erhobene Einspruch verfristet sei.
Rechtlicher Rahmen
In Art. 51 der Verordnung Nr. 1151/2012, der das Einspruchsverfahren u. a. gegen einen Antrag auf Eintragung eines Namens als garantiert
traditionelle Spezialität regelt, heißt es:
„(1) Innerhalb von drei Monaten ab der Veröffentlichung im
Amtsblatt der Europäischen Union können die Behörden eines Mitgliedstaats oder
eines Drittlands oder eine natürliche oder juristische Person, die ein berechtigtes Interesse hat und in einem Drittland niedergelassen ist, bei der
Kommission Einspruch erheben.
Jede natürliche oder juristische Person, die ein berechtigtes Interesse hat und in einem anderen als dem Antragsmitgliedstaat niedergelassen oder
ansässig ist, kann einen Einspruch innerhalb einer Frist, die einen Einspruch gemäß Unterabsatz 1 gestattet, bei dem Mitgliedstaat, in dem sie
niedergelassen ist, erheben.
…“
Vorgeschichte des Rechtsstreits
Zur Vorgeschichte des Rechtsstreits hat das Gericht in den Rn. 12 bis 16 des angefochtenen Beschlusses Folgendes ausgeführt:
„12 Am 30. September 2014 veröffentlichte die Kommission gemäß Art. 50 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1151/2012 im
Amtsblatt der
Europäischen Union einen Antrag auf Eintragung der Namen ‚Heumilch‘, ‚Haymilk‘, ‚Latte fieno‘, ‚Lait de foin‘ und ‚Leche de heno‘ als garantiert
traditionelle Spezialität (ABl. 2014, C 340, S. 6). Dieser Antrag war von der ARGE Heumilch Österreich, einer Vereinigung mit Sitz in Österreich, bei den
zuständigen österreichischen Behörden gestellt und von diesen bei der Kommission eingereicht worden.
13 Am 23. Dezember 2014 erhoben die Klägerinnen, die Kohrener Landmolkerei GmbH und die DHG Deutsche Heumilchgesellschaft mbH, zwei
Gesellschaften mit Sitz in Deutschland, Einspruch gegen diesen Eintragungsantrag bei den zuständigen deutschen Behörden.
14 Am 5. Januar 2015 übermittelten die zuständigen deutschen Behörden diesen Einspruch gemäß Art. 51 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1151/2012 der
Kommission.
15 Mit Schreiben vom 9. Februar 2015 mit dem Aktenzeichen Ares (2015)529719 informierte der Direktor der Direktion B ‚Multilaterale Beziehungen,
Qualitätspolitik‘ der Generaldirektion ‚Landwirtschaft und ländliche Entwicklung‘ der Kommission die zuständigen deutschen Behörden darüber, dass
der Einspruch, den sie am 5. Januar 2015 erhoben hatten, nicht innerhalb der von Art. 51 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1151/2012
vorgesehenen Frist erhoben worden sei und dass deshalb kein auf diesen Einspruch gestütztes Einspruchsverfahren eingeleitet werden könne (im
Folgenden: angefochtenes Schreiben). Das angefochtene Schreiben wurde den Klägerinnen von diesen Behörden per E-Mail vom 2. März 2015
übermittelt.
16 Mit der Durchführungsverordnung (EU) 2016/304 der Kommission vom 2. März 2016 zur Eintragung einer Bezeichnung in das Register der garantiert
traditionellen Spezialitäten wurden die Namen ‚Heumilch‘, ‚Haymilk‘, ‚Latte fieno‘, ‚Lait de foin‘ und ‚Leche de heno‘ in dieses Register eingetragen
(ABl. 2016, L 58, S. 28).“
Verfahren vor dem Gericht und angefochtener Beschluss
Mit Klageschrift, die am 8. April 2015 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhoben die Rechtsmittelführerinnen Klage auf Nichtigerklärung der
angefochtenen Entscheidung.
Zur Stützung ihrer Klage machten die Rechtsmittelführerinnen als einzigen Klagegrund geltend, dass die angefochtene Entscheidung mit einem
Rechtsfehler behaftet sei. Sie warfen der Kommission im Wesentlichen vor, verkannt zu haben, dass sich die in Art. 51 Abs. 1 Unterabs. 1 der
Verordnung Nr. 1151/2012 für den Einspruch vorgesehene Frist von drei Monaten auf die Einreichung des Einspruchs beziehe, den sie bei der
nationalen Behörde erhoben hätten, und nicht auf dessen Übermittlung durch die nationale Behörde an die Kommission. Sie selbst hätten diese Frist
eingehalten und könnten für die Verzögerung bei der Weiterleitung ihres Einspruchs an die Kommission durch die nationalen Behörden nicht
verantwortlich gemacht werden.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Gericht die Klage als offensichtlich jeder rechtlichen Grundlage entbehrend abgewiesen.
Anträge der Parteien
Mit ihrem Rechtsmittel beantragen die Rechtsmittelführerinnen,
– den angefochtenen Beschluss aufzuheben;
– die Rechtsmittelgegnerin zu verurteilen, ihren Einspruch vom 23. Dezember 2014 im Verfahren mit dem Aktenzeichen QT‑TSG-0007-01035 zuzulassen.
Die Kommission beantragt, das Rechtsmittel als unbegründet zurückzuweisen und den Rechtsmittelführerinnen die Kosten aufzuerlegen.
Zum Rechtsmittel
Nach Art. 181 seiner Verfahrensordnung kann der Gerichtshof das Rechtsmittel, wenn es ganz oder teilweise offensichtlich unzulässig oder
offensichtlich unbegründet ist, jederzeit auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts ganz oder teilweise durch mit
Gründen versehenen Beschluss zurückweisen.
10
Diese Vorschrift ist im vorliegenden Fall anzuwenden.
11
Zur Stützung ihres Rechtsmittels machen die Rechtmittelführerinnen als einzigen Grund geltend, das Gericht habe die Rechtmäßigkeit von Art. 51 der
Verordnung Nr. 1151/2012 rechtsfehlerhaft nicht geprüft.
12
Sie tragen vor, das Gericht habe das Vorbringen in ihrer Klageschrift falsch ausgelegt, weil es davon ausgegangen sei, dass sich dieses Vorbringen
ausschließlich auf die nicht rechtzeitige Übermittlung ihres Einspruchs an die Kommission durch die zuständigen nationalen Behörden beziehe. Sie
hätten aber in der Klageschrift ausgeführt, dass Art. 51 der Verordnung Nr. 1151/2012 insofern rechtswidrig sei, als die Festlegung der Fristen für die
Einlegung von Einsprüchen bei der nationalen Behörde nicht klar genug geregelt sei. Dieser Mangel an Klarheit ergebe sich daraus, dass Art. 51
lediglich die Frist für die Einlegung des Einspruchs eines Beteiligten, der ein berechtigtes Interesse habe, bei der nationalen Behörde enthalte, nicht
aber die Frist für die Übermittlung des Einspruchs durch die nationalen Behörden an die Kommission.
13
Hierzu ist festzustellen, dass das Gericht keinen Rechtsfehler begangen hat, als es die Rechtmäßigkeit von Art. 51 der Verordnung Nr. 1151/2012
nicht geprüft hat. Die Prüfung der dem Gericht vorgelegten Klageschrift ergibt nämlich, dass sich die Rechtsmittelführerinnen im ersten Rechtszug
nicht auf die Rechtswidrigkeit dieses Artikels berufen hatten, wie das Gericht in Rn. 30 des angefochtenen Beschlusses zu Recht ausgeführt hat.
Folglich hat das Gericht es nicht versäumt, über diesen, vor ihm nicht geltend gemachten Klagegrund zu befinden.
14
Aus der Feststellung in der vorhergehenden Randnummer folgt, dass die verschiedenen von den Rechtsmittelführerinnen zur Darlegung der
Rechtswidrigkeit von Art. 51 der Verordnung Nr. 1151/2012 angeführten Argumente erstmals im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels vorgetragen
worden sind. Ihre Begründetheit kann daher nicht geprüft werden. Nach ständiger Rechtsprechung könnte eine Partei nämlich, wenn es ihr erlaubt
wäre, vor dem Gerichtshof erstmals ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel vorzubringen, das sie vor dem Gericht nicht vorgebracht hat, den
Gerichtshof, dessen Befugnisse im Rechtsmittelverfahren beschränkt sind, letztlich mit einem weiter reichenden Rechtsstreit befassen als dem, über
den das Gericht zu entscheiden hatte. Im Rahmen eines Rechtsmittels sind die Befugnisse des Gerichtshofs daher auf die Beurteilung der rechtlichen
Entscheidung über das im ersten Rechtszug erörterte Vorbringen beschränkt.
15
Nach alledem ist der einzige von den Rechtsmittelführerinnen geltend gemachte Rechtsmittelgrund als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.
Folglich ist das vorliegende Rechtsmittel zurückzuweisen.
Kosten
16
Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung der Gerichtshofs, der nach Art. 184 Abs. 1 der Verfahrensordnung auf das Rechtsmittelverfahren
Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.
17
Da die Rechtsmittelführerinnen mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen entsprechend dem Antrag der Kommission neben ihren eigenen
Kosten auch die Kosten der Kommission aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Neunte Kammer) beschlossen:
1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2. Die Kohrener Landmolkerei GmbH und die DHG Deutsche Heumilchgesellschaft mbH tragen ihre eigenen Kosten sowie die Kosten,
die der Europäischen Kommission entstanden sind.
Luxemburg, den 7. Februar 2017
Der Kanzler Der Präsident der Neunten Kammer
A. Calot Escobar E. Juhász
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Verfahrenssprache: Deutsch.