Urteil des EuGH vom 29.04.2004
EuGH: kmu, kommission, kleine und mittlere unternehmen, staatliche beihilfe, empfehlung, republik, klage auf nichtigerklärung, nummer, konzern, europäische investitionsbank
WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Fünfte Kammer)
29. April 2004
„Staatliche Beihilfen – Empfehlung betreffend die Definition der kleinen und mittleren Unternehmen –
Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen –
Unabhängigkeitskriterium – Vertrauensschutz – Rechtssicherheit“
In der Rechtssache C-91/01
Italienische Republik,
avvocato dello Stato, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften,
Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2001/779/EG der Kommission vom 15. November 2000 über die
staatliche Beihilfe, die Italien zugunsten der Solar Tech Srl gewähren will (ABl. 2001, L 292, S. 45), soweit
darin der für kleinere und mittlere Unternehmen vorgesehene Zuschlag von 15 %
Bruttosubventionsäquivalent zu dieser Beihilfe für nicht anwendbar angesehen wird,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Richters C. W. A. Timmermans in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der
Fünften Kammer sowie der Richter A. Rosas und S. von Bahr (Berichterstatter),
Generalanwalt: F. G. Jacobs,
Kanzler: M. Múgica Arzamendi, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der Parteien in der Sitzung vom 5. Juni 2003,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. September 2003,
folgendes
Urteil
1
Die Italienische Republik hat mit Klageschrift, die am 21. Februar 2001 bei der Kanzlei des Gerichtshofes
eingegangen ist, gemäß Artikel 230 Absatz 1 EG Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung 2001/779/EG
der Kommission vom 15. November 2000 über die staatliche Beihilfe, die Italien zugunsten der Solar Tech Srl
gewähren will (ABl. 2001, L 292, S. 45, im Folgenden: angefochtene Entscheidung), erhoben, soweit darin
der für kleinere und mittlere Unternehmen vorgesehene Zuschlag von 15 % Bruttosubventionsäquivalent zu
dieser Beihilfe für nicht anwendbar angesehen wird.
Rechtlicher Rahmen
2
In der ersten Begründungserwägung der zur Zeit der dem vorliegenden Rechtsstreit zugrunde liegenden
Ereignisse geltenden Empfehlung 96/280/EG der Kommission vom 3. April 1996 betreffend die Definition der
kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. L 107, S. 4, im Folgenden: KMU‑Empfehlung) heißt es: „Damit das
Integrierte Programm für die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und das Handwerk … durchgeführt
werden kann, muss ein kohärenter, sichtbarer und effizienter Rahmen für die KMU-Förderpolitik geschaffen
werden.“
3
Die vierzehnte Begründungserwägung der KMU‑Empfehlung lautet: „Würden die Kommission, die
Mitgliedstaaten, die EIB [Europäische Investitionsbank] und der EIF [Europäischer Investitionsfonds] eine
einheitliche Definition anwenden, so würden die Kohärenz und die Wirksamkeit der gesamten KMU-Politik
erhöht, und das Risiko von Wettbewerbsverzerrungen würde verringert. …“
4
Zu den Kriterien, nach denen KMU definiert werden, verweisen die sechzehnte und die siebzehnte
Begründungserwägung der KMU‑Empfehlung auf das Kriterium der Zahl der beschäftigten Personen bzw. auf
das finanzielle Kriterium.
5
Ferner haben die Begründungserwägungen 18 bis 21 der KMU‑Empfehlung folgenden Wortlaut:
„Die Unabhängigkeit bleibt ebenfalls ein grundlegendes Kriterium, insofern, als KMU, die einem Konzern
angehören, über Mittel und Unterstützungen verfügen, die ihre gleich großen Konkurrenten nicht haben; es
sollten auch rechtliche Gebilde von KMU ausgeschlossen werden, die eine wirtschaftliche Gruppe bilden,
deren wirtschaftliche Bedeutung über die eines KMU hinausgeht.
Hinsichtlich des Unabhängigkeitskriteriums sollten die Mitgliedstaaten, die EIB und der EIF sicherstellen,
dass die Definition nicht durch solche Unternehmen umgangen wird, die dieses Kriterium zwar formal
erfüllen, jedoch tatsächlich durch ein größeres oder mehrere größere Unternehmen kontrolliert werden.
Der Anteilsbesitz von öffentlichen Beteiligungsgesellschaften oder von Risikokapitalgesellschaften führt
jedoch in der Regel nicht dazu, die typischen Merkmale eines KMU zu beseitigen, und kann daher als
unbedeutend angesehen werden. Das Gleiche gilt für die Beteiligungen, die von institutionellen Investoren
gehalten werden, da das Unternehmen, in das sie investieren, regelmäßig unabhängig bleibt.
Es muss eine Lösung für die Unternehmen gefunden werden, bei denen es sich zwar um KMU handelt,
jedoch um Aktiengesellschaften, die aufgrund der starken Kapitalstreuung und der Anonymität der Aktionäre
nicht genau feststellen können, wie sich ihr Kapital zusammensetzt und ob sie das Unabhängigkeitskriterium
erfüllen.“
6
Die zweiundzwanzigste Begründungserwägung der KMU‑Empfehlung lautet:
„Es müssen hinreichend strenge Kriterien für die Definition der KMU festgelegt werden, damit die für sie
vorgesehenen Maßnahmen tatsächlich diejenigen Unternehmen erreichen, deren geringe Größe für sie
einen Nachteil bedeutet.“
7
Artikel 1 erster Gedankenstrich der KMU‑Empfehlung bestimmt:
„Den Mitgliedstaaten, der Europäischen Investitionsbank und dem Europäischen Investitionsfonds wird
empfohlen,
–
für alle ihre Programme, die ‚KMU‘ … betreffen, die Bestimmungen von Artikel 1 des Anhangs
anzuwenden“.
8
Artikel 1 Absätze 1 und 3 des Anhangs „Definition der kleinen und mittleren Unternehmen durch die
Kommission“ der KMU‑Empfehlung sieht vor:
„(1) Die kleinen und mittleren Unternehmen, nachstehend ‚KMU‘ genannt, werden definiert als
Unternehmen, die
–
weniger als 250 Personen beschäftigen und
–
einen Jahresumsatz von höchstens 40 Millionen ECU oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens 27
Millionen ECU haben und
–
die das in Absatz 3 definierte Unabhängigkeitskriterium erfüllen.
…
(3) Als unabhängig gelten Unternehmen, die nicht zu 25 % oder mehr des Kapitals oder der Stimmanteile im
Besitz von einem oder von mehreren Unternehmen gemeinsam stehen, welche die Definition der KMU bzw.
der kleinen Unternehmen nicht erfüllen. Dieser Schwellenwert kann in zwei Fällen überschritten werden:
–
wenn das Unternehmen im Besitz von öffentlichen Beteiligungsgesellschaften,
Risikokapitalgesellschaften oder institutionellen Anlegern steht und diese weder einzeln noch
gemeinsam Kontrolle über das Unternehmen ausüben;
–
wenn aufgrund der Kapitalstreuung nicht ermittelt werden kann, wer die Anteile hält, und das
Unternehmen erklärt, dass es nach bestem Wissen davon ausgehen kann, dass es nicht zu 25 % oder
mehr seines Kapitals im Besitz von einem oder von mehreren Unternehmen gemeinsam steht, die die
Definition der KMU bzw. der kleinen Unternehmen nicht erfüllen.“
9
Ziffer 1.2 der zur Zeit der dem vorliegenden Rechtsstreit zugrunde liegenden Ereignisse geltenden Mitteilung
96/C 213/04 der Kommission über den Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen an kleine und mittlere
Unternehmen (ABl. 1996, C 213, S. 4, im Folgenden: KMU‑Gemeinschaftsrahmen) hat folgenden Wortlaut:
„Der Europäische Rat vom Juni 1995 in Cannes hat in seinen Schlussfolgerungen erneut auf die
entscheidende Rolle der KMU bei der Schaffung von Arbeitsplätzen und generell als Faktor sozialer Stabilität
und wirtschaftlicher Dynamik hingewiesen. Indes steht fest, dass sich die KMU einigen Hindernissen
gegenübersehen, die ihre Entwicklung aufhalten können … Bei diesen Hindernissen handelt es sich in erster
Linie um die Schwierigkeiten des Zugangs zu Kapital und Kredit: Ihre Ursachen sind die Unzulänglichkeit der
Information, die Zurückhaltung der Kapitalmärkte, Risiken einzugehen, und die begrenzten Garantien, die die
KMU bieten können. Ihre Möglichkeiten, Zugang zu Informationen zu erhalten, insbesondere zu Informationen
über die neuen Technologien und die potenziellen Märkte sind entsprechend ihren begrenzten Mitteln
beschränkt. Schließlich erhöhen sich mit neuen Regelungen häufig die Kosten. Die Marktmängel, die eine
sozial wünschenswerte Entwicklung der KMU begrenzen, rechtfertigen die herkömmlich befürwortende
Haltung der Kommission gegenüber staatlichen Beihilfen an KMU, soweit nach Artikel 92 Absatz 3
Buchstabe c) EG‑Vertrag diese Beihilfen die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die in
keinem angemessenen Verhältnis zu ihrem Beitrag zur Verwirklichung von Gemeinschaftszielen steht. …“
10
Ziffer 3.1 des KMU-Gemeinschaftsrahmens lautet: „Die Kommission prüft die Anwendbarkeit der
Ausnahmebestimmung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c) auf staatliche Beihilfen für KMU nach den
Ausrichtungen des vorliegenden Gemeinschaftsrahmens.“
11
Ziffer 3.2 des KMU‑Gemeinschaftsrahmens „Definition eines KMU“ Absätze 1 und 4 bestimmt:
„Für die Anwendung dieses Gemeinschaftsrahmens wird der Begriff ‚KMU‘ gemäß der [KMU‑]Empfehlung …
bestimmt.
…
Die drei Kriterien (Beschäftigtenzahl, Umsatz oder Bilanzsumme, Unabhängigkeit) sind kumulativ, d. h. alle
drei müssen erfüllt sein. Die Bedingung der Unabhängigkeit, wonach ein Großunternehmen höchstens 25 %
des Kapitals des KMU halten darf, lehnt sich an die Praxis zahlreicher Mitgliedstaaten an, in denen dieser
Anteil als der Schwellenwert gilt, ab dem die Kontrolle möglich ist. Um nur die Unternehmen, die tatsächlich
unabhängige KMU sind, zu berücksichtigen, sind Rechtskonstruktionen von KMU auszuschließen, die eine
Wirtschaftsgruppe bilden, deren Marktmacht größer ist als diejenige eines KMU. Bei der Berechnung der
Beschäftigten- und Finanzschwellen sind also die Daten des begünstigten Unternehmens und aller
Unternehmen, bei denen es unmittelbar oder mittelbar 25 % des Kapitals oder der Stimmrechte hält,
aufzuaddieren.“
12
In Ziffer 4.2.1 des KMU‑Gemeinschaftsrahmens „Beihilfen für materielle Investitionen“ heißt es in Absatz 4:
„Für Fördergebiete kann die Kommission zusätzlich zu dem von ihr genehmigten regionalen Förderhöchstsatz
der Investitionsbeihilfe Beihilfen genehmigen
…
–
von 15 Bruttoprozentpunkten in Fördergebieten nach Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe a), vorausgesetzt
dass der Gesamtbetrag 75 % netto nicht überschreitet.“
13
Ziffer 1.4 der Mitteilung 98/C 107/05 der Kommission über den Multisektoralen Regionalbeihilferahmen für
große Investitionsvorhaben (ABl. 1998, C 107, S. 7, im Folgenden: Multisektoraler Gemeinschaftsrahmen) hat
folgenden Wortlaut:
„Gemäß dem neuen Rahmen wird die Kommission im Einzelfall die höchstzulässige Beihilfeintensität für die
notifizierungspflichtigen Investitionsvorhaben festlegen. Diese kann auch unter dem regionalen Höchstsatz
liegen. …“
Dem Rechtsstreit zugrunde liegender Sachverhalt und angefochtene Entscheidung
14
Die Italienische Republik meldete bei der Kommission mit Schreiben vom 24. November 1999 ein
Beihilfevorhaben zugunsten der Solar Tech Srl (im Folgenden: Solar Tech) an, das in einem nicht
rückzahlbaren Zuschuss zum Bau einer Anlage zur Herstellung von Folien aus amorphem Silizium und zur
Herstellung integrierter Solarzellenpaneele besteht; diese Anlage befindet sich in der Gemeinde
Manfredonia (Italien), die in der Region Apulien, einem nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a EG geförderten
Gebiet, liegt.
15
Die Kommission setzte die italienische Regierung mit Schreiben vom 4. April 2000 von ihrem Beschluss in
Kenntnis, wegen dieser Beihilfe das Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG einzuleiten.
16
Nach Abschluss dieses Verfahrens erließ die Kommission die angefochtene Entscheidung.
17
Den Randnummern 7 und 8 der angefochtenen Entscheidung ist zu entnehmen, dass 24 % des Kapitals der
Solar Tech von der Permasteelisa SpA (im Folgenden: Permasteelisa) gehalten werden, der
Muttergesellschaft des Permasteelisa-Konzerns, der im Sektor durchgehende Fassaden und andere
Verkleidungen für große öffentliche Infrastrukturarbeiten tätig ist.
18
In den Randnummern 34 bis 36 der angefochtenen Entscheidung im Abschnitt „Der Gemeinschaftsrahmen
für Beihilfen an KMU“ hat die Kommission ausgeführt
„(34)
In Ziffer 1.2 des Gemeinschaftsrahmens für Beihilfen an KMU wird darauf hingewiesen, dass kleine und
mittlere Unternehmen bei der Schaffung von Arbeitsplätzen zwar eine entscheidende Rolle spielen,
dass sie sich aber einigen Hindernissen gegenübersehen, die ihre Entwicklung aufhalten können. Bei
diesen Hindernissen handelt es sich um die Schwierigkeiten des Zugangs zu Kapital und Kredit, die
Schwierigkeiten beim Zugang zu Informationen, neuen Technologien und potenziellen Märkten, die
Kosten aufgrund der Anwendung neuer Regelungen usw.
(35)
Deshalb ist der Zuschlag zu dem Betrag der für KMU vorgesehenen Beihilfen gerechtfertigt, und zwar
nicht nur wegen des Beitrags, den diese Unternehmen zur Verwirklichung der Gemeinschaftsziele
leisten, sondern auch aufgrund der Notwendigkeit zum Ausgleich dieser Nachteile, denen die KMU
angesichts ihrer positiven Rolle ausgesetzt sind. Gleichwohl gilt es zu prüfen, ob dieser
Beihilfezuschlag tatsächlich für Unternehmen bestimmt ist, die derartigen Nachteilen ausgesetzt sind.
Insbesondere die herangezogene KMU-Definition soll den KMU-Begriff so einschränken, dass er
ausschließlich die Unternehmen beinhaltet, die diese vorgesehenen positiven externen Wirkungen
erzielen und die den oben genannten Nachteilen ausgesetzt sind. Somit darf diese Definition nicht
ausgeweitet werden, um die zahlreichen größeren Unternehmen einzubeziehen, die nicht
notwendigerweise die positiven externen Wirkungen bzw. die Nachteile aufweisen, die für den KMU-
Sektor kennzeichnend sind. So drohen die letzteren Unternehmen gewährten Beihilfen später den
Wettbewerb und den innergemeinschaftlichen Handel zu verfälschen.
Dieser Grundsatz wird im 22. Erwägungsgrund der [KMU‑]Empfehlung … aufgeführt.
…
(36)
Deshalb und im Licht dieser Grundsätze ist zu ermitteln, ob die Solar Tech unter die KMU-Definition
fällt. Dieses Unternehmen erfüllt … nicht die erforderlichen Voraussetzungen, um in den Genuss des
zugunsten von KMU vorgesehenen Beihilfezuschlags zu gelangen.
Diese Feststellung leitet sich von der Feststellung ab, dass aus wirtschaftlicher Sicht die Solar Tech als ein
Unternehmen zu betrachten ist, das zum Permasteelisa-Konzern, einem Großunternehmen, gehört, obwohl
die Permasteelisa nur 24 % der Solar Tech hält. Dank ihrer wirtschaftlichen, finanziellen und organischen
Verbindungen zwischen den beiden Unternehmen ist die Solar Tech nicht – oder nur in geringem Maße – den
Nachteilen ausgesetzt, denen KMU üblicherweise ausgesetzt sind und die einen wesentlichen Grund für den
zugunsten dieser Unternehmen gewährten Zuschlag zum Beihilfebetrag darstellen.“
19
In den Randnummern 37 bis 39 der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission die Verbindungen
zwischen der Solar Tech und dem Permasteelisa-Konzern untersucht. In Randnummer 37 führt sie aus, aus
der Anmeldung des Vorhabens der staatlichen Beihilfe gehe hervor, dass die Solar Tech als ein zum
Permasteelisa-Konzern gehörendes Unternehmen zu betrachten sei, da danach die Gründe für die
betreffende Investition tatsächlich darin lägen, dass der Permasteelisa-Konzern, ein weltweit führendes
Unternehmen im Sektor Herstellung und Montage innovativer Verkleidungen für große öffentliche
Infrastrukturarbeiten, mit dieser Maßnahme seine Produktpalette ausdehnen wolle.
20
In Randnummer 38 verweist die Kommission darauf, dass aus dieser Anmeldung ebenfalls hervorgehe, dass
die natürlichen Personen, die Gesellschafter und/oder Führungskräfte der Solar Tech seien, auch
Gesellschafter und/oder Führungskräfte der Permasteelisa seien, da
–
der Gründer und Hauptaktionär des Permasteelisa-Konzerns, der Managementfunktionen ausübe,
46 % der Solar Tech halte und deren einziger Geschäftsführer sei,
–
der Präsident des Permasteelisa-Konzerns 15 % der Solar Tech halte und
–
ein Mitglied des Verwaltungsrats der Permasteelisa, der auch Präsident eines Unternehmens des
Konzerns sei, gleichfalls 15 % der Solar Tech halte.
21
Hinzu komme, so heißt es in Randnummer 39 der angefochtenen Entscheidung, dass die Permasteelisa
24 % der Solar Tech halte.
22
In den Randnummern 40 bis 43 der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission die Frage geprüft, ob
die Solar Tech den typischen Nachteilen ausgesetzt ist, denen sich die KMU gegenübersehen, z. B.
Schwierigkeiten des Zugangs zu Kapital und Kredit, zu Informationen sowie zu neuen Technologien. Sie stellt
in Randnummer 40 fest, dass aufgrund der sehr engen Verbindungen zwischen der Permasteelisa und der
Solar Tech die Letztgenannte diesen Nachteilen nicht ausgesetzt sei.
23
Zu den Schwierigkeiten des Zugangs zu Kapital und Kredit führt die Kommission in Randnummer 41 aus,
dass nach den Unterlagen, auf die sich die Untersuchung des Beihilfevorhabens durch die Italienische
Republik stütze, bei den Eigenmitteln die für die Solar Tech erforderlichen Mittel über die Permasteelisa
beschafft werden könnten.
24
Aus Randnummer 42 der angefochtenen Entscheidung geht hervor, dass die Solar Tech dank ihrer
wirtschaftlichen, finanziellen und organischen Verbindungen zur Permasteelisa nicht die Hindernisse zu
überwinden brauche, die den Zugang zum Markt in dem betreffenden Sektor erschwerten, denn
–
sie habe Zugang zu Partnern, die über die erforderliche Technologie verfügten, und
–
hinsichtlich des Vertriebs der Produkte habe die Italienische Republik mitgeteilt, dass die Solar Tech
einen Teil ihrer Produktion (20 % bis 30 %) der Permasteelisa verkaufen werde und dabei die Kontakte
nutzen könne, die dieses Unternehmen zu verschiedenen Kunden des Immobiliensektors habe, was es
der Solar Tech ermögliche, auf dem Weltmarkt tätig zu sein.
25
Die Kommission zieht daraus in Randnummer 50 der angefochtenen Entscheidung den Schluss, dass „die
Solar Tech nicht in den Genuss des Beihilfezuschlags zugunsten von KMU kommen kann, weil sie aufgrund
ihrer wirtschaftlichen, finanziellen und organischen Verbindungen zur Permasteelisa nicht den typischen
Nachteilen von KMU ausgesetzt ist, auf die sich der Gemeinschaftsrahmen bezieht. Infolgedessen ist der
Zuschlag von 15 % BSÄ zugunsten von KMU in diesem Fall nicht anwendbar.“
26
Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung hat folgenden Wortlaut:
„Die staatliche Beihilfe in Höhe von 42 788 290 EUR, die Italien zugunsten der Solar Tech srl gewähren will,
ist mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, da die Intensität über der im vorliegenden Fall
höchstzulässigen Intensität (40 % NSÄ) liegt.
Diese Beihilfe darf von Italien nicht zu einem Betrag gewährt werden, der über dem liegt, der einer Intensität
von 40 % NSÄ entspricht.“
Anträge der Parteien
27
Die Italienische Republik beantragt,
–
die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit darin die für KMU vorgesehene
Erhöhung der gewährten Beihilfe um 15 % Bruttosubventionsäquivalent für nicht anwendbar
angesehen wird,
–
der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
28
Die Kommission beantragt,
–
die Klage als unbegründet abzuweisen,
–
der Italienischen Republik die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Zur Klage
29
Die Italienische Republik rügt mit ihrem einzigen Klagegrund die Schlussfolgerung der Kommission, dass die
Solar Tech nicht in den Genuss des Zuschlags von 15 % Bruttosubventionsäquivalent zugunsten von KMU
gelangen könne.
30
Dieser einzige Klagegrund gliedert sich in drei Teile: Verstoß gegen die Gemeinschaftsregelung über
staatliche Beihilfen zugunsten von KMU, Verstoß gegen Artikel 88 Absatz 1 EG und Verstoß gegen die
Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit.
Vorbringen der Parteien
31
Die Italienische Republik vertritt die Ansicht, die Kommission habe sich auf eine Definition des KMU-Begriffs
gestützt, die weder der im KMU‑Gemeinschaftsrahmen noch der in der KMU‑Empfehlung entspreche.
32
Die Solar Tech erfülle alle in Artikel 1 Absätze 1 und 3 des Anhangs der KMU‑Empfehlung und in Ziffer 3.2
Absätze 1 und 3 des KMU‑Gemeinschaftsrahmens genannten Voraussetzungen, was die Kommission im
Übrigen in Randnummer 44 der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich anerkannt habe, wo sie
ausführe, dass die „rein formale“ Einhaltung dieser Voraussetzungen keinesfalls ein ausreichendes Element
darstellen würde, um den zugunsten von KMU vorgesehenen Beihilfezuschlag zu rechtfertigen.
33
Dadurch, dass die Kommission die angefochtene Entscheidung auf einen KMU-Begriff gestützt habe, der
nicht ausschließlich in der Regelung über staatliche Beihilfen zugunsten von KMU vorgesehene
Voraussetzungen berücksichtige, habe sie gegen die Vorschriften dieser Regelung verstoßen, der in der
Rechtsprechung des Gerichtshofes verbindliche Wirkung beigemessen werde (vgl. u. a. Urteil vom 5. Oktober
2000 in der Rechtssache C‑288/96, Deutschland/Kommission, Slg. 2000, I‑8237, Randnr. 65). Die in dieser
Regelung genannten Voraussetzungen für die Abgrenzung dieser Beihilfen an KMU seien nämlich so gefasst,
dass sie der Kommission für die Zwecke der Definition des KMU-Begriffs und der Anwendung der Erhöhung
über die in dieser Regelung festgelegten Grenzen hinaus nicht die geringste Möglichkeit der
Ermessensausübung einräume, und zwar weder in Bezug auf die wirtschaftlichen, finanziellen und
organischen Verbindungen des betreffenden KMU selbst noch hinsichtlich der positiven externen Wirkungen
oder der Nachteile, die für den betreffenden Sektor kennzeichnend seien.
34
Die Gemeinschaftsregelung über staatliche Beihilfen zugunsten von KMU schließe definitiv aus, dass es der
Einstufung als KMU entgegenstehen könne, wenn Beteiligungen unter dem Schwellenwert von 25 % lägen
oder von Personen gehalten würden, die nicht als Unternehmen angesehen werden könnten, wie die
natürlichen Personen, auf die in der Definition der KMU im Unterschied zu anderen
Gemeinschaftsbestimmungen auf dem Gebiet der Konzentration und der Kontrolle von Unternehmen in
keiner Weise Bezug genommen werde.
35
Außerdem lasse sich die der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegte Auslegung des KMU-Begriffs
nicht auf die achtzehnte, die neunzehnte und die einundzwanzigste Begründungserwägung der
KMU‑Empfehlung stützen, da die dort erwähnten Grundsätze, Ziele und Bemerkungen nur auf die Angaben
hinführen sollten, die sich im verfügenden Teil und im Anhang dieser Empfehlung fänden, und die Gründe für
die Auswahl der in diesem Anhang genannten Kriterien angeben sollten. Für eine mehr oder weniger weite
Auslegung dieser Kriterien könnten sie keine Grundlage bilden.
36
Zum auf Ziffer 4.2.1, vierter Absatz, des KMU‑Gemeinschaftsrahmens gestützten Argument der Kommission,
wonach sie den Zuschlag von 15 % genehmigen „kann“, trägt die Italienische Republik vor, das sich daraus
ergebende Ermessen betreffe nicht die Festlegung der Grenze, oberhalb deren die Beteiligung an einem
Unternehmen es nicht mehr zulasse, dieses als KMU zu betrachten, sondern vielmehr Erwägungen im
Rahmen anderer, nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG vorzunehmender Bewertungen.
37
Die Kommission verweist darauf, dass sie ihre Weigerung, den Zuschlag von 15 %
Bruttosubventionsäquivalent zugunsten von KMU zu genehmigen, auf zwei Gründe gestützt habe, die jedoch
miteinander in Zusammenhang stünden und einer wie der andere zu dieser Weigerung beigetragen hätten.
Zum einen sei die Solar Tech unter Berücksichtigung der Notwendigkeit, missbräuchlichen rechtlichen
Konstruktionen vorzubeugen, die darauf gerichtet seien, die durch die KMU‑Empfehlung gegebene Definition
von KMU zu umgehen, kein KMU im Sinne der geltenden Gemeinschaftsregelung. Zum anderen gebe es,
unabhängig von der formalen Einstufung der Solar Tech als KMU, keinen Grund, in ihrem Fall den vom
KMU‑Gemeinschaftsrahmen vorgesehenen Zuschlag zu genehmigen, da sie nicht den für die KMU
kennzeichnenden Nachteilen ausgesetzt sei.
38
Zum KMU-Begriff, dem ersten Grund für die Verweigerung des Zuschlags, trägt die Kommission vor, aus der
angefochtenen Entscheidung ergebe sich, dass die Solar Tech das Unabhängigkeitskriterium nicht erfülle
und dass die Kommission (in Randnr. 35) dieses Kriterium unter Bezugnahme sowohl auf Sinn und Zweck der
betreffenden Regelung als auch auf die Erwägungen der KMU‑Empfehlung auslege. Was Sinn und Zweck
betreffe, so habe man sich in jedem Fall sorgfältig zu vergewissern, ob das Unternehmen tatsächlich den der
Situation der KMU zuzurechnenden Nachteilen ausgesetzt sei und ob es tatsächlich die positive Rolle spiele,
die den KMU in der Wirtschaft der Europäischen Union eigen sei. Was die KMU‑Empfehlung anbelange, so
seien deren in der angefochtenen Entscheidung angeführte zweiundzwanzigste Begründungserwägung und
deren genauso bedeutende neunzehnte Begründungserwägung zu berücksichtigen.
39
Im vorliegenden Fall ziele die für die Errichtung der Solar Tech und die Bildung ihres Stammkapitals gewählte
Gestaltung ganz offensichtlich darauf ab, den Genuss der für die KMU vorgesehenen geldwerten Vorteile für
ein Unternehmen sicherzustellen, das zu einem Konzern von erheblicher Größe gehöre, der keineswegs den
für KMU typischen Nachteilen ausgesetzt sei. Die Solar Tech werde tatsächlich von einem großen
Unternehmen kontrolliert, und es handele sich selbst dann um einen offensichtlichen Fall von
Rechtsmissbrauch, wenn sie den in Artikel 1 des Anhangs der KMU-Empfehlung aufgestellten formalen
Parametern genüge.
40
Zur Frage der Genehmigung des für KMU vorgesehenen Zuschlags, dem zweiten Grund für die Verweigerung
des Zuschlags, erinnert die Kommission daran, dass sie bei der Beurteilung der Vereinbarkeit geplanter
staatlicher Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt über ein weites Ermessen verfüge, das sie nach Maßgabe
komplexer wirtschaftlicher und sozialer Wertungen ausübe, die auf die Gemeinschaft als Ganzes zu beziehen
seien. Das Vorliegen von Gemeinschaftsrahmen ändere nichts am Wesen dieser Beurteilung.
41
Auf die vorliegende Rechtssache bezogen, verweist die Kommission auch darauf, dass sie, wie in Nummer 1.4
des Multisektoralen Regionalbeihilferahmens angegeben, im Einzelfall die höchstzulässige Beihilfeintensität
für die notifizierungspflichtigen Investitionsvorhaben festlegen werde; diese Beihilfeintensität könne auch
unter dem regionalen Höchstsatz liegen, und was den KMU‑Gemeinschaftsrahmen betreffe, so könne die
Kommission nach dessen Nummer 4.2.1 den Zuschlag von 15 % genehmigen, müsse dies aber nicht tun.
42
In Bezug auf das sich aus der letztgenannten Bestimmung ergebende Ermessen vertritt die Kommission die
Ansicht, dass für die Entscheidung über die höchstzulässige Intensität der Regionalbeihilfe die
Marktsituation zu beurteilen sei. Der Betrag der betreffenden Beihilfe sei nämlich aus zwingenden Gründen
zu begrenzen, weil die einem großen Unternehmen gewährte Beihilfe auch dann, wenn dieses als KMU
getarnt sei, stärker wettbewerbsverzerrende Wirkungen mit sich brächte als eine an ein KMU gezahlte
Beihilfe.
Würdigung durch den Gerichtshof
43
Nach ständiger Rechtsprechung verfügt die Kommission bei der Anwendung des Artikels 87 Absatz 3
Buchstabe c EG über ein weites Ermessen, das sie nach Maßgabe komplexer wirtschaftlicher und sozialer
Wertungen ausübt, die auf die Gemeinschaft als Ganzes zu beziehen sind (vgl. u. a. Urteil vom 24. Februar
1987 in der Rechtssache 310/85, Deufil/Kommission, Slg. 1987, 901 Randnr. 18). Die gerichtliche
Nachprüfung der Ausübung dieses Ermessens ist auf die Überprüfung der Beachtung der Verfahrens- und
Begründungsvorschriften sowie auf die Kontrolle der inhaltlichen Richtigkeit der festgestellten Tatsachen
und des Fehlens von Rechtsfehlern, von offensichtlichen Fehlern bei der Bewertung der Tatsachen und von
Ermessensmissbrauch beschränkt (Urteile vom 26. September 2002 in der Rechtssache C‑351/98,
Spanien/Kommission, Slg. 2002, I‑8031, Randnr. 74, und vom 13. Februar 2003 in der Rechtssache C‑409/00,
Spanien/Kommission, Slg. 2003, I‑1487, Randnr. 93).
44
Aus dem Wortlaut der Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG und 88 EG ergibt sich bereits, dass die Kommission
die von der ersten dieser beiden Bestimmungen erfassten Beihilfen als mit dem Gemeinsamen Markt
vereinbar ansehen „kann“. Sie ist also nicht verpflichtet, solche Beihilfen für mit dem Gemeinsamen Markt
vereinbar zu erklären, obwohl sie sich auch dann zur Vereinbarkeit staatlicher Beihilfen, über die sie ihre
Kontrolle ausübt, mit dem Gemeinsamen Markt äußern muss, wenn diese ihr nicht notifiziert wurden (Urteile
vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache C‑301/87, Frankreich/Kommission, „Boussac Saint Frères“, Slg.
1990, I‑307, Randnrn. 15 bis 24, und vom 13. Februar 2003, Spanien/Kommission, Randnr. 94).
45
Jedoch ist die Kommission, wie die Italienische Republik zu Recht ausgeführt hat, an die von ihr erlassenen
Gemeinschaftsrahmen und Mitteilungen im Bereich der Kontrolle der staatlichen Beihilfen gebunden, soweit
sie nicht von den Vorschriften des EG‑Vertrags abweichen und soweit sie von den Mitgliedstaaten akzeptiert
werden (vgl. u. a. Urteil vom 13. Februar 2003, Spanien/Kommission, Randnr. 95).
46
Hierzu ist daran zu erinnern, dass aus Nummer 1.2 des KMU-Gemeinschaftsrahmens hervorgeht, dass die
befürwortende Haltung der Kommission gegenüber staatlichen Beihilfen an KMU durch die Marktmängel
gerechtfertigt wird, die dazu führen, dass sich diese Unternehmen einigen Hindernissen gegenübersehen,
die ihre sozial und wirtschaftlich wünschenswerte Entwicklung begrenzen.
47
Nach Nummer 3.2 des KMU‑Gemeinschaftsrahmens kann ein Unternehmen als KMU im Sinne dieses
Gemeinschaftsrahmens eingestuft werden, wenn es drei Kriterien erfüllt, nämlich das Kriterium der Zahl der
Beschäftigten, das finanzielle Kriterium und das Unabhängigkeitskriterium
48
Hinsichtlich des letztgenannten Kriteriums gelten gemäß Artikel 1 Absatz 3 des Anhangs der
KMU‑Empfehlung Unternehmen als unabhängig, die nicht zu 25 % oder mehr des Kapitals oder der
Stimmanteile im Besitz von einem oder von mehreren Unternehmen gemeinsam stehen, die die Definition der
KMU bzw. der kleinen Unternehmen nicht erfüllen.
49
Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass entgegen der von der Italienischen Republik geäußerten Ansicht der
verfügende Teil eines Rechtsakts nicht von seiner Begründung getrennt werden kann, so dass er, wenn dies
erforderlich ist, unter Berücksichtigung der Gründe auszulegen ist, die zu seinem Erlass geführt haben (vgl.
Urteil vom 15. Mai 1997 in der Rechtssache C‑355/95 P, TWD/Kommission, Slg. 1997, I‑2549, Randnr. 21).
50
Insoweit ergibt sich u. a. aus der achtzehnten, der neunzehnten und der zweiundzwanzigsten
Begründungserwägung der KMU‑Empfehlung sowie aus Nummer 3.2 des KMU‑Gemeinschaftsrahmens, dass
das Unabhängigkeitskriterium bezweckt, dass die für KMU vorgesehenen Maßnahmen tatsächlich diejenigen
Unternehmen erreichen, deren geringe Größe für sie einen Nachteil bedeutet, nicht aber diejenigen, die
einem Konzern angehören und Zugang zu Mitteln und Unterstützungen haben, die ihre gleich großen
Konkurrenten nicht haben. Es ergibt sich ferner, dass zur Beschränkung auf solche Unternehmen, die
tatsächlich unabhängige KMU darstellen, auch rechtliche Gebilde von KMU ausgeschlossen werden sollen,
die eine wirtschaftliche Gruppe bilden, deren Bedeutung über die eines solchen Unternehmens hinausgeht,
und dass darauf zu achten ist, dass die Definition der KMU nicht durch eine rein formale Erfüllung der
Kriterien umgangen wird.
51
Wie der Generalanwalt in Nummer 33 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist das
Unabhängigkeitskriterium daher im Licht dieses Zieles auszulegen, so dass ein Unternehmen, das zu
weniger als 25 % von einem großen Unternehmen gehalten wird und somit formal dieses Kriterium erfüllt, in
Wirklichkeit aber zu einem Unternehmenskonzern gehört, gleichwohl nicht so betrachtet werden kann, als
erfülle es dieses Kriterium.
52
Im vorliegenden Fall hat die Kommission von der Italienischen Republik unwidersprochen in Randnummer 37
der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass die Gründe für die Investition in Solar Tech tatsächlich
darin lägen, dass der Permasteelisa-Konzern, ein weltweit führendes Unternehmen im Sektor Herstellung
und Montage innovativer Verkleidungen für große öffentliche Infrastrukturarbeiten, dadurch seine
Produktpalette ausdehnen wolle. In den Randnummern 38 und 39 dieser Entscheidung hat die Kommission
wiederum unwiderlegt festgestellt, dass neben den von der Permasteelisa gehaltenen 24 % der Solar Tech
der Gründer und Hauptaktionär des Permasteelisa-Konzerns, der Managementfunktionen ausübe, 46 % der
Solar Tech halte und deren einziger Geschäftsführer sei, der Präsident dieses Konzerns 15 % der Solar Tech
halte und ein Mitglied des Verwaltungsrats der Permasteelisa, der auch Präsident eines Unternehmens des
Konzerns sei, die restlichen 15 % halte.
53
Die Kommission ist daher in Randnummer 36 der angefochtenen Entscheidung zu Recht zu dem Ergebnis
gelangt, dass aus wirtschaftlicher Sicht die Solar Tech als ein Unternehmen zu betrachten sei, das zum
Permasteelisa-Konzern, einem Großunternehmen, gehöre, obwohl die Permasteelisa nur 24 % der Solar Tech
halte.
54
Wie im Übrigen aus Randnummer 44 des vorliegenden Urteils, Nummer 4.2.1, vierter Absatz, des
KMU‑Gemeinschaftsrahmens und Nummer 1.4 des Multisektoralen Regionalbeihilferahmens hervorgeht, ist
die Kommission nicht verpflichtet, zusätzlich zu dem von ihr genehmigten regionalen Förderhöchstsatz der
Investitionsbeihilfe Beihilfen zugunsten von KMU zu genehmigen. Begegnet daher ein Unternehmen in
Wirklichkeit nicht den für KMU typischen Schwierigkeiten, darf die Kommission diesen Beihilfezuschlag
verweigern. Die Genehmigung eines Beihilfezuschlags für Unternehmen, die, obwohl sie die formalen
Kriterien der Definition der KMU erfüllen, sich nicht den für diese typischen Schwierigkeiten gegenübersehen,
verstieße nämlich gegen Artikel 87 EG, da, wie der Generalanwalt in Nummer 43 seiner Schlussanträge
ausgeführt hat, ein solcher Zuschlag geeignet ist, den Wettbewerb stärker zu verzerren und somit die
Handelsbedingungen in einer Weise zu verändern, die dem gemeinsamen Interesse im Sinne von Artikel 87
Absatz 3 Buchstabe c EG zuwiderläuft.
55
In den Randnummern 41 und 42 der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission aber festgestellt,
dass nach den Unterlagen, auf die sich die Untersuchung des Beihilfevorhabens durch die Italienische
Republik stütze, die für die Solar Tech erforderlichen Eigenmittel über die Permasteelisa beschafft werden
könnten und dass die Solar Tech über ihre drei Gesellschafter, bei denen es sich um natürliche Personen
handele, die auch Führungskräfte des Permasteelisa-Konzerns seien, Zugang zu Partnern habe, die über die
erforderliche Technologie verfügten, und dass hinsichtlich des Vertriebs der Produkte dieser Mitgliedstaat
mitgeteilt habe, dass die Solar Tech einen Teil ihrer Produktion (20 % bis 30 %) an die Permasteelisa
verkaufen werde und dabei die Kontakte nutzen könne, die dieses Unternehmen zu verschiedenen Kunden
des Immobiliensektors habe, was es der Solar Tech ermögliche, auf dem Weltmarkt tätig zu sein. Die
Italienische Republik hat kein Beweismittel vorgelegt, durch das sich diese Feststellungen entkräften ließen.
56
Wie die Kommission in Randnummer 36 der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, sieht sich die
Solar Tech daher dank der wirtschaftlichen, finanziellen und organischen Verbindungen zwischen ihr und der
Permasteelisa nicht – oder nur in geringem Maße – den Nachteilen gegenüber, denen KMU üblicherweise
ausgesetzt sind und die einen wesentlichen Grund für den zugunsten dieser Unternehmen gewährten
Zuschlag zum Beihilfebetrag darstellen.
57
Folglich ist die Kommission zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass Solar Tech nicht die erforderlichen
Voraussetzungen erfülle, um in den Genuss des zugunsten von KMU vorgesehenen Beihilfezuschlags zu
gelangen (Randnr. 36 der angefochtenen Entscheidung), und dass der Zuschlag von 15 % BSÄ zugunsten
von KMU in diesem Fall nicht anwendbar sei (Randnr. 50 dieser Entscheidung).
58
Demnach ist der erste Teil des einzigen Klagegrundes, auf den die Italienische Republik ihre Klage gestützt
hat, zurückzuweisen.
Vorbringen der Parteien
59
Die Italienische Republik verweist darauf, dass die Kommission nach Artikel 88 Absatz 1 EG fortlaufend in
Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten die in diesen bestehenden Beihilferegelungen überprüfe. Sie
schlage ihnen die zweckdienlichen Maßnahmen vor, die die fortschreitende Entwicklung und das
Funktionieren des Gemeinsamen Marktes erforderten. Dadurch, dass sie die Gemeinschaftsregelung über
staatliche Beihilfen zugunsten von KMU mit der angefochtenen Entscheidung anders angewandt habe als in
dieser Regelung vorgesehen, weiche die Kommission von dieser Regelung ohne deren vorherige
Überprüfung in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten ab. Somit sei diese Entscheidung auch wegen
Verstoßes gegen die Verpflichtung zu laufender und regelmäßiger Zusammenarbeit nichtig (vgl. in Bezug auf
Handlungen gleicher Rechtsnatur u. a. Urteil Deutschland/Kommission, Randnrn. 64 und 65).
60
Die Kommission antwortet, sie sei nicht vom Gemeinschaftsrahmen abgewichen und habe diesen somit auch
nicht stillschweigend geändert.
Würdigung durch den Gerichtshof
61
Die Prüfung des ersten Teils des einzigen Klagegrundes, auf den die Italienische Republik ihre Klage gestützt
hat, durch den Gerichtshof hat ergeben, dass die angefochtene Entscheidung weder von der
KMU‑Empfehlung noch vom KMU‑Gemeinschaftsrahmen abweicht. Folglich kann der zweite Teil dieses
Klagegrundes keinen Erfolg haben.
Vorbringen der Parteien
62
Nach Ansicht der Italienischen Republik war die auf die genauen und spezifischen Voraussetzungen in der
Gemeinschaftsregelung über staatliche Beihilfen zugunsten von KMU gestützte Definition des KMU-Begriffs
geeignet, bei den betroffenen Unternehmen, darunter der Solar Tech, ein Vertrauen darauf zu schaffen,
dass dem Antrag auf Gewährung des Zuschlags stattgegeben werde, was sie zu der Überzeugung habe
veranlassen können, sie könnten die Unternehmens- und Organisationsstrukturen im Einklang mit den
Vorschriften dieser Regelung errichten. Die abweichende Auslegung des KMU-Begriffs in der angefochtenen
Entscheidung habe dieses Vertrauen erschüttert und habe darüber hinaus in Bezug auf die
Tatbestandsvoraussetzungen des für KMU vorgesehenen Zuschlags von 15 % Bruttosubventionsäquivalent
eine Situation der Unsicherheit geschaffen. Daher verstoße diese Auslegung gegen die Grundsätze des
Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit.
Würdigung durch den Gerichtshof
63
Zweifellos war die von der Italienischen Republik geplante Beihilfe gemäß dem Multisektoralen
Gemeinschaftsrahmen notifizierungspflichtig.
64
Außerdem geht aus den Randnummern 43 bis 58 des vorliegenden Urteils hervor, dass die Kommission
lediglich eine korrekte Anwendung der KMU‑Empfehlung und des KMU‑Gemeinschaftsrahmens vorgenommen
hat.
65
Jedenfalls darf ein beihilfebegünstigtes Unternehmen, da die Überwachung der staatlichen Beihilfen durch
die Kommission in Artikel 88 EG zwingend vorgeschrieben ist, auf die Ordnungsmäßigkeit der Beihilfe
grundsätzlich nur dann vertrauen, wenn diese unter Beachtung des dort vorgesehenen Verfahrens gewährt
wurde (vgl. Urteil vom 14. Januar 1997 in der Rechtssache C-169/95, Spanien/Kommission, Slg. 1997, I-135,
Randnr. 51).
66
Solange folglich die Kommission keine Entscheidung über die Genehmigung getroffen hat und selbst
solange die Klagefrist gegen diese Entscheidung nicht abgelaufen ist, hat der Empfänger keine Gewissheit
über die Rechtmäßigkeit der geplanten Beihilfe, die allein ein berechtigtes Vertrauen bei ihm wecken kann
(vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Januar 1997, Spanien/Kommission, Randnr. 53, und auch Urteil des
Gerichts vom 14. Mai 2002 in der Rechtssache T-126/99, Graphischer Maschinenbau/Kommission, Slg. 2002,
II‑2427, Randnr. 42).
67
Demnach hat die Kommission weder gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes noch gegen den der
Rechtssicherheit verstoßen, so dass der dritte Teil des einzigen Klagegrundes, auf den die Italienische
Republik ihre Klage gestützt hat, gleichfalls zurückzuweisen ist.
68
Da keinem Teil dieses Klagegrundes gefolgt werden konnte, ist die Klage insgesamt abzuweisen.
Kosten
69
Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu
verurteilen. Da die Italienische Republik mit ihrem einzigen Klagegrund unterlegen ist, sind ihr gemäß dem
Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Italienische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.
Timmermans
Rosas
von Bahr
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 29. April 2004.
Der Kanzler
Der Präsident
R. Grass
V. Skouris
–
Verfahrenssprache: Italienisch.