Urteil des EuGH vom 18.06.2002
EuGH: kommission, unterbrechung der frist, verordnung, berechnung der frist, ablauf der frist, spanien, mitgliedstaat, benachrichtigung, fax, regierung
WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Sechste Kammer)
18. Juni 200
„Staatliche Beihilfen - Angemeldete Vorhaben - Keine Entscheidung der Kommission binnen zwei Monaten -
Frist von 15 Arbeitstagen für die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens - Berechnung der Frist -
Anforderungen an die vorherige Benachrichtigung durch den Mitgliedstaat und die Bekanntgabe der
Entscheidung der Kommission - Übermittlung per Telefax“
In der Rechtssache C-398/00
Königreich Spanien,
Luxemburg,
Kläger,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften,
Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
wegen Nichtigerklärung der dem Königreich Spanien mit Schreiben SG (2000) D/106322 vom 22. August
2000 mitgeteilten und im vom 18. November 2000 (ABl. C 328,
S. 19) veröffentlichten Entscheidung der Kommission vom 17. August 2000, mit der diese ein förmliches
Verfahren zur Prüfung der Vereinbarkeit von Beihilfen an die Firma Santana Motor SA mit dem EG-Vertrag
eingeleitet hat, in Bezug auf alle dort behandelten Maßnahmen mit Ausnahme der im Juni 1998 gewährten
Bürgschaft,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin F. Macken sowie der Richter J.-P. Puissochet (Berichterstatter) und
V. Skouris,
Generalanwalt: S. Alber
Kanzler: R. Grass
aufgrund des Berichts des Berichterstatters,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 21. Februar 2002,
folgendes
Urteil
1.
Das Königreich Spanien hat mit Klageschrift, die am 30. Oktober 2000 bei der Kanzlei des
Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 230 EG die Nichtigerklärung der ihm mit Schreiben SG
(2000) D/106322 vom 22. August 2000 mitgeteilten und im
vom 18. November 2000 (ABl. C 328, S. 19) veröffentlichten Entscheidung der
Kommission vom 17. August 2000, mit der diese ein förmliches Verfahren zur Prüfung der
Vereinbarkeit von Beihilfen an die Firma Santana Motor SA mit dem EG-Vertrag eingeleitet hat
(nachfolgend: angefochtene Entscheidung), in Bezug auf alle dort behandelten Maßnahmen mit
Ausnahme der im Juni 1998 gewährten Bürgschaft beantragt.
Rechtlicher Rahmen
2.
In Artikel 88 EG heißt es:
„(1) Die Kommission überprüft fortlaufend in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten die in diesen
bestehenden Beihilferegelungen. Sie schlägt ihnen die zweckdienlichen Maßnahmen vor, welche die
fortschreitende Entwicklung und das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes erfordern.
(2) Stellt die Kommission fest, nachdem sie den Beteiligten eine Frist zur Äußerung gesetzt hat, dass
eine von einem Staat oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt
nach Artikel 87 unvereinbar ist oder dass sie missbräuchlich angewandt wird, so entscheidet sie, dass
der betreffende Staat sie binnen einer von ihr bestimmten Frist aufzuheben oder umzugestalten hat.
...
(3) Die Kommission wird von jeder beabsichtigten Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen so
rechtzeitig unterrichtet, dass sie sich dazu äußern kann. Ist sie der Auffassung, dass ein derartiges
Vorhaben nach Artikel 87 mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar ist, so leitet sie unverzüglich das
in Absatz 2 vorgesehene Verfahren ein. Der betreffende Mitgliedstaat darf die beabsichtigte
Maßnahme nicht durchführen, bevor die Kommission eine abschließende Entscheidung erlassen hat.“
3.
Artikel 89 EG bestimmt:
„Der Rat kann auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments mit
qualifizierter Mehrheit alle zweckdienlichen Durchführungsverordnungen zu den Artikeln 87 und 88
erlassen und insbesondere die Bedingungen für die Anwendung des Artikels 88 Absatz 3 sowie
diejenigen Arten von Beihilfen festlegen, die von diesem Verfahren ausgenommen sind.“
4.
Die Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für
die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags [jetzt Artikel 88 EG] (ABl. L 83, S. 1) bestimmt in Artikel
4 - Vorläufige Prüfung der Anmeldung und Entscheidungen der Kommission -:
„(1) Die Kommission prüft die Anmeldung [des Beihilfevorhabens] unmittelbar nach deren Eingang.
Unbeschadet des Artikels 8 erlässt die Kommission eine Entscheidung nach den Absätzen 2, 3 oder 4.
...
(4) Stellt die Kommission nach einer vorläufigen Prüfung fest, dass die angemeldete Maßnahme
Anlass zu Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt gibt, so entscheidet
sie, das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrags [jetzt Artikel 88 Absatz 2 EG] zu eröffnen ...
(5) Die Entscheidungen nach den Absätzen 2, 3 und 4 werden innerhalb von zwei Monaten erlassen.
Diese Frist beginnt am Tag nach dem Eingang der vollständigen Anmeldung. Die Anmeldung gilt als
vollständig, wenn die Kommission innerhalb von zwei Monaten nach Eingang der Anmeldung oder nach
Eingang der von ihr - gegebenenfalls - angeforderten zusätzlichen Informationen keine weiteren
Informationen anfordert. ...
(6) Hat die Kommission innerhalb der in Absatz 5 genannten Frist keine Entscheidung nach den
Absätzen 2, 3 oder 4 erlassen, so gilt die Beihilfe als von der Kommission genehmigt. Der betreffende
Mitgliedstaat kann daraufhin die betreffenden Maßnahmen durchführen, nachdem er die Kommission
hiervon in Kenntnis gesetzt hat, es sei denn, dass diese innerhalb einer Frist von 15 Arbeitstagen
nach Erhalt der Benachrichtigung eine Entscheidung nach diesem Artikel erlässt.“
5.
Die Artikel 17 bis 19 der Verordnung Nr. 659/1999 behandeln die Art und Weise, in der die
Kommission die bestehenden Beihilferegeln prüft, und sehen insbesondere vor, dass die Kommission
das Verfahren nach Artikel 4 Absatz 4 dieser Verordnung einleiten kann, wenn der betreffende
Mitgliedstaat nicht den Maßnahmen zustimmt, die die Kommission vorgeschlagen hat, um die
Vereinbarkeit der Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt herbeizuführen.
6.
Artikel 25 der Verordnung Nr. 659/1999 sieht vor:
„Entscheidungen nach [der Verordnung Nr. 659/1999] sind an den betreffenden Mitgliedstaat
gerichtet. Die Kommission teilt dem betreffenden Mitgliedstaat diese Entscheidungen unverzüglich mit
...“
7.
Die Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 des Rates vom 3. Juni 1971 zur Festlegung der Regeln
für die Fristen, Daten und Termine (ABl. L 124, S. 1), die nach ihrem Artikel 1 u. a. für die Rechtsakte
gilt, die die Kommission aufgrund des Vertrages erlassen hat, sieht in Artikel 2 Absatz 2 vor, dass für
„die Anwendung dieser Verordnung ... als Arbeitstage alle Tage außer Feiertagen, Sonntagen und
Sonnabenden zu berücksichtigen [sind]“. Gemäß Artikel 3 Absatz 1 dieser Verordnung wird der Tag, in
den die Ereignisse oder Handlungen fallen, die die Frist in Gang setzen, bei der Berechnung der Frist
nicht mitgerechnet.
Sachverhalt
8.
Im Anschluss an einen Schriftwechsel mit der Kommission wegen einer im Juni 1988 der Santana
Motor SA gewährten Bankbürgschaft teilte die spanische Regierung der Kommission mit Schreiben
vom 1. Juli 1999 mit, dass sie gemäß Artikel 88 Absatz 3 EG neue Beihilfen anmelden werde, die die
Junta de Andalucía [nachfolgend: Regierung von Andalusien] diesem Unternehmen gewähren wolle.
9.
Mit Schreiben vom 30. Juli und vom 17. November 1999, beide gerichtet an den Generalsekretär
und an den Generaldirektor für Wettbewerb, meldete Spanien sowohl die geplante Zufuhr von Kapital
an die Santana Motor SA als auch verschiedene Anträge auf regionale Beihilfen an, die das
Unternehmen im Rahmen seines strategischen Plans 1998-2006 bei ihnen eingereicht hatte, und
ersuchte die Kommission, einigen dieser Anträge stattzugeben.
10.
Ergänzende Informationen über diese Vorhaben wurden der Kommission am 4. Januar 2000
zugeleitet. Da die Kommission die Anmeldungen für unvollständig hielt, forderte sie am 22. März 2000
zusätzliche Informationen an, die sie am 24. Mai 2000 erhielt.
11.
Mit Schreiben vom 28. Juli 2000, das am selben Tag gefaxt wurde, erklärte die spanische Regierung
gegenüber der Kommission: „Da seit Erteilung der von der Kommission zuletzt angeforderten
Informationen (24. Mai 2000) zwei Monate vergangen sind, teilen wir Ihnen mit, dass die Regierung von
Andalusien gemäß Artikel 4 Absatz 6 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999
über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags [jetzt Artikel 88 EG] die
angemeldeten ... Beihilfemaßnahmen zugunsten der Firma Santana, und zwar die Zufuhr von Kapital
sowie die Gewährung nicht rückzahlbarer Zuschüsse, durchführen wird.“
12.
Am 17. August 2000 entschied die Kommission, das förmliche Verfahren zur Prüfung der
angemeldeten Beihilfen gemäß Artikel 88 Absatz 2 EG einzuleiten. Spanien wurde diese Entscheidung
am 23. August 2000 mit Schreiben vom 22. August 2000 zugestellt.
Zur Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung
13.
Die spanische Regierung macht geltend, da die fraglichen Beihilfemaßnahmen die Zufuhr von
Kapital und die Gewährung von Zuschüssen beträfen, sei anders als bei der im Juni 1998 gewährten
Bankbürgschaft noch nicht mit ihrer Durchführung begonnen worden. Als sie der Kommission mit
Schreiben vom 30. Juli und vom 17. November 1999 mitgeteilt worden seien, habe es sich daher um
angemeldete Maßnahmen im Sinne von Artikel 4 der Verordnung Nr. 659/1999 gehandelt, für die die
in Artikel 4 Absätze 5 und 6 festgelegten Prüfungsfristen gegolten hätten. Diese Fristen von zwei
Monaten bzw. 15 Arbeitstagen seien vor Erlass der angefochtenen Entscheidung abgelaufen
gewesen, so dass die angemeldeten Maßnahmen zu bestehenden Beihilfen geworden seien. Daher
habe die Kommission nicht rechtsfehlerfrei auf diese Beihilfen die Regelung des Artikels 88 Absatz 2
EG anwenden können, der lediglich neue Beihilfen betreffe.
14.
Zur Beurteilung der Begründetheit dieses Vorbringens ist zu untersuchen, unter welchen
Umständen im vorliegenden Fall die Verfahrensfristen gemäß Artikel 4 Absätze 5 und 6 der
Verordnung Nr. 659/1999 angewandt wurden.
15.
Wie den Akten zu entnehmen ist und von der Kommission nicht bestritten wird, sind die streitigen
Beihilfevorhaben in Bezug auf die Zufuhr von Kapital und die Gewährung von Zuschüssen gemäß
Artikel 88 Absatz 3 EG wirksam bei ihr angemeldet und von Spanien nicht durchgeführt worden. Bei
diesen Maßnahmen handelte es sich daher im Zeitpunkt ihrer Anmeldung um neue Beihilfen im Sinne
von Artikel 2 der Verordnung Nr. 659/1999, die nur nach Genehmigung durch die Kommission gewährt
werden durften.
16.
Zur Prüfung eines solchen Genehmigungsantrags verfügt die Kommission über eine erste Frist von
zwei Monaten, nach deren Ablauf die Anmeldung, wenn die Kommission weder eine Entscheidung nach
Artikel 4 der Verordnung Nr. 659/1999 getroffen noch weitere Informationen von dem betreffenden
Mitgliedstaat angefordert hat, gemäß Artikel 4 Absatz 5 „als vollständig“ gilt. Nach Ablauf der Frist und
unter denselben Vorbehalten kann der Mitgliedstaat die Durchführung seiner Vorhaben ins Auge
fassen.
17.
Aus der Sachverhaltsdarstellung ergibt sich, dass die Kommission am 24. Mai 2000 zusätzliche
Informationen von der spanischen Regierung zu den fraglichen Maßnahmen erhielt und danach keine
weiteren Informationen anforderte. Da die Kommission somit in der Frist von zwei Monaten ab Eingang
der betreffenden Informationen schwieg, hatte die Anmeldung der fraglichen Beihilfen ab dem 25. Juli
2000 als vollständig zu gelten, so dass Spanien sein Vorhaben durchführen konnte, sofern es die
Kommission vorab davon in Kenntnis setzte.
18.
Dem tritt die Kommission nicht entgegen. Sie trägt aber vor, die angefochtene Entscheidung sei
innerhalb der in Artikel 4 Absatz 6 der Verordnung Nr. 659/1999 festgelegten Frist von 15
Arbeitstagen getroffen worden und habe Spanien damit aus Rechtsgründen an der sofortigen
Durchführung der angemeldeten Maßnahmen gehindert.
19.
Nach Auffassung der spanischen Regierung ist der Fristbeginn auf den 31. Juli 2000 zu legen, also
den ersten Arbeitstag nach Eingang des Faxes vom 28. Juli 2000 bei der Kommission, in dem diese
gemäß Artikel 4 Absatz 6 der Verordnung Nr. 659/1999 davon in Kenntnis gesetzt worden sei, dass die
angemeldeten Maßnahmen von Spanien durchgeführt würden.
20.
Nach Auffassung der Kommission dagegen begann die Frist erst am 1. August 2000. Das Schreiben
vom 28. Juli 2000 sei ihr beweiskräftig erst am 31. Juli 2000 zugegangen. Das Fax vom 28. Juli 2000
könne zum einen nicht berücksichtigt werden, weil es nicht an das Generalsekretariat der Kommission
gerichtet gewesen sei, wie dies der Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen in der Kfz-Industrie
vorsehe, sondern nur an die Generaldirektion Wettbewerb der Kommission. Zum anderen könne
jedenfalls eine Übermittlung per Fax, versehen mit einem einfachen Sendebericht, der die
Seitenanzahl und eine Empfängernummer angebe, keinen Beweis für den Inhalt des übersandten
Dokumentes erbringen. So habe der Gerichtshof entschieden, dass die Einreichung von
Klageschriften per Fax nicht zulässig sei. Aus entsprechenden Gründen der Rechtssicherheit sei es
ausgeschlossen, Fristen ab Übermittlung eines Faxes zu berechnen. Außerdem habe das Fax vom 28.
Juli 2000 nicht mit einer Empfangsbestätigung versehen werden können, da es an einem Freitag um
17.49 Uhr gesendet worden sei, also nach Ende der regulären Dienstzeit der Beamten der
Kommission.
21.
Hierzu ist festzustellen, dass die Beweiskraft einer Übermittlung per Fax sowohl von den
Formerfordernissen abhängt, denen der fragliche Rechtsakt nach den anwendbaren Bestimmungen
genügen muss, als auch von den Umständen der Verwendung des Übermittlungsverfahrens selbst,
wobei darauf hinzuweisen ist, dass im Allgemeinen eine Übersendung per Fax die Rechtswirkungen
des Aktes nicht berührt (in diesem Sinne Urteil vom 28. November 1991 in der Rechtssache C-170/89,
BEUC/Kommission, Slg. 1991, I-5709, Randnrn. 9 bis 11).
22.
Wenn die anwendbaren Bestimmungen für bestimmte Rechtsakte ein besonderes Formerfordernis
vorsehen, ist zu prüfen, ob deren Übermittlung per Fax mit diesen Bestimmungen vereinbar ist.
23.
Was die vorherige Benachrichtigung gemäß Artikel 4 Absatz 6 der Verordnung Nr. 659/1999 angeht,
so sehen die Vorschriften für das Vorverfahren zur Prüfung der Vereinbarkeit der staatlichen Beihilfen
mit dem EG-Vertrag keine besonderen Formerfordernisse vor. Anders als der erste Schritt der
Anmeldung einer neuen Beihilfe, über die die Kommission dem betreffenden Mitgliedstaat nach Artikel
2 dieser Verordnung eine Empfangsbestätigung ausstellt, ist die vorherige Benachrichtigung keinen
anderen als den Erfordernissen unterworfen, die für die verschiedenen Handlungen des
Vorverfahrens bei der Kommission gelten. Die Kommission hat jedoch in einer Fußnote im Anhang I
ihres ausdrücklich gestattet, dass die Fristen für
diese Handlungen „mit dem Erhalt [bzw.] bei Telefaxübermittlung mit der Versendung der
entsprechenden Korrespondenz“ beginnen. Der Gerichtshof hat im Übrigen aus Anlass einer
Untätigkeitsklage entschieden, dass eine per Fax an die Kommission gerichtete Aufforderung zum
Tätigwerden nicht wegen der Verwendung dieses Übersendungsmittels, sondern wegen der
inhaltlichen Unvollständigkeit des Schreibens unzulässig war (Beschluss vom 18. November 1999 in
der Rechtssache C-249/99 P, Pescados Congelados Jogamar/Kommission, Slg. 1999, I-8333). Folglich
kann die Kommission nicht geltend machen, dass die Übermittlung am 28. Juli 2000 schon deshalb
nicht berücksichtigt werden könne, weil sie per Fax erfolgt sei.
24.
Daher ist zu untersuchen, ob die Umstände, unter denen dieses Übersendungsmittel im
vorliegenden Fall verwendet wurde, es der Kommission möglicherweise erschwerten, vom Inhalt des
Schreibens und vom Zeitpunkt seines Eingangs Kenntnis zu erlangen.
25.
Diesen Schluss lassen die Akten jedoch nicht zu. Die Kommission behauptet nämlich nicht, dass ihr
die vorherige Benachrichtigung durch das Königreich Spanien später per Post zugegangen sei. Sie
beruft sich lediglich darauf, dass das Fax nicht am Freitag, dem 28. Juli 2000, um 17.49 Uhr habe
eingetragen werden können, da sich keine Beamten in ihren Dienststellen aufgehalten hätten,
sondern erst am 31. Juli 2000. Somit steht fest, dass es sich bei dem am 31. Juli 2000 eingetragenen
Schreiben um dasjenige handelte, das sie am 28. Juli 2000 erhalten hatte, und dass die Kommission
die Benachrichtigung durch Spanien am 28. Juli 2000 erhielt. Dass die Beamten der Kommission bei
Eingang des Faxes abwesend waren, lässt daher unter den Umständen des vorliegenden Falles weder
am Zeitpunkt dieses Eingangs noch am Inhalt des übermittelten Schreibens Zweifel aufkommen.
26.
Das Vorbringen, die vorherige Benachrichtigung durch die spanische Regierung hätte an das
Generalsekretariat der Kommission gerichtet werden müssen, ist nicht geeignet, den Beginn des
Laufes der Frist von 15 Arbeitstagen zu verhindern. Denn nach dem
muss nur die erstmalige Anmeldung der Beihilfen durch die Mitgliedstaaten aus
Gründen der internen Koordination an das Generalsekretariat der Kommission gerichtet werden. Wenn
die mit der Angelegenheit betraute Generaldirektion der Kommission vom Generalsekretariat
eindeutig bezeichnet worden ist, „sollten“ die von der betreffenden Generaldirektion angeforderten,
zusätzlich benötigten Angaben nach Nummer 24 des Leitfadens „dieser unmittelbar übermittelt
werden“. Nichts anderes kann für die vorherige Benachrichtigung gemäß Artikel 4 Absatz 6 der
Verordnung Nr. 659/1999 gelten, die sich in den fortgesetzten Informationsaustausch einfügt und die
zur Beschleunigung des Verwaltungsverfahrens ebenfalls innerhalb kürzester Frist zu der mit der
Sache betrauten Direktion gelangen muss.
27.
Nach alledem wurde die Frist von 15 Arbeitstagen am 28. Juli 2000 mit dem Eingang der vorherigen
Benachrichtigung durch Spanien bei der Kommission ausgelöst. Somit fing nach den Artikeln 2 und 3
der Verordnung Nr. 1182/71 und Artikel 4 Absatz 6 der Verordnung Nr. 659/1999 die Frist am 31. Juli
2000, dem ersten Arbeitstag nach dem Eingang der Benachrichtigung, an. Das Fristende fiel daher
auf den 21. August 2000.
28.
Was zweitens die Unterbrechung der Frist von 15 Arbeitstagen angeht, die von den Umständen
abhängt, unter denen die angefochtene Entscheidung erging, macht die spanische Regierung
geltend, dass die der Kommission zufolge am 17. August 2000 getroffene Entscheidung den
spanischen Behörden erst am 23. August 2000, also nach Fristablauf, zugestellt worden sei.
Maßgeblich könne aber nur der Zeitpunkt sein, in dem die Entscheidung der Kommission gegenüber
dem betroffenen Mitgliedstaat wirksam werde, d. h. gemäß Artikel 254 Absatz 3 EG der Zeitpunkt ihrer
Bekanntgabe an diesen Staat.
29.
Die Kommission ist dagegen der Auffassung, der maßgebende Zeitpunkt sei der, in dem die
Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens getroffen werde, und nicht der, in
dem diese Entscheidung dem betroffenen Mitgliedstaat bekannt gegeben werde. Artikel 4 Absatz 6
der Verordnung Nr. 659/1999 beziehe sich nämlich auf die Entscheidung, die die Kommission
„innerhalb einer Frist von 15 Arbeitstagen nach Erhalt der Benachrichtigung ... trifft“. Hier sei die
angefochtene Entscheidung am 17. August 2000 im schriftlichen Verfahren nach Artikel 12 der
Geschäftsordnung der Kommission erlassen und gemäß Artikel 25 der Verordnung Nr. 659/1999
„unverzüglich“ mitgeteilt worden. Die angefochtene Entscheidung habe daher die Frist ab 17. August
2000 unterbrochen, und die Kommission habe rechtsfehlerfrei das förmliche Verfahren zur Prüfung der
angemeldeten Beihilfen eröffnen können.
30.
Die Mitglieder der Kommission hatten tatsächlich am 17. August 2000 im beschleunigten
schriftlichen Verfahren über den Vorschlag der Generaldirektion Wettbewerb, das förmliche Verfahren
zur Prüfung der fraglichen Beihilfen zu eröffnen, zu entscheiden. Da kein Einwand gegen diesen
Vorschlag erhoben worden war, wurde er nach Artikel 12 der Geschäftsordnung der Kommission an
diesem Tag angenommen. Mit seiner förmlichen Feststellung durch die Unterschrift des
Generalsekretärs vom selben Tag wurde der Beschluss zu einer Entscheidung der Kommission im
Sinne von Artikel 249 EG. Infolgedessen ist das Schreiben vom 22. August 2000, das an das
Königreich Spanien gerichtet war und in vollem Umfang den Inhalt des Vorschlags wiedergab, der
angenommen und zur angefochtenen Entscheidung geworden war, als die Bekanntgabe dieser
Entscheidung an ihren Adressaten anzusehen, auch wenn in dem Schreiben die Entscheidung vom
17. August 2000 nicht erwähnt wird.
31.
Entgegen den Ausführungen der Kommission hat der Erlass der angefochtenen Entscheidung zu
dem betreffenden Zeitpunkt jedoch keine Unterbrechung der Frist von 15 Arbeitstagen bewirkt. Denn
aus Artikel 254 Absatz 3 EG geht eindeutig hervor, dass „die Entscheidungen ... denjenigen, für die
sie bestimmt sind, bekannt gegeben und ... durch diese Bekanntgabe wirksam [werden]“.
32.
Eine Entscheidung, mit der wie im vorliegenden Fall die Durchführung von Beihilfevorhaben durch
einen Mitgliedstaat verhindert werden soll, kann ihre Wirksamkeit, die zwangsläufig mit der
Unterbrechung der Frist von 15 Arbeitstagen zusammenfällt, nicht erlangen, bevor sie diesem
Mitgliedstaat entgegengehalten werden kann, d. h. vor ihrer Bekanntgabe.
33.
Artikel 4 Absatz 6 der Verordnung Nr. 659/1999, der sich auf die Entscheidung bezieht, die die
Kommission „innerhalb einer Frist von 15 Arbeitstagen ... trifft“, kann daher nicht dahin ausgelegt
werden, dass bereits der Erlass der Entscheidung unabhängig von ihrer Bekanntgabe eine
Unterbrechung bewirkt. Das ergibt sich auch aus Artikel 25 der Verordnung Nr. 659/1999, wonach die
Entscheidungen, die die Kommission nach dieser Verordnung trifft, „unverzüglich“ mitzuteilen sind,
sowie aus dem Hinweis in ihrer einundzwanzigsten Begründungserwägung auf den „Grundsatz, dass
Entscheidungen über staatliche Beihilfen an den betreffenden Mitgliedstaat gerichtet werden“, und
zwar im „Interesse der Transparenz und Rechtssicherheit“. Das erklärt des Weiteren, dass schon die
unterbliebene Bekanntgabe in bestimmten Fällen die Nichtigerklärung eines Rechtsakts der
Gemeinschaftsorgane rechtfertigen kann (in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache
C-227/92 P, Hoechst/Kommission, Slg. 1999, I-4443, Randnr. 68).
34.
Daraus folgt, dass die angefochtene Entscheidung, die am 17. August 2000 getroffen und den
spanischen Behörden erst am 23. August 2000 zugestellte wurde, nach Ablauf der Frist von 15
Arbeitstagen gemäß Artikel 4 Absatz 6 der Verordnung Nr. 659/1999 wirksam wurde. Ab 21. August
2000, dem Datum des Fristablaufs, wurden die angemeldeten Beihilfen daher zu bestehenden
Beihilfen. Somit konnte sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung nicht auf den
ausschließlich für neue Beihilfen geltenden Artikel 88 Absatz 3 EG stützen, um die Durchführung der
Beihilfevorhaben zugunsten der Santana Motor SA zu verhindern (in diesem Sinne Urteile vom 15.
Februar 2001 in der Rechtssache C-99/98, Österreich/Kommission, Slg. 2001, I-1101, Randnrn. 68 bis
78, und - in Bezug auf Sachverhalte nach Inkrafttreten der Verordnung Nr. 659/1999 - vom 9. Oktober
2001 in der Rechtssache C-400/99, Italien/Kommission, Slg. 2001, I-7303, Randnr. 48).
35.
Folglich ist die angefochtene Entscheidung mit einem Rechtsfehler behaftet und schon deshalb für
nichtig zu erklären.
36.
Daher braucht der vom Königreich Spanien hilfsweise geltend gemachte Klagegrund einer
unzureichenden Begründung nicht untersucht zu werden.
Kosten
37.
Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der
Kosten zu verurteilen. Da das Königreich Spanien die Verurteilung der Kommission beantragt hat und
diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die dem Königreich Spanien mit Schreiben SG (2000) D/106322 vom 22. August 2000
mitgeteilte Entscheidung der Kommission vom 17. August 2000, mit der diese ein
förmliches Verfahren zur Prüfung der Vereinbarkeit von Beihilfen an die Firma Santana
Motor SA mit dem EG-Vertrag eingeleitet hat, wird in Bezug auf alle dort behandelten
Maßnahmen mit Ausnahme der im Juni 1998 gewährten Bürgschaft für nichtig erklärt.
2. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt die Kosten des Verfahrens.
Macken
Puissochet
Skouris
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 18. Juni 2002.
Der Kanzler
Die Präsidentin der Sechsten Kammer
R. Grass
F. Macken
Verfahrenssprache: Spanisch.