Urteil des EuGH vom 24.01.2002
EuGH: kommission, verordnung, schriftstück, verlängerung der frist, mitgliedstaat, beginn der frist, regierung, finnland, europäische union, europäische wirtschaftsgemeinschaft
WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Fünfte Kammer)
24. Januar 2002
„EAGFL - Rechnungsabschluss - Haushaltsjahre 1996 und 1997 - Sonderprämien für Stiere - Von der
Kommission anzuwendendes Verfahren“
In der Rechtssache C-170/00
Republik Finnland,
Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften,
Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
wegen Teilnichtigerklärung der Entscheidung 2000/216/EG der Kommission vom 1. März 2000 über den
Ausschluss bestimmter von den Mitgliedstaaten zu Lasten des Europäischen Ausrichtungs- und
Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL), Abteilung Garantie, getätigter Ausgaben von der
gemeinschaftlichen Finanzierung (ABl. L 67, S. 37), soweit sie Ausgaben in Höhe von 7 270 885,76 FIM, die im
klagenden Mitgliedstaat im Rahmen von Vorschusszahlungen für Sonderprämien für Stiere für die
Haushaltsjahre 1996 und 1997 getätigt wurden, von der Gemeinschaftsfinanzierung ausschließt,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann (Berichterstatter) sowie der Richter S. von Bahr, D. A. O.
Edward, A. La Pergola und M. Wathelet,
Generalanwalt: L. A. Geelhoed
Kanzler: H. A. Rühl, Hauptverwaltungsrat
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der Parteien in der Sitzung vom 4. Juli 2001,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 20. September 2001,
folgendes
Urteil
1.
Die Republik Finnland hat mit Klageschrift, die am 9. Mai 2000 bei der Kanzlei des Gerichtshofes
eingegangen ist, gemäß Artikel 230 Absatz 1 EG Klage erhoben auf Teilnichtigerklärung der
Entscheidung 2000/216/EG der Kommission vom 1. März 2000 über den Ausschluss bestimmter von
den Mitgliedstaaten zu Lasten des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die
Landwirtschaft (EAGFL), Abteilung Garantie, getätigter Ausgaben von der gemeinschaftlichen
Finanzierung (ABl. L 67, S. 37, im Folgenden: angefochtene Entscheidung), soweit sie Ausgaben in
Höhe von 7 270 885,76 FIM, die im klagenden Mitgliedstaat im Rahmen von Vorschusszahlungen auf
Sonderprämien für Stiere für die Haushaltsjahre 1996 und 1997 getätigt wurden, von der
Gemeinschaftsfinanzierung ausschließt.
2.
Dieser Betrag entspricht den Ausgaben für die genannten Sonderprämien, die in Finnland zwischen
dem 20. Mai 1995 und dem 21. Dezember 1996 getätigt wurden.
Rechtlicher Rahmen
3.
Artikel 5 der Verordnung (EWG) Nr. 729/70 des Rates vom 21. April 1970 über die Finanzierung der
gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. L 94, S. 13) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1287/95 des Rates
vom 22. Mai 1995 (ABl. L 125, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 729/70)
bestimmt:
„(1) Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission in regelmäßigen Zeitabständen die folgenden
Auskünfte, die die in Artikel 4 genannten zugelassenen Zahlstellen sowie die Koordinierungsstellen
betreffen und sich auf die von der Abteilung Garantie des EAGFL finanzierten Maßnahmen beziehen:
...
(2) Die Kommission, nach Anhörung des Fondsausschusses,
...
b) schließt vor dem 30. April des auf das betreffende Haushaltsjahr folgenden Jahres die
Rechnungen der zugelassenen Zahlstellen auf der Grundlage der Auskünfte gemäß Absatz 1
Buchstabe b) ab.
Die Rechnungsabschlussentscheidung bezieht sich auf die Vollständigkeit, Genauigkeit und
Richtigkeit der übermittelten Rechnungen.
Sie greift späteren Entscheidungen gemäß Buchstabe c) nicht vor;
c) bestimmt die Ausgaben, die von der in den Artikeln 2 und 3 genannten gemeinschaftlichen
Finanzierung auszuschließen sind, wenn sie feststellt, dass Ausgaben nicht in Übereinstimmung mit
den Gemeinschaftsvorschriften getätigt worden sind.
Vor jeder Entscheidung über eine Ablehnung der Finanzierung werden die Ergebnisse der
Überprüfungen der Kommission sowie die Antworten des betreffenden Mitgliedstaats jeweils schriftlich
übermittelt; danach bemühen sich beide Parteien, zu einem Einvernehmen hinsichtlich der zu
ziehenden Folgerungen zu gelangen.
Wird kein Einvernehmen erzielt, so kann der Mitgliedstaat die Eröffnung eines Verfahrens
beantragen, um die jeweiligen Standpunkte innerhalb von vier Monaten miteinander in Einklang zu
bringen; die Ergebnisse dieses Verfahrens werden in einem Bericht erfasst, der an die Kommission
übermittelt und von dieser geprüft wird, bevor eine Finanzierung abgelehnt wird.
Die Kommission bemisst die auszuschließenden Beträge insbesondere unter Berücksichtigung der
Tragweite der festgestellten Nichtübereinstimmung. Die Kommission trägt dabei der Art und Schwere
des Verstoßes sowie dem der Gemeinschaft entstandenen finanziellen Schaden Rechnung.
Die Ablehnung der Finanzierung kann sich nicht auf Ausgaben beziehen, die über vierundzwanzig
Monate vor dem Zeitpunkt getätigt wurden, zu dem die Kommission dem betroffenen Mitgliedstaat die
Ergebnisse ihrer Überprüfungen schriftlich mitgeteilt hat. Diese Bestimmung gilt jedoch nicht für die
finanziellen Auswirkungen
- der Fälle von Unregelmäßigkeiten im Sinne von Artikel 8 Absatz 2,
- der einzelstaatlichen Beihilfen oder Verstöße, deretwegen das Verfahren nach Artikel 93 oder
das Verfahren nach Artikel 169 des Vertrages eingeleitet wurde.
(3) Die Durchführungsbestimmungen zu diesem Artikel werden nach dem Verfahren des Artikels 13
erlassen. Sie beziehen sich insbesondere auf die in Absatz 1 genannte Bescheinigung zu den
Rechnungen und die Verfahren im Zusammenhang mit den Entscheidungen gemäß Absatz 2.“
4.
Artikel 8 Absätze 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 1663/95 der Kommission vom 7. Juli 1995 mit
Durchführungsbestimmungen zu der Verordnung (EWG) Nr. 729/70 des Rates bezüglich des
Rechnungsabschlussverfahrens des EAGFL, Abteilung Garantie (ABl. L 158, S. 6) bestimmt:
„(1) Kommt die Kommission aufgrund von Nachforschungen zu dem Schluss, dass bestimmte
Ausgaben nicht in Übereinstimmung mit den Gemeinschaftsvorschriften getätigt wurden, so teilt sie
dem betreffenden Mitgliedstaat ihre Feststellungen mit und gibt die zu treffenden
Korrekturmaßnahmen, die künftig die Beachtung der vorgenannten Vorschriften sicherstellen sollen,
sowie eine Schätzung der Beträge an, die möglicherweise gemäß Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe c) der
Verordnung (EWG) Nr. 729/70 ausgeschlossen werden. Diese Mitteilung muss auf die vorliegende
Verordnung Bezug nehmen. Der Mitgliedstaat antwortet innerhalb von zwei Monaten, und die
Kommission kann ihren Standpunkt dementsprechend ändern. In begründeten Fällen kann sie einer
Verlängerung der Frist zur Beantwortung zustimmen.
Nach Ablauf dieser Frist führt die Kommission bilaterale Gespräche; beide Parteien versuchen
einvernehmlich die zu ergreifenden Maßnahmen festzulegen. Anschließend teilt die Kommission dem
Mitgliedstaat förmlich ihre Schlussfolgerungen unter Bezugnahme auf die Entscheidung 94/442/EG der
Kommission mit.
(2) Die Entscheidungen gemäß Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe c) der Verordnung (EWG) Nr. 729/70
sind nach Prüfung der von der Schlichtungsstelle gemäß der Entscheidung 94/442/EG erstellten
Berichte zu treffen.“
Das fragliche Rechnungsabschlussverfahren
5.
Im April 1997 führten die EAGFL-Kontrolldienststellen in Finnland Überprüfungen durch hinsichtlich
der Anwendung der Prämienregelung für Kühe, Stiere und Schafe sowie der Durchführung der
Verordnung (EG) Nr. 1357/96 des Rates vom 8. Juli 1996 betreffend 1996 zu gewährende
Zusatzbeträge zu den Prämien gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 über die gemeinsame
Marktorganisation für Rindfleisch und zur Änderung jener Verordnung (ABl. L 175, S. 9).
6.
Am 20. Mai 1997 übersandte die Kommission der Ständigen Vertretung Finnlands bei der
Europäischen Union in Brüssel (im Folgenden: Ständige Vertretung) sowie dem finnischen Ministerium
für Landwirtschaft und Forsten (im Folgenden: Ministerium) ein in finnischer Sprache abgefasstes
Schriftstück (im Folgenden: Schriftstück vom 20. Mai 1997), in dem sie die finnische Regierung auf die
im finnischen Kontrollsystem bestehenden Mängel, die sie bei den Überprüfungen vor Ort festgestellt
hatte, aufmerksam machte. Die Kommission wies darauf hin, dass sie sich das Recht vorbehalte, zu
einem späteren Zeitpunkt zum Ausschluss von Ausgaben betreffend Sonderprämien für Stiere für die
Vermarktung in den Jahren 1995 und 1996 von der Gemeinschaftsfinanzierung Stellung zu nehmen,
und dass sie für einen Erhalt einer Antwort binnen zwei Monaten nach Eingang dieses Schriftstücks
dankbar wäre.
7.
Obwohl das Schriftstück vom 20. Mai 1997 die Form eines Fernschreibens aufweist, ist es nach dem
Vortrag der finnischen Regierung als Fax übermittelt worden, was auch durch die Angaben auf dem
Briefkopf bestätigt wird. Ihm soll ein auf Englisch abgefasstes gleich lautendes Fernschreiben vom 7.
Mai 1997 vorausgegangenen sein, auf das es sich bezieht.
8.
Die finnische Regierung beantwortete das Schriftstück vom 20. Mai 1997 mit Schreiben vom 21. Juli
1997, in dem sie angab, die Vorschläge und Bemerkungen der Kommission berücksichtigt zu haben.
9.
Mit in finnischer Sprache abgefasstem Schreiben vom 17. September 1998 an die Ständige
Vertretung, das bei dieser am 18. September 1998 einging - die an das Ministerium gesandte
Abschrift des Schreibens ging bei diesem am 24. September 1998 ein -, teilte die Kommission der
finnischen Regierung unter Hinweis auf Artikel 8 der Verordnung Nr. 1663/95 und Artikel 5 Absatz 2
Buchstabe c der Verordnung Nr. 729/70 mit, dass sie beabsichtige, den Ausschluss eines Teils der für
die Wirtschaftsjahre 1996 und 1997 angemeldeten Ausgaben von der Gemeinschaftsfinanzierung
vorzuschlagen. Die Berichtigung sei gerechtfertigt, weil die Kontrollen nicht ordnungsgemäß
durchgeführt worden seien, wie aus den ineiner Anlage zum Schreiben vom 17. September 1998
dargestellten Ergebnissen der Überprüfungen der Kommission hervorgehe. Die finnische Regierung
wurde darauf hingewiesen, dass sie über eine Beantwortungsfrist von zwei Monaten ab Zustellung
dieses Schreibens verfüge.
10.
Die Anlage, die detaillierte Feststellungen über die von den EAGFL-Dienststellen vor Ort
durchgeführten Kontrollen sowie die Anforderung zusätzlicher Informationen enthalten sollte, lag dem
Schreiben vom 17. September 1998 nicht bei. Auf Wunsch der finnischen Regierung übermittelte die
Kommission dem Ministerium am 11. Dezember 1998 diese Anlage in finnischer Sprache sowie ein
ebenfalls auf Finnisch abgefasstes Begleitschreiben, in dem der letzte Absatz des Schreibens vom 17.
September 1998 wiedergegeben war (im Folgenden: Schreiben vom 11. Dezember 1998). Die Sendung
ging am 22. Dezember 1998 beim Ministerium ein; eine an die Ständige Vertretung gerichtete
Abschrift ging dort am 14. Dezember 1998 ein.
11.
Nach dem Vortrag der Kommission waren am 10. Juli 1998 eine englischsprachige Fassung des
Schreibens vom 17. September 1998 und seiner Anlage an die Ständige Vertretung und eine Abschrift
an das Ministerium gesandt worden.
12.
Nach einem Schriftwechsel teilte die finnische Regierung der Kommission mit Schreiben vom 5.
August 1999 mit, dass sie beabsichtige, sich auf die Ausschlussfrist des Artikels 5 Absatz 2 Buchstabe
c der Verordnung Nr. 729/70 zu berufen, und dass sie die Absicht der Kommission als unbegründet
ansehe, diejenigen Ausgaben von einer Finanzierung auszuschließen, die mehr als 24 Monate vor dem
22. Dezember 1998 - dem Tag, an dem ihr die Anlage zum Schreiben vom 17. September 1998
zugegangen sei - getätigt worden seien.
13.
Die Ausgaben, die nach Ansicht der finnischen Regierung nicht von der Kommission
ausgeschlossen werden können, belaufen sich nach ihren von der Kommission nicht bestrittenen
Berechnungen auf 7 270 885,76 FIM.
14.
Des ungeachtet schloss die Kommission mit der angefochtenen Entscheidung auch die zwischen
dem 20. Mai 1995 und dem 21. Dezember 1996 getätigten Ausgaben von der Finanzierung aus.
Zum einzigen Klagegrund
15.
Mit ihrem einzigen Klagegrund macht die finnische Regierung geltend, die angefochtene
Entscheidung sei unter Verstoß gegen Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung Nr. 729/70 und
Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1663/95 ergangen. Aus diesen Bestimmungen ergebe sich, dass
sich die in der erstgenannten Vorschrift bezeichnete Frist von 24 Monaten auf denjenigen Zeitraum
von 24 Monaten beziehe, der einer schriftlichen Mitteilung der Kommission an den betreffenden
Mitgliedstaat vorausgehe, die die Ergebnisse der Überprüfungen undFeststellungen, zu denen die
Kommission gelangt sei, enthalte und sich ausdrücklich auf die Verordnung Nr. 1663/95 beziehe.
16.
Das Schriftstück vom 20. Mai 1997, das keine schriftliche Mitteilung im Sinne der Artikel 5 Absatz 2
Buchstabe c der Verordnung Nr. 729/70 und 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1663/95 darstelle, erfülle
diese Voraussetzungen nicht. Erstens handele es sich dabei nicht um ein Schreiben, und weder ein
Fernschreiben noch ein Fax genügten der Schriftform. Zweitens lasse nichts in der Formulierung des
Schriftstücks vom 20. Mai 1997 vermuten, dass mit diesem eine Frist in Gang gesetzt werde. Drittens
enthalte es keine Verweisung auf die Verordnung Nr. 1663/95, wie es deren Artikel 8 Absatz 1
vorschreibe.
17.
Nur das Schreiben vom 17. September 1998 erfülle die Tatbestandsvoraussetzungen im Grundsatz.
Da die Kommission diesem Schreiben aber die Anlage mit den Ergebnissen der Überprüfungen nicht
beigefügt habe, sei für die Berechnung der fraglichen Frist von 24 Monaten allein auf den 22.
Dezember 1998, den Tag, an dem diese Anlage beim Ministerium eingegangen sei, und nicht auf den
20. Mai 1997 abzustellen.
18.
Die Kommission macht geltend, die in Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe c Unterabsatz 5 der Verordnung
Nr. 729/70 genannte Frist von 24 Monaten sei am 20. Mai 1997 abgelaufen, da das Schriftstück von
diesem Tag alle Tatbestandsvoraussetzungen erfülle.
19.
Zweck der 24-Monate-Regel sei es, gegen die Mitgliedstaaten nicht mehrere Jahre nach dem
betreffenden Wirtschaftsjahr finanzielle Berichtigungen festzusetzen, ohne dass sie über ein solches
Risiko informiert worden seien. Dieser Zweck werde auf einfache Weise durch eine Mitteilung erreicht,
in der schriftlich die wichtigsten Schlussfolgerungen der Kommission klar zusammengefasst seien und
die die Möglichkeit finanzieller Berichtigungen offen lasse. Unter dem Gesichtspunkt des
Vertrauensschutzes des betreffenden Mitgliedstaats komme es somit nicht darauf an, dass die
schriftliche Mitteilung eine besondere Form aufweise, sondern darauf, dass sie ihren Zweck erfülle,
den Mitgliedstaat in ausreichender Form auf die Möglichkeit künftiger Berichtigungen aufmerksam zu
machen.
20.
Dieser Zweck sei im vorliegenden Fall mit dem Schriftstück vom 20. Mai 1997 erreicht worden.
Dieses Schriftstück weise als Fax die Schriftform auf, enthalte alle notwendigen Angaben und setze
eine Beantwortungsfrist von zwei Monaten. Einer ausdrücklichen Angabe, dass die „Ausschlussfrist“
von 24 Monaten unterbrochen sei, bedürfe es nicht. Außerdem sei eine Bezugnahme auf Artikel 8
Absatz 1 der Verordnung Nr. 1663/95 nicht vorgeschrieben. Es gebe nämlich keinen Zusammenhang
zwischen dieser Bestimmung und Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung Nr. 729/70, wie sich
aus dem zweiten Bezugsvermerk der Verordnung Nr. 1663/95 ergebe, wonach die Rechtsgrundlage
dieser Verordnung Artikel 5 Absatz 3 und nicht Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 729/70 sei.
21.
Hilfsweise trägt die Kommission vor, die Frist von 24 Monaten sei am 18. September 1998, dem Tag
des Eingangs des Schreibens vom 17. September 1998, abgelaufen, da dieses Schreiben, selbst
wenn ihm die Anlage mit den Ergebnissen der Überprüfungen der Kontrolldienststellen des EAGFL
nicht beigefügt gewesen sein sollte, jedenfalls am 10. Juli 1998 in englischer Sprache mitgeteilt
worden sei und die Ergebnisse von neun in Anwesenheit finnischer Behörden vorgenommenen
Kontrollen vor Ort enthalten habe. Insoweit sei das Schreiben vom 11. Dezember 1998 als
Anerkennung einer Verlängerung der gesetzten Beantwortungsfrist anzusehen.
22.
Im Übrigen sei für den Zeitpunkt des Eingangs des Schreibens vom 11. Dezember 1998 und der ihm
beigefügten Anlage auf die am 14. Dezember 1998 erfolgte Zustellung an die Ständige Vertretung
und nicht auf den Eingang beim Ministerium abzustellen.
23.
Gegenüber den hilfsweise vorgetragenen Argumenten der Kommission macht die finnische
Regierung zum einen geltend, das englischsprachige Schreiben vom 10. Juli 1998 genüge jedenfalls
nicht den Formvorschriften. Nach Artikel 3 der Verordnung Nr. 1 des Rates vom 15. April 1958 zur
Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. 1958, 17, S. 385) in
der Fassung der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik
Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassung der die Europäische Union begründenden
Verträge (ABl. 1994, C 241, S. 21, und ABl. 1994, L 1, S. 1) „[sind] Schriftstücke, die ein Organ der
Gemeinschaft an einen Mitgliedstaat oder an eine der Hoheitsgewalt eines Mitgliedstaats
unterstehende Person richtet, ... in der Sprache dieses Staates abzufassen“.
24.
Zum anderen habe die Ständige Vertretung am 14. Dezember 1998 nur eine Abschrift des
Schreibens vom 11. Dezember 1998 erhalten. Das Originalschreiben sei dagegen ausdrücklich an das
Ministerium gerichtet worden, so dass das Datum des Eingangs bei diesem, nämlich der 22. Dezember
1998, maßgeblich sei.
Würdigung durch den Gerichtshof
25.
Zunächst ist daran zu erinnern, dass nach Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe c Unterabsatz 5 der
Verordnung Nr. 729/70 „[d]ie Ablehnung der Finanzierung ... sich nicht auf Ausgaben beziehen [kann],
die über vierundzwanzig Monate vor dem Zeitpunkt getätigt wurden, zu dem die Kommission dem
betroffenen Mitgliedstaat die Ergebnisse ihrer Überprüfungen schriftlich mitgeteilt hat“.
26.
Die Verordnung Nr. 1663/95, die die Durchführungsverordnung zur Verordnung Nr. 729/70 ist,
präzisiert in Artikel 8 Absatz 1 Unterabsatz 1 den Inhalt dieser schriftlichen Mitteilung. Danach muss
die Mitteilung die zu treffenden Korrekturmaßnahmen, die künftig die Beachtung der betreffenden
Vorschriften sicherstellen sollen, sowie eine Schätzung der Beträge, die
möglicherweiseausgeschlossen werden, angeben und auf die Verordnung Nr. 1663/95 Bezug nehmen.
27.
Das Argument der Kommission, dass zwischen Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung Nr.
729/70 und Artikel 8 der Verordnung Nr. 1663/95 kein Zusammenhang bestehe, ist zurückzuweisen.
Aus dem Wortlaut dieser beiden Bestimmungen geht nämlich hervor, dass sie beide auf die Mitteilung
der Ergebnisse der Prüfungen der Kontrolldienststellen des EAGFL in den Mitgliedstaaten Bezug
nehmen. Auch wenn Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe c Unterabsatz 5 der Verordnung Nr. 729/70 die
Worte „Ergebnisse ihrer Überprüfungen“ und Artikel 8 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr.
1663/95 die Worte „aufgrund von Nachforschungen [getroffene] Feststellungen“ verwendet, ist klar,
dass sich diese Bestimmungen auf dasselbe Stadium des Rechnungsabschlussverfahrens des EAGFL,
Abteilung Garantie, und zwar auf die von den Dienststellen der Kommission in den Mitgliedstaaten vor
Ort vorgenommenen Prüfungen, beziehen.
28.
Mithin ist zu prüfen, ob das Schriftstück vom 20. Mai 1997 die Voraussetzungen des Artikels 5
Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung Nr. 729/70 in Verbindung mit Artikel 8 Absatz 1 Unterabsatz 1
der Verordnung Nr. 1663/95 erfüllt.
29.
Was erstens die Formvorschriften angeht, so ist festzustellen, dass Artikel 8 Absatz 1 der
Verordnung Nr. 1663/95 zwischen der „Mitteilung der Feststellungen“ nach Unterabsatz 1, um die es
im vorliegenden Fall geht, und der „förmlichen Mitteilung der Schlussfolgerungen“ nach Unterabsatz 2,
die in einem späteren Stadium erfolgt, unterscheidet. Daraus folgt, dass an die erstgenannte
Mitteilung hinsichtlich der Form nicht so hohe Anforderungen zu stellen sind wie an wie die
zweitgenannte. Wie nämlich der Generalanwalt in den Nummern 62 bis 71 seiner Schlussanträge
dargelegt hat, dient die Schriftform in diesem Verfahrensstadium lediglich einem Beweiszweck im
Verhältnis zwischen der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat. Dieser Beweiszweck wird
durch jedes Verfahren, das einen Schriftträger voraussetzt, erfüllt. Die Mitteilung der Feststellungen
kann sich daher auch aus der Übersendung eines Schriftstücks durch Fernschreiben oder Fax
ergeben.
30.
Im vorliegenden Fall genügt daher das Schriftstück vom 20. Mai 1997 den Formvorschriften des
Artikels 8 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 1663/95.
31.
Zweitens ist zu prüfen, ob das Schriftstück vom 20. Mai 1997 die übrigen Voraussetzungen erfüllt. In
diesem Zusammenhang wird in diesem Schriftstück einleitend darauf hingewiesen, dass es den
nationalen Behörden übersandt werde, „um die Gründe der wichtigsten bei der Prüfung festgestellten
Beanstandungen so früh wie möglich förmlich zur Kenntnis zu bringen“. In ihm werden zunächst das
Kontrollsystem für die Fleischprämien in Finnland beschrieben und sodannfolgende Punkte erörtert:
Mängel bei der Behandlung der Prämienanträge, Anmerkungen zur Buchführung, von den EAGFL-
Dienststellen angetroffene Schwierigkeiten bei der Rechnungsprüfung, Risikoanalyse, Beschreibung
der Zahl der vor Ort vorgenommenen Kontrollen, einzelne Prüfungsergebnisse und bei den Kontrollen
vor Ort festgestellte Mängel. Schließlich weist die Kommission in dem Schriftstück darauf hin, dass sie
sich das Recht vorbehalte, wegen der Sonderprämien für Stiere für die Vermarktungsjahre 1995 und
1996 zu einem späteren Zeitpunkt Klage zu erheben, um die Erstattung der Aufwendungen in Bezug
auf die abgelehnten Anträge zu erwirken. Das Schriftstück schließt mit einer Aufforderung an die
nationalen Behörden, ihre Antwort auf die dargestellten Punkte innerhalb von zwei Monaten nach
Eingang des Schriftstücks zu übermitteln.
32.
Das Schriftstück vom 20. Mai 1997 wird somit den Anforderungen an eine Mitteilung der Ergebnisse
der Überprüfungen vor Ort und der zu treffenden Korrekturmaßnahmen gerecht, so dass für den
Beginn der Frist von 24 Monaten des Artikels 5 Absatz 2 Buchstabe c Unterabsatz 5 der Verordnung
Nr. 729/70 auf diese Mitteilung abzustellen ist. Eine ausdrückliche Erwähnung dieser Frist wird nach
der geltenden Regelung nicht verlangt. Im Übrigen nennt das Schriftstück vom 20. Mai 1997 auch die
Beantwortungsfrist von zwei Monaten, wie sie in Artikel 8 der Verordnung Nr. 1663/95 vorgesehen ist.
33.
Dagegen enthält das Schriftstück vom 20. Mai 1997 keine ausdrückliche Verweisung auf Artikel 8
der Verordnung Nr. 1663/95. Es ist daher zu prüfen, ob es allein schon aufgrund dieser Unterlassung
nicht als schriftliche Mitteilung anzusehen ist.
34.
Die Kommission muss im Rahmen ihrer Beziehungen zu den Mitgliedstaaten die Bedingungen
erfüllen, die sie für sich selbst mit Durchführungsverordnungen aufgestellt hat. Die Mitgliedstaaten
dürfen jedoch im Rahmen ihrer Beziehungen zur Kommission keine rein formalistischen Standpunkte
einnehmen, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass ihre Rechte in vollem Umfang geschützt
worden sind. Wie in Randnummer 31 dieses Urteils festgestellt worden ist, erhielt die finnische
Regierung im vorliegenden Fall durch das Schriftstück vom 20. Mai 1997 umfassende Kenntnis von den
Vorbehalten der Kommission und den wahrscheinlich vorzunehmenden Berichtigungen hinsichtlich der
fraglichen Prämien, so dass dieses Schriftstück den Warnzweck erfüllt hat, der einer schriftlichen
Mitteilung nach Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung Nr. 729/70 und Artikel 8 Absatz 1
Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 1663/94 zukommt. Daher stellt der bloße Umstand, dass es keine
Bezugnahme auf die Verordnung Nr. 1663/95 enthält, keine Verletzung einer wesentlichen
Formvorschrift dar.
35.
Folglich ist das Vorbringen der finnischen Regierung zurückzuweisen, und die Kommission durfte
davon ausgehen, dass die Ausgaben, deren Finanzierung sie nicht mehr ablehnen konnte, diejenigen
waren, die vor dem 20. Mai 1995, also 24 Monate vor Zustellung dieses Schriftstücks, getätigt worden
waren. Infolgedessen ist das Hilfsvorbringen der Kommission hinsichtlich des nach diesem Zeitpunkt
liegenden Schriftwechsels nicht mehr zu prüfen.
36.
Nach alledem ist die Klage der Republik Finnland abzuweisen.
Kosten
37.
Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der
Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Republik Finnland beantragt hat und
diese mit ihrem einzigen Klagegrund unterlegen ist, sind der Republik Finnland die Kosten
aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Republik Finnland trägt die Kosten.
Jann
von Bahr
Edward
La Pergola
Wathelet
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 24. Januar 2002.
Der Kanzler
Der Präsident der Fünften Kammer
R. Grass
P. Jann
Verfahrenssprache: Finnisch.