Urteil des EuGH vom 20.11.2003

EuGH: verordnung, zucker, quote, öffentliche versteigerung, fusion, neuzuteilung, mitgliedstaat, kommission, regierung, markt

WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Sechste Kammer)
20. November 200
„Gemeinsame Marktorganisation für Zucker - Neuzuteilung oder Übertragung von Quoten - Auslegung der
Verordnungen des Rates (EWG) Nr. 1785/81, (EWG) Nr. 193/82 und (EG) Nr. 1260/2001 - Entscheidung der
zuständigen Stellen eines Mitgliedstaats, bei der Genehmigung einer Fusion von Zuckerunternehmen die
Quoten für die Zuckererzeugung neu zuzuteilen - Öffentliche Versteigerung - Entgeltliche Übertragung von
Quoten“
In der Rechtssache C-416/01
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Tribunal Supremo (Spanien) in dem bei diesem
anhängigen Rechtsstreit
Sociedad Cooperativa General Agropecuaria (ACOR)
gegen
Administración General del Estado
Beteiligte:
Ebro Puleva, S.A.
und
Azucareras Reunidas de Jaén, S.A.,
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 1785/81 des
Rates vom 30. Juni 1981 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker (ABl. L 177, S. 4), der
Verordnung (EWG) Nr. 193/82 des Rates vom 26. Januar 1982 zur Festlegung der Grundregeln für die
Übertragung von Quoten im Zuckersektor (ABl. L 21, S. 3) und der Verordnung (EG) Nr. 1260/2001 des Rates
vom 19. Juni 2001 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker (ABl. L 178, S. 1)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Richters V. Skouris (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten
der Sechsten Kammer, der Richter C. Gulmann, J. N. Cunha Rodrigues und J.-P. Puissochet sowie der Richterin
F. Macken,
Generalanwalt: J. Mischo,
Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler,
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- der Sociedad Cooperativa General Agropecuaria (ACOR), vertreten durch R. García-Palencia, abogado,
- der Ebro Puleva, S.A., früher Azucarera Ebro Agrícolas, S.A., vertreten durch F. Santos Carrascosa,
abogado,
- der spanischen Regierung, vertreten durch N. Díaz Abad als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Condou-Durande und S. Pardo
Quintillán als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Sociedad Cooperativa General Agropecuaria (ACOR),
vertreten durch R. García-Palencia, der Ebro Puleva, S.A., vertreten durch M. Araujo Boyd, abogado, der
Azucareras Reunidas de Jaén, S.A., vertreten durch J. Pérez-Bustamante, abogado, der spanischen
Regierung, vertreten durch N. Díaz Abad, und der Kommission, vertreten durch M. Condou-Durande und S.
Pardo Quintillán, in der Sitzung vom 26. Februar 2003,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. Mai 2003
folgendes
Urteil
1.
Das Tribunal Supremo hat mit Beschluss vom 3. Oktober 2001, beim Gerichtshof eingegangen am
22. Oktober 2001, gemäß Artikel 234 EG eine Frage nach der Auslegung der Verordnung (EWG) Nr.
1785/81 des Rates vom 30. Juni 1981 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker (ABl. L 177,
S. 4), der Verordnung (EWG) Nr. 193/82 des Rates vom 26. Januar 1982 zur Festlegung der
Grundregeln für die Übertragung von Quoten im Zuckersektor (ABl. L 21, S. 3) und der Verordnung
(EG) Nr. 1260/2001 des Rates vom 19. Juni 2001 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker
(ABl. L 178, S. 1) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2.
Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen der Sociedad Cooperativa General
Agropecuaria (im Folgenden: ACOR) und der Administración General del Estado. Als Streithelferinnen
sind dem Ausgangsrechtsstreit die Gesellschaft Ebro Puleva, S.A., früher Azucarera Ebro Agrícolas,
S.A., und die Gesellschaft Azucareras Reunidas de Jaén, S.A. (im Folgenden: AJR), beigetreten.
Rechtlicher Rahmen
3.
Aus den Akten ergibt sich, dass die einschlägige Gemeinschaftsregelung, die zu der im
Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeit in Kraft war, aus den Verordnungen Nr. 1785/81 und Nr.
193/82 bestand.
4.
Die Verordnung Nr. 1785/81 wurde seither durch die Verordnung (EG) Nr. 2038/1999 des Rates vom
13. September 1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker (ABl. L 252, S. 1) ersetzt, die
ihrerseits durch die Verordnung Nr. 1260/2001 ersetzt wurde, die derzeit in Kraft ist. Sie hat auch die
Verordnung Nr.193/82 ersetzt (vgl. Artikel 49 der Verordnung Nr. 1260/2001).
5.
Die gemeinsame Marktorganisation für Zucker schließt u. a. eine Quotenregelung ein. Die
Gemeinschaftsregelung unterscheidet zwischen zwei Arten von Quoten und drei Arten von Zucker. Bei
dem Zucker der A-Quote handelt es sich um den Zucker für den Verbrauch innerhalb der
Gemeinschaft; er kann im Gemeinsamen Markt frei vermarktet werden, und sein Absatz ist durch den
Interventionspreis garantiert. Die B-Quote ist die Zuckermenge, die über die A-Quote hinaus erzeugt
wird, ohne jedoch eine in der Verordnung vorgesehene „Höchstquote“ zu überschreiten. Zucker der
B-Quote kann ebenfalls im Gemeinsamen Markt frei vermarktet werden, jedoch ohne Garantie durch
den Interventionspreis, oder mit einer Ausfuhrerstattung in Drittländer exportiert werden. Zucker, der
über die Summe der A-Quote und der B-Quote hinausgehend erzeugt wird, wird „C-Zucker“ genannt;
er kann nur in Drittländer ausgeführt werden, ohne dass für ihn irgendeine Ausfuhrerstattung
gewährt wird.
6.
Nach Artikel 24 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1785/81 (später Artikel 27 Absatz 1 der Verordnung Nr.
2038/1999, jetzt Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1260/2001) „teilen [die Mitgliedstaaten] unter
den Bedingungen dieses Titels jedem ... niedergelassenen Zucker ... erzeugenden Unternehmen, das
... eine ... in der Verordnung (EWG) Nr. 3330/74 oder der Verordnung (EWG) Nr. 1111/77 definierte
Grundquote erhalten hat, ... eine A-Quote und eine B-Quote zu“.
7.
Zur Übertragung von Quoten heißt es in der vierzehnten Begründungserwägung der Verordnung Nr.
1785/81, dass die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, „[i]m Rahmen besonderer
gemeinschaftlicher Vorschriften und Kriterien nicht nur die Quoten auf die einzelnen ... [Erzeuger-
]Unternehmen aufzuteilen, sondern auch danach die Quoten der bestehenden Unternehmen ... zu
kürzen ... und die freigewordenen Quotenmengen anderen Unternehmen zuzuweisen“, und zwar mit
dem Ziel, „gegebenenfalls den Erfordernissen der Umstrukturierung des Zuckerrüben- und
Zuckerrohranbaus sowie der Zucker- und Isoglukoseherstellung gerecht zu werden“. Nach der
fünfzehnten Begründungserwägung müssen, „[d]a die den Unternehmen zugeteilten
Erzeugungsquoten den Erzeugern die Gemeinschaftspreise und den Absatz ihrer Erzeugung
garantieren, ... Quotenübertragungen unter Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten,
insbesondere der Zuckerrüben- und Zuckerrohrerzeuger, erfolgen“. Die vierundzwanzigste
Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2038/1999 hat den gleichen Wortlaut wie die fünfzehnte
Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1785/81. Die achtzehnte und die neunzehnte
Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1260/2001 entsprechen ihrerseits inhaltlich den beiden
oben genannten Begründungserwägungen der Verordnung Nr. 1785/81.
8.
Artikel 25 der Verordnung Nr. 1785/81 (später Artikel 30 der Verordnung Nr. 2038/1999, jetzt Artikel
12 der Verordnung Nr. 1260/2001) bestimmt:
„(1) Die Mitgliedstaaten können unter den Bedingungen dieses Artikels und unter Berücksichtigung
der Interessen aller betroffenen Parteien, insbesondere der Zuckerrüben- und Zuckerrohrerzeuger, A-
und B-Quoten von einem Unternehmen auf andere übertragen.
(2) Die Mitgliedstaaten können die A-Quote und die B-Quote jedes Zucker erzeugenden oder jedes
Isoglukose erzeugenden Unternehmens, das in ihrem Hoheitsgebiet ansässig ist, um eine
Gesamtmenge herabsetzen, die ... 10 v. H. - je nach Fall - der A-Quote oder der für jedes von ihnen
gemäß Artikel 24 festgelegten B-Quote nicht überschreitet.
...
(3) Die abgezogenen Mengen werden von den Mitgliedstaaten einem oder mehreren anderen
Unternehmen mit oder ohne Quote zugeteilt, die in demselben Gebiet im Sinne des Artikels 24 Absatz
2 ansässig sind wie die Unternehmen, denen diese Mengen abgezogen wurden.
...“
9.
Was die Behandlung der Quoten im Fall der Fusion oder der Veräußerung von Zucker erzeugenden
Unternehmen betrifft, sieht Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 193/82 (jetzt Anhang IV
Abschnitt II Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1260/2001) vor, dass „der Mitgliedstaat dem
aus der Fusion entstandenen Unternehmen eine A- und eine B-Quote zu[teilt], die jeweils der Summe
der A-Quoten und der Summe der B-Quoten entsprechen, die den zusammengeschlossenen Zucker
erzeugenden Unternehmen vor der Fusion zugeteilt worden waren“.
10.
Jedoch gilt nach Absatz 2 derselben Vorschrift (jetzt Anhang IV Abschnitt II Absatz 2 der Verordnung
Nr. 1260/2001):
„Bekundet ein Teil der von einer der in Absatz 1 genannten Transaktionen unmittelbar betroffenen
Zuckerrüben- oder Zuckerrohrerzeuger ausdrücklich die Absicht, ihre Zuckerrüben oder ihr
Zuckerrohr an ein Zucker erzeugendes Unternehmen zu liefern, das an diesen Transaktionen nicht
beteiligt ist, so kann der Mitgliedstaat die Zuteilung nach Maßgabe der Produktionsmengen
vornehmen, die von dem Unternehmen, an das sie ihre Zuckerrüben oder ihr Zuckerrohr liefern
wollen, übernommen werden.“
11.
Artikel 4 der Verordnung Nr. 193/82 (jetzt Anhang IV Abschnitt IV der Verordnung Nr. 1260/2001)
bestimmt schließlich:
„Die aufgrund der Artikel 2 und 3 getroffenen Maßnahmen sind ... nur zulässig:
a) wenn die Interessen aller betroffenen Parteien berücksichtigt werden und
b) wenn der betreffende Mitgliedstaat die Maßnahmen für geeignet hält, die Struktur des
Zuckerrüben- oder Zuckerrohranbaus und der Zuckerherstellung zu verbessern,
und
c) wenn sie Unternehmen eines selben Gebiets im Sinne des Artikels 24 Absatz 2 der Verordnung
(EWG) Nr. 1785/81 betreffen.“
12.
Das spanische Gesetz Nr. 16/1989 vom 17. Juli 1989 zum Schutz des Wettbewerbs (BOE Nr. 170 vom
18. Juli 1989, S. 22747) regelt u. a. die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen. Auf der
Grundlage dieses Gesetzes wurde am 25. September 1998 der im Ausgangsverfahren angefochtene
Rechtsakt erlassen, durch den der spanische Ministerrat die Fusion zwischen den Gesellschaften Ebro
Agrícolas, Compañía de Alimentación, S.A., und Sociedad General Azucarera de España, S.A.,
genehmigte.
Der Sachverhalt und die Vorlagefrage
13.
Zu der im Ausgangsrechtsstreit maßgeblichen Zeit waren in Spanien vier Zucker erzeugende
Unternehmen tätig, unter denen die diesem Mitgliedstaat für die Zuckererzeugung zugeteilte
Höchstquote, nämlich 1 000 000 Tonnen (t) Zucker, wovon 960 000 t auf die A-Quote und 40 000 t
auf die B-Quote entfielen, aufgeteilt wurde. Diese Aufteilung stellte sich wie folgt dar:
- Ebro Agrícolas, Compañía de Alimentación, S.A., das eine der fusionierten Unternehmen: 540 786
t; dieses Unternehmen hatte (von den 19 in Spanien tätigen industriellen
Zuckerverarbeitungsbetrieben) zehn Zuckerfabriken;
- Sociedad General Azucarera de España, S.A., das andere fusionierte Unternehmen: 241 688 t;
dieses Unternehmen besaß fünf Betriebe zur Verarbeitung von Zuckerrüben und eine Fabrik zur
Verarbeitung von Zuckerrohr;
- ACOR: 147 794 t; dieses Unternehmen besaß zwei Fabriken im Norden;
- ARJ: 69 732 t (davon 66 900 t als A-Quote und 2 832 t als B-Quote); dieses Unternehmen hatte nur
eine Fabrik im Süden.
14.
Am 25. September 1998 billigte der spanische Ministerrat nach dem Gesetz Nr. 16/89 die Fusion
zwischen den Gesellschaften Ebro Agrícolas, Compañía de Alimentación, S.A., und Sociedad General
Azucarera de España. Diese Fusion erlaubte es der neuen Gesellschaft „Azucarera Ebro Agricolas,
S.A.“ (im Folgenden: Ebro), 78,23 % der spanischen A- und B-Zuckerquoten zu kontrollieren,
gegenüber 14,77 %, die von ACOR, und 6,97 %, die von AJR kontrolliert wurden. Beim Kauf inländischer
A- und B-Zuckerrüben würde die neue Gesellschaft 75,21 % im Norden kontrollieren, wo ihr
Wettbewerber ACOR nur 24,79 % kontrollieren würde, 88,36 % im Süden, wo ihr Wettbewerber ARJ
11,64 % kontrollieren würde, und 50,08 % im Zentrum, wo ihr Wettbewerber ARJ 49,92 % kontrollieren
würde.
15.
Aus Gründen des Schutzes eines effektiven Wettbewerbs auf dem Zuckermarkt unterwarf die
spanische Regierung indessen diese Fusion der Beachtung bestimmter Auflagen. Nach der ersten
Auflage musste Ebro „einen Plan für eine industrielle Umstrukturierung mit konkreten Zielen und
Zeitplänen erstellen und den Ministerien für Wirtschaft und Finanzen sowie für Landwirtschaft,
Fischerei und Ernährung bis zum 1. September 1999 zur Genehmigung vorlegen“. Die zweite dieser
Auflagen sieht vor, dass „zur Verbesserung der Wettbewerbsmöglichkeiten auf dem Markt ... das
Ministerium für Landwirtschaft, Fischerei und Ernährung zu gegebener Zeit gemäß der Verordnung
(EWG) Nr. 1785/81 des Rates bis zu 30 000 t der spanischen Quote für die Erzeugung von Zucker auf
in spanischem Hoheitsgebiet ansässige Unternehmen gegen ein Entgelt neu zuteilen [wird]. Damit
diese Neuzuteilung der Quote durch Marktmechanismen bestimmt wird, werden der Preis der zu
übertragenden Quote und deren Aufteilung im Wege einer öffentlichen Versteigerung von bis zu 30
000 t der Quoten festgelegt“, die Ebro zugeteilt wurden. Die sechste Auflage bestimmt, dass „bei der
Neuzuteilung der Quote zu gegebener Zeit im Wege der Versteigerung ... die Regierung geeignete
Maßnahmen [ergreift], um etwaige negative Auswirkungen auf die inländischen Erzeuger von
Zuckerrüben zu vermeiden“.
16.
Aus den Akten ergibt sich, dass die Dienststellen der Kommission über die Zustimmung der
spanischen Regierung zu der Fusion informiert wurden und nach Prüfung beschlossen, ein
Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten. Die genannte zweite Auflage in Bezug auf die Übertragung
der Zuckererzeugungsquoten durch öffentliche Versteigerung war einer der Aspekte, die die
Dienststellen der Kommission prüften. Jedoch wurde das Vertragsverletzungsverfahren nicht weiter
betrieben, nachdem die spanischen Stellen sich bereit gezeigt hatten, schriftlich zu bestätigen, dass
sie für die Neuzuteilung der Quoten auf eine öffentliche Versteigerung verzichten würden. Da die
Dienststellen der Kommission indessen die genannte Bestätigung nicht erhielten, teilten sie den
spanischen Stellen mit, dass die Kommission sich das Recht vorbehalte, zeitlich unbegrenzt auf das
Vertragsverletzungsverfahren nach Artikel 226 EG zurückzugreifen, wenn beschlossen würde, die
zweite Auflage durchzusetzen.
17.
In der Zwischenzeit erhob ACOR am 1. Dezember 1998 gegen die Entscheidung des Ministerrats
vom 25. September 1998 beim Tribunal Supremo eine Klage auf dem Verwaltungsrechtsweg und
machte geltend, dass die entgeltliche - und nicht unentgeltliche - Neuzuteilung der Quoten gegen die
Gemeinschaftsregelung über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker verstoße.
18.
Das Tribunal Supremo stellt zum einen fest, zwar ergebe sich aus der in den Randnummern 8 bis 11
des vorliegenden Urteils dargestellten Gemeinschaftsregelung, dass der Mitgliedstaat, vielleicht
aufgrund des vorrangigen Zieles der Regelung des Marktes, dem die Quotenregelung diene, Quoten
übertragen könne, ohne zu fordern, dass das begünstigte Unternehmen zugunsten des
übertragenden Unternehmens eine wirtschaftliche Gegenleistung erbringe, doch folge daraus nicht,
jedenfalls nicht offensichtlich, dass die Forderung einer solchen Gegenleistung und damit die
Entgeltlichkeit der Übertragung verboten wären. Zum anderen weist das Tribunal Supremo darauf hin,
dass, wenn der Staat entscheide, die in Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 193/82
vorgesehene Regel nicht auf eine Fusion von Unternehmen anzuwenden, dies deshalb geschehe, weil
er eine andere Neuzuteilung für erforderlich halte, um die Struktur des Zuckerrübenanbaus und die
der Zuckerherstellung zu verbessern, und dass aufgrund dieses vorrangigen, mit der Neuzuteilung
verfolgten Zieles der Marktregulierung eine Bestimmung, die eine entgeltliche Übertragung anordne,
eine solche Neuzuteilung nicht verhindere oder ernsthaft behindere.
19.
Da zudem die mit der Entscheidung des Ministerrats vom 25. September 1998 geschaffenen
Auflagen noch nicht erfüllt oder durchgesetzt worden seien, bedürfe es nicht nur einer Auslegung der
Gemeinschaftsregelung, die bei Erlass dieser Entscheidung in Kraft gewesen sei, sondern auch einer
Auslegung der zur Zeit in Kraft befindlichen.
20.
In Anbetracht dieser Erwägungen hat das Tribunal Supremo beschlossen, das Verfahren
auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Wenn die zuständige Stelle eines Mitgliedstaats bei der Ausübung ihrer administrativen Kontrolle einer
Fusion von Unternehmen eine Neuverteilung der Zuckererzeugungsquoten auf die in diesem
Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen aus Gründen des Wettbewerbsschutzes für erforderlich hält,
a) verwehren es dann die Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 1785/81 des Rates vom 30. Juni
1981 und/oder die der Verordnung (EWG) Nr. 193/82 des Rates vom 26. Januar 1982 dieser Stelle, zu
bestimmen, dass die Übertragung oder die Neuzuteilung dieser Quoten entgeltlich zu erfolgen hat,
und damit das oder die Unternehmen, die die Quoten erhalten, zu einer wirtschaftlichen
Gegenleistung zu verpflichten?
b) Auch wenn diese Frage zu verneinen ist: Ist es nach diesen Bestimmungen trotzdem unzulässig,
dass der Preis der zu übertragenden Quote und deren Aufteilung im Wege einer öffentlichen
Versteigerung bestimmt werden? Stehen diese Vorschriften einem solchen Verfahren der öffentlichen
Versteigerung auch dann entgegen, wenn vorgesehen ist, die Neuzuteilung der Quoten durch ein
derartiges Verfahren durch Maßnahmen zu begleiten, durch die sich etwaige negative Auswirkungen
auf die nationalen Erzeuger von Zuckerrüben vermeiden lassen?
c) Führt das Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1260/2001 des Rates vom 19. Juni 2001 über die
gemeinsame Marktorganisation für Zucker, mit der die früheren Verordnungen geändert wurden, zu
einer anderen Auslegung der Gemeinschaftsregelung und zu anderen Antworten des Gerichtshofes?
Antwort des Gerichtshofes
21.
Da Zucker ein Erzeugnis ist, das einer gemeinsamen Marktorganisation unterliegt, ist zunächst
daran zu erinnern, dass, wenn eine Verordnung über die Errichtung einer gemeinsamen
Marktorganisation für einen bestimmten Sektor erlassen worden ist, die Mitgliedstaaten nach
ständiger Rechtsprechung verpflichtet sind, sich aller Maßnahmen zu enthalten, die von dieser
Verordnung abweichen oder sie beeinträchtigen (vgl. insbesondere Urteile vom 16. Januar 2003 in der
Rechtssache C-426/01, Hammarsten, Slg. 2003, I-781, Randnr. 28, vom 22. Mai 2003 in der
Rechtssache C-355/00, Freskot, Slg. 2003, I-5263, Randnr. 19, und vom 9. September 2003 in der
Rechtssache C-137/00, Milk Marque und National Farmers' Union, noch nicht in der amtlichen
Sammlung veröffentlicht, Randnr. 63).
22.
Es ist daher zu prüfen, ob die Bestimmungen, die die gemeinsame Marktorganisation für Zucker
regeln, es den Mitgliedstaaten erlauben, bei den Zuckerquoten Maßnahmen wie die vor dem
vorlegenden Gericht angefochtenen zu erlassen.
23.
Zu der im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeit wurde die gemeinsame Marktorganisation für
Zucker durch die Verordnung Nr. 1785/81 geregelt.
24.
Artikel 24 Absatz 1 dieser Verordnung ermächtigt die Mitgliedstaaten, unter den in der Verordnung
vorgesehenen Bedingungen jedem Zucker erzeugenden Unternehmen, das eine Grundquote erhalten
hat, eine A- und eine B-Quote zuzuteilen.
25.
Artikel 25 Absatz 1 derselben Verordnung erlaubt den Mitgliedstaaten, unter Beachtung der
Bedingungen dieses Artikels und unter Berücksichtigung der Interessen aller betroffenen Parteien,
insbesondere der Zuckerrüben- und Zuckerrohrerzeuger, A- und B-Quoten von einem Unternehmen
auf andere zu übertragen.
26.
Nach Absatz 2 dieses Artikels können die Mitgliedstaaten insoweit die A-Quote und die B-Quote
jedes Zucker erzeugenden Unternehmens, das in ihrem Hoheitsgebiet ansässig ist, um eine
Gesamtmenge herabsetzen, die 10 % - je nach Fall - der für jedes von ihnen gemäß Artikel 24 der
genannten Verordnung festgelegten A-Quote oder B-Quote nicht überschreitet.
27.
Nach Artikel 25 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1785/81 werden die abgezogenen Mengen der A- und
der B-Quoten von den Mitgliedstaaten einem oder mehreren anderen in ihrem Hoheitsgebiet
ansässigen Unternehmen zugeteilt.
28.
Aus der vierzehnten Begründungserwägung dieser Verordnung ergibt sich, dass den
Mitgliedstaaten die Möglichkeit, die Quoten der bestehenden Unternehmen zu kürzen und die
freigewordenen Quotenmengen anderen Unternehmen zuzuweisen, eingeräumt worden ist, „um ...
gegebenenfalls den Erfordernissen der Umstrukturierung des Zuckerrüben- und Zuckerrohranbaus
sowie der Zucker- und Isoglukoseherstellung gerecht zu werden“.
29.
Artikel 25 Absatz 4 der genannten Verordnung sieht vor, dass der Rat die Grundregeln zur
Änderung der Quoten insbesondere im Fall der Fusion oder Veräußerung von Unternehmen festlegt.
Derartige Regeln sind mit der Verordnung Nr. 193/82 erlassen worden.
30.
Nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a dieser letztgenannten Verordnung teilt der Mitgliedstaat dem
aus der Fusion entstandenen Unternehmen eine A- und eine B-Quote zu, die jeweils der Summe der A-
Quoten und der Summe der B-Quoten entsprechen, die den zusammengeschlossenen Zucker
erzeugenden Unternehmen vor der Fusion zugeteilt worden waren.
31.
Absatz 2 dieses Artikels sieht jedoch vor, dass, wenn ein Teil der von einer solchen Fusion
unmittelbar betroffenen Zuckerrüben- oder Zuckerrohrerzeuger ausdrücklich die Absicht bekundet,
ihre Zuckerrüben oder ihr Zuckerrohr an ein Zucker erzeugendes Unternehmen zu liefern, das an
dieser Fusion nicht beteiligt ist, der Mitgliedstaat die Zuteilung der A- und B-Quoten an das aus der
Fusion entstandene Unternehmen nach Maßgabe der Produktionsmengen vornehmen kann, die von
dem Unternehmen, an das sie ihre Zuckerrüben oder ihr Zuckerrohr liefern wollen, übernommen
werden.
32.
Schließlich bestimmt Artikel 4 der Verordnung, dass die so getroffenen Maßnahmen nur zulässig
sind, wenn die Interessen aller betroffenen Parteien berücksichtigt werden und wenn der betreffende
Mitgliedstaat die Maßnahmen für geeignet hält, die Struktur des Zuckerrüben- oder
Zuckerrohranbaus und der Zuckerherstellung zu verbessern, und wenn sie Unternehmen betreffen,
die im Hoheitsgebiet dieses Staates ansässig sind.
33.
Der Gerichtshof hat im Urteil vom 11. August 1995 in der Rechtssache C-1/94 (Cavarzere Produzioni
Industriali u. a., Slg. 1995, I-2363, Randnr. 34) entschieden, dass die Ausnutzung des den
Mitgliedstaaten durch Artikel 25 der Verordnung Nr. 1785/81 gewährten Spielraums und eine im
Anschluss an eine Veräußerung von Unternehmen oder Fabriken erfolgende Änderung der Quoten
gemäß Artikel 2 der Verordnung Nr. 193/82 nebeneinander möglich sind, wenn die Voraussetzungen
für die Anwendung jeder dieser Bestimmungen beachtet werden.
34.
Diese Feststellung gilt auch im Fall der Fusion von Unternehmen.
35.
Daher ergibt sich aus Artikel 25 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 1785/81 und den Artikeln 2
Absatz 1 Buchstabe a und 4 der Verordnung Nr. 193/82, dass es einem Mitgliedstaat im Fall der
Fusion von Zucker erzeugenden Unternehmen gestattet ist, einen Teil der Quoten des aus der Fusion
entstandenen Unternehmens den in seinem Hoheitsgebiet ansässigen Zuckerunternehmen neu
zuzuteilen, vorausgesetzt, dass dieser Teil 10 % der A-Quote oder der B-Quote dieses Unternehmens
nicht überschreitet, dass die Interessen aller betroffenen Parteien, insbesondere die der
Zuckerrüben- und Zuckerrohrerzeuger, berücksichtigt werden und dass diese Neuzuteilung die
Struktur des Zuckerrüben- oder Zuckerrohranbaus und der Zuckerherstellung infolge der
durchgeführten Fusion verbessert.
36.
Die Kommission macht geltend, dass die Zuständigkeit, die Zuteilung der Erzeugungsquoten zu
ändern, den Mitgliedstaaten durch Artikel 25 der Verordnung Nr. 1785/81 übertragen worden sei, um
den Erfordernissen der Umstrukturierung des Zuckerrübenanbaus sowie der Zuckerherstellung
gerecht zu werden, und dass es folglich den Mitgliedstaaten nicht gestattet sei, von dieser ihnen
übertragenen Zuständigkeit zu einem anderen als zu dem mit dieser Bestimmung verfolgten Zweck
Gebrauch zu machen. Im Ausgangsverfahren hätten nun die spanischen Stellen die Möglichkeit, die
Zuteilung der dem aus der Fusion hervorgegangenen Unternehmen gewährten Quoten zu ändern,
nicht vorgesehen, um eine Umstrukturierung des Zuckerrübenanbaus und der Zuckerherstellung
vorzunehmen, sondern um den Wettbewerb auf dem spanischen Zuckermarkt aufrechtzuerhalten.
37.
Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Tatsache, dass eine Neuzuteilung der Quoten vorgenommen
wird, um den Wettbewerb auf dem nationalen Markt für Zucker aufrecht zu erhalten, nicht zwingend
bedeutet, dass dies zu einem anderen als den von den Gemeinschaftsvorschriften auf dem Gebiet der
Zuckerquoten verfolgten Zwecken geschieht.
38.
Denn bei einer gemeinsamen Marktorganisation wie der für Zucker, in der die Märkte bis ins
Einzelne reglementiert sind und auf nationaler Ebene wenig Wettbewerb herrscht, kann nicht
ausgeschlossen werden, dass Maßnahmen, die wie eine Neuzuteilung der Quoten die
Aufrechterhaltung des Wettbewerbs auf dem nationalen Markt betreffen, in Anbetracht der
Verbindungen, die zwischen den Zuckerrübenerzeugern und den Zuckerherstellern im Rahmen dieser
gemeinsamen Marktorganisation entstehen, auch dazu beitragen können, die Struktur nicht nur des
Sektors der Zuckerherstellung zu verbessern, sondern auch desjenigen des Zuckerrübenanbaus.
39.
Im vorliegenden Fall trifft es sicherlich zu, dass die Auflagen, unter denen die spanische Verwaltung
ihre Genehmigung erteilt hat und zu denen die Ausarbeitung eines Planes industrieller Umgestaltung
des aus der Fusion hervorgegangenen Unternehmens sowie die Neuzuteilung eines Teils seiner
Quoten gehören, zu dem Zweck aufgestellt wurden, den Wettbewerb auf dem nationalen Markt für
Zucker infolge der Fusion der beiden wichtigsten spanischen Erzeugerunternehmen
aufrechtzuerhalten. Jedoch ergibt sich aus dem Vorlagebeschluss, dass die spanische Verwaltung
insoweit der Auffassung war, „dass die Fusion dazu beitragen könnte, die Systeme der Erzeugung und
des Vertriebes von Zucker ... zu verbessern, wenn durch sie eine umfassende Umstrukturierung des
Sektors und eine industrielle Umgestaltung der fusionierten Unternehmen erreicht werden und die
Verbraucher und Kunden von der erhöhten Effizienz profitieren könnten“.
40.
Unter diesen Bedingungen ist ein Rechtsakt wie der im Ausgangsverfahren angefochtene nicht
deswegen zu beanstanden, weil er in Anwendung des nationalen Wettbewerbsrechts die
Genehmigung einer Fusion von Zuckerunternehmen von der Neuzuteilung eines Teils der Quoten des
aus der Fusion hervorgegangenen Unternehmens abhängig gemacht hat.
41.
Es ist weiter zu prüfen, ob ein solcher Rechtsakt deshalb zu beanstanden ist, weil danach diese
Neuzuteilung der Quoten auf entgeltlichem Wege über eine öffentliche Versteigerung erfolgen soll.
42.
Wie das nationale Gericht zu Recht in seinem Vorlagebeschluss feststellt, äußern sich weder die
Artikel 24 und 25 der Verordnung Nr. 1785/81, die jeweils die Zuteilung und die Übertragung von
Quoten betreffen, noch die anderen Bestimmungen des Titels III dieser Verordnung, der der
Quotenregelung gewidmet ist, noch die Bestimmungen der Verordnung Nr. 193/82 ausdrücklich zu der
Frage, ob eine Neuzuteilung der Quoten gegen Entgelt erfolgen darf.
43.
Im Gegensatz zu dem, was Ebro und die spanische Regierung vortragen, bedeutet das Fehlen einer
Vorschrift des Gemeinschaftsrechts zu dieser Frage nicht, dass ein Mitgliedstaat vorschreiben darf,
dass die Neuzuteilung von Quoten entgeltlich erfolgt.
44.
In Anbetracht der Detailliertheit der Gemeinschaftsregelung über die gemeinsame
Marktorganisation für Zucker einschließlich der Quotenregelung lässt sich die Auffassung vertreten,
dass der Gemeinschaftsgesetzgeber, wenn er die Absicht gehabt hätte, einen Verkauf der Quoten zu
erlauben, diese Frage explizit geregelt hätte. Artikel 24 der Verordnung Nr. 1785/81 bestimmt, dass
„[d]ie Mitgliedstaaten“ jedem Zucker erzeugenden Unternehmen eine A-Quote und eine B-Quote
„[zu]teilen“, und im Fall späterer Übertragung dieser Quoten sieht Artikel 25 Absatz 3 der Verordnung
in gleicher Weise vor, dass die abgezogenen Mengen der A- und B-Quoten von den Mitgliedstaaten
einem oder mehreren anderen Unternehmen „zugeteilt [werden]“. Der Gebrauch des Verbs „zuteilen“
legt nahe, dass es sich um eine Zuwendung ohne finanzielle Gegenleistung handelt.
45.
Diese erste Feststellung, die sich dem Wortlaut dieser Bestimmungen entnehmen lässt, findet ihre
Bestätigung in dem von der Quotenregelung verfolgten Zweck sowie in der Rechtsnatur der Quoten.
46.
Denn aus der fünfzehnten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1785/81 ergibt sich, dass
„die den Unternehmen zugeteilten Erzeugungsquoten den Erzeugern die Gemeinschaftspreise und
den Absatz ihrer Erzeugung garantieren“. Wie der Gerichtshof im Urteil vom 22. Januar 1986 in der
Rechtssache C-250/84 (Eridania, Slg. 1986, Slg. 1986, 117, Randnr. 19) festgestellt hat, ist die
Quotenregelung für die Zuckererzeugung ein wesentlicher Bestandteil der gemeinsamen
Marktorganisation in diesem Bereich, die die Erzeugung in Grenzen halten soll, indem sie sie soweit
wie möglich dem Inlandsverbrauch annähert, und die gleichzeitig die regionale Spezialisierung fördern
soll. Außerdem unterstreichen sowohl die fünfzehnte Begründungserwägung als auch Artikel 25
Absatz 1 der Verordnung Nr. 1785/81 sowie Artikel 4 der Verordnung Nr. 193/82 die Bedeutung, die
der Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten, insbesondere der Zuckerrüben- und
Zuckerrohrerzeuger, für die Umsetzung einer Übertragung von Quoten zukommt.
47.
Daraus folgt, dass die Quotenregelung im Zuckersektor einen Marktregularisierungsmechanismus
darstellt, der darauf abzielt, die Verwirklichung von Zielen zu sichern, die im Allgemeininteresse liegen.
48.
Diese Merkmale der Quotenregelung im Zuckersektor schließen es aus, dass die Quoten entgeltlich
nach den Regeln des Marktes von einem Unternehmen auf ein anderes übertragen werden können.
49.
Wie die Kommission zu Recht betont hat, würde ein solcher Verkauf, da er sich auf rein finanzielle
Erwägungen stützen würde, die im Allgemeininteresse liegenden Ziele, die die Gemeinschaftsregelung
im Zuckersektor bestimmt hat, nicht berücksichtigen und es folglich den nationalen Behörden nicht
erlauben, die Beachtung der in diesen Bestimmungen vorgesehenen Bedingungen zu sichern.
50.
Außerdem würde eine entgeltliche Übertragung den Unternehmen, die die Quoten erwerben
würden, an diesen ein Eigentumsrecht verschaffen. Das Bestehen eines solchen Rechts würde den
Spielraum antasten, über den die Mitgliedstaaten bei der Wahrnehmung der Zuständigkeit verfügen,
die ihnen die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts bei den Quoten zuweisen. Folglich wäre das
Bestehen eines solchen Eigentumsrechts geeignet, die Flexibilität zu beeinträchtigen, die einem
Marktregelungsinstrument wie den Quoten auf dem Zuckersektor eigen ist, die sich im Laufe der Zeit
in Abhängigkeit von der Marktsituation und den Erfordernissen der Gemeinsamen Agrarpolitik ändern
können.
51.
Die Feststellung, dass die Unternehmen an den ihnen zugeteilten Quoten kein Eigentumsrecht
haben, kann auch nicht durch den von Ebro angeführten Umstand in Frage gestellt werden, dass ein
Zuckerunternehmen oder eine Zuckerfabrik, die über eine Erzeugungsquote verfügen, einen höheren
Verkaufswert haben.
52.
Der in diesen Fällen gezahlte Preis entspricht nämlich dem Wert der übertragenen Aktiva, was aber
keinesfalls bedeutet, dass die Quote, die diesen Aktiva anhaftet, im Eigentum des veräußerten oder
übertragenen Unternehmens stünde. Andernfalls wäre es überflüssig, in Artikel 2 Absatz 1
Buchstaben b und c der Verordnung 193/82 die Einschaltung des Mitgliedstaats vorzusehen, um dem
erwerbenden Unternehmen die entsprechende Quote des veräußerten oder übertragenen
Unternehmens zuzuteilen.
53.
Ebro trägt vor, dass nach dem nationalen Wettbewerbsrecht, in dessen Rahmen eine Übertragung
von Quoten stattfinde, die Entflechtungsoperationen, von denen die Genehmigung eines
Zusammenschlusses oft abhängig gemacht werde, immer eine entgeltliche Übertragung dessen
beinhalteten, wovon sich die fusionierte Einheit, zumal zugunsten ihrer Wettbewerber, trennen müsse.
54.
Unabhängig davon, dass dieses Argument auf der irrigen Prämisse beruht, dass die Quoten im
Eigentum des Unternehmens stünden, dem sie zugeteilt sind, ist daran zu erinnern, dass die
Mitgliedstaaten, auch wenn sie befugt sind, ihr nationales Wettbewerbsrecht in einem Sektor
anzuwenden, der einer gemeinsamen Marktorganisation unterliegt, dennoch die Grundsätze und die
allgemeinen Regeln zu beachten haben, die für die Gemeinsame Agrarpolitik gelten, und sich jeder
Maßnahme zu enthalten haben, die von der betroffenen gemeinsamen Marktorganisation abweichen
oder diese beeinträchtigen könnte (vgl. Urteil vom 17. November 1993 in der Rechtssache C-134/92,
Mörlins, Slg. 1993, I-6017, sowie die in Randnummer 21 des vorliegenden Urteils zitierte
Rechtsprechung).
55.
Demzufolge kann die Anwendung des nationalen Wettbewerbsrechts auf eine
Zuckerquotenübertragung nicht bedeuten, dass diese Übertragung entgeltlich erfolgt.
56.
Ebro und die spanische Regierung machen ferner geltend, dass im Fall eines Zusammenschlusses
von Zucker erzeugenden Unternehmen auf Gemeinschaftsebene, nämlich dem zwischen den
Unternehmen Südzucker AG (im Folgenden: Südzucker) und Saint-Louis, die Kommission Auflagen
erteilt habe, die der entgeltlichen Übertragung durch öffentliche Versteigerung ähnlich seien, die die
spanische Regierung in dem im Ausgangsverfahren angefochtenen Rechtsakt fordere.
57.
Wie der Generalanwalt in den Nummern 77 und 78 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, betrafen
die beiden von der Kommission aufgestellten Auflagen jedoch erstens die Verpflichtung von
Südzucker, eine Beteiligung von 68 % an einem belgischen Unternehmen zu verkaufen und dafür zu
sorgen, dass die Quote bei diesem Unternehmen blieb, und zweitens die Verpflichtung von Südzucker,
einem unabhängigen Handelsunternehmen nicht eine Quote, sondern eine jährliche Menge von 90
000 t Zucker zu verkaufen, den Südzucker bereits in seinen Fabriken erzeugt hatte.
58.
Da keine dieser Auflagen eine entgeltliche Quotenübertragung darstellt oder einer solchen
gleichgestellt werden könnte, ist das von Ebro und der spanischen Regierung vorgebrachte Argument
zu verwerfen.
59.
In der mündlichen Verhandlung hat Ebro außerdem unter Bezugnahme auf das Urteil vom 17.
November 1998 in der Rechtssache C-186/96 (Demand, Slg. 1998, I-8529, Randnr. 35) vorgetragen,
dass der Gerichtshof im Rahmen der gemeinsamen Marktorganisation für Milch und Milchprodukte
zugelassen habe, dass eine Neuzuteilung von Quoten entgeltlich erfolge.
60.
Hierzu ist festzustellen - ohne dass geprüft zu werden braucht, ob die Unterschiede, die die
Quotenregelung für Milch und Milchprodukte einerseits und die für Zucker andererseits kennzeichnen,
es ungeachtet bestimmter Ähnlichkeiten erlauben, ohne weiteres die im Rahmen der erstgenannten
getroffenen Feststellungen auf die zweitgenannte zu übertragen -, dass die Randnummer 35 des
Urteils Demand einen besonderen Kontext betrifft, in dem die zusätzlichen Referenzmengen nach
ihrem Rückzug vom Markt gegen Zahlung einer Vergütung an die die Milchproduktion aufgebenden
Erzeuger anderen Erzeugern zugeteilt wurden, da der Rückzug eine höhere als die ursprünglich
vorgesehene Kürzung ergab. Die zuständigen nationalen Stellen boten sodann den Überschuss den
Erzeugern, die ihre Quote erhöhen wollten, gegen Zahlung eines Betrages in Höhe des Betrages an,
der den Milcherzeugern, die die Milchproduktion aufgegeben hatten, als Vergütung gewährt worden
war (vgl. Urteil Demand, Randnr. 21).
61.
Da keine Parallelen zwischen dieser Situation und der im Ausgangsverfahren streitigen gezogen
werden können, ist das aus dem Urteil Demand hergeleitete Argument zu verwerfen.
62.
In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist auf den ersten Teil der gestellten Frage zu
antworten, dass es, wenn die zuständige Stelle eines Mitgliedstaats bei der Ausübung ihrer
administrativen Kontrolle einer Fusion von Unternehmen aus Gründen des Wettbewerbsschutzes eine
Neuverteilung der Zuckererzeugungsquoten auf die in diesem Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen
für erforderlich hält, die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1785/81 und die der Verordnung Nr.
193/82 dieser Stelle verwehren, zu bestimmen, dass die Übertragung oder die Neuzuteilung dieser
Quoten entgeltlich zu erfolgen hat.
63.
Der zweite Teil der Frage ist für den Fall der Verneinung des ersten Teils gestellt.
64.
Daher ist in Anbetracht der auf den ersten Teil der gestellten Frage gegebenen Antwort ihr zweiter
Teil nicht zu beantworten.
65.
Aus den Randnummern 6 bis 11 des vorliegenden Urteils ergibt sich, dass der Inhalt der
einschlägigen Bestimmungen der Verordnung Nr. 1785/81 nacheinander in die Bestimmungen der
Verordnung Nr. 2038/1999 und sodann in die der Verordnung Nr. 1260/2001 übernommen worden ist.
Auch der Inhalt der einschlägigen Bestimmungen der Verordnung Nr. 193/82 ist in die Bestimmungen
der Verordnung Nr. 1260/2001, die diese ersetzt hat, übernommen worden.
66.
Unter diesen Umständen ist auf den dritten Teil der gestellten Frage zu antworten, dass das
Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1260/2001 nicht zu einer anderen Auslegung der
Gemeinschaftsregelung führt.
Kosten
67.
Die Auslagen der spanischen Regierung und der Kommission, die Erklärungen vor dem Gerichtshof
abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das
Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die
Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
auf die ihm vom Tribunal Supremo mit Beschluss vom 3. Oktober 2001 vorgelegte Frage für Recht
erkannt:
1. Wenn die zuständige Stelle eines Mitgliedstaats bei der Ausübung ihrer
administrativen Kontrolle einer Fusion von Unternehmen aus Gründen des
Wettbewerbsschutzes eine Neuverteilung der Zuckererzeugungsquoten auf die in diesem
Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen für erforderlich hält, verwehren es die
Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 1785/81 des Rates vom 30. Juni 1981 über die
gemeinsame Marktorganisation für Zucker und die der Verordnung (EWG) Nr. 193/82 des
Rates vom 26. Januar 1982 zur Festlegung der Grundregeln für die Übertragung von
Quoten im Zuckersektor dieser Stelle, zu bestimmen, dass die Übertragung oder die
Neuzuteilung dieser Quoten entgeltlich zu erfolgen hat.
2. Das Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1260/2001 des Rates vom 19. Juni 2001 über
die gemeinsame Marktorganisation für Zucker führt nicht zu einer anderen Auslegung der
Gemeinschaftsregelung.
Skouris
Gulmann
Cunha Rodrigues
Puissochet
Macken
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 20. November 2003.
Der Kanzler
Der Präsident
R. Grass
V. Skouris
Verfahrenssprache: Spanisch.