Urteil des EuGH vom 04.06.2009
EuGH: unternehmen, abstimmung, kommission, markt, verteilung der beweislast, betreiber, innerstaatliches recht, verhinderung, orange, verfälschung
WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)
4. Juni 2009)
„Vorabentscheidungsersuchen – Art. 81 Abs. 1 EG – Begriff ‚abgestimmte Verhaltensweise‘ –
Kausalzusammenhang zwischen der Abstimmung und dem Marktverhalten der Unternehmen –
Beurteilung anhand der Regeln des nationalen Rechts – Ausreichen einer einzigen Zusammenkunft
oder Erfordernis einer länger andauernden und regelmäßigen Abstimmung“
In der Rechtssache C‑8/08
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom College van Beroep
voor het bedrijfsleven (Niederlande) mit Entscheidung vom 31. Dezember 2007, beim Gerichtshof
eingegangen am 9. Januar 2008, in dem Verfahren
T‑Mobile Netherlands BV,
KPN Mobile NV,
Orange Nederland NV,
Vodafone Libertel NV
gegen
Raad van bestuur van de Nederlandse Mededingingsautoriteit
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter A. Ó Caoimh, J. N. Cunha
Rodrigues, J. Klučka (Berichterstatter) und U. Lõhmus,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. Januar 2009,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der T‑Mobile Netherlands BV, vertreten durch I. VerLoren van Themaat und V. H. Affourtit,
advocaten,
– der KPN Mobile NV, vertreten durch B. J. H. Braeken und P. Glazener, advocaten,
– der Vodafone Libertel BV, vertreten durch G. van der Klis, advocaat,
– des Raad van bestuur van de Nederlandse Mededingingsautoriteit, vertreten durch A. Prompers
als Bevollmächtigte,
– der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels, Y. de Vries und M. de Grave als
Bevollmächtigte,
– der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A. Bouquet und S. Noë als
Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 19. Februar 2009
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 81 Abs. 1 EG.
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der T‑Mobile Netherlands BV (im
Folgenden: T‑Mobile), der KPN Mobile NV (im Folgenden: KPN), der Orange Nederland NV (im
Folgenden: Orange) und der Vodafone Libertel NV (im Folgenden: Vodafone) einerseits und dem Raad
van bestuur van de Nederlandse Mededingingsautoriteit (niederländische Wettbewerbsbehörde, im
Folgenden: NMa) andererseits über Geldbußen, die die NMa gegen diese Unternehmen wegen eines
Verstoßes gegen Art. 81 EG und Art. 6 Abs. 1 des Gesetzes über den Wettbewerb (Mededingingswet)
in seiner durch das Gesetz über die Änderung des Gesetzes über den Wettbewerb (Wet houdende
wijziging van de Mededingingswet) vom 9. Dezember 2004 geänderten Fassung (im Folgenden: Mw)
verhängt hat.
I – Rechtlicher Rahmen
3 Der fünfte Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur
Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. L 1,
S. 1) lautet:
„Um für die wirksame Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften der Gemeinschaft zu sorgen und
zugleich die Achtung der grundlegenden Verteidigungsrechte zu gewährleisten, muss in dieser
Verordnung die Beweislast für die Artikel 81 und 82 des [EG-]Vertrags geregelt werden. … Diese
Verordnung berührt weder die nationalen Rechtsvorschriften über das Beweismaß noch die
Verpflichtung der Wettbewerbsbehörden und Gerichte der Mitgliedstaaten, zur Aufklärung
rechtserheblicher Sachverhalte beizutragen, sofern diese Rechtsvorschriften und Anforderungen im
Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts stehen.“
4 Art. 2 („Beweislast“) dieser Verordnung bestimmt:
„In allen einzelstaatlichen und gemeinschaftlichen Verfahren zur Anwendung der Artikel 81 und 82 des
Vertrags obliegt die Beweislast für eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 Absatz 1 oder Artikel 82 des
Vertrags der Partei oder der Behörde, die diesen Vorwurf erhebt. …“
5 Art. 3 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1/2003 sieht vor:
„(1) Wenden die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten oder einzelstaatliche Gerichte das
einzelstaatliche Wettbewerbsrecht auf Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von
Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen im Sinne des Artikels 81
Absatz 1 des Vertrags an, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten im Sinne dieser Bestimmung
beeinträchtigen können, so wenden sie auch Artikel 81 des Vertrags auf diese Vereinbarungen,
Beschlüsse und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen an. …
(2) Die Anwendung des einzelstaatlichen Wettbewerbsrechts darf nicht zum Verbot von
Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüssen von Unternehmensvereinigungen und
aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen führen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu
beeinträchtigen geeignet sind, aber den Wettbewerb im Sinne des Artikels 81 Absatz 1 des Vertrags
nicht einschränken …“
6 Unter „aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen“ werden gemäß Art. 1 Buchst. h Mw aufeinander
abgestimmte Verhaltensweisen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG verstanden.
7 Nach Art. 6 Abs. 1 Mw sind Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von
Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen von Unternehmen
verboten, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs auf dem
niederländischen Markt oder einem Teil davon bezwecken oder bewirken.
8 Gemäß Art. 88 Mw ist die NMa befugt, Art. 81 EG anzuwenden.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
9 Der Vorlageentscheidung zufolge trafen sich am 13. Juni 2001 Vertreter von Betreibern, die auf dem
niederländischen Markt Mobiltelekommunikationsdienste anbieten.
10 Zu diesem Zeitpunkt verfügten in den Niederlanden fünf Betreiber über ein eigenes Mobilfunknetz,
nämlich Ben Nederland BV (im Folgenden: Ben, jetzt T‑Mobile), KPN, Dutchtone NV (im Folgenden:
Dutchtone, jetzt Orange), Libertel-Vodafone NV (im Folgenden: Libertel-Vodafone, jetzt Vodafone) und
Telfort Mobiel BV (später O2 [Netherlands] BV, im Folgenden: O2 [Netherlands], jetzt Telfort). Die
Marktanteile der fünf Betreiber betrugen im Jahr 2001 10,6 %, 42,1 %, 9,7 %, 26,1 % und 11,4 %. Der
Aufbau eines sechsten Mobilfunknetzes war nicht möglich, da keine neuen Lizenzen erteilt wurden. Der
Marktzugang für Mobiltelekommunikationsdienste war nur durch den Abschluss einer Vereinbarung mit
einem oder mehreren der fünf Betreiber möglich.
11 Beim Angebot von Mobiltelekommunikationsdiensten wird zwischen Prepaid-Paketen und Postpaid-
Verträgen unterschieden. Prepaid-Pakete sind dadurch gekennzeichnet, dass der Kunde die
Gespräche im Voraus bezahlt. Mit dem Kauf oder dem Aufladen einer Prepaid-Karte erwirbt er ein
Guthaben an Gesprächszeit, bis zu dessen Höhe er telefonieren kann. Bei Postpaid-Verträgen werden
dem Kunden hingegen die Gesprächsminuten für einen Abrechnungszeitraum nachträglich in
Rechnung gestellt, und er entrichtet darüber hinaus eine feste Grundgebühr, in der gegebenenfalls
ein Guthaben an Gesprächsminuten enthalten ist.
12 Am 13. Juni 2001 trafen sich Vertreter von Betreibern, die auf dem niederländischen Markt
Mobiltelekommunikationsdienste anbieten. Bei diesem Treffen ging es u. a. um die Kürzung der
Standardvertragshändlervergütungen für Postpaid-Verträge am oder um den 1. September 2001. Wie
sich dem Vorlagebeschluss entnehmen lässt, kamen dabei zwischen den Teilnehmern des Treffens
vertrauliche Informationen zur Sprache.
13 Mit Bescheid vom 30. Dezember 2002 stellte die NMa fest, dass Ben, Dutchtone, KPN, O2
(Netherlands) und Libertel-Vodafone miteinander eine Vereinbarung geschlossen bzw. ihre
Verhaltensweisen aufeinander abgestimmt hätten. Da sie der Ansicht war, dass die betreffenden
Verhaltensweisen den Wettbewerb erheblich beeinträchtigten und daher gegen das Verbot des Art. 6
Abs. 1 Mw verstießen, verhängte sie Geldbußen gegen die betroffenen Unternehmen.
14 Diese legten Widerspruch gegen den Bescheid der NMa ein.
15 Mit Bescheid vom 27. September 2004 erklärte die NMa die Widersprüche von T‑Mobile, KPN, Orange,
Libertel-Vodafone und O2 (Netherlands) teilweise für begründet und stellte fest, dass die im Bescheid
vom 30. Dezember 2002 beschriebenen Verhaltensweisen neben einer Zuwiderhandlung gegen Art. 6
Mw auch eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG darstellten. Daher erhielt sie sämtliche gegen
die genannten Gesellschaften verhängten Geldbußen aufrecht, setzte allerdings deren Beträge herab.
16 T‑Mobile, KPN, Orange, Vodafone und Telfort erhoben gegen den Bescheid vom 27. September 2004
Klage bei der Rechtbank te Rotterdam. Diese hob den Bescheid mit Urteil vom 13. Juli 2006 auf und
verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an die NMa zurück.
17 T‑Mobile, KPN, Orange, Vodafone (im Folgenden: betreffende Betreiber) und die NMa legten gegen
dieses Urteil Berufung beim College van Beroep voor het bedrijfsleven ein, das zu prüfen hat, ob der
Begriff der abgestimmten Verhaltensweise im Hinblick auf die einschlägige ständige Rechtsprechung
des Gerichtshofs richtig ausgelegt wurde.
18 Das College van Beroep voor het bedrijfsleven ist der Ansicht, dass es zum einen bestimmen müsse,
ob die Mitteilung von Informationen zu den Postpaid-Verträgen beim Treffen vom 13. Juni 2001 eine
Beeinträchtigung des Wettbewerbs bezweckt habe und ob die NMa die Auswirkungen der
abgestimmten Verhaltensweise zu Recht nicht geprüft habe, und zum anderen, ob ein kausaler
Zusammenhang zwischen dieser Abstimmung und dem Marktverhalten der betreffenden Betreiber
bestehe.
19 Das vorlegende Gericht stellt zunächst klar, dass die abgestimmte Verhaltensweise, um die es im
Ausgangsverfahren gehe, weder die von den betreffenden Betreibern zu berechnenden
Verbraucherpreise noch die Vertragstarife betreffe, die sie den Endverbrauchern in Rechnung stellten.
Sie beziehe sich vielmehr auf die Vergütung, die diese Betreiber für Dienstleistungen, die ihnen die
Händler erbrächten, zu zahlen beabsichtigten. Daher könne nicht gesagt werden, dass die
abgestimmte Verhaltensweise unmittelbar bezwecke, die Preise für Postpaid-Verträge auf dem
Einzelhandelsmarkt zu bestimmen.
20 Sodann weist das College van Beroep voor het bedrijfsleven darauf hin, dass es Zweifel habe, ob die
abgestimmte Verhaltensweise der betreffenden Betreiber, die sich auf die den Händlern für den
Abschluss von Postpaid-Verträgen gewährte Vergütung beziehe, als abgestimmte Verhaltensweise
angesehen werden könne, die im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG bezwecke, den Wettbewerb zu
verhindern, einzuschränken oder zu verfälschen. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs im Bereich des
Wettbewerbs könne nämlich dahin verstanden werden, dass eine Vereinbarung oder eine Abstimmung
bezwecke, den Wettbewerb zu beschränken, wenn die Erfahrung lehre, dass der Wettbewerb durch
eine solche Vereinbarung oder Abstimmung ungeachtet der wirtschaftlichen Begleitumstände stets
oder beinahe immer verhindert, eingeschränkt oder verfälscht werde. Dies sei der Fall, wenn die
tatsächlichen schädlichen Folgen unverkennbar seien und ungeachtet der anderen Kräfte auf dem
relevanten Markt eintreten würden. Daher müssten stets die Auswirkungen einer abgestimmten
Verhaltensweise
geprüft
werden,
um
auszuschließen,
dass
ein
Verhalten
als
ein
Wettbewerbsbeschränkungen bezweckendes Verhalten angesehen werde, obwohl es ersichtlich keine
beschränkenden Auswirkungen gehabt habe.
21 Hinsichtlich des Kausalzusammenhangs zwischen der Abstimmung und dem Marktverhalten der
genannten Betreiber bezweifelt das vorlegende Gericht schließlich, dass die in den Urteilen vom 8. Juli
1999, Kommission/Anic Partecipazioni (C-49/92 P, Slg. 1999, I-4125), und Hüls/Kommission (C‑199/92 P,
Slg. 1999, I-4287), aufgestellte Vermutung greife, wonach die an der Abstimmung beteiligten und
weiterhin auf dem Markt tätigen Unternehmen die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten
Informationen vorbehaltlich des den betroffenen Unternehmen obliegenden Gegenbeweises bei der
Bestimmung ihres Marktverhaltens berücksichtigten und dies umso mehr gelte, wenn die Abstimmung
während eines langen Zeitraums regelmäßig stattfinde. Das vorlegende Gericht fragt sich, ob es nach
dem Gemeinschaftsrecht verpflichtet sei, diese Vermutung anzuwenden, obwohl das nationale Recht
abweichende Vorschriften über die Verteilung der Beweislast enthalte, und ob eine derartige
Vermutung für Fälle gelte, in denen ein einziges Treffen Grundlage der Abstimmung sei.
22 Unter diesen Umständen hat das College van Beroep voor het bedrijfsleven beschlossen, das
Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Welche Kriterien sind bei der Anwendung von Art. 81 Abs. 1 EG für die Beurteilung zu verwenden,
ob eine abgestimmte Verhaltensweise eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des
Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckt?
2. Ist Art. 81 EG dahin auszulegen, dass bei der Anwendung dieser Bestimmung durch das
nationale Gericht der Beweis des Kausalzusammenhangs zwischen Abstimmung und
Marktverhalten nach den Bestimmungen des nationalen Rechts erbracht und gewürdigt werden
muss, sofern diese Bestimmungen nicht ungünstiger als diejenigen sind, die für gleichartige
nationale Anforderungen gelten, und sie die Ausübung der vom Gemeinschaftsrecht verliehenen
Rechte in der Praxis nicht unmöglich oder äußerst schwierig machen?
3. Gilt bei der Anwendung des Begriffs aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen in Art. 81 EG die
Vermutung des Kausalzusammenhangs zwischen Abstimmung und Marktverhalten stets auch
dann, wenn die Abstimmung einmalig erfolgt ist und das Unternehmen, das sich an der
Abstimmung beteiligt, auf dem Markt tätig bleibt, oder nur in den Fällen, in denen die
Abstimmung über einen langen Zeitraum und mit einer gewissen Regelmäßigkeit stattgefunden
hat?
Zu den Vorlagefragen
23 Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass die Begriffe „Vereinbarung“, „Beschlüsse von
Unternehmensvereinigungen“ und „abgestimmte Verhaltensweise“ in subjektiver Hinsicht Formen der
Kollusion erfassen, die in ihrer Art übereinstimmen, und dass sie sich nur in ihrer Intensität und ihren
Ausdrucksformen unterscheiden (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, Randnr.
131).
24 Wie die Generalanwältin in Nr. 38 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, gelten daher die Kriterien, die
in der Rechtsprechung des Gerichtshofs für die Beurteilung entwickelt wurden, ob ein Verhalten eine
Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt, unabhängig
davon, ob es sich um eine Vereinbarung, einen Beschluss oder eine abgestimmte Verhaltensweise
handelt.
25 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits einige Kriterien
aufgestellt hat, anhand deren beurteilt werden kann, ob eine Vereinbarung, ein Beschluss oder eine
abgestimmte Verhaltensweise wettbewerbswidrig ist.
26 In Bezug auf die Definition einer abgestimmten Verhaltensweise hat er entschieden, dass es sich
dabei um eine Form der Koordinierung zwischen Unternehmen handelt, die zwar noch nicht bis zum
Abschluss eines Vertrags im eigentlichen Sinn gediehen ist, jedoch bewusst eine praktische
Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lässt (vgl. Urteile vom
16. Dezember 1975, Suiker Unie u. a./Kommission, 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73,
113/73 und 114/73, Slg. 1975, 1663, Randnr. 26, und vom 31. März 1993, Ahlström Osakeyhtiö
u. a./Kommission, C‑89/85, C‑104/85, C‑114/85, C‑116/85, C‑117/85 und C‑125/85 bis C‑129/85, Slg.
1993, I‑1307, Randnr. 63).
27 Um zu beurteilen, ob eine abgestimmte Verhaltensweise wettbewerbswidrig ist, ist auf die objektiven
Ziele, die sie zu erreichen sucht, sowie den wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang, in den
sie sich einfügt, abzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. November 1983, IAZ International
Belgium u. a./Kommission, 96/82 bis 102/82, 104/82, 105/82, 108/82 und 110/82, Slg. 1983, 3369,
Randnr. 25, und vom 20. November 2008, Beef Industry Development Society und Barry Brothers,
C‑209/07, Slg. 2008, I‑0000, Randnrn. 16 und 21). Auch wenn die Absicht der Beteiligten kein
notwendiges Element für die Feststellung ist, ob eine abgestimmte Verhaltensweise den Wettbewerb
beschränkt, ist es zudem der Kommission der Europäischen Gemeinschaften oder den
Gemeinschaftsgerichten gleichwohl nicht verwehrt, sie zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil
IAZ International Belgium u. a./Kommission, Randnrn. 23 bis 25).
28 Hinsichtlich der Abgrenzung zwischen abgestimmten Verhaltensweisen, die einen
wettbewerbswidrigen Zweck verfolgen, und solchen, die eine wettbewerbswidrige Wirkung hervorrufen,
ist daran zu erinnern, dass der wettbewerbswidrige Zweck und die wettbewerbswidrige Wirkung keine
kumulativen, sondern alternative Voraussetzungen für die Beurteilung sind, ob eine Verhaltensweise
unter das Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG fällt. Nach ständiger Rechtsprechung seit dem Urteil vom 30.
Juni 1966, LTM (56/65, Slg. 1966, 282, 303 f.), weist der durch die Konjunktion „oder“ gekennzeichnete
alternative Charakter dieser Voraussetzung darauf hin, dass zunächst der eigentliche Zweck der
abgestimmten Verhaltensweise in Betracht zu ziehen ist, wobei die wirtschaftlichen Begleitumstände
ihrer Durchführung zu berücksichtigen sind. Lässt jedoch die Prüfung des Inhalts der abgestimmten
Verhaltensweise keine hinreichende Beeinträchtigung des Wettbewerbs erkennen, so sind ihre
Auswirkungen zu untersuchen, und es müssen, damit sie vom Verbot erfasst wird, Voraussetzungen
vorliegen, aus denen sich insgesamt ergibt, dass der Wettbewerb tatsächlich spürbar verhindert,
eingeschränkt oder verfälscht worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Beef Industry Development
Society und Barry Brothers, Randnr. 15).
29 Um zu beurteilen, ob eine abgestimmte Verhaltensweise nach Art. 81 Abs. 1 EG verboten ist,
brauchen deren konkrete Auswirkungen nicht berücksichtigt zu werden, wenn sich ergibt, dass sie
eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen
Marktes bezweckt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. Juli 1966, Consten und Grundig/Kommission,
56/64 und 58/64, Slg. 1966, 322, 390, vom 21. September 2006, Nederlandse Federatieve Vereniging
voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied/Kommission, C‑105/04 P, Slg. 2006, I‑8725, Randnr.
125, und Beef Industry Development Society und Barry Brothers, Randnr. 16). Die Unterscheidung
zwischen „bezweckten Verstößen“ und „bewirkten Verstößen“ liegt darin begründet, dass bestimmte
Formen der Kollusion zwischen Unternehmen schon ihrer Natur nach als schädlich für das gute
Funktionieren des normalen Wettbewerbs angesehen werden (vgl. Urteil Beef Industry Development
Society und Barry Brothers, Randnr. 17).
30 Anders als das vorlegende Gericht meint, brauchen die Auswirkungen einer abgestimmten
Verhaltensweise daher nicht geprüft zu werden, wenn feststeht, dass sie einen wettbewerbswidrigen
Zweck verfolgt.
31 Erstens ist hinsichtlich der Beurteilung des wettbewerbswidrigen Zwecks einer abgestimmten
Verhaltensweise wie derjenigen, um die es im Ausgangsverfahren geht, daran zu erinnern, dass es –
wie die Generalanwältin in Nr. 46 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat – für einen wettbewerbswidrigen
Zweck bereits ausreicht, wenn die abgestimmte Verhaltensweise das Potenzial hat, negative
Auswirkungen auf den Wettbewerb zu entfalten. Mit anderen Worten muss die abgestimmte
Verhaltensweise lediglich konkret, unter Berücksichtigung ihres jeweiligen rechtlichen und
wirtschaftlichen Zusammenhangs, geeignet sein, zu einer Verhinderung, Einschränkung oder
Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes zu führen. Ob und in welchem
Ausmaß eine solche wettbewerbswidrige Wirkung tatsächlich eintritt, kann allenfalls für die Bemessung
der Höhe etwaiger Geldbußen und für Ansprüche auf Schadensersatz von Relevanz sein.
32 Was zweitens den Austausch von Informationen zwischen Wettbewerbern betrifft, sind die Kriterien der
Koordinierung und der Zusammenarbeit, die Voraussetzungen für aufeinander abgestimmte
Verhaltensweisen sind, im Sinne des Grundgedankens der Wettbewerbsvorschriften des EG-Vertrags
zu verstehen, wonach jeder Unternehmer selbständig zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem
Gemeinsamen Markt betreiben will (vgl. Urteile Suiker Unie u. a./Kommission, Randnr. 173, vom 14. Juli
1981, Züchner, 172/80, Slg. 1981, 2021, Randnr. 13, Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, Randnr.
63, und vom 28. Mai 1998, Deere/Kommission, C‑7/95 P, Slg. 1998, I‑3111, Randnr. 86).
33 Zwar nimmt dieses Selbständigkeitspostulat den Unternehmen nicht das Recht, sich dem
festgestellten oder erwarteten Verhalten ihrer Mitbewerber mit wachem Sinn anzupassen; es steht
jedoch streng jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen Unternehmen entgegen,
die geeignet ist, entweder das Marktverhalten eines gegenwärtigen oder potenziellen Mitbewerbers zu
beeinflussen oder einen solchen Mitbewerber über das Verhalten ins Bild zu setzen, das man selbst
auf dem betreffenden Markt an den Tag zu legen entschlossen ist oder in Erwägung zieht, wenn diese
Kontakte bezwecken oder bewirken, dass Wettbewerbsbedingungen entstehen, die im Hinblick auf die
Art der Waren oder erbrachten Dienstleistungen, die Bedeutung und Zahl der beteiligten
Unternehmen sowie den Umfang des in Betracht kommenden Marktes nicht den normalen
Bedingungen dieses Marktes entsprechen (vgl. in diesem Sinne Urteile Suiker Unie u. a./Kommission,
Randnr. 174, Züchner, Randnr. 14, und Deere/Kommission, Randnr. 87).
34 In den Randnrn. 88 ff. des Urteils Deere/Kommission hat der Gerichtshof daher entschieden, dass der
Austausch von Marktinformationen auf einem hochgradig konzentrierten oligopolistischen Markt wie
dem im Ausgangsverfahren relevanten geeignet ist, den Unternehmen Aufschluss über die
Marktpositionen und die Strategien ihrer Wettbewerber zu geben und damit den noch bestehenden
Wettbewerb zwischen den Wirtschaftsteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen.
35 Daraus folgt, dass der Austausch von Informationen zwischen Wettbewerbern gegen die
Wettbewerbsregeln verstoßen kann, wenn er den Grad der Ungewissheit über das fragliche
Marktgeschehen verringert oder beseitigt und dadurch zu einer Beschränkung des Wettbewerbs
zwischen den Unternehmen führt (vgl. Urteile Deere/Kommission, Randnr. 90, und vom 2. Oktober
2003, Thyssen Stahl/Kommission, C‑194/99 P, Slg. 2003, I‑10821, Randnr. 81).
36 Was drittens die Möglichkeit anbelangt, eine abgestimmte Verhaltensweise als Verhaltensweise
anzusehen, die einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgt, obwohl sie nicht in unmittelbarem
Zusammenhang mit den Verbraucherpreisen steht, lässt der Wortlaut des Art. 81 Abs. 1 EG nicht den
Schluss zu, dass nur abgestimmte Verhaltensweisen verboten wären, die sich unmittelbar auf die von
den Endverbrauchern zu zahlenden Preise auswirken.
37 Aus Art. 81 Abs. 1 Buchst. a EG geht im Gegenteil hervor, dass aufeinander abgestimmte
Verhaltensweisen, die in der „unmittelbare[n] oder mittelbare[n] Festsetzung der An- oder
Verkaufspreise
oder
sonstiger
Geschäftsbedingungen“
bestehen,
geeignet
sind,
einen
wettbewerbswidrigen Zweck zu verfolgen. Im Fall des Ausgangsverfahrens stellen die an die Händler zu
entrichtenden Vergütungen – wie die niederländische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen
geltend gemacht hat – hinsichtlich der Postpaid-Verträge entscheidende Gesichtspunkte für die
Festsetzung des Preises dar, der von den Endverbrauchern zu zahlen ist.
38 Jedenfalls ist, wie die Generalanwältin in Nr. 58 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, Art. 81 EG, wie
auch die übrigen Wettbewerbsregeln des Vertrags, nicht nur dazu bestimmt, die unmittelbaren
Interessen einzelner Wettbewerber oder Verbraucher zu schützen, sondern die Struktur des Marktes
und damit den Wettbewerb als solchen.
39 Anders als das vorlegende Gericht offenbar meint, setzt daher die Feststellung, dass mit einer
abgestimmten Maßnahme ein wettbewerbswidriger Zweck verfolgt wird, nicht voraus, dass ein
unmittelbarer Zusammenhang mit den Verbraucherpreisen festgestellt wird.
40 Was viertens das Argument von Vodafone betrifft, wonach die im Ausgangsverfahren in Rede
stehende abgestimmte Verhaltensweise keine Beschränkung des Wettbewerbs bezweckt haben
könne, da die Standardvertragshändlervergütungen aufgrund der Marktbedingungen ohnehin hätten
herabgesetzt werden müssen, ergibt sich zwar aus Randnr. 33 des vorliegenden Urteils, dass das
Selbständigkeitspostulat den Unternehmen nicht das Recht nimmt, sich dem festgestellten oder
erwarteten Verhalten ihrer Mitbewerber mit wachem Sinn anzupassen.
41 Wie indessen die Generalanwältin in den Nrn. 66 bis 68 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, muss
zwar nicht jedes Parallelverhalten von Wettbewerbern auf dem Markt zwangsläufig darauf
zurückzuführen sein, dass die Wettbewerber ihre Verhaltensweisen mit wettbewerbswidrigem Zweck
aufeinander abgestimmt haben, doch ist davon auszugehen, dass ein Informationsaustausch, der
geeignet ist, die Unsicherheiten unter den Beteiligten hinsichtlich des Zeitpunkts, des Ausmaßes und
der Modalitäten der von dem betreffenden Unternehmen vorzunehmenden Anpassung auszuräumen,
einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgt, und zwar auch dann, wenn die Anpassung wie im
Ausgangsverfahren eine Kürzung der Standardvertragshändlervergütung betrifft.
42 Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, im Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens zu überprüfen, ob die
Informationen, die bei dem Treffen vom 13. Juni 2001 ausgetauscht wurden, geeignet waren, derartige
Unsicherheiten auszuräumen.
43 Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist auf die erste Frage zu antworten, dass eine
abgestimmte Verhaltensweise einen wettbewerbswidrigen Zweck im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG
verfolgt, wenn sie aufgrund ihres Inhalts und Zwecks und unter Berücksichtigung ihres rechtlichen und
wirtschaftlichen Zusammenhangs konkret geeignet ist, zu einer Verhinderung, Einschränkung oder
Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes zu führen. Es ist weder
erforderlich, dass der Wettbewerb tatsächlich verhindert, eingeschränkt oder verfälscht wurde, noch,
dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen diesem abgestimmten Verhalten und den
Verbraucherpreisen besteht. Der Informationsaustausch zwischen Wettbewerbern verfolgt einen
wettbewerbswidrigen Zweck, wenn er geeignet ist, Unsicherheiten hinsichtlich des von den
betreffenden Unternehmen ins Auge gefassten Verhaltens auszuräumen.
44 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob der nationale
Richter im Rahmen der Prüfung des Kausalzusammenhangs zwischen der Abstimmung und dem
Marktverhalten der an ihr beteiligten Unternehmen, der Voraussetzung für die Feststellung einer
abgestimmten Verhaltensweise im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG ist, die in der Rechtsprechung des
Gerichtshofs aufgestellte Kausalitätsvermutung anwenden muss, nach der diese Unternehmen, wenn
sie weiterhin auf dem Markt tätig sind, die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen
berücksichtigen, oder ob er hinsichtlich der Beweislast die Regeln des nationalen Rechts anwenden
darf.
45 Wie die Generalanwältin in Nr. 76 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, zielt diese Frage darauf ab, zu
klären, ob diese von den Gemeinschaftsgerichten angewandte Vermutung auch von nationalen
Behörden und Gerichten zugrunde zu legen ist, wenn diese Art. 81 Abs. 1 EG anwenden.
46 Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts muss der nationale Richter die genannte Vermutung
anwenden, wenn sie von dem in Art. 81 Abs. 1 EG enthaltenen Begriff der abgestimmten
Verhaltensweise umfasst ist. Sei sie hingegen als Verfahrensregel anzusehen, stehe es dem
nationalen Richter frei, sie nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten nicht
anzuwenden.
47 T‑Mobile, KPN und Vodafone weisen darauf hin, dass weder Art. 81 EG noch die Rechtsprechung des
Gerichtshofs Anhaltspunkte enthielten, auf die sich die Schlussfolgerung stützen ließe, die
Kausalitätsvermutung sei integraler Bestandteil des in Art. 81 Abs. 1 EG enthaltenen Begriffs der
abgestimmten Verhaltensweise. Nach ständiger Rechtsprechung sei die Bestimmung der zuständigen
Gerichte und die Ausgestaltung gerichtlicher Verfahren, die den Schutz der den Bürgern aus dem
Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollten, mangels einer einschlägigen
Gemeinschaftsregelung Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten,
wobei diese Verfahren nicht weniger günstig gestaltet sein dürften als bei entsprechenden Klagen, die
nur innerstaatliches Recht beträfen (Äquivalenzgrundsatz), und die Ausübung der durch die
Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig
erschweren dürften (Effektivitätsgrundsatz).
48 Die niederländische Regierung und die Kommission sind hingegen der Ansicht, die
Kausalitätsvermutung sei als Bestandteil des Begriffs der abgestimmten Verhaltensweise im Sinne des
Art. 81 Abs. 1 EG und nicht als von diesem Begriff unabhängige Verfahrensregel begründet worden, so
dass sie von den nationalen Gerichten zwingend zu beachten sei.
49 In diesem Zusammenhang ist zunächst daran zu erinnern, dass Art. 81 EG zum einen unmittelbare
Wirkungen in den Beziehungen zwischen Einzelnen erzeugt und unmittelbar in deren Person Rechte
entstehen lässt, die die Gerichte der Mitgliedstaaten zu wahren haben, und zum anderen eine für die
Erfüllung der Aufgaben der Europäischen Gemeinschaft unerlässliche Vorschrift darstellt, die der
öffentlichen Ordnung zuzurechnen ist und von den nationalen Gerichten von Amts wegen angewandt
werden muss (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 1. Juni 1999, Eco Swiss, C‑126/97, Slg. 1999, I‑3055,
Randnrn. 36 und 39, und vom 13. Juli 2006, Manfredi u. a., C‑295/04 bis C‑298/04, Slg. 2006, I‑6619,
Randnrn. 31 und 39).
50 Bei der Anwendung des Art. 81 EG ist somit dessen Auslegung durch den Gerichtshof für alle
nationalen Gerichte der Mitgliedstaaten zwingend.
51 In Bezug auf die vom Gerichtshof im Rahmen der Auslegung des Art. 81 Abs. 1 EG formulierte
Kausalitätsvermutung ist zunächst daran zu erinnern, dass der Gerichtshof entschieden hat, dass der
Begriff der abgestimmten Verhaltensweise, wie sich unmittelbar aus der Vorschrift selbst ergibt, über
die Abstimmung zwischen den Unternehmen hinaus ein dieser entsprechendes Marktverhalten und
einen ursächlichen Zusammenhang zwischen beiden voraussetzt. Jedoch gilt vorbehaltlich des den
betroffenen Unternehmen obliegenden Gegenbeweises die Vermutung, dass die an der Abstimmung
beteiligten und weiterhin auf dem Markt tätigen Unternehmen die mit ihren Wettbewerbern
ausgetauschten Informationen bei der Festlegung ihres Marktverhaltens berücksichtigen. Dies gilt
umso mehr, wenn die Abstimmung während eines langen Zeitraums regelmäßig stattfindet. Schließlich
hat der Gerichtshof entschieden, dass eine abgestimmte Verhaltensweise selbst dann unter Art. 81
Abs. 1 EG fällt, wenn auf dem Markt keine wettbewerbswidrigen Wirkungen eintreten (vgl. Urteil
Hüls/Kommission, Randnrn. 161 bis 163).
52 Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass sich die Kausalitätsvermutung aus Art. 81 Abs. 1 EG in
seiner Auslegung durch den Gerichtshof ergibt und daher integraler Bestandteil des anwendbaren
Gemeinschaftsrechts ist.
53 Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist auf die zweite Frage zu antworten, dass der nationale
Richter im Rahmen der Prüfung des Kausalzusammenhangs zwischen der Abstimmung und dem
Marktverhalten der an ihr beteiligten Unternehmen, der Voraussetzung für die Feststellung einer
abgestimmten Verhaltensweise im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG ist, vorbehaltlich des den betreffenden
Unternehmen obliegenden Gegenbeweises die in der Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgestellte
Kausalitätsvermutung anwenden muss, nach der diese Unternehmen, wenn sie weiterhin auf dem
Markt tätig sind, die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen berücksichtigen.
54 Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob bei der
Anwendung des in Art. 81 Abs. 1 EG genannten Begriffs der aufeinander abgestimmten
Verhaltensweisen die Vermutung des Kausalzusammenhangs zwischen Abstimmung und
Marktverhalten der beteiligten Unternehmen in allen Fällen gilt, selbst wenn die Abstimmung nur auf
einem einzigen Treffen beruht.
55 T‑Mobile, KPN und Vodafone vertreten im Wesentlichen die Auffassung, aus den oben angeführten
Urteilen Kommission/Anic Partecipazioni und Hüls/Kommission könne nicht gefolgert werden, dass die
Kausalitätsvermutung in allen Fällen gelte. Ihre Anwendung müsse sich auf Fälle beschränken, in
denen die gleichen Tatsachen und Umstände wie bei den genannten Urteilen vorlägen. Nur wenn die
Unternehmen regelmäßig in dem Bewusstsein zusammenkämen, dass bei vorangegangenen Treffen
vertrauliche Informationen ausgetauscht worden seien, könne vermutet werden, dass diese
Unternehmen ihr Marktverhalten auf der Grundlage dieser Abstimmung geregelt hätten. Darüber
hinaus sei die Annahme, ein Unternehmen werde sein Marktverhalten auf Informationen stützen, die
bei einer einzigen Zusammenkunft ausgetauscht worden seien, irrational, und zwar erst recht, wenn
mit dem Treffen wie im Fall des Ausgangsverfahrens ein rechtmäßiger Zweck verfolgt werde.
56 Demgegenüber sind die niederländische Regierung und die Kommission der Ansicht, aus der
Rechtsprechung, insbesondere aus den oben genannten Urteilen Kommission/Anic Partecipazioni und
Hüls/Kommission, gehe klar hervor, dass die Kausalitätsvermutung nicht von der Anzahl der
Zusammenkünfte abhänge, die der Abstimmung zugrunde lägen. Die Vermutung sei gerechtfertigt,
wenn die Kontakte, die stattgefunden hätten, unter Berücksichtigung ihres Zusammenhangs, ihres
Inhalts und ihrer Häufigkeit ausreichten, um zu einer Koordinierung des Marktverhaltens zu führen, das
geeignet sei, den Wettbewerb im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG zu verhindern, einzuschränken oder zu
verfälschen, und wenn die betreffenden Unternehmen darüber hinaus weiterhin auf dem Markt tätig
seien.
57 Nach Auffassung der niederländischen Regierung zeigt der Fall des Ausgangsverfahrens deutlich,
dass eine einzige Zusammenkunft für eine Abstimmung ausreiche. Zum einen habe das Treffen vom
13. Juni 2001 es den betreffenden Betreibern erlaubt, sich über die Kürzung der Vergütungen der
Händler abzustimmen. Zum anderen habe es auch ermöglicht, die Ungewissheiten darüber zu
beseitigen, welcher Betreiber seine Subscriber Acquisition Costs verringern werde, wann und in
welchem Ausmaß er dies tun werde, sowie darüber, innerhalb welcher Frist die übrigen Betreiber es
ihm gleichtun würden.
58 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass sich aus Randnr. 121 des Urteils Kommission/Anic Partecipazioni
und aus Randnr. 162 des Urteils Hüls/Kommission ergibt, dass der Gerichtshof das Eingreifen der
Vermutung lediglich an die Voraussetzung geknüpft hat, dass eine Abstimmung vorliegt und dass das
Unternehmen weiterhin auf dem Markt tätig ist. Die Hinzufügung des Satzes „Dies gilt umso mehr,
wenn die Abstimmung während eines langen Zeitraums regelmäßig stattfindet“ stützt keinesfalls die
These, die Kausalitätsvermutung sei ausschließlich auf den Fall anwendbar, dass sich die
Unternehmen regelmäßig träfen, sondern ist notwendigerweise dahin zu verstehen, dass diese
Vermutung verstärkt wird, wenn die Unternehmen ihr Verhalten regelmäßig über einen langen
Zeitraum abgestimmt haben.
59 Jede andere Auslegung liefe im Wesentlichen auf die Auffassung hinaus, ein einziger
Informationsaustausch zwischen Wettbewerbern könne in keinem Fall zu einer gegen die
Wettbewerbsregeln des Vertrags verstoßenden Abstimmung führen. Es ist jedoch nicht
ausgeschlossen, dass eine einzige Kontaktaufnahme wie diejenige, um die es im Ausgangsverfahren
geht, je nach Struktur des Marktes grundsätzlich ausreichen kann, um es den beteiligten
Unternehmen zu ermöglichen, ihr Marktverhalten abzustimmen und so eine praktische
Zusammenarbeit zu erreichen, die an die Stelle des Wettbewerbs und die mit ihm verbundenen Risiken
tritt.
60 Wie die niederländische Regierung sowie die Generalanwältin in den Nrn. 104 und 105 ihrer
Schlussanträge zu Recht ausgeführt haben, hängt es vom Gegenstand der Abstimmung und von den
jeweiligen Marktgegebenheiten ab, wie oft, in welchen Abständen und in welcher Form Wettbewerber
untereinander Kontakt aufnehmen müssen, um zu einer Abstimmung ihres Marktverhaltens zu
gelangen. Errichten die beteiligten Unternehmen ein Kartell mit einem komplexen System einer
Abstimmung im Hinblick auf eine Vielzahl von Aspekten ihres Marktverhaltens, so mag eine
regelmäßige Kontaktaufnahme über einen längeren Zeitraum hinweg notwendig sein. Ist hingegen, wie
im Fall des Ausgangsverfahrens, nur eine punktuelle Abstimmung im Hinblick auf eine einmalige
Anpassung des Marktverhaltens bezüglich eines einzigen Wettbewerbsparameters bezweckt, so kann
auch die einmalige Kontaktaufnahme unter Wettbewerbern bereits eine ausreichende Grundlage
bieten, um den von den beteiligten Unternehmen angestrebten wettbewerbswidrigen Zweck in die Tat
umzusetzen.
61 Entscheidend ist daher nicht so sehr, wie viele Treffen es zwischen den beteiligten Unternehmen
gegeben hat, sondern ob der oder die Kontakte, die stattgefunden haben, ihnen ermöglicht haben,
die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen bei der Festlegung ihres Verhaltens auf
dem jeweiligen Markt zu berücksichtigen und eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle der mit
dem Wettbewerb verbundenen Risiken treten zu lassen. Wenn nachgewiesen werden kann, dass die
beteiligten Unternehmen eine Abstimmung erzielt haben und dass sie weiterhin auf dem Markt tätig
sind, ist es gerechtfertigt, von ihnen den Beweis dafür zu verlangen, dass diese Abstimmung ihr
Marktverhalten nicht beeinflusst hat.
62 Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist auf die dritte Frage zu antworten, dass die Vermutung
des Kausalzusammenhangs zwischen der Abstimmung und dem Marktverhalten eines an ihr beteiligten
Unternehmens auch dann gilt, wenn die Abstimmung auf einem einzigen Treffen der betroffenen
Unternehmen beruht, sofern das Unternehmen auf dem jeweiligen Markt tätig bleibt.
Kosten
63 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem
vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses
Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind
nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:
1. Eine abgestimmte Verhaltensweise verfolgt einen wettbewerbswidrigen Zweck im
Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG, wenn sie aufgrund ihres Inhalts und Zwecks und unter
Berücksichtigung ihres rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhangs konkret
geeignet ist, zu einer Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des
Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes zu führen. Es ist weder
erforderlich, dass der Wettbewerb tatsächlich verhindert, eingeschränkt oder
verfälscht wurde, noch, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen diesem
abgestimmten
Verhalten
und
den
Verbraucherpreisen
besteht.
Der
Informationsaustausch
zwischen
Wettbewerbern
verfolgt
einen
wettbewerbswidrigen Zweck, wenn er geeignet ist, Unsicherheiten hinsichtlich des
von den betreffenden Unternehmen ins Auge gefassten Verhaltens auszuräumen.
2. Im Rahmen der Prüfung des Kausalzusammenhangs zwischen der Abstimmung und
dem Marktverhalten der an ihr beteiligten Unternehmen, der Voraussetzung für die
Feststellung einer abgestimmten Verhaltensweise im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG ist,
muss der nationale Richter vorbehaltlich des den betreffenden Unternehmen
obliegenden Gegenbeweises die in der Rechtsprechung des Gerichtshofs
aufgestellte Kausalitätsvermutung anwenden, nach der diese Unternehmen, wenn
sie weiterhin auf dem Markt tätig sind, die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten
Informationen berücksichtigen.
3. Sofern das an der Abstimmung beteiligte Unternehmen auf dem betroffenen Markt
tätig bleibt, gilt die Vermutung des Kausalzusammenhangs zwischen der
Abstimmung und dem Verhalten des Unternehmens auf diesem Markt auch dann,
wenn die Abstimmung auf einem einzigen Treffen der betroffenen Unternehmen
beruht.
Unterschriften
Verfahrenssprache: Niederländisch.