Urteil des EuGH vom 15.02.2007

EuGH: verordnung, einreihung, mobiltelefon, zollrechtliche tarifierung, maschine, kommission, form, anmerkung, einheit, einbau

WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)
15. Februar 2007()
„Gemeinsamer Zolltarif – Kombinierte Nomenklatur – Tarifierung – Position 8529 – Unterposition
8529 90 40 – Tastaturfolie für Mobiltelefon“
In der Rechtssache C-183/06
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Finanzgericht
München (Deutschland) mit Entscheidung vom 23. Februar 2006, beim Gerichtshof eingegangen am
13. April 2006, in dem Verfahren
RUMA GmbH
gegen
Oberfinanzdirektion Nürnberg
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten R. Schintgen sowie der Richter A. Borg Barthet
(Berichterstatter) und E. Levits,
Generalanwältin: V. Trstenjak,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der RUMA GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt M. Beer,
– der ungarischen Regierung, vertreten durch J. Fazekas als Bevollmächtigte,
– der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. Hottiaux als
Bevollmächtigte im Beistand von B. Wägenbaur, avocat,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge
über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Positionen 8529 und 8538 der
Kombinierten Nomenklatur, die sich in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23.
Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl.
L 256, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1789/2003 der Kommission vom 11. September 2003
(ABl. L 281, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: KN) finden.
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der RUMA Finanzierungs- &
Beteiligungsgesellschaft mbH (im Folgenden: RUMA) und der Oberfinanzdirektion Nürnberg (im
Folgenden: Oberfinanzdirektion) über die Tarifierung einer Tastaturfolie für ein Mobiltelefon mit
Organizerfunktion.
Rechtlicher Rahmen
3 Die durch die Verordnung Nr. 2658/87 geschaffene KN stützt sich auf das Harmonisierte System zur
Bezeichnung und Codierung der Waren (im Folgenden: HS), das vom Rat für die Zusammenarbeit auf
dem Gebiet des Zollwesens, jetzt Weltzollorganisation, ausgearbeitet und durch das am 14. Juni 1983
in Brüssel geschlossene Internationale Übereinkommen eingeführt wurde; dieses wurde im Namen der
Gemeinschaft mit dem Beschluss 87/369/EWG des Rates vom 7. April 1987 (ABl. L 198, S. 1)
genehmigt. Die KN übernimmt die aus sechs Ziffern bestehenden Positionen und Unterpositionen des
HS; lediglich die siebte und die achte Ziffer stellen Untergliederungen dar, die ihr eigen sind.
4 Die zu dem für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt anwendbare Fassung der KN ist in
Anhang I der Verordnung Nr. 1789/2003 enthalten. Teil II dieses Anhangs umfasst einen Abschnitt XVI
mit der Überschrift „Maschinen, Apparate, mechanische Geräte und elektrotechnische Waren, Teile
davon; Tonaufnahme- oder Tonwiedergabegeräte, Fernseh-Bild- und ‑Tonaufzeichnungsgeräte oder
Fernseh-Bild- und ‑Tonwiedergabegeräte, Teile und Zubehör für diese Geräte“. Dieser Abschnitt
enthält zwei Kapitel, darunter Kapitel 85 mit der Überschrift „Elektrische Maschinen, Apparate, Geräte
und andere elektrotechnische Waren, Teile davon; Tonaufnahme- oder Tonwiedergabegeräte, Bild-
und Tonaufzeichnungs- oder ‑wiedergabegeräte, für das Fernsehen, Teile und Zubehör für diese
Geräte“.
5 Kapitel 85 KN umfasst insbesondere die folgenden Positionen und Unterpositionen:
„8525 Sendegeräte für den Funksprech- oder Funktelegrafieverkehr, den Rundfunk oder das
Fernsehen,
auch
mit
eingebautem
Empfangsgerät,
Tonaufnahmegerät
oder
Tonwiedergabegerät;
Fernsehkameras;
Standbild-Videokameras
und
andere
Videokameraaufnahmegeräte; digitale Einzelbild-Videokameras:
...
8525 20 – Sendegeräte mit eingebautem Empfangsgerät:
...
8525 20 91 – – – für den zellularen Mobilfunk (Mobiltelefone)
8529 Teile, erkennbar ausschließlich oder hauptsächlich für Geräte der Positionen 8525 bis
8528 bestimmt:
...
8529 – andere:
8529 90 40 – – – Teile von Geräten der Unterpositionen 8525 10 50, 8525 20 91, 8525 20 99,
8525 40 11 und 8527 90 92“.
6 Die Position 8537 KN trägt die Überschrift „Tafeln, Felder, Konsolen, Pulte, Schränke und andere
Träger, mit mehreren Geräten der Position 8535 oder 8536 ausgerüstet, zum elektrischen Schalten
oder Steuern oder für die Stromverteilung …“
7 Die Position 8538, „Teile, erkennbar ausschließlich oder hauptsächlich für Geräte der Position 8535,
8536 oder 8537 bestimmt“, umfasst u. a. die folgenden Unterpositionen:
„…
8538 90
– andere:
...
– – andere:
8538 90 99
– – – andere“.
8 Sämtlichen Abschnitten und, innerhalb der einzelnen Abschnitte, sämtlichen Kapiteln der KN geht eine
Reihe von Anmerkungen voraus, nämlich Anmerkungen zu Abschnitten oder Anmerkungen zu Kapiteln.
Anmerkung 2 zu Abschnitt XVI der KN bestimmt u. a.:
„…
a) Teile, die sich als Waren einer Position des Kapitels 84 oder 85 (ausgenommen die Positionen
8409, 8431, 8448, 8466, 8473, 8485, 8503, 8522, 8529, 8538 und 8548) darstellen, sind dieser
Position zuzuweisen, ohne Rücksicht darauf, für welche Maschine sie bestimmt sind;
b) andere Teile sind, wenn sie erkennbar ausschließlich oder hauptsächlich für eine bestimmte
Maschine oder für mehrere in der gleichen Position … erfasste Maschinen bestimmt sind, der
Position für diese Maschine oder Maschinen oder, soweit zutreffend, der Position 8409, 8431,
8448, 8466, 8473, 8503, 8522, 8529 oder 8538 zuzuweisen …
…“
9 Die Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der KN, die in deren Teil I Titel I Buchst. A stehen,
bestimmen u. a. :
„Für die Einreihung von Waren in die Kombinierte Nomenklatur gelten folgende Grundsätze:
1. Die Überschriften der Abschnitte, Kapitel und Teilkapitel sind nur Hinweise. Maßgebend für die
Einreihung sind der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder
Kapiteln und – soweit in den Positionen oder in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder
Kapiteln nichts anderes bestimmt ist – die nachstehenden Allgemeinen Vorschriften.
3. Kommen für die Einreihung von Waren … zwei oder mehr Positionen in Betracht, so wird wie folgt
verfahren:
a) Die Position mit der genaueren Warenbezeichnung geht den Positionen mit allgemeiner
Warenbezeichnung vor. …
6. Maßgebend für die Einreihung von Waren in die Unterpositionen einer Position sind der Wortlaut
dieser Unterpositionen, die Anmerkungen zu den Unterpositionen und – sinngemäß – die
vorstehenden Allgemeinen Vorschriften. Einander vergleichbar sind dabei nur Unterpositionen
der gleichen Gliederungsstufe. Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten bei Anwendung dieser
Allgemeinen Vorschrift auch die Anmerkungen zu den Abschnitten und Kapiteln.“
10 Die Verordnung (EG) Nr. 2505/96 des Rates vom 20. Dezember 1996 zur Eröffnung und Verwaltung
autonomer Gemeinschaftszollkontingente für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse und
gewerbliche Waren (ABl. L 345 S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2243/2004 der Rates vom 22.
Dezember 2004 (ABl. L 381, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 2505/96)
umfasst in Anhang I eine laufende Nummer 09.2995, die Tastaturen betrifft und deren für das
Ausgangsverfahren erhebliche Bestandteile die folgenden sind:
Lfd. Nr.
KN-Code
TARIC-Unter­
teilung
Warenbezeichnung
09.2995
ex 8536 90 85
ex 8538 90 99
95
93
Tastaturen,
? mit einer Lage aus Siliconkautschuk
und Polycarbonat-Tastaturfeldern oder
? ganz aus Siliconkautschuk oder
Polycarbonat,
mit
bedruckten
Tastaturfeldern, zum Herstellen und
Instandsetzen von Mobiltelefonen der
Unterposition 8525 20 91
11 Die Verordnung (EG) Nr. 1578/2006 der Kommission vom 19. Oktober 2006 zur Einreihung von
bestimmten Waren in die Kombinierte Nomenklatur (ABl. L 291, S. 3) sieht in den Erwägungsgründen 1
und 3 Folgendes vor:
„(1) Um die einheitliche Anwendung der Kombinierten Nomenklatur im Anhang zu der Verordnung
(EWG) Nr. 2658/87 zu gewährleisten, sind Vorschriften für die Einreihung der im Anhang zu dieser
Verordnung aufgeführten Waren zu erlassen.
(3) In Anwendung dieser allgemeinen Vorschriften sind die in Spalte 1 der Tabelle im Anhang dieser
Verordnung genannten Waren in die in Spalte 2 angegebenen KN-Codes mit den in Spalte 3
genannten Begründungen einzureihen.“
12 Der Anhang dieser Verordnung bestimmt insbesondere Folgendes:
Warenbezeichnung
Einreihung
(KN‑Code)
Begründung
1.
Tastaturmattenmembran
(Abmessungen ca. 65 × 40 × 1
mm) aus Polykarbonat, elektrisch
nicht leitend. Die Ware weist auf
der Oberseite geformte Tasten
und auf der Unterseite nicht
leitende Kontaktstifte auf.
Die Ware weist bedruckte Tasten
auf, die einer alphanumerischen
Tastatur
entsprechen,
sowie
Ruftasten und andere typische
Merkmale von Mobiltelefonen.
8529 90 40
Einreihung
gemäß
den
Allgemeinen Vorschriften 1 und
6
für
die
Auslegung
der
Kombinierten
Nomenklatur,
Anmerkung 2 b zu Abschnitt XVI,
und dem Wortlaut der KN-Codes
8529, 8529 90 und 8529 90 40.
Die Tastaturmatte ist wegen
ihrer Konzeption, insbe sondere
der Form, sowie der Anbringung,
dem Layout und den bedruckten
Tasten dem KN-Code 8529 90
40 zuzuordnen, da es sich um
ein
Teil
handelt,
das
ausschließlich
oder
haupt
sächlich für Geräte der Position
8525 bestimmt ist.
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
13 Im August 2004 beantragte RUMA eine verbindliche Zolltarifauskunft über eine Tastaturfolie, die sie
als „Tastatur für Mobiltelefon in Form einer Schaltmatte“ bezeichnete.
14 Mit verbindlicher Zolltarifauskunft vom 28. September 2004 reihte die Oberfinanzdirektion die
betreffende Ware als „Teil, erkennbar ausschließlich für Geräte der Position 8537 bestimmt“ in
Unterposition 8538 90 99 KN ein.
15 RUMA erhob gegen diese verbindliche Zolltarifauskunft Einspruch, da die Tastaturfolie ihres
Erachtens als Teil für Waren der Position 8525 in Unterposition 8529 90 40 KN einzureihen sei.
Nachdem der Einspruch keinen Erfolg hatte, erhob RUMA Klage beim Finanzgericht München.
16 Das vorlegende Gericht beschreibt die in Rede stehenden Waren wie folgt:
„Bei der str. Ware ‚Tastatur für Mobiltelefon in Form einer Schaltmatte‘ handelt es sich nach den von
der [Zolltechnischen Prüfungs‑ und Lehranstalt] vorgelegten Datenblättern, Fotos und dem
Warenmuster um eine Tastaturmatte aus Polycarbonat. Diese Polycarbonatfolie weist auf ihrer
Oberseite ausgeformte Tasten und auf der Unterseite nicht leitende Kontaktstifte auf. Bei Tastendruck
betätigt der nicht leitende Kontaktstift einen Kontaktpunkt auf einer darunter liegenden Schaltfolie,
die nicht Gegenstand der [verbindlichen Zolltarifauskunft] ist. Die Tastaturfolie wird als Betätigungs-
und Abdeckmatte für das Tastenfeld einer Tastatur von Mobiltelefonen verwendet.“
17 Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass nach Anmerkung 2 Buchst. b zu Abschnitt XVI der KN die
in Rede stehende Ware nicht danach einzureihen sei, für welche der in Abschnitt XVI aufgeführten
Maschinen sie letztlich bestimmt ist, sondern danach, für welche dieser Maschinen sie unmittelbar
bestimmt ist. Die unmittelbare Bestimmung der Tastaturfolie sei die Vervollständigung einer Tastatur
im Sinne von Position 8537, so dass die in Rede stehende Ware in Position 8538 KN einzureihen sei.
18 Eine solche Einreihung werde durch die Verordnung Nr. 2243/2004 betätigt, wonach unter der
laufenden Nummer 09.2995 „Tastaturen, … ganz … aus Polycarbonat, mit bedruckten Tastaturfeldern,
zum Herstellen oder Instandsetzen von Mobiltelefonen“ in Position 8538 KN einzureihen seien.
19 Das vorlegende Gericht sieht sich jedoch insbesondere deshalb daran gehindert, die von der
Oberfinanzdirektion erteilte verbindliche Zolltarifauskunft zu bestätigen, weil der Ausschuss für die
zolltarifliche und die statistische Nomenklatur seit Jahren mit der Einreihung der in Rede stehenden
Ware befasst sei, jedoch zu keiner Entscheidung gelangt sei.
20 Unter diesen Umständen hat das Finanzgericht München das Verfahren ausgesetzt und dem
Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist die Kombinierte Nomenklatur (KN) dahin auszulegen, dass in Position 8538 Keypads, die auf der
Unterseite nicht leitende Kontaktstifte aufweisen, einzureihen sind?
Zur Vorlagefrage
21 Nach den Ausführungen von RUMA ist die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Tastaturfolie „Teil“
eines Mobiltelefons und daher als solches einzureihen. Diese Folie sei zur Bedienung eines
Mobiltelefons mit Organizerfunktion notwendig und speziell dafür angefertigt, und jede andere
Verwendung als eine solche als Teil eines Mobiltelefons sei unmöglich. Ferner habe sie auch die
Schutzfunktion, insbesondere das Eindringen von Staub in das Mobiltelefon zu verhindern.
22 Die in Rede stehende Tastatur sei daher als ausschließlich für Geräte der Position 8525 bestimmtes
Teil in Position 8529 KN einzureihen. Würde die Folie als Teil einer Tastatur in Position 8538 KN
eingereiht, so würde die Mobiltelefon‑Tastatur als eigenständiges Gerät qualifiziert, was nicht richtig
sein könne, da sie erst durch ihren Einbau in das Mobiltelefon die Funktion einer Tastatur erhalte.
23 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften macht insbesondere geltend, es ergebe sich
bereits aus dem Wortlaut der Unterposition 8529 90 40, dass diese die im Ausgangsverfahren in Rede
stehende Tastaturfolie umfasse. Entscheidend sei, dass diese Folie offensichtlich kein autonomer
Gegenstand, sondern Teil eines Mobiltelefons sei. Zum einen sei diese Folie unerlässlich, da sie
unmittelbar der Bedienung des Mobiltelefons diene. Zum anderen schütze sie dieses Gerät gegen
Feuchtigkeit und Staub und bewahre damit dessen Funktionsfähigkeit.
24 Nach dem Urteil des Gerichtshofs vom 19. Oktober 2000, Peacock (C‑339/98, Slg. 2000, I‑8947,
Randnr. 21), setze der Begriff „Teil“ voraus, dass „es ein Ganzes gibt, für dessen Funktion dieses Teil
unabdingbar ist“. Ein Mobiltelefon bilde ein solches „Ganzes“, da es sich um ein vollständiges und in
technischer Hinsicht ohne weiteres einsatzbereites Gerät handele, für dessen Funktion die
Tastaturfolie unabdingbar sei.
25 Die ungarische Regierung führt aus, dass ein Teil eines Geräts, das unter Position 8525 falle, in
Anbetracht der in den Anmerkungen zur KN und den Erläuterungen zum HS aufgeführten Grundsätze in
die Position 8529 einzureihen sei. Entsprechend den Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der
KN sei Position 8538 in Bezug auf die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Tastaturfolie
auszuschließen, da der Wortlaut der Position 8529 die betreffende Ware auf genauere Art und Weise
bezeichne, nämlich als erkennbar für Geräte der Position 8525 bestimmtes Teil.
26 Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Tastaturfolie
als Teil einer Tastatur im Sinne von Position 8537 KN in Unterposition 8538 90 99 oder als Teil eines
Mobiltelefons im Sinne der Position 8525 in Unterposition 8529 90 40 einzureihen ist.
27 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung im Interesse der
Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche
Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen ist, wie
sie im Wortlaut der Positionen der KN und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln
festgelegt sind (vgl. u. a. Urteile vom 16. September 2004, DFDS, C‑396/02, Slg. 2004, I-8439, Randnr.
27, vom 15. September 2005, Intermodal Transports, C‑495/03, Slg. 2005, I‑8151, Randnr. 47, und vom
8. Dezember 2005, Possehl Erzkontor, C‑445/04, Slg. 2005, I-10721, Randnr. 19).
28 Im vorliegenden Fall ist die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Tastaturfolie weder in den
Positionen der KN noch in den Anmerkungen zu deren Abschnitten oder Kapiteln ausdrücklich erwähnt.
29 Die Position 8529 KN, unter die nach Ansicht von RUMA die in Rede stehende Tastaturfolie fällt,
erfasst „Teile, erkennbar ausschließlich oder hauptsächlich für Geräte der Positionen 8525 bis 8528
bestimmt“, zu denen u. a. Mobiltelefone gehören. Die Position 8538, in die die Tastaturfolie nach
Ansicht der Oberfinanzdirektion einzureihen ist, betrifft „Teile, erkennbar ausschließlich oder
hauptsächlich für Geräte der Positionen 8535, 8536 oder 8537 bestimmt“, zu denen u. a. „Tafeln,
Felder, Konsolen, Pulte, Schränke und andere Träger, mit mehreren Geräten der Positionen 8535 oder
8536 ausgerüstet, zum elektrischen Schalten oder Steuern“ gehören.
30 Nach Anmerkung 2 Buchst. b zu Abschnitt XVI der KN sind „andere Teile …, wenn sie erkennbar
ausschließlich oder hauptsächlich für eine bestimmte Maschine oder für mehrere in der gleichen
Position … erfasste Maschinen bestimmt sind, der Position für diese Maschine oder, soweit zutreffend,
der Position 8409, 8431, 8448, 8466, 8473, 8503, 8522, 8529 oder 8538 zuzuweisen“.
31 Der Begriff „Teil“ setzt voraus, dass es ein Ganzes gibt, für dessen Funktion dieses Teil unabdingbar
ist (Urteile Peacock, Randnr. 21, und vom 7. Februar 2002, Turbon International, C-276/00, Slg. 2002,
I‑1389, Randnr. 30).
32 Die Verbindung der in Rede stehenden Tastaturfolie mit den anderen Elementen, die das Mobiltelefon
bilden, erlaubt es, dessen funktionelle Einheit zu gewährleisten. Eine „funktionelle Einheit“ in dem von
der Rechtsprechung definierten Sinn liegt dann vor, wenn eine Maschine oder ein Apparat aus
voneinander getrennten Bestandteilen besteht, die dazu bestimmt sind, gemeinsam eine einzige,
genau bestimmte Funktion zu erfüllen (Urteil vom 7. Oktober 1985, Telefunken, 223/84, Slg. 1985,
3335, Randnr. 29).
33 Im vorliegenden Fall dient die Folie unmittelbar der Bedienung des Mobiltelefons dadurch, dass sie es
ermöglicht, die Kontaktstifte zu betätigen und so die verschiedenen Funktionen dieses Telefons
aufzurufen. Ohne die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Tastaturfolie ist es nicht möglich, die
verschiedenen Funktionen des Telefons aufzurufen. Daher stellt sie unbestreitbar einen für die
Funktion des Mobiltelefons unerlässlichen Bestandteil dar.
34 Dagegen ist die Tastatur eines Mobiltelefons keine von dem Gerät, in das sie eingebaut ist, getrennte
funktionelle Einheit, denn sie kann weder unabhängig benutzt noch für eine andere Funktion als die
das Telefon ausmachende Gesamtheit erfüllt werden können, verwendet werden (vgl. insbesondere in
diesem Sinn Urteil Telefunken, Randnr. 31).
35 Nach der Allgemeinen Vorschrift 3 Buchst. a für die Auslegung der KN, die in Teil I Titel I Buchst. A der
KN steht und eben genau den Fall betrifft, bei dem für die Einreihung von Waren zwei oder mehr
Positionen in Betracht kommen, geht „[d]ie Position mit der genaueren Warenbezeichnung … den
Positionen mit allgemeiner Warenbezeichnung vor“. Im vorliegenden Fall ist Unterposition 8529 90 40
in Bezug auf die objektiven Merkmale und Eigenschaften der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden
Tastaturfolie und im Einzelnen unter Berücksichtigung des Umstands, dass diese Unterposition
ausdrücklich „Teile von Geräten der Unterpositionen … 8525 20 91“, d. h. Teile von Mobiltelefonen,
erwähnt, genauer als Unterposition 8538 90 99, die eine viel weitere und vielfältigere Palette von
Waren umfasst, wie ihre Überschrift in Verbindung mit derjenigen der Position 8537 andeutet.
36 Der Verwendungszweck der Ware kann auch ein objektives Tarifierungskriterium sein, sofern er der
Ware innewohnt; ob Letzteres zutrifft, muss sich anhand der objektiven Merkmale und Eigenschaften
der Ware beurteilen lassen (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 1. Juni 1995, Thyssen Haniel Logistic, C-
459/93, Slg. 1995, I‑1381, Randnr. 13).
37 Im vorliegenden Fall schließen es die Struktur der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden
Tastaturfolie, insbesondere ihre Form, die speziell einem bestimmten Mobiltelefontyp angepasst ist,
und ihre Funktionsweise aus, dass diese anders denn als Teil dieses Telefons verwendet wird. Die
Eigenschaften der Tastaturfolie sollen auch eine Abdichtung des Telefons insbesondere gegen Staub
und Feuchtigkeit bewirken.
38 Nach allem ist die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Tastaturfolie als Teil eines Mobiltelefons
der Position 8525 in Unterposition 8529 90 40 KN einzureihen.
39 Dieses Ergebnis wird nicht durch die Erwägung des vorlegenden Gerichts in Frage gestellt, dass die
Einreihung der streitigen Tastaturfolie in Position 8538 KN durch die Verordnung Nr. 2505/96 bestätigt
werde, wo unter der laufenden Nummer 09.2995 „Tastaturen, ganz aus Polycarbonat, mit bedruckten
Tastaturfeldern, zum Herstellen und Instandsetzen von Mobiltelefonen“ in Position 8538 KN eingereiht
seien, denn diese Bestimmung, die durch die Verordnung Nr. 2243/2004 in Anhang I der Verordnung
Nr. 2505/96 eingefügt wurde, war zu dem für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt nicht
anwendbar. Höchst vorsorglich ist dem noch hinzuzufügen, dass die Verordnung Nr. 1578/2006, die
nach der Verordnung Nr. 2243/2004 erlassen wurde, ausdrücklich die Einreihung von
Tastaturmattenmembranen aus Polycarbonat, elektrisch nicht leitend, die auf der Oberseite geformte
Tasten und auf der Unterseite nicht leitende Kontaktstifte aufweisen, in Unterposition 8529 90 40 KN
vorsieht.
40 Nach allem ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, dass die KN dahin auszulegen ist, dass
Tastaturmattenmembranen (Tastaturfolien) aus Polycarbonat für Mobiltelefone, die auf der Oberseite
geformte Tasten und auf der Unterseite nicht leitende Kontaktstifte aufweisen und die zum Einbau in
Mobiltelefone bestimmt sind, in Unterposition 8529 90 40 einzureihen sind.
Kosten
41 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem
vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses
Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind
nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:
Die Kombinierte Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom
23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen
Zolltarif in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1789/2003 der Kommission vom 11. September
2003 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass Tastaturmattenmembranen
(Tastaturfolien) aus Polycarbonat für Mobiltelefone, die auf der Oberseite geformte
Tasten und auf der Unterseite nicht leitende Kontaktstifte aufweisen und die zum Einbau
in Mobiltelefone bestimmt sind, in Unterposition 8529 90 40 einzureihen sind.
Unterschriften
Verfahrenssprache: Deutsch.