Urteil des EuGH vom 15.03.2001

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WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Sechste Kammer)
15. März 2001
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Qualität der Badegewässer - Mangelhafte Anwendung der
Richtlinie 76/160/EWG“
In der Rechtssache C-147/00
Kommission der Europäischen Gemeinschaften,
als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Französische Republik,
Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
wegen Feststellung, dass die Französische Republik nicht alle Maßnahmen zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen
aus der Richtlinie 76/160/EWG des Rates vom 8. Dezember 1975 über die Qualität der Badegewässer (ABl.
1976, L 31, S. 1) getroffen und dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 3, 4, 5 und 6 dieser
Richtlinie verstoßen hat, dass sie
- entgegen Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie nicht alle notwendigen Maßnahmen getroffen hat, um binnen
zehn Jahren nach ihrer Bekanntgabe sicherzustellen, dass die Qualität der Badegewässer den
Anforderungen der Richtlinie entspricht,
- entgegen Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie nicht die Probenahmen gemäß der im Anhang der Richtlinie für
alle Parameter und alle Badegewässer festgelegten Mindesthäufigkeit durchgeführt hat und
- nicht die Probenahmen für „gesamtkoliforme Bakterien“ durchgeführt hat,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Gulmann, des Richters J.-P. Puissochet, der Richterinnen F.
Macken und N. Colneric sowie des Richters J. N. Cunha Rodrigues (Berichterstatter),
Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer
Kanzler: R. Grass
aufgrund des Berichts des Berichterstatters,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. Januar 2001,
folgendes
Urteil
1.
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 17. April 2000 bei
der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 226 EG Klage erhoben auf Feststellung,
dass
- die Französische Republik nicht alle Maßnahmen zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus der
Richtlinie 76/160/EWG des Rates vom 8. Dezember 1975 über die Qualität der Badegewässer (ABl.
1976, L 31, S. 1) getroffen und dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 3, 4, 5 und 6
dieser Richtlinie verstoßen hat, dass sie
- entgegen Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie nicht alle notwendigen Maßnahmen getroffen hat, um
binnen zehn Jahren nach ihrer Bekanntgabe sicherzustellen, dass die Qualität der Badegewässer den
Anforderungen der Richtlinie entspricht,
- entgegen Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie nicht die Probenahmen gemäß der im Anhang der
Richtlinie für alle Parameter und alle Badegewässer festgelegten Mindesthäufigkeit durchgeführt hat
und
- nicht die Probenahmen für „gesamtkoliforme Bakterien“ durchgeführt hat.
Rechtlicher Rahmen
2.
Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe a der Richtlinie bestimmt:
„Im Sinne dieser Richtlinie versteht man unter:
a) .Badegewässer' die fließenden oder stehenden Binnengewässer oder Teile dieser Gewässer
sowie Meerwasser, in denen das Baden
- von den zuständigen Behörden eines jeden Mitgliedstaats ausdrücklich gestattet ist
oder
- nicht untersagt ist und in denen üblicherweise eine große Anzahl von Personen badet ...“
3.
Nach Artikel 3 Absatz 1 legen „[d]ie Mitgliedstaaten ... für alle Badegebiete oder für jedes einzelne
Badegebiet die auf Badegewässer anwendbaren Werte für die im Anhang aufgeführten Parameter
fest“. In Nummer 1 des Anhangs der Richtlinie werden neben anderen Parametern „gesamtkoliforme
Bakterien“ und in Nummer 2 „fäkalkoliforme Bakterien“ aufgeführt.
4.
Nach Artikel 3 Absatz 2 dürfen „[d]ie nach Absatz 1 festgelegten Werte ... nicht weniger streng sein
als die in Spalte I des Anhangs angegebenen Werte“.
5.
Nach Artikel 4 Absatz 1 treffen die Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen, um
sicherzustellen, dass die Qualität der Badegewässer binnen zehn Jahren nach Bekanntgabe dieser
Richtlinie den gemäß Artikel 3 festgelegten Grenzwerten entspricht. Da die Richtlinie am 10. Dezember
1975 bekannt gegeben wurde, hätten die französischen Badegewässer spätestens am 10. Dezember
1985 der Richtlinie entsprechen müssen.
6.
Artikel 5 bestimmt, bei welchen Ergebnissen der Probenanalysen die Badegewässer im Rahmen der
Anwendung des Artikels 4 als den betreffenden Parametern entsprechend angesehen werden.
7.
Nach Artikel 6 Absatz 1 führen „[d]ie zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten ... die
Probenahmen durch, deren Mindesthäufigkeit im Anhang festgelegt wird“.
8.
Nach Artikel 12 setzen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in
Kraft, um der Richtlinie binnen zwei Jahren nach ihrer Bekanntgabe nachzukommen.
9.
Artikel 13 der Richtlinie, der durch die Richtlinie 91/692/EWG des Rates vom 23. Dezember 1991 zur
Vereinheitlichung und zweckmäßigen Gestaltung der Berichte über die Durchführung bestimmter
Umweltschutzrichtlinien (ABl. L 377, S. 48) geändert wurde, sieht vor, dass die Mitgliedstaaten der
Kommission jedes Jahr und erstmals am 31. Dezember 1993 einen Bericht über die Durchführung der
Richtlinie im laufenden Jahr übermitteln. Der Bericht ist bei der Kommission vor Ablauf des
betreffenden Jahres einzureichen. Die Kommission veröffentlicht innerhalb von vier Monaten nach
Erhalt der einzelstaatlichen Berichte einen Gemeinschaftsbericht über die Durchführung der Richtlinie.
10.
Die französischen Stellen teilten der Kommission als Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie das
Dekret Nummer 91-980 vom 20. September 1991 zur Änderung des Dekrets Nummer 81-324 zur
Festlegung der Hygiene- und Sicherheitsnormen für Schwimmbäder und eingerichtete Badestellen
sowie die Verordnung vom 29. November 1991 zur Anwendung des Dekrets Nummer 91-980 vom 20.
September 1991 mit.
Sachverhalt und Vorverfahren
11.
Die französischen Stellen übermittelten der Kommission die Berichte über die Durchführung der
Richtlinie für die Jahre 1995, 1996 und 1997. Die Kommission stellte darin mehrere Mängel bei der
Durchführung der Richtlinie fest. Daher leitete sie zwei Vorverfahren ein, die sie wegen des rechtlichen
Zusammenhangs in der vorliegenden Klage verbunden hat.
12.
Im ersten Vorverfahren warf sie der Französischen Republik in einem Aufforderungsschreiben vom 5.
September 1996 sowie in einer mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 5. August 1998 (im
Folgenden: erste Stellungnahme)vor, dadurch gegen die Verpflichtungen aus der Richtlinie verstoßen
zu haben, dass sie einerseits entgegen Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie nicht alle notwendigen
Maßnahmen getroffen habe, um binnen zehn Jahren nach Bekanntgabe der Richtlinie sicherzustellen,
dass die Qualität der Badegewässer den Anforderungen der Richtlinie entspreche, und andererseits
entgegen Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie nicht die Probenahmen gemäß der im Anhang der Richtlinie
für alle Parameter und alle Badegewässer festgelegten Mindesthäufigkeit durchgeführt habe. Die
Kommission setzte der Französischen Republik eine Frist von zwei Monaten ab Zustellung der ersten
Stellungnahme, um dieser nachzukommen.
13.
Die französischen Stellen antworteten mit Schreiben vom 13. Oktober 1998, dass die Anzahl der
den Anforderungen der Richtlinie entsprechenden Badegebiete von 60 % im Jahr 1980 auf 93 % im
Jahr 1997 gestiegen sei. Sie verpflichteten sich, alle Anstrengungen zu unternehmen, damit 1999 alle
Badegebiete den in der Richtlinie zwingend vorgeschriebenen Grenzwerten entsprächen. Dieselbe
Verpflichtung übernahmen sie für die Probenahmen und die Berücksichtigung der chemischen und
physikalischen Parameter bei diesem Vorhaben.
14.
Die Kommission erhielt von den französischen Stellen keine weiteren Informationen, aus denen sie
hätte schließen können, dass diese Verpflichtung erfüllt worden wäre, und schloss daraus, dass der
Verstoß fortbestehe. Sie hat daher die vorliegende Klage erhoben.
15.
Im zweiten Vorverfahren warf die Kommission in einem Aufforderungsschreiben vom 11. November
1998 sowie in einer mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 6. August 1999 (im Folgenden:
zweite Stellungnahme) der Französischen Republik vor, entgegen den Verpflichtungen aus den
Artikeln 3, 4, 5 und 6 der Richtlinie keine Probenahmen für den Parameter „gesamtkoliforme
Bakterien“ durchgeführt zu haben. Die Kommission setzte der Französischen Republik eine Frist von
zwei Monaten ab Zustellung der zweiten Stellungnahme, um dieser nachzukommen.
16.
Die französischen Stellen antworteten mit Schreiben vom 5. Oktober 1999, sie hätten seit der
Badesaison 1995 die Messungen der gesamtkoliformen und der fäkalkoliformen Bakterien zugunsten
der Messung von Escherichia Coli nach einer genaueren, der sog. „Mikroplatten“-Methode, eingestellt,
dabei aber die Messungen der fäkalen Streptokokken fortgesetzt, womit sie dem Geist der Richtlinie
und deren Hauptziel, dem Schutz der Badenden, gerecht geworden seien.
17.
Außerdem übergaben die französischen Stellen der Kommission anlässlich einer Sitzung zur Lage
der Vorverfahren im Umweltbereich, die am 3. Februar 2000 stattfand, den Text der Rundschreiben
der Ministerin für Beschäftigung und Solidarität DGS/DE Nr. 99/311 und DGS Nr. 99/312 vom 31. Mai
1999, die mehrere Maßnahmen vorsehen, mit dem die Französische Republik ihren Verpflichtungen
aus der Richtlinie nachkommen will.
18.
Die Kommission hat es dennoch für erforderlich gehalten, das Vertragsverletzungsverfahren durch
Erhebung der vorliegenden Klage fortzusetzen.
19.
Seit Erhebung der Vertragsverletzungsklage haben die französischen Stellen das Rundschreiben
der Ministerin für Beschäftigung und Solidarität DGS/DAGPB Nr. 2000/312 vom 7. Juni 2000 erlassen,
mit dem die Französische Republik ihren Gemeinschaftsverpflichtungen nachkommen will; eine
Abschrift dieses Rundschreibens ist am 26. Juni 2000 als Anhang der Klagebeantwortung zu den Akten
gereicht worden.
Gerügte Vertragsverletzungen und Würdigung durch den Gerichtshof
20.
In ihrer Klage macht die Kommission drei Rügen gegen die Französische Republik geltend: erstens
die Nichteinhaltung der in der Richtlinie zwingend vorgeschriebenen Grenzwerte, zweitens die
ungenügende Häufigkeit von Probenahmen und drittens die Aufgabe des Parameters
„gesamtkoliforme Bakterien“.
21.
Die Kommission trägt vor, eine eingehende Prüfung des Berichts der französischen Stellen über die
Qualität der Badegewässer in Frankreich im Jahre 1995 habe ergeben, dass diese Qualität für jenes
Jahr nicht den in Spalte I des Anhangs der Richtlinie zwingend vorgeschriebenen Grenzwerten im Sinne
von Artikel 5 der Richtlinie entsprochen habe. Außerdem bestätigten die Berichte der französischen
Stellen über die Qualität der Badegewässer für die Jahre 1996 und 1997, dass dieser Zustand
angedauert habe. Da die Richtlinie den Mitgliedstaaten die eindeutige und unbedingte
Zielverpflichtung auferlege, die Einhaltung der zwingend vorgeschriebenen Grenzwerte sicherzustellen,
habe die Französische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie verstoßen.
22.
Die französische Regierung bestreitet nicht, dass bestimmte Badegebiete während der Jahre 1995,
1996 und 1997 nicht den in der Richtlinie zwingend vorgeschriebenen Grenzwerten entsprochen
hätten. Jedoch zeuge der Grad der Nichteinhaltung, den die Kommission in ihrem
Zusammenfassenden Bericht für 1998 (Europäische Kommission, Qualität der Badegewässer
[Badesaison 1998], EUR 18831, Mai 1999, S. 137 f) festgestellt habe, von einer progressiven
Verbesserung der Frankreich betreffenden Daten. Diese Daten könnten sich kurzfristig noch
wesentlich verbessern; die zu diesem Zweck seit dem 31. Mai 1999 ergriffenen Maßnahmen - die in
der Badesaison 1999 umgesetzt werden könnten - erlaubten eine solche Verbesserung auch
tatsächlich. Dem Rundschreiben DGS/DE Nr. 99/311 vom 31. Mai 1999 sei ein Anhang beigefügt, in
dem mehrere Maßnahmen vorgesehen seien, die sicherstellen sollten, dass die Französische Republik
ihren Gemeinschaftsverpflichtungen gerecht werde; auch bewirke das Rundschreiben DGS Nr. 99/312
vom selben Tag häufigere Probenahmen, die für sich allein bereits zu einer besseren Entsprechung
der französischen Badegewässer mit den Qualitätsstandards der Richtlinie beitrügen.
Außerdemverlängere das Rundschreiben DGS/DAGPB Nr. 2000/312 vom 7. Juni 2000 diese Maßnahmen
bis zum Ende der Saison 2000.
23.
Folglich sei es nicht sicher, dass die von der Kommission mit ihrer ersten Rüge vorgeworfene
Vertragsverletzung im Verfallszeitpunkt der ersten Stellungnahme noch angedauert habe. Daher regt
die französische Regierung an, festzustellen, dass die Kommission nicht bewiesen habe, dass die für
die Jahre 1995 bis 1997 festgestellte Vertragsverletzung über den Ablauf der in der ersten
Stellungnahme gesetzten Frist hinaus angedauert habe.
24.
Die Kommission erwidert, die Rundschreiben DGS/DE Nr. 99/311 und DGS Nr. 99/312 enthielten nur
einen Hinweis auf die ergriffenen Maßnahmen, bewiesen aber nicht die Einhaltung der in der Richtlinie
zwingend vorgeschriebenen Grenzwerte. Außerdem hätten die französischen Behörden entgegen
Artikel 13 der geänderten Richtlinie keine Daten über die Qualität ihrer Badegewässer für 1999
vorgelegt.
25.
Die französische Regierung hält dem entgegen, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes sei es
Sache der Kommission, das Vorliegen der behaupteten Vertragsverletzung zu beweisen, ohne dass sie
sich dabei auf Vermutungen stützen könne. Die Daten für die Jahre 1999 und 2000 seien noch nicht
vorgelegt worden, was einen Verstoß gegen Artikel 13 der geänderten Richtlinie darstelle, doch gehe
es um diesen Verstoß in der vorliegenden Rechtssache nicht, die nur die Artikel 3, 4, 5 und 6 der
Richtlinie berühre. Da diese Rüge im Vorverfahren nicht erhoben worden sei, könne die Kommission
sie nicht in diesem Verfahrensstadium einführen.
26.
Nach ständiger Rechtsprechung ist das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Lage zu
beurteilen, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen
Stellungnahme gesetzt wurde; später eingetretene Veränderungen können vom Gerichtshof nicht
berücksichtigt werden (vgl. u. a. Urteil vom 30. November 2000 in der Rechtssache C-384/99,
Kommission/Belgien, Slg. 2000, I-10633, Randnr. 16).
27.
Im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Artikel 226 EG ist es ebenfalls nach ständiger
Rechtsprechung Sache der Kommission, das Vorliegen der behaupteten Vertragsverletzung
nachzuweisen, wobei sie sich nicht auf Vermutungen stützen kann (vgl. Urteil vom 16. November 2000
in der Rechtssache C-214/98, Kommission/Griechenland, Slg. 2000, I-9601, Randnr. 42).
28.
Im vorliegenden Fall wurde der Französischen Republik in der ersten Stellungnahme, auf der die
ersten beiden Rügen beruhen, eine Frist von zwei Monaten ab ihrer Zustellung gesetzt, um dieser
Stellungnahme nachzukommen. Da die Zustellung am 5. August 1998 erfolgte, ist die Frist am 5.
Oktober 1998 abgelaufen. Daher ist das Vorliegen einer Vertragsverletzung zu diesem Zeitpunkt zu
prüfen.
29.
Während der Badesaisons 1995, 1996 und 1997 haben die französischen Badegewässer unstreitig
nicht die in der Richtlinie zwingend vorgeschriebenen Grenzwerte eingehalten. Nach dem
Zusammenfassenden Bericht der Kommission für das Jahr 1998, dem die französische Regierung nicht
widersprochen hat, wurden diese Werte trotz einer gewissen Besserung auch während der
Badesaison 1998 nicht eingehalten. Nach diesem Bericht entsprachen 1998 5,5 % der Badegewässer
im Küstenbereich und 4,2 % im Binnenbereich nicht den verbindlichen Werten.
30.
Nach dem Zusammenfassenden Bericht dauert die Badesaison 1998 im französischen Mutterland in
den Küstengewässern „vom 29. April bis zum 30. September“ und in den Binnengewässern „zwei bis
drei Monate, im Allgemeinen Juli und August“. In den überseeischen Departements dauert die
Badesaison in den Küstengewässern das ganze Jahr und in den Binnengewässern „sechs bis zwölf
Monate“. Daher lag die gerügte Vertragsverletzung am 5. August 1998, dem Tag des Zugangs der
ersten Stellungnahme, vor.
31.
Im Übrigen behauptet die französische Regierung nicht, sie sei der ersten Stellungnahme innerhalb
von zwei Monaten ab ihrer Zustellung nachgekommen. Sie macht nur eine hypothetische Besserung
geltend, die darüber hinaus frühestens ab dem 31. Mai 1999, dem Tag des Erlasses der
Rundschreiben DGS/DE Nr. 99/311 und DGS Nr. 99/312, also mehrere Monate nach Ablauf der in der
ersten Stellungnahme gesetzten Frist, eingetreten sei.
32.
Daher hatte die Französische Republik am 5. Oktober 1998 die von der Kommission mit ihrer ersten
Rüge vorgeworfene Vertragsverletzung nicht abgestellt.
33.
Die Kommission trägt vor, die Anzahl der Probenahmen in mehreren Badegewässern habe in den
Jahren 1995, 1996 und 1997 trotz einer Verbesserung nicht der in der Richtlinie festgesetzten
Mindesthäufigkeit entsprochen. Außerdem habe die französische Regierung den Parameter
„gesamtkoliforme Bakterien“ aufgegeben.
34.
Die französische Regierung bestreitet nicht, dass die Häufigkeit der Probenahmen in bestimmten
Gebieten während der Jahre 1995, 1996 und 1997 nicht den Vorgaben der Richtlinie entsprochen
habe; sie weist jedoch darauf hin, dass die Anzahl der Gebiete mit zu geringerer
Probenahmehäufigkeit zwischen 1995 und 1998 beständig abgenommen habe. Außerdem müssten
die Maßnahmen nach den Rundschreiben DGS/DE Nr. 99/311 und DGS Nr. 99/312 vom 31. Mai 1999
sowie nach dem Rundschreiben DGS/DAGPB Nr. 2000/312 vom 7. Juni 2000 dazu führen, dass die
Vorgaben eingehalten würden, was für die Küstengewässer bereits bei Ablauf der in der ersten
Stellungnahme gesetzten Frist der Fall gewesen sei. Denn die Rundschreiben sähen häufigere
Probenahmen dort vor, wo diese noch zu selten durchgeführt würden, sowie eine Änderung der
Messmethode, um den Aufforderungen der Kommission Folge zu leisten.
35.
Die Kommission macht geltend, ein Hinweis auf eine hypothetische Verbesserung sei in diesem
Zusammenhang unzureichend; mangels einer Übermittlung von Daten für das Jahr 1999 durch die
französischen Behörden sei davon auszugehen, dass der Verstoß auch 1999 angedauert habe. Zwar
seien 1998 in den Küstengewässern in ausreichendem Maß Proben genommen worden, nicht aber in
4,4 % der Binnengewässer.
36.
Die französische Regierung unterstreicht wie bei der zuvor geprüften Rüge, dass die Kommission die
behauptete Vertragsverletzung beweisen müsse, ohne sich auf Vermutungen stützen zu können, und
dass sie sich nicht auf das Unterlassen einer Datenübermittlung berufen könne, da diese nicht
Gegenstand des Vorverfahrens gewesen sei.
37.
Die Kommission hat sowohl in ihrem zusammenfassenden Bericht für 1998 als auch in ihrer
Klagebeantwortung eingeräumt, dass bei den Küstengewässern 1998 in ausreichendem Maß Proben
genommen wurden. Daher bezieht sich die Rüge nur noch auf die Binnengewässer.
38.
Die französische Regierung räumt die Vertragsverletzung für die Jahre 1995, 1996 und 1997 ein.
Außerdem geht aus dem Zusammenfassenden Bericht der Kommission für 1998 hervor, dass in 4,4 %
der Badegewässer im Binnenland nicht in ausreichendem Maß Proben genommen wurden, was die
französische Regierung nicht bestreitet. Dieser Wert ist zwar besser als der für das vorangegangene
Jahr, dennoch dauerte die Vertragsverletzung bei Zugang der ersten Stellungnahme an.
39.
Im Übrigen macht die französische Regierung nicht geltend, sie sei der ersten Stellungnahme
binnen zwei Monaten nach ihrer Zustellung nachgekommen. Sie beruft sich nur auf eine
hypothetische Verbesserung, die frühestens am 31. Mai 1999 eingetreten sei, also jedenfalls nach
Ablauf der in der ersten Stellungnahme gesetzten Frist.
40.
Daher ist festzustellen, dass die Französische Republik die mit der zweiten Rüge geltend gemachte
Vertragsverletzung, nämlich die ungenügende Häufigkeit von Probenahmen in den Badegewässern im
Binnenland, am 5. Oktober 1998 nicht abgestellt hatte.
41.
Die Kommission trägt vor, in der Richtlinie sei der Parameter „gesamtkoliforme Bakterien“
aufgeführt. Daher hätten die französischen Behörden durch die Aufgabe der entsprechenden
Messungen die eindeutige Verpflichtung aus den Artikeln 3, 4, 5 und 6 der Richtlinie verletzt.
42.
Die französische Regierung räumt ein, dass sie durch die Aufgabe des Parameters
„gesamtkoliforme Bakterien“ die Vorgaben der Richtlinie nicht vollständig einhaltenkönne, macht aber
geltend, sie habe diese Vertragsverletzung durch das Rundschreiben DGS/DAGPB Nr. 2000/312 vom 7.
Juni 2000, mit dem die Messungen dieses Parameters wieder aufgenommen worden seien, abgestellt.
43.
Unstreitig haben die französischen Behörden am 6. Oktober 1999, bei Ablauf der in der zweiten
Stellungnahme gesetzten Frist, nicht den Parameter „gesamtkoliforme Bakterien“ gemessen. Daher
ist festzustellen, dass diese Vertragsverletzung vorliegt.
44.
Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist festzustellen, dass die Französische Republik dadurch
gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 3, 4, 5 und 6 der Richtlinie verstoßen hat, dass sie
- entgegen Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie nicht alle notwendigen Maßnahmen getroffen hat, um
binnen zehn Jahren nach Bekanntgabe der Richtlinie sicherzustellen, dass die Qualität der
Badegewässer den darin zwingend vorgeschriebenen Grenzwerten entspricht,
- entgegen Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie nicht die Probenahmen gemäß der im Anhang der
Richtlinie für die Badegewässer im Binnenland festgelegten Mindesthäufigkeit durchgeführt hat und
- nicht die Probenahmen für „gesamtkoliforme Bakterien“ durchgeführt hat.
Kosten
45.
Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur
Kostentragung zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Französischen Republik
beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind der Französischen Republik die
Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Französische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 3,
4, 5 und 6 der Richtlinie 76/160/EWG des Rates vom 8. Dezember 1975 über die Qualität der
Badegewässer verstoßen, dass sie
- entgegen Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie nicht alle notwendigen Maßnahmen
getroffen hat, um binnen zehn Jahren nachBekanntgabe der Richtlinie sicherzustellen,
dass die Qualität der Badegewässer den darin zwingend vorgeschriebenen Grenzwerten
entspricht,
- entgegen Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie nicht die Probenahmen gemäß der in ihrem
Anhang für die Badegewässer im Binnenland festgelegten Mindesthäufigkeit durchgeführt
hat und
- nicht die Probenahmen für „gesamtkoliforme Bakterien“ durchgeführt hat.
2. Die Französische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.
Gulmann
Puissochet
Macken
Colneric Cunha Rodrigues
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 15. März 2001.
Der Kanzler
Der Präsident der Sechsten Kammer
R. Grass
C. Gulmann
Verfahrenssprache: Französisch.