Urteil des EuGH vom 06.03.2003

EuGH: immigration, freizügigkeit der arbeitnehmer, europäischer wirtschaftsraum, soziale vergünstigung, berechtigte person, gerichtshof der europäischen gemeinschaften, staatsangehörigkeit, eea

WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES
6. März 200
„Freizügigkeit der Arbeitnehmer - Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 - Soziale Vergünstigung - Anspruch des
Ehegatten eines Wanderarbeitnehmers auf Erlaubnis zum unbefristeten Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines
Mitgliedstaats“
In der Rechtssache C-466/00
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Immigration Adjudicator (Vereinigtes Königreich) in
dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Arben Kaba
gegen
Secretary of State for the Home Department
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der allgemeinen Rechtsgrundsätze über
das Verfahren vor dem Gerichtshof sowie des Artikels 7 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des
Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257,
S. 2)
erlässt
DER GERICHTSHOF
unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, der Kammerpräsidenten J.-P. Puissochet, M.
Wathelet, R. Schintgen und C. W. A. Timmermans, der Richter D. A. O. Edward und P. Jann (Berichterstatter),
der Richterinnen F. Macken und N. Colneric sowie der Richter S. von Bahr und J. N. Cunha Rodrigues,
Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- von Herrn Kaba, vertreten durch R. Allen, QC, und T. Eicke, Barrister, beauftragt durch N. Rollason,
Solicitor,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch G. Amodeo als Bevollmächtigte im Beistand
von R. Plender, QC,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch N. Yerrell und C. Ladenburger als
Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von Herrn Kaba, vertreten durch R. Allen und T. Eicke, der
Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch G. Amodeo und R. Plender, der niederländischen
Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster als Bevollmächtigte, und der Kommission, vertreten durch M.
Shotter als Bevollmächtigten, in der Sitzung vom 16. April 2002,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. Juli 2002,
folgendes
Urteil
1.
Der Immigration Adjudicator hat mit Beschluss vom 19. Dezember 2000, beim Gerichtshof
eingegangen am 27. Dezember 2000, gemäß Artikel 234 EG zwei Fragen nach der Auslegung der
allgemeinen Rechtsgrundsätze über das Verfahren vor dem Gerichtshof sowie des Artikels 7 Absatz 2
der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der
Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2.
Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Herrn Kaba (im Folgenden: Kläger) und
dem Secretary of State for the Home Department (Innenminister) wegen dessen Weigerung, dem
Kläger eine Erlaubnis zum unbefristeten Aufenthalt im Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs zu
erteilen.
Rechtlicher Rahmen
3.
Artikel 7 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 1612/68 sieht vor:
„(1) Ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, darf aufgrund seiner
Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs-
und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos
geworden ist, im Hinblick auf berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung, nicht anders
behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer.
(2) Er genießt dort die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen
Arbeitnehmer.“
4.
Artikel 10 Absatz 1 dieser Verordnung lautet:
„Bei dem Arbeitnehmer, der die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt und im Hoheitsgebiet
eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist, dürfen folgende Personen ungeachtet ihrer
Staatsangehörigkeit Wohnung nehmen:
a) sein Ehegatte sowie die Verwandten in absteigender Linie, die noch nicht 21 Jahre alt sind oder
denen Unterhalt gewährt wird;
b) seine Verwandten und die Verwandten seines Ehegatten in aufsteigender Linie, denen er
Unterhalt gewährt.“
5.
Artikel 4 Absatz 4 der Richtlinie 68/360/EWG des Rates vom 15. Oktober 1968 zur Aufhebung der
Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten und ihre
Familienangehörigen innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 13) bestimmt:
„Einem Familienmitglied, das nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt, wird ein
Aufenthaltsdokument mit der gleichen Gültigkeit ausgestellt wie dem Arbeitnehmer, von dem es seine
Rechte herleitet.“
6.
Die einschlägigen Vorschriften des nationalen Rechts sind der Immigration Act 1971
(Einwanderungsgesetz von 1971), die Immigration (European Economic Area) Order 1994
(Einwanderungsverordnung [Europäischer Wirtschaftsraum] von 1994, im Folgenden: EEA Order) und
die United Kingdom Immigration Rules (House of Commons Paper 395) (vom britischen Parlament im
Jahr 1994 erlassene Einwanderungsregelung, im Folgenden: Immigration Rules) in ihrer zum Zeitpunkt
des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens geltenden Fassung. Diese Vorschriften regeln die Einreise
in das Vereinigte Königreich und den Aufenthalt dort.
7.
Die EEA Order wurde durch die Immigration (European Economic Area) Regulations 2000
(Einwanderungsverordnung [Europäischer Wirtschaftsraum] von 2000) aufgehoben. Deren
Bestimmungen sind im Ausgangsverfahren jedoch nicht anwendbar.
8.
Paragraph 255 der Immigration Rules bestimmte:
„Ein EWR[Europäischer Wirtschaftsraum]-Staatsangehöriger (der nicht Student ist) oder der
Familienangehörige einer solchen Person, dem eine fünf Jahre gültige Aufenthaltserlaubnis oder ein
ebensolches Aufenthaltsdokument ausgestellt wurde und der sich im Vereinigten Königreich gemäß
den Bestimmungen der EEA Order 1994 vier Jahre lang aufgehalten hat und sich weiterhin dort
aufhält, kann auf Antrag einen Vermerk auf seiner Aufenthaltserlaubnis oder seinem
Aufenthaltsdokument (je nach Lage des Falles) erhalten, der die Erlaubnis zum unbefristeten
Aufenthalt im Vereinigten Königreich bescheinigt.“
9.
Paragraph 287 der Immigration Rules lautete:
„Unter folgenden Voraussetzungen wird dem Ehegatten einer Person, die im Vereinigten Königreich
lebt und dort auf Dauer Wohnsitz genommen hat, eine unbefristete Erlaubnis zum Aufenthalt erteilt:
i) Dem Antragsteller wurde für einen Zeitraum von zwölf Monaten die Einreise in das Vereinigte
Königreich gestattet oder die Verlängerung seines Aufenthalts gewährt, und er hat dort mindestens
zwölf Monate als Ehegatte einer Person verbracht, die dort lebt und auf Dauer Wohnsitz genommen
hat, und
ii) der Antragsteller ist noch mit der Person verheiratet, in Bezug auf die ihm zum Zweck des
Zusammenlebens die Einreise gestattet oder die Verlängerung seines Aufenthalts gewährt wurde,
und die Ehe besteht noch, und
iii) beide Ehepartner beabsichtigen, ständig als Eheleute zusammenzuleben.“
10.
Nach Section 33(2A) des Immigration Act 1971 bedeutet „die Bezugnahme auf eine Person, die im
Vereinigten Königreich auf Dauer Wohnsitz genommen hat, dass diese dort ihren gewöhnlichen
Aufenthalt hat, ohne nach dem Einwanderungsrecht Beschränkungen hinsichtlich der
Aufenthaltsdauer zu unterliegen“.
11.
Nach der einschlägigen nationalen Rechtsprechung hat ein Wanderarbeitnehmer, der die
Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union besitzt und im Vereinigten
Königreich wohnt, nicht allein deswegen dort im Sinne dieser Vorschrift „auf Dauer Wohnsitz
genommen“.
12.
Nach Artikel 2(1) der EEA Order ist ein EWR-Staatsangehöriger ein Staatsangehöriger eines
anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992
(ABl. 1994, L 1, S. 3) als des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland.
13.
Gemäß Artikel 4(1) der EEA Order hatte eine „berechtigte Person“ das Recht zum Aufenthalt im
Vereinigten Königreich, solange sie diese Eigenschaft besaß, wobei dieses Recht nach Artikel 4(2) der
EEA Order auf Familienangehörige einschließlich des Ehegatten erstreckt wurde. Gemäß Artikel 6 der
EEA Order war eine „berechtigte Person“ ein EWR-Staatsangehöriger, der im Vereinigten Königreich
eine Arbeitnehmertätigkeit ausübte.
14.
Section 7(1) des Immigration Act 1988 sieht vor:
„Eine Person benötigt für die Einreise in das Vereinigte Königreich und den Aufenthalt dort keine
Erlaubnis nach dem grundlegenden Gesetz [dem Immigration Act 1971], soweit sie dazu nach dem
geltenden Gemeinschaftsrecht oder einer in Anwendung der Section 2(2) des European Communities
Act 1972 [Gesetz über die Europäischen Gemeinschaften von 1972] erlassenen Bestimmung
berechtigt ist.“
15.
Nach Section 3(4) des Immigration Act 1971 erlosch die Einreise- oder Aufenthaltserlaubnis
regelmäßig, wenn ihr Inhaber die „common travel area“ (d. h. das Vereinigte Königreich, Irland, die
Kanalinseln und die Insel Man) verließ.
16.
Allerdings bestimmt Paragraph 18 der Immigration Rules:
„Einem Antragsteller, der früher seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Vereinigten Königreich hatte und
dorthin zurückkehren möchte, kann die Einreise zum Zweck der dauerhaften Wohnsitznahme gestattet
werden, wenn der Immigration Officer zu der Überzeugung gelangt, dass der Betroffene:
(i) eine unbeschränkte Einreise- oder Aufenthaltserlaubnis für das Vereinigte Königreich besaß, als
er dessen Hoheitsgebiet zuletzt verließ;
(ii) sich nicht länger als zwei Jahre außerhalb des Vereinigten Königreichs aufgehalten hat;
(iii) für die Ausreise aus dem Vereinigten Königreich keine Unterstützung aus öffentlichen Mitteln
erhalten hat;
(iv) nunmehr die Einreise zum Zweck der dauerhaften Wohnsitznahme begehrt.“
Sachverhalt und Ausgangsverfahren
17.
Der Kläger, ein jugoslawischer Staatsangehöriger, kam am 5. August 1991 in das Vereinigte
Königreich. Sein Antrag auf Erlaubnis zur Einreise in diesen Mitgliedstaat als Besucher für einen Monat
wurde abgelehnt, aber er verließ das Vereinigte Königreich nicht. Im Februar 1992 stellte er einen
Asylantrag.
18.
Am 4. Mai 1994 heiratete der Kläger Frau Michonneau, eine französische Staatsangehörige, die er
1993 kennen gelernt hatte, als sie im Vereinigten Königreich arbeitete. Das Ehepaar lebt seit der
Eheschließung zusammen. Nach einem vorübergehenden Aufenthalt in Frankreich kehrte Frau
Michonneau im Januar 1994 als Arbeitsuchende in das Vereinigte Königreich zurück und fand im April
1994 eine Beschäftigung. Im November 1994 wurde ihr eine bis zum 2. November 1999 gültige
fünfjährige Aufenthaltserlaubnis ausgestellt. Der Kläger erhielt als Ehegatte einer EG-
Staatsangehörigen, die im Vereinigten Königreich Rechte aus dem EG-Vertrag ausübt, eine Erlaubnis
zum Aufenthalt im Vereinigten Königreich für den gleichen Zeitraum.
19.
Am 23. Januar 1996 beantragte der Kläger die Erlaubnis zum unbefristeten Aufenthalt im
Vereinigten Königreich.
20.
Sein Antrag wurde mit Entscheidung des Innenministers vom 9. September 1996 abgelehnt. Mit
Schreiben vom 3. Oktober 1996 legte dieser dar, dass der Kläger die nach Paragraph 255 der
Immigration Rules erforderlichen Voraussetzungen nicht erfülle, da seine Ehefrau sich erst seit einem
Jahr und zehn Monaten im Vereinigten Königreich gemäß den Bestimmungen der EEA Order aufhalte.
21.
Am 15. September 1996 erhob der Kläger gegen diese Entscheidung beim Immigration Adjudicator
Klage. Er machte geltend, dass die Vorschriften der Immigration Rules, die für Personen gälten, die im
Vereinigten Königreich „lebten und dort auf Dauer Wohnsitz genommen hätten“, günstiger als
diejenigen seien, die für seine Ehegattin und ihn gälten.
22.
Vor diesem Hintergrund setzte der Immigration Adjudicator das Verfahren mit Beschluss vom 25.
September 1998 (im Folgenden: erster Vorlagebeschluss) erstmals aus und legte dem Gerichtshof
folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:
1. Stellen das Recht auf Beantragung einer unbefristeten Erlaubnis zum Aufenthalt im Vereinigten
Königreich und das Recht auf Behandlung dieses Antrags eine „soziale Vergünstigung“ im Sinne von
Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 dar?
2. Stellt es eine rechtswidrige, gegen Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 verstoßende
Diskriminierung dar, dass die Ehegatten von EG-Staatsangehörigen sich vier Jahre lang im Vereinigten
Königreich aufgehalten haben müssen, bevor ein Antrag auf unbefristete Erlaubnis zum Aufenthalt im
Vereinigten Königreich gestellt und behandelt werden kann (siehe Paragraph 255 der United Kingdom
Immigration Rules, House of Commons Paper 395), während sich die Ehegatten von
Staatsangehörigen des Vereinigten Königreichs und die Ehegatten von Personen, die im Vereinigten
Königreich leben und dort auf Dauer Wohnsitz genommen haben, zwölf Monate dort aufgehalten
haben müssen, bevor ein solcher Antrag gestellt werden kann (Paragraph 287 der United Kingdom
Immigration Rules, House of Commons Paper 395)?
23.
Die mündliche Verhandlung vor dem Gerichtshof fand am 15. Juni 1999 statt, und der Generalanwalt
verlas seine Schlussanträge am 30. September 1999 (im Folgenden: erste Schlussanträge). Eine
englischsprachige Fassung der ersten Schlussanträge wurde dem Kläger am 27. Januar 2000
übersandt.
24.
Am 3. Februar 2000 sandte der Kläger per Fax einen Schriftsatz an den Gerichtshof, in dem er seine
Besorgnis über die Richtigkeit bestimmter Teile des anscheinend den ersten Schlussanträgen
zugrunde gelegten Sachverhalts zum Ausdruck brachte. Er machte geltend, die betreffenden
Unrichtigkeiten stellten außergewöhnliche Gründe für eine Wiedereröffnung der mündlichen
Verhandlung dar; weitere Ausführungen würden bald nachgereicht.
25.
Mit Fax vom 16. März 2000 reichte der Kläger eine ergänzende schriftliche Stellungnahme nach, die
mit folgender Bemerkung endet:
„Die vorstehenden Erwägungen werden durch Schriftstücke belegt, die dem Gerichtshof bereits
vorliegen. Sollte es dieser indessen für notwendig erachten, das mündliche Verfahren zur Absicherung
eines vollständigen Verständnisses der maßgebenden Gesichtspunkte und einer Korrektur der durch
den Generalanwalt vorgenommenen unrichtigen Schlussfolgerungen wieder zu eröffnen, bieten die
Bevollmächtigten des Herrn Kaba ihre umfassende Mithilfe an.“
26.
Mit Schreiben vom 31. März 2000 bestätigte die Kanzlei des Gerichtshofes den Eingang dieser
ergänzenden schriftlichen Stellungnahme und wies den Kläger zugleich darauf hin, dass die
Verfahrensordnung des Gerichtshofes die Abgabe von Stellungnahmen nach Abschluss des
mündlichen Verfahrens nicht vorsehe. Daher wurden die Ausführungen zurückgesandt und nicht zu
den Verfahrensakten des Gerichtshofes genommen.
27.
In seinem Urteil vom 11. April 2000 in der Rechtssache C-356/98 (Kaba, Slg. 2000, I-2623) in der mit
Beschluss vom 4. Mai 2001 (nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht) berichtigten Fassung
entschied der Gerichtshof:
„Eine Regelung eines Mitgliedstaats, nach der sich die Ehegatten von Wanderarbeitnehmern, die
Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, vier Jahre lang in diesem Mitgliedstaat aufgehalten
haben müssen, bevor ein Antrag auf unbefristete Erlaubnis zum Aufenthalt gestellt und behandelt
werden kann, während für die Ehegatten von Personen, die in diesem Mitgliedstaat auf Dauer
Wohnsitz genommen haben, ohne Beschränkungen hinsichtlich der Aufenthaltsdauer zu unterliegen,
nur ein Aufenthalt von zwölf Monaten verlangt wird, stellt keine Diskriminierung dar, die gegen Artikel 7
Absatz 2 der Verordnung ... Nr. 1612/68 ... verstößt.“
28.
Nach diesem Urteil machte der Kläger vor dem Immigration Adjudicator geltend, den ersten
Schlussanträgen liege ein fehlerhaftes Verständnis des Sachverhalts, so wie er im ersten
Vorlagebeschluss festgestellt worden sei, und des einschlägigen nationalen Rechts zugrunde.
29.
Er ist erstens der Auffassung, der Gerichtshof habe zu Unrecht angenommen, eine unbefristete
Aufenthaltserlaubnis im Vereinigten Königreich gewähre eine wesentlich sicherere oder stabilere
Rechtsposition, als sie EG-Staatsangehörige in diesem Mitgliedstaat hätten. Nach Ansicht des
Immigration Adjudicator kann diese Beurteilung durch die genannten Schlussanträge des
Generalanwalts beeinflusst worden sein, der in den Erklärungen der Regierung des Vereinigten
Königreichs eine Rechtfertigung für die festgestellte Ungleichbehandlung zwischen einer Person wie
dem Kläger und dem Ehegatten einer Person, die im Vereinigten Königreich „lebt und dort auf Dauer
Wohnsitz genommen hat“, gesehen habe. Tatsächlich hätten sich diese Erklärungen aber auf die
Frage der Vergleichbarkeit der Sachverhalte bezogen. Die Frage der Rechtfertigung sei im Verlauf des
Verfahrens vor dem Gerichtshof nicht erörtert worden.
30.
Zweitens macht der Kläger geltend, der Generalanwalt habe den dem Ausgangsverfahren zugrunde
liegenden Sachverhalt unzutreffend wiedergegeben. Diese Argumentation macht sich der Immigration
Adjudicator insoweit zu Eigen, als in dem ersten Vorlagebeschluss als problematischer Aspekt lediglich
die unterschiedliche Aufenthaltsdauer, die von beiden Personengruppen verlangt werde, genannt
worden sei.
31.
Der Immigration Adjudicator führt aus, die unbefristete Erlaubnis zum Aufenthalt im Vereinigten
Königreich könne zwar nicht mit einer ausdrücklichen Bestimmung über ihre Gültigkeitsdauer
verbunden werden; dasselbe gelte aber auch für das Aufenthaltsrecht eines Arbeitnehmers mit der
Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats. Wenn zudem der Inhaber einer unbefristeten
Aufenthaltserlaubnis das Vereinigte Königreich verlasse, erlösche seine Erlaubnis nach Section 3(4)
des Immigration Act 1971, und er benötige für eine Wiedereinreise eine neue Erlaubnis, die an die
Erfüllung der Voraussetzungen nach Paragraph 18 der Immigration Rules geknüpft sei. Auch könnten
sowohl Inhaber einer unbefristeten Erlaubnis zum Aufenthalt im Vereinigten Königreich als auch
Arbeitnehmer mit EG-Staatsangehörigkeit aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder
Gesundheit aus diesem Mitgliedstaat ausgewiesen werden.
32.
Der Kläger bezieht sich darüber hinaus auf die ständige Praxis der Direktion für
Staatsangehörigkeitsfragen des Home Office (Innenministerium), die die Staatsangehörigen der
Mitgliedstaaten als Personen ansehe, die im Vereinigten Königreich auf Dauer Wohnsitz genommen
hätten, was ein zusätzliches Beweiselement dafür sei, dass sich die Ehegatten von
Gemeinschaftsangehörigen in einer Lage befänden, die mit der von Ehegatten britischer Staatsbürger
und solcher Personen vergleichbar sei, die im Vereinigten Königreich auf Dauer Wohnsitz genommen
hätten. Zu diesem letzten Punkt äußert sich der Immigration Adjudicator nicht weiter, da die Parteien
dazu nicht erschöpfend vorgetragen hätten.
33.
Drittens stellt der Immigration Adjudicator fest, der Generalanwalt habe in Nummer 3 der ersten
Schlussanträge erklärt, dass die EEA Order britische Staatsangehörige und ihre Familienangehörigen
nicht betreffe. Dies treffe jedoch nicht zu, da die EEA Order entsprechend dem Urteil des
Gerichtshofes vom 7. Juli 1992 in der Rechtssache C-370/90 (Singh, Slg. 1990, I-4265) auf alle
britischen Staatsangehörigen und ihre Familien angewandt werde, die nach Ausübung der ihnen vom
Vertrag verliehenen Rechte in einem anderen Mitgliedstaat in das Vereinigte Königreich
zurückkehrten.
34.
Vor diesem Hintergrund wirft der Immigration Adjudicator die Frage nach der Vereinbarkeit des
Verfahrensablaufs vor dem Gerichtshof mit Artikel 6 Absatz 1 der am 4. November 1950 in Rom
unterzeichneten Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden:
EMRK) auf. Er führt insoweit aus, das Verfahren vor dem Gerichtshof sei integraler Bestandteil des
Verfahrens vor dem Immigration Adjudicator, so dass er für jede Verletzung des Artikels 6
verantwortlich sei. Dazu bezieht er sich auf den Beschluss des Gerichtshofes vom 4. Februar 2000 in
der Rechtssache C-17/98 (Emesa Sugar, Slg. 2000, I-665).
35.
Der Immigration Adjudicator weist auch auf bestimmte Zweifel hin, die die Antwort betreffen, die im
Urteil Kaba auf die vorgelegten Fragen gegeben wurde.
36.
Unter diesen Umständen hat der Immigration Adjudicator das Verfahren ein zweites Mal ausgesetzt
und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. a) Welche Möglichkeiten haben das vorlegende Gericht oder die Parteien des Verfahrens (vor
dem vorlegenden Gericht oder dem Gerichtshof), um sicherzustellen, dass das Verfahren insgesamt
den Anforderungen nach Artikel 6 EMRK genügt, und damit sicherzustellen, dass weder nach den
innerstaatlichen Rechtsvorschriften über die Menschenrechte noch vor dem Gerichtshof für
Menschenrechte eine Haftung wegen Verstoßes gegen Artikel 6 EMRK begründet wird?
b) Genügte das Verfahren in dieser Rechtssache den Anforderungen von Artikel 6 EMRK, und
wenn nicht, welche Auswirkungen hat das auf die Rechtskraft des ersten Urteils?
2. Da der Immigration Adjudicator zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Kläger und der Ehepartner
einer im Vereinigten Königreich lebenden Person, die dort auf Dauer Wohnsitz genommen hat,
insofern unterschiedlich behandelt wurden (oder würden), als
a) der Kläger, der als Ehegatte einer EU-Staatsangehörigen, die ihr Recht auf Freizügigkeit
ausübte, in das Vereinigte Königreich einreiste, sich vier Jahre im Vereinigten Königreich aufgehalten
haben müsste, bevor er einen Antrag auf eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis stellen könnte,
während
b) der Ehegatte einer Person, die im Vereinigten Königreich lebt und dort auf Dauer Wohnsitz
genommen hat (also entweder ein britischer Staatsangehöriger oder jemand, der im Besitz einer
unbefristeten Aufenthaltserlaubnis ist), nach einem Jahr die Voraussetzungen für die unbefristete
Aufenthaltserlaubnis erfüllt;
da dem vorlegenden Gericht weder in der Verhandlung, die zum Vorlagebeschluss vom 25.
September 1998 geführt hat, noch in den schriftlichen Stellungnahmen oder den mündlichen
Ausführungen des Beklagten vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften noch in der
Verhandlung, die zu diesem Vorlagebeschluss geführt hat, Beweis im Zusammenhang mit der
Rechtfertigung der Ungleichbehandlung zwischen dem Kläger und dem Ehepartner einer im
Vereinigten Königreich lebenden Person, die dort auf Dauer Wohnsitz genommen hat, angeboten
wurde (oder Ausführungen dazu gemacht wurden), obwohl es um erschöpfende Ausführungen
gebeten hatte, ersucht es um Antwort auf folgende Fragen:
i) Ist das Urteil des Gerichtshofes vom 11. April 2000 in diesem Rechtsstreit (Rechtssache C-
356/98) ungeachtet der Antwort auf die vorstehende Frage dahin auszulegen, dass unter diesen
Umständen eine Ungleichbehandlung vorlag, die gegen Artikel 39 EG und/oder gegen Artikel 7 Absatz
2 der Verordnung (EWG) des Rates Nr. 1612/68 verstieß?
ii) Liegt nach erneuter Würdigung des Sachverhalts eine Ungleichbehandlung vor, die gegen
Artikel 39 EG und/oder Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EWG) des Rates Nr. 1612/68 verstößt?
Zu den Vorlagefragen
37.
Um dem vorlegenden Gericht eine zweckdienliche Antwort zu geben, ist mit der Prüfung der zweiten
Vorlagefrage zu beginnen.
38.
Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Antwort
des Gerichtshofes auf die Vorlagefragen im Urteil Kaba anders ausgefallen wäre, wenn er
berücksichtigt hätte, dass zum einen die Stellung des Ehegatten eines Wanderarbeitnehmers, der die
Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats als des Vereinigten Königreichs besitzt, und die des
Ehegatten einer Person, die im Vereinigten Königreich „lebt und dort auf Dauer Wohnsitz genommen
hat“, im nationalen Recht in jeder Hinsicht - mit Ausnahme der Aufenthaltsdauer, die vor der
Gewährung einer unbefristeten Erlaubnis zum Aufenthalt im Vereinigten Königreich verlangt wird -
vergleichbar sind, und dass zum anderen von den zuständigen Behörden des Vereinigten Königreichs
kein Argument zur Rechtfertigung dieser unterschiedlichen Behandlung vorgebracht wurde.
39.
Zunächst ist darauf zu verweisen, dass die Bindungswirkung eines im Vorabentscheidungsverfahren
ergangenen Urteils nicht ausschließt, dass das nationale Gericht, an das dieses Urteil gerichtet ist,
eine erneute Anrufung des Gerichtshofes vor der Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits für
erforderlich hält. Eine solche Vorlage ist gerechtfertigt, wenn das nationale Gericht beim Verständnis
oder bei der Anwendung des Urteils Schwierigkeiten hat, wenn es dem Gerichtshof eine neue
Rechtsfrage stellt oder wenn es ihm neue Gesichtspunkte unterbreitet, die ihn dazu veranlassen
könnten, eine bereits gestellte Frage abweichend zu beantworten (Beschluss vom 5. März 1986 in der
Rechtssache 69/85, Wünsche, Slg. 1986, 947, Randnr. 15).
40.
Da im Übrigen nach ständiger Rechtsprechung die Befugnis, den Wortlaut der zu stellenden Fragen
festzulegen, ausschließlich dem innerstaatlichen Gericht verliehen ist, können die Parteien die
Fassung der Fragen nicht ändern (Urteile vom 15. Juni 1972 in der Rechtssache 5/72, Grassi, Slg.
1972, 443, Randnr. 3, und vom 21. März 1996 in der Rechtssache C-297/94, Bruyère u. a., Slg. 1996, I-
1551, Randnr. 19).
41.
Daraus folgt, dass der Gerichtshof seine Prüfung grundsätzlich auf die Beurteilungsfaktoren zu
beschränken hat, die ihm das innerstaatliche Gericht vorgelegt hat. In Bezug auf die Anwendung des
einschlägigen innerstaatlichen Rechts hat sich der Gerichtshof somit an die Lage zu halten, die dieses
Gericht als feststehend ansieht, und ist nicht an Annahmen gebunden, die von einer der Parteien des
Ausgangsverfahrens vertreten werden und die das innerstaatliche Gericht lediglich wiedergibt, ohne
dazu Stellung zu nehmen.
42.
Zu der Frage, ob der Ehegatte eines Wanderarbeitnehmers, der die Staatsbürgerschaft eines
anderen Mitgliedstaats als des Vereinigten Königreichs besitzt, sich im Hinblick auf die Erlangung
einer unbefristeten Erlaubnis zum Aufenthalt im Vereinigten Königreich in einer in jeder Hinsicht
vergleichbaren Lage befindet wie der Ehegatte einer Person, die dort „lebt und ... auf Dauer Wohnsitz
genommen hat“, führt das vorlegende Gericht aus, dass seiner Beurteilung nach ein Unterschied nur
hinsichtlich der Aufenthaltsdauer bestehe, die von den beiden Personenkategorien verlangt werde.
43.
Allerdings handelt es sich bei der Frage, ob Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 der
Anwendung einer nationalen Regelung aufgrund ihres diskriminierenden Charakters entgegensteht,
um eine Frage der Auslegung des Gemeinschaftsrechts.
44.
Die Frage, ob sich zwei Kategorien von Personen in einer vergleichbaren Lage befinden und aus
diesem Grund zu denselben Bedingungen in den Genuss einer sozialen Vergünstigung kommen
müssen, ist demnach ebenfalls eine Frage der Auslegung des Gemeinschaftsrechts.
45.
Daraus folgt, dass die Feststellung eines innerstaatlichen Gerichts, wonach sich zwei Kategorien
von Personen im Hinblick auf das nationale Recht in einer vergleichbaren Lage befinden, den
Gerichtshof nicht daran hindern kann, gegebenenfalls zu dem Schluss zu gelangen, dass diese beiden
Kategorien im Hinblick auf das Gemeinschaftsrecht Unterschiede aufweisen.
46.
Im vorliegenden Fall hat der Gerichtshof in Randnummer 30 des angeführten Urteils Kaba
festgestellt, dass beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts das Aufenthaltsrecht der
Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats nicht
uneingeschränkt gewährt wird. Dazu hat er zum einen verwiesen auf die Bestimmungen zur
Freizügigkeit im Titel III des Dritten Teils des Vertrages und die zu ihrer Durchführung erlassenen
Vorschriften des abgeleiteten Rechts und zum anderen auf die Bestimmungen des Zweiten Teils des
Vertrages und insbesondere auf Artikel 8a EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 18 EG), der zwar
den Unionsbürgern das Recht verleiht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und
aufzuhalten, dabei aber ausdrücklich auf die im Vertrag und in den Durchführungsvorschriften
vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen verweist.
47.
Was die Situation eines Wanderarbeitnehmers anbelangt, der die Staatsangehörigkeit eines
Mitgliedstaats besitzt, so ist noch zu ergänzen, dass sein Aufenthaltsrecht insofern nicht
uneingeschränkt ist, als es davon abhängt, dass er seine Eigenschaft als Arbeitnehmer oder
gegebenenfalls als Arbeitssuchender behält (vgl. dazu Urteil vom 26. Februar 1991 in der
Rechtssache C-292/89, Antonissen, Slg. 1991, I-745), sofern er dieses Recht nicht aus anderen
Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts ableitet.
48.
Dagegen ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorgelegten Informationen in Bezug auf die im
Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung, dass eine Person, die im Vereinigten
Königreich „lebt und dort auf Dauer Wohnsitz genommen hat“, keiner Beschränkung hinsichtlich der
Dauer unterliegt, für die sie sich im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats aufhalten kann, und während
ihres Aufenthalts keine Bedingungen erfüllen muss, die mit denen vergleichbar wären, die in den in
Randnummer 46 dieses Urteils angeführten gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen vorgesehen
sind.
49.
Daraus folgt, dass das Aufenthaltsrecht, das Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten in diesen
letztgenannten Bestimmungen gewährt wird, nicht in jeder Hinsicht mit dem vergleichbar ist, in dessen
Genuss eine Person, die im Vereinigten Königreich „lebt und dort auf Dauer Wohnsitz genommen hat“,
kraft der Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats kommt.
50.
Da das Aufenthaltsrecht dieser beiden Kategorien von Personen nicht in jeder Hinsicht vergleichbar
ist, verhält es sich ebenso mit der Stellung ihrer Ehegatten, insbesondere in Bezug auf die Frage,
nach welcher Aufenthaltsdauer ihnen das Recht gewährt werden kann, sich unbefristet im
Hoheitsgebiet des Vereinten Königreichs aufzuhalten.
51.
Das vorlegende Gericht verweist gleichwohl auf verschiedene Umstände, um darzutun, dass die
fraglichen Situationen vergleichbar seien.
52.
Erstens verweist es darauf, dass weder die unbefristete Erlaubnis, sich im Hoheitsgebiet des
Vereinigten Königreichs aufzuhalten, noch das Aufenthaltsrecht eines Wanderarbeitnehmers, der
Gemeinschaftsangehöriger sei, mit einer ausdrücklichen Bedingung in Bezug auf ihre Geltungsdauer
versehen sei. Zweitens erlösche die unbefristete Aufenthaltserlaubnis, wenn ihr Inhaber das
Vereinigte Königreich verlasse. Drittens könnten die Inhaber einer unbefristeten Erlaubnis, sich im
Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs aufzuhalten, ebenso wie die Wanderarbeitnehmer aus
anderen Mitgliedstaaten aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit
ausgewiesen werden. Viertens gelte die EEA Order nicht nur für Staatsangehörige anderer
Mitgliedstaaten als des Vereinigten Königreichs, sondern auch für britische Staatsangehörige und
ihre Familienangehörige, die nach Ausübung der ihnen vom Vertrag verliehenen Rechte in einem
anderen Mitgliedstaat in das Vereinigte Königreich zurückkehrten.
53.
Es ist festzustellen, dass keiner dieser Umstände die Auslegung entkräftet, wonach die
entsprechenden Situationen nicht in jeder Hinsicht vergleichbar sind, da ein Wanderarbeitnehmer, der
die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats als des Vereinigten Königreichs besitzt,
während seines Aufenthalts zur Wahrung seines Aufenthaltsrechts fortlaufend bestimmte
Bedingungen erfüllen muss, deren Erfüllung von einer Person, die im Vereinigten Königreich „lebt und
dort auf Dauer Wohnsitz genommen hat“, nicht verlangt wird.
54.
Ohne Bedeutung ist dabei, dass diese Bedingungen nicht in einer ausdrücklichen Begrenzung der
Aufenthaltsdauer bestehen und dass auch eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis unter bestimmten
Umständen wirkungslos werden kann. Auch der Umstand, dass die EEA Order auch auf britische
Staatsangehörige Anwendung finden kann, wirkt sich insoweit nicht aus.
55.
Aus dem Vorstehenden ergibt sich im Übrigen, dass die Erwägungen des Gerichtshofes in dem
angeführten Urteil Kaba darauf gründen, dass die fraglichen Situationen nicht vergleichbar sind, und
nicht darauf, dass eine unterschiedliche Behandlung des Ehegatten eines Wanderarbeitnehmers, der
die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats als des Vereinigten Königreichs besitzt, und des
Ehegatten einer Person, die im Vereinigten Königreich „lebt und dort auf Dauer Wohnsitz genommen
hat“, gerechtfertigt wäre, da die von den Paragraphen 255 und 287 der Immigration Rules geregelten
Sachverhalte nicht vergleichbar sind.
56.
Daher ist auf die zweite Frage zu antworten, dass die Antwort, die der Gerichtshof im angeführten
Urteil Kaba auf die Vorlagefragen gegeben hat, nicht anders ausgefallen wäre, wenn er berücksichtigt
hätte, dass die Stellung des Ehegatten eines Wanderarbeitnehmers, der die Staatsangehörigkeit
eines anderen Mitgliedstaats als des Vereinigten Königreichs besitzt, und die des Ehegatten einer
Person, die im Vereinigten Königreich „lebt und dort auf Dauer Wohnsitz genommen hat“, im
nationalen Recht dem vorlegenden Gericht zufolge in jeder Hinsicht - mit Ausnahme der
Aufenthaltsdauer, die vor der Gewährung einer unbefristeten Erlaubnis zum Aufenthalt im Vereinigten
Königreich verlangt wird - vergleichbar sind. Da diese Situationen aus der Sicht des
Gemeinschaftsrechts nicht vergleichbar sind, ist die Frage, ob eine solche Ungleichbehandlung
gerechtfertigt werden kann, ohne Belang.
57.
Mit der Prüfung der zweiten Frage hat der Gerichtshof auf die Zweifel geantwortet, die das
vorlegende Gericht veranlasst haben, sich mit neuen Fragen an ihn zu wenden.
58.
Daher ist die erste Frage nicht zu beantworten.
Kosten
59.
Die Auslagen der Regierung des Vereinigten Königreichs, der niederländischen Regierung und der
Kommission, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für
die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem
vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses
Gerichts.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF
auf die ihm vom Immigration Adjudicator mit Beschluss vom 19. Dezember 2000 vorgelegten Fragen für
Recht erkannt:
Die Antwort, die der Gerichtshof in seinem Urteil vom 11. April 2000 in der Rechtssache C-
356/98 (Kaba, Slg. 2000, I-2623) auf die Vorlagefragen gegeben hat, wäre nicht anders
ausgefallen, wenn er berücksichtigt hätte, dass die Stellung des Ehegatten eines
Wanderarbeitnehmers, der die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats als des
Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland besitzt, und die des Ehegatten
einer Person, die im Vereinigten Königreich „lebt und dort auf Dauer Wohnsitz genommen
hat“, im nationalen Recht dem vorlegenden Gericht zufolge in jeder Hinsicht - mit
Ausnahme der Aufenthaltsdauer, die vor der Gewährung einer unbefristeten Erlaubnis
zum Aufenthalt im Vereinigten Königreich verlangt wird - vergleichbar sind. Da diese
Situationen aus der Sicht des Gemeinschaftsrechts nicht vergleichbar sind, ist die Frage,
ob eine solche Ungleichbehandlung gerechtfertigt werden kann, ohne Belang.
Rodríguez Iglesias
Puissochet
Wathelet
Schintgen
Timmermans
Edward
Jann
Macken
Colneric
von Bahr
Cunha Rodrigues
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 6. März 2003.
Der Kanzler
Der Präsident
R. Grass
G. C. Rodríguez Iglesias
Verfahrenssprache: Englisch.