Urteil des EuGH vom 20.01.2005

EuGH: ware, verordnung, mitgliedstaat, entstehung, zollbehörde, kommission, registrierung, entziehung, einspruch, begriff

WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Vierte Kammer)
20. Januar 200
„Gemeinschaftliches Versandverfahren – Entstehung einer Zollschuld bei Zuwiderhandlungen – Folge des
Versäumnisses, dem Hauptverpflichteten die Frist für den Nachweis des Ortes der Zuwiderhandlung
anzugeben“
In der Rechtssache C-300/03
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Hessischen Finanzgericht,
Kassel (Deutschland), mit Entscheidung vom 25. April 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 11. Juli 2003,
in dem Verfahren
Honeywell Aerospace GmbH
gegen
Hauptzollamt Gießen
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts sowie der Richter J. N. Cunha Rodrigues
(Berichterstatter) und K. Schiemann,
Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
der Honeywell Aerospace GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt H. Stiehle,
der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. C. Schieferer und X. Lewis als
Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die
Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom
12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1, im Folgenden:
Zollkodex) und der Verordnung Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften
zu der Verordnung Nr. 2913/92 (ABl. L 253, S. 1, im Folgenden: Durchführungsverordnung).
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Honeywell Aerospace GmbH (im
Folgenden: Honeywell) und dem Hauptzollamt Gießen (Deutschland) über die Entstehung einer Zollschuld.
Gemeinschaftsregelung
3
Artikel 37 des Zollkodex bestimmt:
„(1) Waren, die in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht werden, unterliegen vom Zeitpunkt des
Verbringens an der zollamtlichen Überwachung. Sie können nach dem geltenden Recht zollamtlich geprüft
werden.
(2) Sie bleiben so lange unter zollamtlicher Überwachung, wie es für die Ermittlung ihres zollrechtlichen
Status erforderlich ist, und, im Fall von Nichtgemeinschaftswaren unbeschadet des Artikels 82 Absatz 1, bis
sie ihren zollrechtlichen Status wechseln, in eine Freizone oder ein Freilager verbracht, wiederausgeführt
oder nach Artikel 182 vernichtet oder zerstört werden.“
4
Artikel 96 des Zollkodex sieht vor:
„(1) Der Hauptverpflichtete ist der Inhaber des externen gemeinschaftlichen Versandverfahrens. Er hat
a)
die Waren innerhalb der vorgeschriebenen Frist unter Beachtung der von den Zollbehörden zur
Nämlichkeitssicherung getroffenen Maßnahmen unverändert der Bestimmungszollstelle zu gestellen;
…“
5
Artikel 203 Absätze 1 und 2 des Zollkodex bestimmt:
„(1) Eine Einfuhrzollschuld entsteht,
wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird.
(2) Die Zollschuld entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen
wird.“
6
Artikel 215 Absätze 1 bis 3 des Zollkodex lautet:
„(1) Die Zollschuld entsteht an dem Ort, an dem der Tatbestand, der die Zollschuld entstehen lässt,
eingetreten ist.
(2) Kann der Ort im Sinne des Absatzes 1 nicht bestimmt werden, gilt die Zollschuld als an dem Ort
entstanden, an dem die Zollbehörden feststellen, dass die Ware sich in einer Lage befindet, die eine
Zollschuld hat entstehen lassen.
(3) In dem Fall, in dem das Zollverfahren für eine Ware nicht erledigt worden ist, gilt die Zollschuld als an
dem Ort entstanden,
an dem die Ware in das Verfahren übergeführt worden ist
oder
an dem die Ware im Rahmen des betreffenden Verfahrens in die Gemeinschaft eingeführt wird.“
7
Artikel 221 Absatz 3 des Zollkodex bestimmt:
„Die Mitteilung an den Zollschuldner darf nach Ablauf einer Frist von drei Jahren nach dem Zeitpunkt des
Entstehens der Zollschuld nicht mehr erfolgen. Konnten die Zollbehörden jedoch aufgrund einer strafbaren
Handlung den gesetzlich geschuldeten Abgabenbetrag nicht genau ermitteln, so kann die Mitteilung noch
nach Ablauf der genannten Dreijahresfrist erfolgen, sofern dies nach geltendem Recht vorgesehen ist.“
8
Artikel 378 Absätze 1 und 2 der Durchführungsverordnung lautet:
„(1) Ist die Sendung nicht der Bestimmungsstelle gestellt worden und kann der Ort der Zuwiderhandlung
nicht ermittelt werden, so gilt diese Zuwiderhandlung unbeschadet des Artikels 215 des Zollkodex
als in dem Mitgliedstaat begangen, zu dem die Abgangsstelle gehört, oder
als in dem Mitgliedstaat begangen, zu dem die Eingangszollstelle der Gemeinschaft gehört, bei der ein
Grenzübergangsschein abgegeben worden ist,
es sei denn, die Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens oder der Ort, an dem die Zuwiderhandlung tatsächlich
begangen worden ist, wird den Zollbehörden innerhalb der Frist nach Artikel 379 Absatz 2 nachgewiesen.
(2) Gilt die Zuwiderhandlung in Ermangelung eines solchen Nachweises als in dem Abgangsmitgliedstaat
oder in dem Eingangsmitgliedstaat im Sinne des Absatzes 1 zweiter Gedankenstrich begangen, so werden
die für die betreffenden Waren geltenden Zölle und anderen Abgaben von diesem Mitgliedstaat nach den
gemeinschaftlichen oder innerstaatlichen Vorschriften erhoben.“
9
Artikel 379 der Durchführungsverordnung sieht vor:
„(1) Ist eine Sendung der Bestimmungsstelle nicht gestellt worden und kann der Ort der Zuwiderhandlung
nicht ermittelt werden, so teilt die Abgangsstelle dies dem Hauptverpflichteten so schnell wie möglich,
spätestens jedoch vor Ablauf des elften Monats nach dem Zeitpunkt der Registrierung der
Versandanmeldung mit.
(2) In der Mitteilung nach Absatz 1 ist insbesondere die Frist anzugeben, innerhalb der bei der
Abgangsstelle der Nachweis für die ordnungsgemäße Durchführung des Versandverfahrens oder der
Nachweis über den tatsächlichen Ort der Zuwiderhandlung zu erbringen ist. Diese Frist beträgt drei Monate
vom Zeitpunkt der Mitteilung nach Absatz 1 an gerechnet. Wird der genannte Nachweis nicht erbracht, so
erhebt der zuständige Mitgliedstaat nach Ablauf dieser Frist die betreffenden Zölle und anderen Abgaben.
…“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
10
Aus dem Vorlagebeschluss ergibt sich, dass die Firma ASA, die Rechtsvorgängerin von Honeywell, als
zugelassener Versender am 3. Juni 1994 in Raunheim (Deutschland) ein Turbostrahlwerk in das externe
gemeinschaftliche Versandverfahren überführte. Laut Versandanmeldung sollte die fragliche Ware mit Lkw
befördert und bis zum 17. Juni 1994 der Bestimmungsstelle in Rom (Italien) gestellt werden.
11
Das Versandverfahren wurde nicht erledigt, da bei der Abgangsstelle in Deutschland kein Rückschein
einging. Zur Durchführung des Suchverfahrens übersandte diese Stelle das Exemplar Nr. 1 der
Versandanmeldung der zuständigen Zentralstelle Such- und Mahnverfahren (im Folgenden: ZSM) des
Hauptzollamts Fulda (Deutschland), das inzwischen aufgehoben und durch das Hauptzollamt Gießen ersetzt
wurde. Auf ein Schreiben der ZSM vom 10. Februar 1995 bestätigte ASA mit Schreiben vom 20. Februar
1995, dass die Zuwiderhandlung als in Italien begangen festgestellt worden sei.
12
Die italienischen Zollbehörden, die mit den Ermittlungen in Italien beauftragt worden waren, teilten mit
Schreiben vom 23. Januar und 26. Juni 1997 mit, dass die Sendung dort nicht gestellt worden sei, dass der
zugehörige Versandschein nicht vorgelegt worden sei und dass sie über den Verbleib der Sendung in Italien
nichts hätten in Erfahrung bringen können.
13
Mit Steuerbescheid vom 28. Mai 1997 erhob das Hauptzollamt Fulda die Einfuhrabgaben, d. h. Zoll und
Einfuhrumsatzsteuer. Während des Einspruchsverfahrens wies das Hauptzollamt mit Schreiben vom 15.
Januar 1999 darauf hin, dass keine „Nachweise für eine ordnungsgemäße Erledigung des
Versandverfahrens bzw. ein entsprechender Alternativnachweis i. S. des Art. 380 Zollkodex-
Durchführungsverordnung … vorgelegt“ worden seien. Da das Hauptzollamt keine Antwort innerhalb der
gesetzten Frist erhalten hatte, wies es den Einspruch mit Entscheidung vom 17. August 1999 zurück.
14
Aus dem Vorlagebeschluss ergibt sich außerdem, dass während des Klageverfahrens kein Nachweis über die
ordnungsgemäße Durchführung des Versandverfahrens oder über den tatsächlichen Ort der
Zuwiderhandlung erbracht wurde. Es erging keine Aufforderung der ZSM an die Hauptverpflichtete,
innerhalb der in Artikel 379 Absatz 2 der Durchführungsverordnung vorgesehenen Frist von drei Monaten
den Nachweis für die ordnungsgemäße Durchführung des Versandverfahrens oder den Nachweis über den
tatsächlichen Ort der Zuwiderhandlung zu erbringen, andernfalls die Zuwiderhandlung als in der
Bundesrepublik Deutschland begangen gelte.
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Vor dem vorlegenden Gericht trug Honeywell insbesondere vor, dass sie in Ermangelung eines Hinweises auf
die Dreimonatsfrist nach Artikel 379 Absatz 2 nicht die Möglichkeit gehabt habe, im Rahmen dieser Frist den
tatsächlichen Verbleib der Sendung zu ermitteln und die ordnungsgemäße Durchführung des
Versandverfahrens mittels eines Alternativnachweises nach Artikel 380 der Durchführungsverordnung
nachzuweisen. In ihrer Person sei daher keine Zollschuld entstanden, weshalb der Steuerbescheid vom 28.
Mai 1997 und die Entscheidung vom 17. August 1999 aufzuheben seien.
16
Da das Hessische Finanzgericht, Kassel, Zweifel hinsichtlich der Auslegung der einschlägigen Bestimmungen
des Gemeinschaftsrechts hatte, hat es beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof
folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1.
Gilt eine Zollschuld gemäß Artikel 215 Absatz 2 oder 3 erster Gedankenstrich der Verordnung (EWG)
Nr. 2913/92 in der bis zum 9. Mai 1999 geltenden Fassung auch dann als an dem Ort entstanden, an
dem die Zollbehörden feststellen, dass die Ware sich in einer Lage befindet, die eine Zollschuld hat
entstehen lassen (Absatz 2), oder an dem die Ware in das Verfahren übergeführt worden ist (Absatz 3
erster Gedankenstrich), wenn eine in das externe gemeinschaftliche Versandverfahren übergeführte
Sendung der Bestimmungsstelle nicht gestellt worden ist und der Ort der Zuwiderhandlung nicht
ermittelt werden kann, die Zollbehörden es jedoch versäumt haben, entgegen Artikel 378 Absatz 1
letzter Halbsatz und Artikel 379 Absatz 2 Satz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 in der bis zum 30.
Juni 2001 geltenden Fassung in der Mitteilung nach Artikel 379 Absatz 1 dieser Verordnung die Frist
anzugeben, innerhalb deren bei der Abgangsstelle der Nachweis für die ordnungsgemäße
Durchführung des Versandverfahrens oder der Nachweis über den tatsächlichen Ort der
Zuwiderhandlung zu erbringen ist?
2.
Für den Fall, dass die Frage zu 1 bejaht wird:
Setzt die Erhebung der Abgaben durch die zuständige Zollbehörde gemäß Artikel 379 Absatz 2 Satz 3 der
Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 in der bis zum 30. Juni 2001 geltenden Fassung voraus, dass die
Zollbehörden in der Mitteilung nach Artikel 379 Absatz 1 dieser Verordnung die Frist angegeben haben,
innerhalb deren bei der Abgangsstelle der Nachweis für die ordnungsgemäße Durchführung des
Versandverfahrens oder der Nachweis über den tatsächlichen Ort der Zuwiderhandlung zu erbringen ist?
Zu den Vorlagefragen
17
Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob
der Umstand, dass die Abgangsstelle einer Ware, die in das externe gemeinschaftliche Versandverfahren
übergeführt worden ist, es versäumt hat, in der Mitteilung nach Artikel 379 Absatz 1 der
Durchführungsverordnung die Frist von drei Monaten anzugeben, innerhalb deren bei der Abgangsstelle
nach Artikel 379 Absatz 2 dieser Verordnung der Nachweis für die ordnungsgemäße Durchführung des
Versandverfahrens oder der Nachweis über den tatsächlichen Ort der Zuwiderhandlung zu erbringen ist, der
Entstehung einer Einfuhrzollschuld im Sinne von Artikel 203 des Zollkodex entgegensteht. Wenn dies
verneint wird, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob dieser Umstand, auch wenn er die Entstehung
einer Zollschuld nicht verhindert, zumindest der Erhebung der Abgaben beim Hauptverpflichteten durch die
Zollbehörde entgegensteht.
18
Nach Artikel 203 Absatz 1 des Zollkodex entsteht die Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige
Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 1. Februar 2001 in
der Rechtssache C‑66/99, D. Wandel, Slg. 2001, I‑873, Randnr. 50, vom 11. Juli 2002 in der Rechtssache
C‑371/99, Liberexim, Slg. 2002, I‑6227, Randnr. 52, und vom 14. November 2002 in der Rechtssache
C‑112/01, SPKR, Slg. 2002, I‑10655, Randnrn. 30 und 35). Schon nach dem Wortlaut von Absatz 2 dieses
Artikels entsteht die Schuld im Zeitpunkt der Entziehung.
19
Was insbesondere den in Artikel 203 Absatz 1 des Zollkodex enthaltenen Begriff der Entziehung aus der
zollamtlichen Überwachung betrifft, so ist er nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes so zu verstehen,
dass er jede Handlung oder Unterlassung umfasst, die dazu führt, dass die zuständige Zollbehörde, wenn
auch nur zeitweise, am Zugang zu einer unter zollamtlicher Überwachung stehenden Ware und an der
Durchführung der in Artikel 37 Absatz 1 des Zollkodex vorgesehenen Prüfungen gehindert wird (vgl. Urteil
vom 29. April 2004 in der Rechtssache C‑222/01, British American Tobacco, Slg. 2004, I‑0000, Randnr. 47
und die dort zitierte Rechtsprechung).
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Dies ist der Fall, wenn – wie im Ausgangsverfahren – die Abgangsstelle der streitigen Sendung, die in das
externe gemeinschaftliche Versandverfahren übergeführt wurde, festgestellt hat, dass diese Sendung nicht
der Bestimmungsstelle gestellt wurde und dass das Zollverfahren für diese Sendung nicht erledigt worden
ist.
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Nach Artikel 378 Absatz 1 der Durchführungsverordnung gilt, wenn – wie im Ausgangsverfahren – eine
Sendung nicht der Bestimmungsstelle gestellt worden ist und der Ort der Zuwiderhandlung nicht ermittelt
werden kann, diese Zuwiderhandlung unbeschadet des Artikels 215 des Zollkodex über die Bestimmung des
Ortes der Entstehung der Zollschuld als in dem Mitgliedstaat begangen, zu dem die Abgangsstelle gehört,
oder als in dem Mitgliedstaat begangen, zu dem die Eingangszollstelle der Gemeinschaft gehört, bei der ein
Grenzübergangsschein abgegeben worden ist, es sei denn, die Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens oder der
Ort, an dem die Zuwiderhandlung tatsächlich begangen worden ist, wird den Zollbehörden innerhalb der
Frist nach Artikel 379 Absatz 2 der Durchführungsverordnung nachgewiesen.
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Ist eine Sendung der Bestimmungsstelle nicht gestellt worden und kann der Ort der Zuwiderhandlung nicht
ermittelt werden, so teilt die Abgangsstelle dies nach Artikel 379 Absatz 1 der Durchführungsverordnung
dem Hauptverpflichteten so schnell wie möglich, spätestens jedoch vor Ablauf des elften Monats nach dem
Zeitpunkt der Registrierung der Versandanmeldung, mit. Nach Absatz 2 dieses Artikels ist in der Mitteilung
nach Absatz 1 insbesondere die Frist anzugeben, innerhalb deren bei der Abgangsstelle der Nachweis für
die ordnungsgemäße Durchführung des Versandverfahrens oder der Nachweis über den tatsächlichen Ort
der Zuwiderhandlung zu erbringen ist. Diese Frist beträgt drei Monate vom Zeitpunkt der Mitteilung nach
Absatz 1 an gerechnet. Wird der genannte Nachweis nicht erbracht, so erhebt der zuständige Mitgliedstaat
nach Ablauf dieser Frist die betreffenden Zölle und anderen Abgaben.
23
Zwar verhindert entgegen der von Honeywell vertretenen Auffassung das Versäumnis, die in Artikel 379
Absatz 2 der Durchführungsverordnung vorgesehene Dreimonatsfrist anzugeben, nicht die Entstehung der
Zollschuld im Sinne von Artikel 203 Absatz 1 des Zollkodex, da das die Zollschuld begründende Ereignis, wie
in Randnummer 18 des vorliegenden Urteils ausgeführt, die Tatsache ist, dass die einfuhrabgabenpflichtige
Ware der zollamtlichen Überwachung u. a. dadurch entzogen wurde, dass die Ware nicht der
Bestimmungsstelle gestellt worden ist, doch stellt die Angabe dieser Dreimonatsfrist gegenüber dem
Hauptverpflichteten eine Voraussetzung für die Erhebung der Zollschuld durch die Zollbehörden dar.
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Schon aus dem Wortlaut der Artikel 378 Absatz 1 und 379 Absatz 2 der Durchführungsverordnung ergibt sich
nämlich, dass die Angabe der Frist, innerhalb deren die verlangten Nachweise zu erbringen sind, durch die
Abgangsstelle gegenüber dem Hauptverpflichteten obligatorischen Charakter hat und der Erhebung der
Zollschuld vorausgehen muss. Diese Frist dient dem Schutz der Interessen des Hauptverpflichteten dadurch,
dass ihm drei Monate eingeräumt werden, um gegebenenfalls den Nachweis für die ordnungsgemäße
Durchführung des Versandverfahrens oder über den tatsächlichen Ort der Zuwiderhandlung zu erbringen
(vgl. in diesem Sinne oben in Randnr. 18 zitiertes Urteil SPKR, Randnr. 38).
25
Unter diesen Umständen kann der Mitgliedstaat, zu dem die Abgangsstelle gehört, die Einfuhrabgaben nur
erheben, wenn er den Hauptverpflichteten insbesondere darauf hingewiesen hat, dass er über eine Frist
von drei Monaten verfügt, um die verlangten Nachweise zu erbringen, und diese Nachweise nicht innerhalb
der Frist erbracht worden sind (vgl. analog Urteil vom 21. Oktober 1999 in der Rechtssache C‑233/98,
Lensing & Brockhausen, Slg. 1999, I‑7349, Randnr. 31). Auf jeden Fall muss der Betrag der Zollschuld nach
Artikel 221 Absatz 3 des Zollkodex unter Beachtung der Verjährungsfrist von drei Jahren nach dem Zeitpunkt
des Entstehens der Zollschuld mitgeteilt worden sein.
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Demnach ist auf die vorgelegten Fragen zu antworten, dass Artikel 203 Absatz 1 des Zollkodex in
Verbindung mit Artikel 379 der Durchführungsverordnung dahin auszulegen ist, dass eine Zollschuld zwar
entstanden ist, wenn eine in das externe gemeinschaftliche Versandverfahren übergeführte Sendung nicht
der Bestimmungsstelle gestellt worden ist, dass aber der Mitgliedstaat, zu dem die Abgangsstelle gehört,
die Abgaben nur erheben kann, wenn er den Hauptverpflichteten darauf hingewiesen hat, dass er über eine
Frist von drei Monaten verfügt, um die verlangten Nachweise zu erbringen, und diese Nachweise nicht
innerhalb der Frist erbracht worden sind.
Kosten
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Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden
Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen
anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:
Artikel 203 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur
Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften in Verbindung mit Artikel 379 der Verordnung
(EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der
Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 ist dahin auszulegen, dass eine Zollschuld entstanden ist, wenn
eine in das externe gemeinschaftliche Versandverfahren übergeführte Sendung nicht der
Bestimmungsstelle gestellt worden ist, dass aber der Mitgliedstaat, zu dem die Abgangsstelle
gehört, die Abgaben nur erheben kann, wenn er den Hauptverpflichteten darauf hingewiesen
hat, dass er über eine Frist von drei Monaten verfügt, um die verlangten Nachweise zu
erbringen, und diese Nachweise nicht innerhalb der Frist erbracht worden sind.
Unterschriften.
Verfahrenssprache: Deutsch.