Urteil des EuGH vom 15.06.2000

EuGH: verordnung, kommission, deutsche demokratische republik, ddr, regierung, handel, verfügung, warenverkehr, eigenmittel, zollgebiet

WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Fünfte Kammer)
15. Juni 2000
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Handel mit der Deutschen Demokratischen Republik in der Zeit
vor der deutschen Wiedervereinigung - Verordnung (EWG) Nr. 2252/90 - Abschaffung der Zollförmlichkeiten -
Unterbliebene Erhebung von Einfuhrabschöpfungen im innerdeutschen Handel - Versäumnis, der
Kommission Eigenmittel zur Verfügung zu stellen“
In der Rechtssache C-348/97
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
Bevollmächtigten, Zustellungsbevollmächtigter: C. Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner,
Luxemburg-Kirchberg,
Klägerin,
gegen
Bundesrepublik Deutschland
Quassowski, beide Bundesministerium für Wirtschaft, als Bevollmächtigte, D-53117 Bonn,
Beklagte,
wegen Feststellung, daß die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus dem EG-
Vertrag verstoßen hat, daß sie unter Nichtbeachtung des Artikels 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2252/90 der
Kommission vom 31. Juli 1990 mit Durchführungsbestimmungen zu der Verordnung (EWG) Nr. 2060/90 des
Rates über die für den Handel mit der Deutschen Demokratischen Republik im Sektor Landwirtschaft und
Fischerei geltenden Übergangsmaßnahmen (ABl. L 203, S. 61) zugelassen hat, daß Waren, für die bei der
Einfuhr aus den Niederlanden eine Erstattung gewährt worden war, in die Bundesrepublik Deutschland
verbracht werden konnten, ohne daß eine dem Gemeinschaftspreisniveau entsprechende Abschöpfung
erhoben und der Gemeinschaft zur Verfügung gestellt worden wäre, und daß sie alle Zollförmlichkeiten im
innerdeutschen Warenverkehr abgeschafft und die zur Durchführung der Verordnung Nr. 2252/90
erforderlichen Maßnahmen nicht ergriffen hat,
erläßt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Sechsten Kammer J. C. Moitinho de Almeida in Wahrnehmung der
Aufgaben des Präsidenten der Fünften Kammer sowie der Richter L. Sevón (Berichterstatter), C. Gulmann, J.-
P. Puissochet und M. Wathelet,
Generalanwalt: A. Saggio
Kanzler: R. Grass
aufgrund des Berichts des Berichterstatters,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. September 1999,
folgendes
Urteil
1.
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 7. Oktober 1997 in
das Register der Kanzlei des Gerichtshofes eingetragen worden ist, gemäß Artikel 169 EG-Vertrag
(jetzt Artikel 226 EG) Klage auf Feststellung erhoben, daß die Bundesrepublik Deutschland dadurch
gegen ihre Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag verstoßen hat, daß sie unter Nichtbeachtung des
Artikels 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2252/90 der Kommission vom 31. Juli 1990 mit
Durchführungsbestimmungen zu der Verordnung (EWG) Nr. 2060/90 des Rates über die für den
Handel mit der Deutschen Demokratischen Republik im Sektor Landwirtschaft und Fischerei geltenden
Übergangsmaßnahmen (ABl. L 203, S. 61) zugelassen hat, daß Waren, für die bei der Einfuhr aus den
Niederlanden eine Erstattung gewährt worden war, in die Bundesrepublik Deutschland verbracht
werden konnten, ohne daß eine dem Gemeinschaftspreisniveau entsprechende Abschöpfung erhoben
und der Gemeinschaft zur Verfügung gestellt worden wäre, und daß sie alle Zollförmlichkeiten im
innerdeutschen Warenverkehr abgeschafft und die zur Durchführung der Verordnung Nr. 2252/90
erforderlichen Maßnahmen nicht ergriffen hat.
Rechtlicher Rahmen
2.
Gemäß den Artikeln 1 Buchstabe c und 14 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 des Rates
vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (ABl. L 148,
S. 13) wird bei der Einfuhr von Butter in die Gemeinschaft eine Abschöpfung erhoben.
3.
Für den Handel zwischen der Gemeinschaft und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR)
stellt Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2252/90 allerdings fest, daß die Bedingungen für die
Aussetzung der Abschöpfungen sowie der anderen Abgaben, mengenmäßigen Beschränkungen und
Maßnahmen gleicher Wirkung im Rahmen der gemeinsamen Regelung für die landwirtschaftlichen
Erzeugnisse gemäß Artikel 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2060/90 des Rates vom 16. Juli 1990 mit
Übergangsmaßnahmen für den Handel mit der Deutschen Demokratischen Republik im Sektor
Landwirtschaft und Fischerei (ABl. L 188, S. 1) erfüllt sind. Nach der letztgenannten Bestimmung gilt
die Verordnung Nr. 2060/90 für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse gemäß Anhang II des EWG-
Vertrags und für die aus diesen Erzeugnissen hergestellten Waren gemäß der Verordnung (EWG) Nr.
3033/80 des Rates vom 11. November 1980 zur Festlegung der Handelsregelung für bestimmte aus
landwirtschaftlichen Erzeugnissen hergestellte Waren (ABl. L 323, S. 1) in der durch die Verordnung
(EWG) Nr. 1436/90 des Rates vom 21. Mai 1990 (ABl. L 138, S. 9) geänderten Fassung (im folgenden:
landwirtschaftliche Erzeugnisse).
4.
Nach Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2252/90 „gilt [diese Aussetzung] nur für Erzeugnisse, für
die nachgewiesen wird, daß sie
- vollständig in der Deutschen Demokratischen Republik gewonnen oder hergestellt wurden oder
- mit einer der Gemeinschaftsabschöpfung entsprechenden Abschöpfung in die Deutsche
Demokratische Republik eingeführt und dort zum freien Verkehr abgefertigt wurden oder
- aus der Gemeinschaft ohne Ausfuhrerstattung in die Deutsche Demokratische Republik eingeführt
und dort zum freien Verkehr abgefertigt wurden.
...“
5.
Artikel 2 der Verordnung Nr. 2252/90 bestimmt:
„Die Artikel 2 bis 5 der Verordnung (EWG) Nr. 1795/90 sind auf den Warenverkehr mit den in Artikel 1
der Verordnung (EWG) Nr. 2060/90 genannten Erzeugnissen und Waren zwischen der Gemeinschaft
und der Deutschen Demokratischen Republik anwendbar.“
6.
Gemäß ihrem Artikel 3 ist die Verordnung Nr. 2252/90 am 1. August 1990 in Kraft getreten.
7.
Die dritte Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2252/90 lautet:
„Zur Durchführung dieser Verordnung arbeitet die Bundesrepublik Deutschland eng mit der
Kommission zusammen, um im Einvernehmen mit der Deutschen Demokratischen Republik
Maßnahmen zu treffen, mit denen verhindert wird, daß gegenüber den Drittländern geltende
Bestimmungen der gemeinsamen Agrarpolitik umgangen werden.“
8.
Die fünfte Begründungserwägung dieser Verordnung lautet:
„Damit Erzeugnisse, für die ein anderes Preisniveau als in der Gemeinschaft besteht, nicht
abschöpfungsfrei in die Gemeinschaft eingeführt werden, muß die Aussetzung von bestimmten
Bedingungen, insbesondere vom Ursprung der betreffenden Erzeugnisse in der Deutschen
Demokratischen Republik, abhängig gemacht werden.“
9.
Artikel 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1795/90 der Kommission vom 29. Juni 1990 über Maßnahmen zur
Anwendung der Verordnung (EWG) Nr. 1794/90 des Rates über die für den Handel mit der Deutschen
Demokratischen Republik geltenden Übergangsmaßnahmen (ABl. L 166, S. 3) bestimmt:
„(1) Das gemeinschaftliche Versandverfahren wird im Warenverkehr zwischen der Gemeinschaft und
der Deutschen Demokratischen Republik angewandt.
...
(3) Im Sinne dieses Artikels gilt der Warenverkehr zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der
Deutschen Demokratischen Republik als im Gebiet eines einzigen Mitgliedstaats durchgeführt.“
10.
In Artikel 2 der Verordnung (EWG) Nr. 4151/88 des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Festlegung
der Vorschriften für in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachte Waren (ABl. L 367, S. 1) heißt es:
„Waren, die in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht werden, unterliegen vom Zeitpunkt des
Verbringens an der zollamtlichen Überwachung.“
11.
Nach Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung Nr. 4151/88 gelten als „zollamtliche
Überwachung“ im Sinne dieser Verordnung „allgemeine Überwachungsmaßnahmen der Zollbehörde,
um die Einhaltung der Zollvorschriften und gegebenenfalls der sonstigen für in das Zollgebiet der
Gemeinschaft verbrachte Waren geltenden Vorschriften zu gewährleisten“.
12.
In Artikel 3 dieser Verordnung ist folgendes geregelt:
„Die in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachten Waren sind vom Verbringer unverzüglich und
unter Benutzung des von der Zollbehörde gegebenenfalls bezeichneten Weges nach Maßgabe der
von dieser Behörde festgelegten Einzelheiten zu befördern:
a) zu der von der Zollbehörde bezeichneten Zollstelle oder einem anderen von dieser Behörde
bezeichneten oder zugelassenen Ort oder
b) in eine Freizone ...“
13.
Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2144/87 des Rates vom 13. Juli 1987 über die
Zollschuld (ABl. L 201, S. 15) bestimmt:
„Eine Einfuhrzollschuld entsteht,
...
b) wenn eingangsabgabenpflichtige Waren vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft
verbracht werden.
...
Im Sinne des vorliegenden Buchstabens gilt als vorschriftswidriges Verbringen jedes Verbringen
unter Nichtbeachtung der Vorschriften zur Anwendung des Artikels 2 der Richtlinie 68/312 ... zuletzt
geändert durch die Akte über den Beitritt Spaniens und Portugals;
...“
14.
Gemäß Artikel 26 Absatz 1 der Verordnung Nr. 4151/88 wurde die Richtlinie 68/312/EWG des Rates
vom 30. Juli 1968 zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über 1. die zollamtliche
Erfassung der Waren, die in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht werden, und 2. die
vorübergehende Verwahrung dieser Waren (ABl. L 194, S. 13) durch diese Verordnung aufgehoben,
deren Artikel 2 und 3 Artikel 2 dieser Richtlinie entsprechen und ihn ergänzen.
15.
Gemäß Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe d der Verordnung Nr. 2144/87 sind „Eingangsabgaben“ im
Sinne dieser Verordnung auch Abschöpfungen und sonstige bei der Einfuhr erhobene Abgaben, die
im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik vorgesehen sind.
16.
Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1552/89 des Rates vom 29. Mai 1989 zur
Durchführung des Beschlusses 88/376/EWG, Euratom über das System der Eigenmittel der
Gemeinschaften (ABl. L 155, S. 1) bestimmt:
„Für diese Verordnung gilt ein Anspruch der Gemeinschaften auf die Eigenmittel im Sinne von Artikel 2
Absatz 1 Buchstaben a) und b) des Beschlusses 88/376/EWG, Euratom als festgestellt, sobald die
zuständige Dienststelle des Mitgliedstaats dem Abgabenschuldner die Höhe der von ihm
geschuldeten Abgabe mitgeteilt hat. Diese Mitteilung erfolgt, sobald der Abgabenschuldner bekannt
ist und die Höhe des Anspruchs von den zuständigen Verwaltungsbehörden bestimmt werden kann,
und zwar unter Einhaltung aller einschlägigen Gemeinschaftsvorschriften.“
17.
Artikel 9 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 1552/89 bestimmt:
„Jeder Mitgliedstaat schreibt die Eigenmittel ... dem Konto gut, das zu diesem Zweck für die
Kommission bei der Haushaltsverwaltung des Mitgliedstaats oder bei der von ihm bestimmten
Einrichtung eingerichtet wurde.“
18.
Artikel 17 Absätze 1 und 2 dieser Verordnung lautet:
„(1) Die Mitgliedstaaten haben alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die Beträge, die den
gemäß Artikel 2 festgestellten Ansprüchen entsprechen, der Kommission nach Maßgabe dieser
Verordnung zur Verfügung gestellt werden.
(2) Die Mitgliedstaaten sind nur dann nicht verpflichtet, die den festgestellten Ansprüchen
entsprechenden Beträge der Kommission zur Verfügung zu stellen, wenn diese Beträge aus Gründen
höherer Gewalt nicht erhoben werden konnten. Ferner brauchen die Mitgliedstaaten im Einzelfall die
Beträge der Kommission nicht zur Verfügung zu stellen, wenn sich nach eingehender Prüfung aller
maßgeblichen Umstände des betreffenden Falles erweist, daß die Einziehung aus nicht von ihnen zu
vertretenden Gründen auf Dauer unmöglich ist. Diese Fälle sind in dem Bericht gemäß Absatz 3
aufzuführen, sofern die ... Beträge 10 000 ECU übersteigen. In dem Berichtsind die Gründe
anzugeben, die den Mitgliedstaat gehindert haben, die betreffenden Beträge zur Verfügung zu stellen.
Die Kommission kann dem Mitgliedstaat binnen sechs Monaten Bemerkungen übermitteln.“
Sachverhalt und vorprozessuales Verfahren
19.
Den Akten zufolge wurden zwischen dem 15. und 24. August 1990 Butterpartien aus den
Niederlanden unter Gewährung einer Ausfuhrerstattung über die DDR in die Bundesrepublik
Deutschland eingeführt, ohne daß eine Abschöpfung erhoben wurde.
20.
Mit Schreiben vom 22. Juni 1994 wies die Kommission die deutsche Regierung darauf hin, daß die
Bedingungen des Artikels 1 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2252/90, der eine abschöpfungsfreie Einfuhr
in die Gemeinschaft zulasse, für die betreffenden Butterpartien nicht erfüllt seien. Da die
Bundesrepublik Deutschland dadurch die Eigenmittel der Gemeinschaft rechtswidrig gemindert habe,
forderte die Kommission die deutsche Regierung auf, bis spätestens 15. September 1994 12 684 800
DM an sie zu zahlen, was dem Betrag der Abschöpfung entspreche, die zu erheben gewesen sei.
21.
Nach Ansicht der deutschen Regierung ist keine Zollschuld entstanden, da die Butterpartien vor
allem aufgrund bestimmter Besonderheiten des innerdeutschen Handels nicht unter Verstoß gegen
Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 2144/87 in das Gemeinschaftsgebiet verbracht
worden seien. Außerdem müsse der Fall vorrangig in den Niederlanden verfolgt werden, da dort zu
Unrecht Ausfuhrerstattungen gezahlt worden seien.
22.
Am 13. September 1995 leitete die Kommission das in Artikel 169 des Vertrages vorgesehene
Verfahren ein, indem sie der Bundesrepublik Deutschland ein Mahnschreiben übermittelte.
23.
In ihrer Antwort vom 12. Januar 1996 erklärte die deutsche Regierung, sie habe nicht gegen ihre
Verpflichtungen aus dem Vertrag verstoßen, und wiederholte, daß bei der Einfuhr der betreffenden
Butterpartien keine Zollschuld entstanden sei.
24.
Mit Schreiben vom 30. Oktober 1996 gab die Kommission eine mit Gründen versehene
Stellungnahme ab.
25.
Am 30. Dezember 1996 antwortete die deutsche Regierung auf die mit Gründen versehene
Stellungnahme und erklärte, die Kommission habe der besonderen Ausnahmesituation im Zuge des
deutschen Vereinigungsprozesses nicht hinreichend Rechnung getragen und die rechtliche
Bedeutung der Rückzahlung der in den Niederlanden gewährten Ausfuhrerstattungen unzutreffend
bewertet; eine Abschöpfungsschuld sei nicht entstanden.
26.
Da die Kommission diese Auffassung nicht teilen konnte, hat sie die vorliegende Klage erhoben.
Begründetheit
27.
Die erste Rüge der Kommission geht dahin, daß die Bundesrepublik Deutschland unter
Nichtbeachtung des Artikels 2 der Verordnung Nr. 2252/90 zwischen dem 15. und 24. August 1990 die
Verbringung von Butterpartien, für die bei ihrer Ausfuhr aus den Niederlanden eine Erstattung
gewährt worden war, in ihr Hoheitsgebiet zugelassen habe, ohne daß eine Einfuhrabschöpfung
erhoben und der Gemeinschaft zur Verfügung gestellt worden sei.
28.
Die Kommission trägt hierzu vor, daß eine Einfuhrabschöpfung gemäß Artikel 14 Absatz 2 der
Verordnung Nr. 804/68 hätte erhoben werden müssen, da hier die Bedingungen für eine abgabenfreie
Einfuhr gemäß Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2252/90 nicht erfüllt gewesen seien. Die von
dieser Abschöpfung befreite Verbringung der betreffenden Butterpartien in die Gemeinschaft sei
daher ein Verstoß gegen jene Bestimmung, und wegen dieses Verstoßes gegen das
Gemeinschaftsrecht seien die Voraussetzungen nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung
Nr. 2144/87 über das Entstehen der Zollschuld erfüllt gewesen. Gemäß den Artikeln 2 Absatz 1 und 9
Absatz 1 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 1552/89 hätte die Bundesrepublik Deutschland den der
Einfuhrabschöpfung entsprechenden Betrag feststellen und der Gemeinschaft zur Verfügung stellen
müssen.
29.
Die deutsche Regierung trägt erstens vor, sie habe nicht gegen ihre Verpflichtungen aus dem
Vertrag verstoßen, da keine Abschöpfungsschuld entstanden sei. Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b der
Verordnung Nr. 2144/87 setze nämlich für das Entstehen einer Zollschuld voraus, daß zusätzlich zur
Abschöpfungspflichtigkeit ein vorschriftswidriges Verbringen der Waren vorliege. Im vorliegenden Fall
sei das letztere Tatbestandsmerkmal jedoch nicht verwirklicht worden, da es zu den fraglichen
Zeitpunkten hinsichtlich der Erfassung der betreffenden Butterpartien keine an das Überschreiten
der innerdeutschen Grenze durch diese Ware anknüpfende zollrechtliche Verpflichtung gegeben habe.
30.
Außer dem Artikel 1 Absatz 2 Unterabsatz 2, der im vorliegenden Fall nicht einschlägig sei, enthalte
die Verordnung Nr. 2252/90 keine Bestimmung über das Verfahren.
31.
Außerdem macht die deutsche Regierung geltend, daß die zu beachtenden Zollförmlichkeiten auch
nicht aus der Verweisung in Artikel 2 der Verordnung Nr. 2252/90 auf die Artikel 2 bis 5 der
Verordnung Nr. 1795/90 hervorgingen, da nach Artikel 2 Absätze 1 und 3 der letztgenannten
Verordnung die Bestimmungen der Verordnung Nr. 2252/90 nur im Handel zwischen der DDR und den
Mitgliedstaaten mit Ausnahme der Bundesrepublik Deutschland gälten, nicht aber im Handel zwischen
dieser und der DDR. Im übrigen gelte Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1795/90 sowohl für
abschöpfungspflichtige als auch für abschöpfungsfreie Waren.
32.
Zweitens trägt die deutsche Regierung vor, selbst wenn Artikel 1 Absatz 2 Unterabsatz 1 dritter
Gedankenstrich der Verordnung Nr. 2252/90 nicht rückwirkend auf den Fall einer zurückgezahlten
Ausfuhrerstattung angewandt werden könnte, so folge aus dieser Vorschrift, daß zwischen
Ausfuhrerstattung und Abschöpfung ein rechtlicher Zusammenhang bestehe. Unter Bezugnahme auf
das Urteil vom 9. August 1994 in der Rechtssache C-347/93 (Boterlux, Slg. 1994, I-3933) macht sie
geltend, es liege ein typischer Fall eines sogenannten Kreisverkehrs vor. Im vorliegenden Fall sei die
Entscheidung, mit der die Rückzahlung der in den Niederlanden gezahlten Ausfuhrerstattung verfügt
worden sei, durch ein niederländisches Gericht bestätigt worden. Deshalb fehle es an einem Schaden
zu Lasten des Gemeinschaftshaushalts. Die betreffenden Butterpartien seien daher so anzusehen, als
ob sie wieder dem Wirtschaftskreislauf der Gemeinschaft zugehörten, so daß für die Erhebung von
Abschöpfungen kein Raum mehr sei.
33.
Drittens beruft sich die deutsche Regierung darauf, daß Artikel 2 der Verordnung Nr. 1552/89 als
wichtigstes Tatbestandsmerkmal einen „Anspruch der Gemeinschaften“, d. h. eine entstandene
Zollschuld, voraussetze; das gleiche gelte für Artikel 17 Absatz 1 dieser Verordnung, der auf Artikel 2
ausdrücklich Bezug nehme. Da keine auf einer Abschöpfung beruhende Zollschuld entstanden sei,
komme somit eine Inanspruchnahme der Bundesrepublik Deutschland wegen nicht festgestellter und
nicht abgeführter Eigenmittel gemäß der Verordnung Nr. 1552/89 nicht in Betracht.
34.
Die zweite Rüge der Kommission stützt sich darauf, daß die Bundesrepublik Deutschland verfrüht,
vor der am 3. Oktober 1990 erfolgten Wiedervereinigung, alle Zollförmlichkeiten im innerdeutschen
Warenverkehr abgeschafft und die zur Durchführung der Verordnung Nr. 2252/90 erforderlichen
Maßnahmen nicht ergriffen habe.
35.
Das Bestehen eines gemeinsamen Marktes setze notwendigerweise voraus, daß an allen
Außengrenzen der Gemeinschaft einheitliche Zölle erhoben würden. Bis zur Wiedervereinigung sei die
Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR trotz aller zollrechtlichen
Sonderregelungen und trotz der Herstellung der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion eine
Außengrenze der Gemeinschaft geblieben. Der Handel mit Agrarerzeugnissen sei durch die
Verordnung Nr. 2252/90 geregelt worden, und die einzige Ausnahme für den innerdeutschen Handel
habe für den Handel mit abschöpfungsfreien Waren gegolten. Diese Verordnung habe gerade den
Zweck gehabt, das abschöpfungsfreie Verbringen von Waren über die DDR in die Bundesrepublik
Deutschland als Teil des Gemeinschaftsgebiets und die Umgehung der gemeinschaftsrechtlichen
Vorschriften zu verhindern. Die Verwirklichung dieser Zielsetzung habe die Einführung bzw.
Beibehaltung zollamtlicher Kontrollmaßnahmen erfordert.
36.
Die deutsche Regierung erwidert, der Verzicht auf Warenkontrollen bei innerdeutschen
Grenzübertritten sei gerade der Zweck der Zoll- und Agrarunion zwischen der Gemeinschaft und der
DDR gewesen. Die Schaffung dieser faktischen Union am 1. Juli1990 bzw. für die landwirtschaftlichen
Erzeugnisse am 1. August 1990 sei nicht nur zwischen den beiden deutschen Staaten vereinbart,
sondern von der Kommission sogar ausdrücklich gefordert worden. Alle Mitgliedstaaten sollten
gleichermaßen an der Liberalisierung des über die innerdeutsche Grenze verlaufenden Warenverkehrs
partizipieren.
37.
Die zweite Rüge der Kommission ist zuerst zu prüfen.
38.
Artikel 10 des Vertrages vom 31. August 1990 über die Herstellung der Einheit Deutschlands (BGBl.
1990 II S. 889) hatte die Wirkung, daß die Gemeinschaftsvorschriften mit Wirksamwerden des Beitritts
der DDR zur Bundesrepublik Deutschland, d. h. ab dem 3. Oktober 1990, für das Gebiet der DDR
gelten (vgl. Urteil vom 7. Mai 1997 in der Rechtssache C-223/95, Moksel, Slg. 1997, I-2379, Randnr.
22). Folglich war die DDR bis zu diesem Zeitpunkt im Verhältnis zur Gemeinschaft ein Drittland. Die
Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR war daher eine Außengrenze der
Gemeinschaft, und die für Erzeugnisse aus Drittländern normalerweise geltenden gemeinschaftlichen
Zollvorschriften waren grundsätzlich auch auf die aus der DDR stammenden Erzeugnisse anwendbar.
39.
Für landwirtschaftliche Erzeugnisse war jedoch im Handel zwischen der Gemeinschaft und der DDR
gemäß den Artikeln 1 und 3 der Verordnung Nr. 2252/90 die Erhebung von Einfuhrabschöpfungen
sowie der anderen Abgaben, mengenmäßigen Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung im
Rahmen der gemeinsamen Regelung für diese Erzeugnisse vom 1. August 1990 an ausgesetzt.
Gleichwohl galt diese Aussetzung nur für Erzeugnisse, für die nachgewiesen wurde, daß sie eine der
drei in Artikel 1 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 2252/90 vorgesehenen Bedingungen
erfüllten, d. h.:
- vollständig in der DDR gewonnen oder hergestellt worden waren oder
- mit einer der Gemeinschaftsabschöpfung entsprechenden Abschöpfung in die DDR eingeführt und
dort zum freien Verkehr abgefertigt worden waren oder
- aus der Gemeinschaft ohne Ausfuhrerstattung in die DDR eingeführt und dort zum freien Verkehr
abgefertigt worden waren.
40.
Indem sie diese Aussetzung unter bestimmten Bedingungen zugelassen hat, hat die Verordnung Nr.
2252/90 somit eine Ausnahme von den für Erzeugnisse aus Drittländern normalerweise geltenden
gemeinschaftlichen Zollvorschriften eingeführt. Außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Ausnahme
galten diese Vorschriften folglich bis zur Wiedervereinigung.
41.
Zu diesen Vorschriften gehören aber namentlich die Artikel 2 und 3 der Verordnung Nr. 4151/88,
wonach die in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachten Waren vomZeitpunkt des Verbringens an
der zollamtlichen Überwachung unterliegen und vom Verbringer unverzüglich zu der von der
Zollbehörde bezeichneten Zollstelle oder einem anderen von dieser Behörde bezeichneten oder
zugelassenen Ort oder in eine Freizone zu befördern sind.
42.
Dementsprechend mußte die Bundesrepublik Deutschland, um prüfen zu können, ob die in das
Gebiet der Gemeinschaft verbrachten landwirtschaftlichen Erzeugnisse eine der in Artikel 1 Absatz 2
Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 2252/90 vorgesehenen Bedingungen erfüllten, und um andernfalls
die anderen Abgaben und Maßnahmen im Rahmen der gemeinsamen Regelung für diese Erzeugnisse
anwenden zu können, im innerdeutschen Warenverkehr die Zollförmlichkeiten, darunter die für die
Anwendung der Artikel 2 und 3 der Verordnung Nr. 4151/88 erforderlichen, beizubehalten oder andere
Maßnahmen ergreifen, mit denen die ordnungsgemäße Durchführung der Verordnung Nr. 2252/90
gewährleistet wird.
43.
Die dritte Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2252/90 sieht in diesem Zusammenhang vor,
daß die Bundesrepublik Deutschland eng mit der Kommission zusammenarbeitet, um im Einvernehmen
mit der DDR Maßnahmen zu treffen, mit denen verhindert wird, daß gegenüber den Drittländern
geltende Bestimmungen der gemeinsamen Agrarpolitik umgangen werden.
44.
Was das Vorbringen der deutschen Regierung zur Schaffung einer auf eine Vereinbarung zwischen
den beiden deutschen Staaten gestützten faktischen Zoll- und Agrarunion betrifft, so geht aus der
Rechtsprechung hervor, daß sich ein Mitgliedstaat nicht auf eine mit einem Drittland geschlossene
Vereinbarung berufen kann, um die Nichtbeachtung bestehender Vorschriften des
Gemeinschaftsrechts zu rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 31. März 1971 in der
Rechtssache 22/70, Kommission/Rat, Slg. 1971, 263, Randnr. 17).
45.
Zur Behauptung der deutschen Regierung, die Schaffung einer faktischen Zoll- und Agrarunion sei
von der Kommission ausdrücklich gefordert worden, genügt der Hinweis, daß die Kommission,
abgesehen von den Fällen, in denen ihr solche Befugnisse ausdrücklich eingeräumt werden, nicht
berechtigt ist, Garantien hinsichtlich der Vereinbarkeit eines bestimmten Verhaltens mit dem
Gemeinschaftsrecht zu geben. Keinesfalls hat sie die Befugnis, gegen das Gemeinschaftsrecht
verstoßende Verhaltensweisen zu genehmigen (Urteil vom 22. April 1999 in der Rechtssache C-340/96,
Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 1999, I-2023, Randnr. 31).
46.
Demnach greift die zweite Rüge der Kommission durch.
47.
Was die erste Rüge der Kommission angeht, so ergibt sich aus den Artikeln 1 Buchstabe c und 14
Absatz 2 der Verordnung Nr. 804/68, daß bei der Einfuhr von Butter in die Gemeinschaft eine
Abschöpfung erhoben wird.
48.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß die betreffenden Butterpartien bei ihrer Einfuhr nach
Deutschland und damit in die Gemeinschaft keine der in Artikel 1 Absatz 2 Unterabsatz 1 der
Verordnung Nr. 2252/90 vorgesehenen Bedingungen erfüllten. Da sie aus der Gemeinschaft in die
DDR eingeführt und dort zum freien Verkehr abgefertigt worden waren, war in den Niederlanden eine
Ausfuhrerstattung gewährt worden.
49.
Folglich konnte für die betreffenden Butterpartien nicht die Aussetzung nach Artikel 1 der
Verordnung Nr. 2252/90 gewährt werden, so daß eine Einfuhrabschöpfung hätte erhoben werden
müssen.
50.
Zum Vorbringen der deutschen Regierung, daß keine Zollschuld entstanden sei, da die Verordnung
Nr. 2252/90 kein Verfahren für die zollrechtliche Erfassung vorsehe, geht aus Randnummer 40 des
vorliegenden Urteils hervor, daß außerhalb des Anwendungsbereichs der durch die Verordnung Nr.
2252/90 eingeführten Ausnahme die für Erzeugnisse aus Drittländern normalerweise geltenden
Zollvorschriften bis zur Wiedervereinigung anwendbar waren.
51.
Im übrigen unterliegen gemäß den Artikeln 2 und 3 der Verordnung Nr. 4151/88, wie in
Randnummer 41 des vorliegenden Urteils festgestellt, die in das Zollgebiet der Gemeinschaft
verbrachten Waren vom Zeitpunkt ihres Verbringens an der zollamtlichen Überwachung und sind vom
Verbringer unverzüglich zu der von der Zollbehörde bezeichneten Zollstelle oder einem anderen von
dieser Behörde bezeichneten oder zugelassenen Ort oder in eine Freizone zu befördern.
52.
Aus Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 2144/87 in Verbindung mit Artikel 26 Absatz
1 der Verordnung Nr. 4151/88 ergibt sich zwar, daß eine Zollschuld entsteht, wenn eine
einfuhrabgabenpflichtige Ware unter Verstoß gegen nationale Bestimmungen, die für die Anwendung
der Artikel 2 und 3 der Verordnung Nr. 4151/88 erlassen worden sind, in das Zollgebiet der
Gemeinschaft verbracht wird. Jedoch ergibt sich aus Randnummer 42 des vorliegenden Urteils, daß die
Bundesrepublik Deutschland diese nationalen Bestimmungen unter Verstoß gegen das
Gemeinschaftsrecht abgeschafft hat. Unter diesen Umständen kann sich die deutsche Regierung
nicht darauf berufen, eine Zollschuld sei nicht entstanden, um sich der Verpflichtung zur Erhebung
der Einfuhrabschöpfungen zu entziehen.
53.
Zum Vorbringen der deutschen Regierung in bezug auf die Verweisung in Artikel 2 der Verordnung
Nr. 2252/90 auf die Artikel 2 bis 5 der Verordnung Nr. 1795/90 ist festzustellen, daß Artikel 2 der
Verordnung Nr. 2252/90 zwar nicht ausdrücklich auf die Erzeugnisse Bezug nimmt, für die
nachgewiesen ist, daß sie eine der in Artikel 1 Absatz 2 Unterabsatz 1 dieser Verordnung
vorgesehenen Bedingungen erfüllen, daß aber nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes bei
verschiedenen möglichen Auslegungen einer Gemeinschaftsvorschrift derjenigen der Vorzug zu geben
ist, die die praktische Wirksamkeit der Vorschrift zu wahren geeignet ist (vgl. u. a. Urteil vom 24.
Februar 2000 in der Rechtssache C-434/97, Kommission/Frankreich, Slg. 2000, I-0000, Randnr. 21).
54.
Daß die Aussetzung der Erhebung von Abschöpfungen von den in Artikel 1 Absatz 2 Unterabsatz 1
der Verordnung Nr. 2252/90 vorgesehenen Bedingungen abhängig gemacht wurde, hatte nach deren
fünfter Begründungserwägung den Zweck, daß Erzeugnisse, für die ein anderes Preisniveau als in der
Gemeinschaft bestand, nicht abschöpfungsfrei in die Gemeinschaft eingeführt wurden.
55.
Gälte, wie die deutsche Regierung vorträgt, diese Bestimmung nicht im Warenverkehr zwischen der
DDR und der Bundesrepublik Deutschland und wäre Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1795/90
auch auf abschöpfungspflichtige Erzeugnisse anwendbar, würde der Zweck des Artikels 1 Absatz 2
Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 2252/90 nicht erreicht. Eine solche Auslegung würde diese
Bestimmung nämlich leerlaufen lassen, da sie den Zugang jedes landwirtschaftlichen Erzeugnisses
nach Deutschland und damit in die Gemeinschaft unabhängig davon zugelassen hätte, ob dafür ein
dem der Gemeinschaft entsprechendes Preisniveau bestand oder nicht.
56.
Demnach galt die Verweisung in Artikel 2 der Verordnung Nr. 2252/90 auf die Artikel 2 bis 5 der
Verordnung Nr. 1795/90 nur für Erzeugnisse, für die bei der Einfuhr aus der DDR die Abschöpfungen
ausgesetzt waren, die also eine der drei in Artikel 1 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr.
2252/90 vorgesehenen Bedingungen erfüllten.
57.
Zum Vorbringen der deutschen Regierung, daß eine Entscheidung, mit der die Rückzahlung der in
den Niederlanden gezahlten Ausfuhrerstattung verfügt worden sei, durch ein niederländisches Gericht
bestätigt worden sei, ist darauf hinzuweisen, daß die gemeinschaftlichen Einfuhr- und
Ausfuhrregelungen unabhängig voneinander funktionieren. Die dritte in Artikel 1 Absatz 2 Unterabsatz
1 der Verordnung Nr. 2252/90 vorgesehene Bedingung stellt zwar einen Zusammenhang zwischen der
Gewährung der Ausfuhrerstattungen und namentlich der Erhebung von Einfuhrabschöpfungen her,
doch sollten damit nur die landwirtschaftlichen Erzeugnisse festgelegt werden, für die die Erhebung
der Abschöpfungen im Handel zwischen der Gemeinschaft und der DDR ausgesetzt war.
58.
Artikel 1 der Verordnung Nr. 2252/90 hat insoweit die Einfuhrabschöpfungen nur für die
landwirtschaftlichen Erzeugnisse ausgesetzt, für die nachgewiesen war, daß sie eine der drei in Absatz
2 Unterabsatz 1 vorgesehenen Bedingungen erfüllten. Wie aus den Randnummern 40 und 41 des
vorliegenden Urteils hervorgeht, waren dann, wenn keine dieser Bedingungen erfüllt war, die für
Erzeugnisse aus Drittländern normalerweise geltenden gemeinschaftlichen Zollvorschriften
einschließlich der Artikel 2 und 3 der Verordnung Nr. 4151/88 anwendbar. Die betreffenden
Erzeugnisse mußten daher zum Zeitpunkt ihres Verbringens in das Gebiet der Gemeinschaft und nicht
später eine der drei Bedingungen erfüllen.
59.
Dieses Ergebnis wird sowohl durch den Zweck des Artikels 1 Absatz 2 Unterabsatz 1 der
Verordnung Nr. 2252/90, der nach der fünften Begründungserwägung dieser Verordnung darin
bestand, daß Erzeugnisse, für die ein anderes Preisniveau als in derGemeinschaft bestand, nicht
abschöpfungsfrei in die Gemeinschaft eingeführt wurden, als auch durch dessen Wortlaut bestätigt,
der keine rückwirkende Anwendung zuläßt.
60.
Demnach ist die Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zur Erhebung der
Einfuhrabschöpfung auf die betreffenden Butterpartien, für die in den Niederlanden eine
Ausfuhrerstattung gewährt worden war, bei deren Verbringung in das Gebiet der Gemeinschaft
entstanden und besteht unabhängig vom Ausgang möglicher Verfolgungsmaßnahmen wegen
Verstoßes gegen die gemeinschaftliche Ausfuhrregelung.
61.
In dem erwähnten Urteil Boterlux hat der Gerichtshof in Randnummer 37 festgestellt, daß der
Exporteur eines Erzeugnisses, das für ein Drittland bestimmt ist, seinen Erstattungsanspruch bei
betrügerischer Wiedereinfuhr dieses Erzeugnisses in die Gemeinschaft auch dann verliert, wenn er an
dem Betrug nicht beteiligt oder gutgläubig war. Der Gerichtshof hat sich hingegen nicht zu der
Verpflichtung zur Erhebung von Einfuhrabschöpfungen geäußert, wenn der Exporteur seinen
Erstattungsanspruch verloren hat.
62.
Zu dem Argument der deutschen Regierung, es fehle an einem Schaden zu Lasten des
Gemeinschaftshaushalts, genügt der Hinweis, daß der Verstoß eines Mitgliedstaats gegen eine
Verpflichtung aus einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts für sich allein eine Vertragsverletzung
darstellt und daß die Erwägung, daß dieser Verstoß keine negativen Auswirkungen gehabt hat,
unerheblich ist (vgl. Urteil vom 21. Januar 1999 in der Rechtssache C-150/97, Kommission/Portugal,
Slg. 1999, I-259, Randnr. 22).
63.
Was schließlich das Vorbringen der deutschen Regierung angeht, da keine auf einer Abschöpfung
beruhende Zollschuld entstanden sei, komme eine Inanspruchnahme der Bundesrepublik
Deutschland wegen nicht festgestellter und nicht abgeführter Eigenmittel nicht in Betracht, so geht
zunächst aus Randnummer 52 des vorliegenden Urteils hervor, daß die deutsche Regierung, da sie
die nationalen Bestimmungen, die für die Anwendung der Artikel 2 und 3 der Verordnung Nr. 4151/88
erlassen worden sind, unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht abgeschafft hat, sich nicht
darauf berufen kann, daß eine Zollschuld nicht entstanden sei, um sich der Verpflichtung zur
Erhebung der Einfuhrabschöpfungen zu entziehen.
64.
Ferner ergibt sich aus Randnummer 49 des vorliegenden Urteils, daß für die betreffenden
Butterpartien eine Einfuhrabschöpfung hätte erhoben werden müssen. Nach Artikel 2 Absatz 1 der
Verordnung Nr. 1552/89 gilt ein Anspruch der Gemeinschaften auf Eigenmittel wie die, um die es hier
geht, als festgestellt, sobald die zuständige Dienststelle des Mitgliedstaats dem Abgabenschuldner
die Höhe der von ihm geschuldeten Abgabe mitgeteilt hat. Nach ständiger Rechtsprechung ist diese
Bestimmung dahin auszulegen, daß die Mitgliedstaaten die Feststellung der Forderungen, selbst wenn
sie diese bestreiten, nicht unterlassen dürfen, da andernfalls das finanzielle Gleichgewicht der
Gemeinschaft, und sei es nur vorübergehend, durch das willkürliche Verhalten eines Mitgliedstaats
gestört würde (vgl. Urteil vom 16. Mai1991 in der Rechtssache C-96/89, Kommission/Niederlande, Slg.
1991, I-2461, Randnr. 37).
65.
Schließlich sind die Mitgliedstaaten nach Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1552/89 verpflichtet,
die Eigenmittel dem Konto der Kommission gutzuschreiben. Im übrigen ist der betreffende
Mitgliedstaat nach Artikel 17 Absatz 2 dieser Verordnung nur dann nicht verpflichtet, die den
festgestellten Ansprüchen entsprechenden Beträge der Kommission zur Verfügung zu stellen, wenn
diese Beträge aus Gründen höherer Gewalt nicht erhoben werden konnten oder wenn sich erweist,
daß die Einziehung aus nicht von ihm zu vertretenden Gründen auf Dauer unmöglich ist. Die deutsche
Regierung hat solche Gründe aber nicht geltend gemacht.
66.
Folglich greift auch die erste Rüge der Kommission durch.
67.
Demnach ist festzustellen, daß die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre
Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag verstoßen hat, daß sie unter Nichtbeachtung des Artikels 2 der
Verordnung Nr. 2252/90 zugelassen hat, daß Waren, für die bei ihrer Ausfuhr aus den Niederlanden
eine Erstattung gewährt worden war, nach Deutschland verbracht wurden, ohne daß eine dem
Gemeinschaftspreisniveau entsprechende Abschöpfung erhoben und der Gemeinschaft zur Verfügung
gestellt worden wäre, und daß sie alle Zollförmlichkeiten im innerdeutschen Warenverkehr
abgeschafft und die zur Durchführung der Verordnung Nr. 2252/90 erforderlichen Maßnahmen nicht
ergriffen hat.
Kosten
68.
Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der
Kosten zu verurteilen. Da die Bundesrepublik Deutschland mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind
ihr, wie von der Kommission beantragt, die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus dem EG-
Vertrag verstoßen, daß sie unter Nichtbeachtung des Artikels 2 der Verordnung (EWG) Nr.
2252/90 der Kommission vom 31. Juli 1990 mit Durchführungsbestimmungen zu der
Verordnung (EWG) Nr. 2060/90 des Rates über die für den Handel mit der
DeutschenDemokratischen Republik im Sektor Landwirtschaft und Fischerei geltenden
Übergangsmaßnahmen zugelassen hat, daß Waren, für die bei ihrer Ausfuhr aus den
Niederlanden eine Erstattung gewährt worden war, nach Deutschland verbracht wurden,
ohne daß eine dem Gemeinschaftspreisniveau entsprechende Abschöpfung erhoben und
der Gemeinschaft zur Verfügung gestellt worden wäre, und daß sie alle Zollförmlichkeiten
im innerdeutschen Warenverkehr abgeschafft und die zur Durchführung der Verordnung
Nr. 2252/90 erforderlichen Maßnahmen nicht ergriffen hat.
2. Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten des Verfahrens.
Moitinho de Almeida
Sevón
Gulmann
Puissochet Wathelet
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 15. Juni 2000.
Der Kanzler
Der Präsident der Fünften Kammer
R. Grass
D. A. O. Edward
Verfahrenssprache: Deutsch.