Urteil des EuGH vom 22.10.1998

EuGH: altersrente, grundsatz der gleichbehandlung, rentenalter, finanzielles gleichgewicht, auswärtige angelegenheiten, sicherheit, diskriminierung, geschlecht, mitgliedstaat, altersgrenze

WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Sechste Kammer)
22. Oktober 1998
„Richtlinie 79/7/EWG — Gleichbehandlung — Altersrente und Altersruhegeld — Berechnungsweise —
Rentenalter“
In der Rechtssache C-154/96
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag vom Tribunal du travail Brüssel (Belgien), in dem
bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Louis Wolfs
gegen
Office National de Pensions (ONP)
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 4 Absatz 1 und 7 Absatz 1
Buchstabe a der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des
Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (ABl. 1979, L
6, S. 24)
erläßt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. J. G. Kapteyn sowie der Richter G. F. Mancini, J. L. Murray, H.
Ragnemalm (Berichterstatter) und R. Schintgen,
Generalanwalt: M. B. Elmer
Kanzler: D. Louterman-Hubeau, Hauptverwaltungsrätin
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
— von Louis Wolfs,
— des Office national des pensions (ONP), vertreten durch den Geschäftsführer Gabriel Perl als
Bevollmächtigten,
— der belgischen Regierung, vertreten durch Rechtsberaterin Anne-Marie Snyers, Ministerium für
Auswärtige Angelegenheiten, Außenhandel und Entwicklungszusammenarbeit, als Bevollmächtigte,
— der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Marie Wolfcarius, Juristischer Dienst,
als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von Louis Wolfs, des Office national des pensions (ONP),
vertreten durch Jean-Paul Lheureux, Conseiller adjoint, als Bevollmächtigten, der belgischen Regierung,
vertreten durch Anne-Marie Snyers, und der Kommission, vertreten durch Marie Wolfcarius, in der Sitzung
vom 22. Januar 1997,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. März 1997,
folgendes
Urteil
1.
Das Tribunal du travail Brüssel hat mit Beschluß vom 22. April 1996, beim Gerichtshof eingegangen
am 7. Mai 1996, drei Fragen nach der Auslegung der Artikel 4 Absatz 1 und 7 Absatz 1 Buchstabe a
der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des
Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (ABl.
1979, L 6, S. 24; im folgenden: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2.
Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Louis Wolfs und dem Office national des
pensions (ONP) wegen der Berechnung seiner Rente.
3.
Die belgische Königliche Verordnung Nr. 50 vom 24. Oktober 1967 über die Alters- und
Hinterbliebenenrente der Arbeitnehmer (vom 27. Oktober 1967, S. 11258), die bis zum
1. Januar 1991 anwendbar war, setzte das normale Rentenalter für Männer auf 65 Jahre und für
Frauen auf 60 Jahre fest.
4.
Nach Artikel 10 der Königlichen Verordnung Nr. 50 wurde der Anspruch auf eine Altersrente je
Kalenderjahr in Höhe eines nach besonderen Regeln ermittelten Bruchteils des Arbeitsentgelts
erworben. Bei Männern betrug die Leistung 1/45 des auf diese Weise ermittelten Arbeitsentgelts und
bei Frauen 1/40 dieses Entgelts.
5.
Bei jeder beruflichen Laufbahn, deren Dauer 40 oder 45 Jahre überstieg, wurden die günstigsten
Kalenderjahre innerhalb dieses Zeitraums berücksichtigt.
6.
Vom 1. Januar 1991 an konnten aufgrund der Neuregelung durch das Gesetz vom 20. Juli 1990 zur
Einführung eines flexiblen Rentenalters für Arbeitnehmer und zur Anpassung der Renten der
Arbeitnehmer an die Entwicklung des allgemeinen Wohlstands (vom 15. August 1990,
S. 15875; im folgenden: Gesetz von 1990) sowohl Männer als auch Frauen frühestens vom Ablauf des
Monats an, in dem sie das 60. Lebensjahr vollenden, in den Ruhestand treten.
7.
Hinsichtlich der Berechnung der Rente sah das Gesetz von 1990 vor, daß der Anspruch auf die
Altersrente pro Kalenderjahr in Höhe eines durch die Königliche Verordnung Nr. 50 festgesetzten
Bruchteils des Arbeitsentgelts des Betroffenen erworben wird und daß der Nenner des dabei
angewandten Bruchs nach wie vor für Männer 45 und für Frauen 40 beträgt.
8.
Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie verbietet jegliche unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung
aufgrund des Geschlechts bei der Berechnung der Leistungen einschließlich der Leistungen wegen
Alters.
9.
Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie, der Ausnahmen von diesem Grundsatz vorsieht,
bestimmt allerdings:
„Diese Richtlinie steht nicht der Befugnis der Mitgliedstaaten entgegen, folgendes von ihrem
Anwendungsbereich auszuschließen:
a) die Festsetzung des Rentenalters für die Gewährung der Altersrente oder Ruhestandsrente und
etwaige Auswirkungen daraus auf andere Leistungen;
...“
10.
In der Rechtssache, die zu dem Urteil vom 1. Juli 1993 in der Rechtssache C-154/92 (Van Cant, Slg.
1993, I-3811) führte, hatte die Arbeidsrechtbank Antwerpen den Gerichtshof um Entscheidung der
Frage ersucht, ob die soeben dargelegte Art und Weise der Berechnung der Altersrente männlicher
Bezugsberechtigter eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Sinne des Artikels 4 der
Richtlinie darstellt.
11.
In Randnummer 13 des vorgenannten Urteils Van Cant hat der Gerichtshof dazu ausgeführt: Hat
eine nationale Regelung das bis dahin bestehende unterschiedliche Rentenalter für weibliche und
männliche Arbeitnehmer beseitigt, was als tatsächliche Frage der Beurteilung durch das nationale
Gericht unterliegt, so kann Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie nicht mehr herangezogen
werden, um die Aufrechterhaltung eines Unterschieds bei der Berechnungsweise der Altersrente zu
rechtfertigen, die mit diesem unterschiedlichen Rentenalter zusammenhing.
12.
Der Gerichtshof hat daher in demselben Urteil für Recht erkannt, daß die Artikel 4 Absatz 1 und 7
Absatz 1 der Richtlinie es verbieten, daß eine nationale Regelung, nach der männliche und weibliche
Arbeitnehmer im gleichen Alter in den Ruhestand treten können, bei der Berechnungsweise der Rente
einen Unterschied nach dem Geschlecht aufrechterhält, der seinerseits mit dem vorher geltenden
unterschiedlichen Rentenalter zusammenhängt.
13.
Wie sich im vorliegenden Fall aus den Akten ergibt, gewährte das ONP Herrn Wolfs eine Altersrente
für Arbeitnehmer in Höhe von jährlich 109 026 BFR auf der Grundlage eines berücksichtigungsfähigen
Laufbahnanteils von 13/45 unter Berücksichtigung der Jahre 1955 bis 1967. Herr Wolfs zog 1968 aus
Belgien fort.
14.
Herr Wolfs erhob unter Hinweis auf das Urteil Van Cant gegen den Rentenfeststellungsbescheid
des ONP Anfechtungsklage beim Tribunal du travail Brüssel und trug zur Begründung vor, die für
weibliche Arbeitnehmer geltende Berechnungsweise der Rente, die die vierzig günstigsten
Beschäftigungsjahre der Arbeitnehmerin berücksichtige, führe zu einer höheren Rente als die, die ihm
gewährt worden sei.
15.
Das Tribunal du travail Brüssel hat im Rahmen dieses Rechtsstreits beschlossen, das Verfahren
auszusetzen, bis der Gerichtshof über folgende Fragen vorab entschieden hat:
1. Wird das Ziel der Verwirklichung eines flexiblen Rentensystems durch die Mitgliedstaaten gemäß
der Empfehlung 82/857/EWG des Rates vom 10. Dezember 1982 (Empfehlung zu den Grundsätzen für
ein gemeinsames Vorgehen der Europäischen Gemeinschaft betreffend die Altersgrenze) noch mit
dem in Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 (zur
schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im
Bereich der sozialen Sicherheit) vorgesehenen Ausschluß in dem Sinne angestrebt, daß die
Festsetzung einer flexiblen Altersgrenze für Männer und Frauen, beispielsweise zwischen dem 60. und
dem 65. Lebensjahr, nicht einfach der Festsetzung eines für jedermann gleichen Alters für den
Rentenbeginn gleichgesetzt werden kann und daß sie, auch wenn sie mit der Beibehaltung
einer unterschiedlichen Rentenberechnung für Männer und Frauen verbunden ist, nicht notwendig
gegen den in Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 79/7/EWG niedergelegten Grundsatz der
Gleichbehandlung von Männern und Frauen verstößt, da jeder künftige Rentenbezieher im Rahmen
dieser Regelung das Recht hat, den Beginn seiner Rente nach Maßgabe seiner Laufbahn frei zu
wählen, und gilt dies insbesondere dann, wenn die in dieser Weise eingeführte Regelung einem
notwendigen sozialpolitischen Ziel des Staates entspricht und durch Gründe gerechtfertigt ist, die
nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben?
2. Verneinendenfalls: Gebieten es die Verwirklichung der in der Richtlinie 79/7 und der Empfehlung
82/857 festgelegten Ziele — Einführung einer flexiblen Altersgrenze für jedermann in Verbindung mit
der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit — und die
Berücksichtigung des Grundsatzes der ausdrücklichen Gleichbehandlung in Verbindung mit der immer
noch bestehenden tatsächlichen Diskriminierung zwischen Männern und Frauen im Bereich der
sozialen Sicherheit, daß ein Mitgliedstaat die Bedingungen des Zugangs zur Altersrente in der Weise
von unten her mechanisch angleicht, daß er Männern und Frauen das Recht gewährleistet, nach
eigener Wahl eine Altersrente vom niedrigsten Alter an nach der Berechnungsmethode in Anspruch zu
nehmen, die bisher für die Personengruppe galt, die von diesem Alter an Zugang zur Altersrente
hatte, und gilt dies unabhängig von den Folgen für das finanzielle Gleichgewicht von Rentensystemen,
die nicht nach diesen Grundsätzen eingeführt wurden?
3. Weiter für den Fall der Verneinung der ersten Frage: Ist die für den Betroffenen günstigste
Lösung nach dem Gemeinschaftsrecht auf dessen gesamte Laufbahn anzuwenden, oder kann sie auf
die Arbeitsjahre nach Inkrafttreten des die flexible Altersgrenze einführenden Gesetzes oder nach
Erlaß des Urteils Remi van Cant/Office national des pensions des Gerichtshofes der Europäischen
Gemeinschaften am 1. Juli 1993 beschränkt werden?
16.
Mit Schreiben vom 12. Mai 1997 hat das vorlegende Gericht dem Gerichtshof mitgeteilt, daß das
ONP Rechtsmittel gegen den Beschluß vom 22. April 1996 bei der Cour du travail Brüssel eingelegt
und namentlich beantragt habe, die Vorabentscheidungsfragen zurückzuziehen. Entsprechend der
Stellungnahme des Ersten Vorsitzenden der Cour du travail Brüssel in einem Schreiben vom 30. Mai
1997 hat der Gerichtshof daraufhin das Vorabentscheidungsverfahren ausgesetzt.
17.
Mit Schreiben vom 18. Juni 1998 hat der Erste Vorsitzende der Cour du travail Brüssel den
Gerichtshof sodann ersucht, das Vorabentscheidungsverfahren weiterzuführen.
Zur ersten Frage
18.
Mit der ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine Rentenregelung, nach der
sowohl Männer als auch Frauen schon mit Vollendung des 60. Lebensjahres in den Ruhestand treten
können, bei der aber die Rente je nach Geschlecht unterschiedlich berechnet wird, unter die
Ausnahme des Artikels 7 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie fällt.
19.
Diese Frage entspricht im wesentlichen der im Urteil Van Cant untersuchten. Jedoch ist ein neues
Element zu der Regelung hinzugetreten, die sowohl bei Erlaß des Urteils Van Cant als auch bei der
Vorlage der Fragen in der vorliegenden Rechtssache anwendbar war.
20.
Am 19. Juni 1996, d. h. nach dem Vorlagebeschluß, erließ nämlich der belgische Gesetzgeber ein
Gesetz zur Auslegung des Gesetzes von 1990 ( vom 20. Juli 1996, S. 19579;
nachstehend: Auslegungsgesetz). Seit diesem Zeitpunkt wird dem Gesetz von 1990 die Tragweite, die
ihm das Auslegungsgesetz verliehen hat, vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens am 1. Januar 1991
zuerkannt.
21.
Nach Artikel 2 des Auslegungsgesetzes wird für die Anwendung des Artikels 2 Absätze 1, 2 und 3
und des Artikels 3 Absätze 1, 2, 3, 5, 6 und 7 des Gesetzes von 1990 „unter .Altersrente' das
Ersatzeinkommen verstanden, das dem Berechtigten gewährt wird, der wegen seines Alters als nicht
mehr arbeitsfähig gilt, wobei davon ausgegangen wird, daß diese Situation bei männlichen
Berechtigten im Alter von 65 Jahren und bei weiblichen Berechtigten im Alter von 60 Jahren eintritt“.
22.
Um dem nationalen Gericht eine sachgerechte Antwort zu geben, sind die Bestimmungen der
Richtlinie im Hinblick auf die derzeit geltenden nationalen Rechtsvorschriften auszulegen.
23.
Der Gerichtshof hat im Urteil vom 30. April 1998 in den Rechtssachen C-377/96 bis C-384/96 (De
Vriendt u. a., Slg. 1998, I-2105) diese Prüfung bereits vorgenommen.
24.
Wie der Gerichtshof in Randnummer 25 dieses Urteils ausgeführt hat, ist nach ständiger
Rechtsprechung die in Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie enthaltene Möglichkeit einer
Ausnahme eng auszulegen (vgl. insbesondere Urteil vom 30. März 1993 in der Rechtssache C-328/91,
Thomas u. a., Slg. 1993, I-1247, Randnr. 8). So ist für den Fall, daß ein Mitgliedstaat in Anwendung
dieses Artikels ein unterschiedliches Rentenalter für Männer und Frauen vorsieht, der Bereich der
zulässigen Ausnahme auf Diskriminierungen beschränkt, die notwendig und objektiv mit dem
unterschiedlichen Rentenalter verbunden sind (Urteile Thomas u. a., und vom 19. Oktober 1995 in der
Rechtssache C-137/94, Richardson, Slg. 1995, I-3407, Randnr. 18). Hat eine nationale Regelung
dagegen das unterschiedliche Rentenalter beseitigt, so ist ein Mitgliedstaat nicht zur
Aufrechterhaltung eines
Unterschieds bei der Berechnung der Altersrente je nach dem Geschlecht berechtigt (Urteil Van Cant,
Randnr. 13).
25.
Nach Randnummer 26 des Urteils De Vriendt u. a. läßt sich der Art der in Artikel 7 Absatz 1 der
Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen entnehmen, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber die
Mitgliedstaaten ermächtigen wollte, die Bevorzugung von Frauen im Zusammenhang mit dem
Ruhestand vorübergehend aufrechtzuerhalten, und daß er ihnen damit ermöglichen wollte, die
Rentensysteme in dieser Frage schrittweise zu ändern, ohne deren komplexes finanzielles
Gleichgewicht zu erschüttern, dessen Bedeutung er nicht verkennen konnte (Urteil vom 7. Juli 1992 in
der Rechtssache C-9/91, Equal Opportunities Commission, Slg. 1992, I-4297, Randnr. 15).
26.
Deshalb ist, wie der Gerichtshof in Randnummer 27 des Urteils de Vriendt u. a. festgestellt hat, zu
prüfen, ob in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens die Diskriminierung bei der Berechnung der
Altersrenten notwendig und objektiv mit der Aufrechterhaltung nationaler Vorschriften verbunden ist,
die das Rentenalter je nach Geschlecht unterschiedlich festsetzen und folglich unter die Ausnahme
des Artikels 7 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie fallen.
27.
Der Gerichtshof hat in Randnummer 28 des Urteils De Vriendt u. a. weiter ausgeführt, daß nach
Randnummer 13 des Urteils Van Cant die Frage, ob die nationale Regelung ein unterschiedliches
Rentenalter für männliche und weibliche Arbeitnehmer aufrechterhalten hat, eine tatsächliche Frage
ist, die der Beurteilung durch das nationale Gericht unterliegt.
28.
Für den Fall, daß ein solcher Unterschied aufrechterhalten worden ist, hat der Gerichtshof in
Randnummer 29 des Urteils De Vriendt u. a. darauf hingewiesen, daß die Festsetzung des
Rentenalters tatsächlich den Zeitraum bestimmt, während dessen die Betroffenen Beiträge zur
Rentenversicherung entrichten können.
29.
In einem derartigen Fall wäre, wie der Gerichtshof schließlich in Randnummer 30 dieses Urteils
festgestellt hat, eine Diskriminierung bei der Berechnung der Renten wie die, die sich aus der
fraglichen innerstaatlichen Regelung ergibt, notwendig und objektiv mit dem hinsichtlich der
Festsetzung des Rentenalters aufrechterhaltenen Unterschied verbunden.
30.
Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist die erste Frage dahin zu beantworten, daß Artikel 7
Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie so auszulegen ist, daß ein Mitgliedstaat, der in seinen
innerstaatlichen Rechtsvorschriften ein unterschiedliches Rentenalter für männliche und weibliche
Arbeitnehmer aufrechterhalten hat, berechtigt ist, die Höhe der Rente je nach dem Geschlecht des
Arbeitnehmers verschieden zu berechnen.
Zur zweiten und dritten Frage
31.
Da die zweite und die dritte Frage für den Fall gestellt worden sind, daß die erste Frage zu
verneinen ist, erübrigt sich ihre Prüfung.
Kosten
32.
Die Auslagen der belgischen Regierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die
vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des
Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht
anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
auf die ihm vom Tribunal du travail Brüssel mit Beschluß vom 22. April 1996 vorgelegten Fragen für
Recht erkannt:
Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978
zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern
und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit ist dahin auszulegen, daß ein
Mitgliedstaat, der in seinen innerstaatlichen Rechtsvorschriften ein unterschiedliches
Rentenalter für männliche und weibliche Arbeitnehmer aufrechterhalten hat, berechtigt
ist, die Höhe der Rente je nach dem Geschlecht des Arbeitnehmers verschieden zu
berechnen.
Kapteyn
Mancini
Murray
Ragnemalm
Schintgen
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 22. Oktober 1998.
Der Kanzler
Der Präsident der Sechsten Kammer
R. Grass
P. J. G. Kapteyn
Verfahrenssprache: Französisch.