Urteil des EuGH vom 07.05.1998

EuGH: abkommen über soziale sicherheit, verordnung, regierung, bilaterales abkommen, mitgliedstaat, waisenrente, eintritt des versicherungsfalls, altersgrenze, spanien, kommission

WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Fünfte Kammer)
7. Mai 1998
„Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer — Leistungen für Waisen“
In der Rechtssache C-113/96
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag vom deutschen Bundessozialgericht in dem bei
diesem anhängigen Rechtsstreit
Manuela Gómez Rodríguez
gegen
Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 6 und 78 der Verordnung
(EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf
Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und
abwandern, in ihrer durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 (ABl. L 230, S. 6)
geänderten und aktualisierten Fassung sowie der Artikel 48 und 51 EG-Vertrag
erläßt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Gulmann (Berichterstatter) sowie der Richter J. C. Moitinho de
Almeida, D. A. O. Edward, J.-P. Puissochet und P. Jann,
Generalanwalt: G. Cosmas
Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
— von Manuela Gómez Rodríguez und Gregorio Gómez Rodríguez, vertreten durch Antonio Pérez Garrido,
Leiter der Sozialabteilung des spanischen Generalkonsulats, Düsseldorf,
— der deutschen Regierung, vertreten durch Ministerialrat Ernst Röder und Regierungsrätin z. A. Sabine
Maass, beide Bundesministerium für Wirtschaft, als Bevollmächtigte,
— der griechischen Regierung, vertreten durch Fokion Georgakopoulos, beigeordneter Rechtsberater im
Juristischen Dienst des Staates, und Ioanna Galani-Maragkoudaki, beigeordnete Sonderrechtsberaterin in
der Sonderabteilung des Außenministeriums für Rechtsfragen der Europäischen Gemeinschaften, als
Bevollmächtigte,
— der spanischen Regierung, vertreten durch Abogado del Estado Gloria Calvo Díaz, Juristischer Dienst des
Staates, als Bevollmächtigte,
— der österreichischen Regierung, vertreten durch Wolf Okresek, Ministerialrat im Bundeskanzleramt,
Verfassungsdienst, als Bevollmächtigten,
— der schwedischen Regierung, vertreten durch Rättschef Lotty Nordling als Bevollmächtigte,
— der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Rechtsberater Peter Hillenkamp
und Maria Patakia, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von Manuela Gómez Rodríguez und Gregorio Gómez Rodríguez,
vertreten durch Antonio Pérez Garrido, der deutschen Regierung, vertreten durch Oberregierungsrat Bernd
Kloke, Bundesministerium für Wirtschaft, als Bevollmächtigten, der griechischen Regierung, vertreten durch
Fokion Georgakopoulos, der spanischen Regierung, vertreten durch Abogado del Estado Santiago Ortiz
Vaamonde, als Bevollmächtigten, und der Kommission, vertreten durch Peter Hillenkamp, in der Sitzung vom
12. Juni 1997,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. September 1997,
folgendes
Urteil
1.
Das Bundessozialgericht hat mit Beschluß vom 8. Februar 1996, beim Gerichtshof eingegangen am
5. April 1996, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag drei Fragen nach der Auslegung der Artikel 6 und 78 der
Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen
Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der
Gemeinschaft zu- und abwandern, in ihrer durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2.
Juni 1983 (ABl. L 230, S. 6; im folgenden: Verordnung) geänderten und aktualisierten Fassung sowie
der Artikel 48 und 51 EG-Vertrag zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2.
Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Manuela Gómez Rodríguez und Gregorio
Gómez Rodríguez (Kläger des Ausgangsverfahrens) und der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz
(Beklagte des Ausgangsverfahrens) über die Gewährung von Waisenrenten.
3.
Die Kläger des Ausgangsverfahrens wohnen in Spanien. Ihr Vater, der spanischer
Staatsangehöriger war, war als Arbeitnehmer 56 Monate in Deutschland und 80 Monate in Spanien
versichert gewesen. Im Februar 1985 starb er in Spanien, ohne eine Rente bezogen zu haben.
4.
Mit Bescheiden vom 23. August 1988 gewährte die Beklagte des Ausgangsverfahrens den Klägern
für die Zeit vom 7. Februar bis zum 31. Dezember 1985 jeweils Halbwaisenrente auf der Grundlage der
Bestimmungen des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich
Spanien über soziale Sicherheit vom 4. Dezember 1973 (BGBl. II 1977, S. 687) in der Fassung des
Ergänzungsabkommens vom 17. Dezember 1975 (BGBl. II 1977, S. 722). Außerdem teilte die Beklagte
ihnen mit, daß der spanische Versicherungsträger ab 1. Januar 1986, dem Tag des Beitritts des
Königreichs
Spanien zu den Europäischen Gemeinschaften, insbesondere gemäß Artikel 78 Absatz 2 der
Verordnung, allein zuständig geworden sei.
5.
Diese Vorschrift sieht folgendes vor:
„Die Leistungen für Waisen werden ohne Rücksicht darauf, in welchem Mitgliedstaat die Waisen oder
die natürliche oder juristische Person, die ihren Unterhalt bestreitet, wohnen, wie folgt gewährt:
a) für Waisen eines verstorbenen Arbeitnehmers oder Selbständigen, für den die Rechtsvorschriften
nur eines Mitgliedstaats gegolten haben, gemäß den Rechtsvorschriften dieses Staates;
b) für Waisen eines verstorbenen Arbeitnehmers oder Selbständigen, für den die Rechtsvorschriften
mehrerer Mitgliedstaaten gegolten haben,
i) nach den Rechtsvorschriften des Staates, in dessen Gebiet die Waisen wohnen, wenn Anspruch
auf eine der in Absatz 1 genannten Leistungen — gegebenenfalls unter Berücksichtigung von Artikel
79 Absatz 1 Buchstabe a) — nach den Rechtsvorschriften dieses Staates besteht, oder
ii) in den anderen Fällen nach den Rechtsvorschriften des Staates, die für den Verstorbenen die
längste Zeit gegolten haben, wenn Anspruch auf eine der in Absatz 1 genannten Leistungen nach
den Rechtsvorschriften dieses Staates gegebenenfalls unter Berücksichtigung von Artikel 79 Absatz 1
Buchstabe a) besteht; wenn nach diesen Rechtsvorschriften kein Anspruch besteht, werden die
Anspruchsvoraussetzungen in bezug auf die Rechtsvorschriften der anderen in Betracht kommenden
Mitgliedstaaten in der Reihenfolge der abnehmenden Dauer der nach den Rechtsvorschriften dieser
Staaten zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten geprüft.
...“
6.
Daher gewährte der spanische Rentenversicherungsträger den Klägern Waisenrenten für die Zeit
vom 1. Januar 1986 bis zur Vollendung ihres 18. Lebensjahres; zu diesem Zeitpunkt endete nach den
spanischen Rechtsvorschriften ihr Anspruch auf Waisenrente.
7.
Sie stellten daraufhin bei der Beklagten des Ausgangsverfahrens einen Antrag auf Gewährung von
Waisenrenten nach den deutschen Rechtsvorschriften, wonach Leistungen für Personen, die sich in
der Schulausbildung befinden, bis zu einem Höchstalter von 25 Jahren weiter gewährt werden.
8.
Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, auch nach dem Wegfall der spanischen
Rentenleistungen bestehe nach Artikel 78 Absatz 2 der Verordnung kein Anspruch auf die nach
deutschem Recht vorgesehene Waisenrente, zumal die Voraussetzungen dafür im vorliegenden Fall
nicht erfüllt seien, da der Verstorbene die erforderliche Wartezeit von 60 Monaten nicht zurückgelegt
habe.
9.
Widerspruch, Klage und Berufung der Kläger gegenüber dieser ablehnenden Entscheidung blieben
ohne Erfolg.
10.
Mit Schriftsatz vom 7. November 1994 legten sie daher beim Bundessozialgericht Revision ein. Sie
machten geltend, aus Artikel 78 Absatz 2 der Verordnung gehe nicht hervor, daß eine einmal nach
Artikel 79 Absatz 1 Buchstabe b begründete Zuständigkeit niemals in Frage gestellt werden könne.
Der Anspruch auf eine deutsche Waisenrente entfalle nur so lange, wie ein Rentenanspruch nach den
spanischen Rechtsvorschriften bestehe. Dies sei hier nicht mehr der Fall, da das spanische Gesetz
Leistungen für Waisen nur bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres vorsehe.
11.
In seinem Vorlagebeschluß führt das Bundessozialgericht aus, es werde darüber gestritten, ob die
Beklagte verpflichtet sei, den Klägern die Waisenrenten, die sie ihnen bereits für die Zeit bis zum
Beitritt des Königreichs Spanien zu den Europäischen Gemeinschaften gewährt habe, in Anbetracht
dessen erneut zu zahlen, daß die Zahlung der Waisenrenten, die sie seitdem vom spanischen
Versicherungsträger bezogen hätten, jeweils mit Vollendung des 18. Lebensjahres geendet habe. Das
Bundessozialgericht hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur
Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Artikel 78 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 dahin gehend auszulegen,
daß die darin enthaltene Bestimmung der für die Leistungsgewährung maßgeblichen
Rechtsvorschriften auch dann auf Dauer gilt, wenn der Anspruch auf Waisenrente zwar zunächst in
dem danach zuständigen Mitgliedstaat (hier: Wohnstaat) bestand, er jedoch später wegen Erreichens
einer Altersgrenze wieder entfallen ist, während in einem anderen Mitgliedstaat, dessen
Rechtsvorschriften für den Versicherten ebenfalls gegolten haben, bei Anwendung des Artikels 79 der
Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 auch über diesen Zeitpunkt hinaus ein Waisenrentenanspruch
bestehen würde, oder findet in solch einem Fall ein Wechsel der maßgeblichen Rechtsvorschriften
nach Maßgabe des Artikels 78 Absatz 2 Buchstabe b Ziffer ii der Verordnung statt?
2. Gehört zu den Vergünstigungen der sozialen Sicherheit, die Waisen nicht dadurch verlieren
dürfen, daß ein in das nationale Recht eingeführtes Abkommen zwischen zwei Mitgliedstaaten
aufgrund des Inkrafttretens der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 unanwendbar geworden ist, auch die
Aussicht, eine bereits von einem Mitgliedstaat unter Anwendung eines
derartigen Abkommens gewährte Waisenrente für eine längere Dauer (z. B. im Falle einer Schul- oder
Berufsausbildung auch über die Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus) zu beziehen als die
Waisenrente, die nach den gemäß Artikel 78 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71
maßgeblichen Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zu gewähren ist?
3. Bei Bejahung der Frage 2: Können Waisen, die bereits vor dem Inkrafttreten der Verordnung
(EWG) Nr. 1408/71 nach dem Recht eines Mitgliedstaats unter Berücksichtigung eines zwischen zwei
Mitgliedstaaten geschlossenen Sozialversicherungsabkommens einen Waisenrentenanspruch hatten,
wieder auf diesen zurückgreifen, soweit ein zunächst nach den gemäß Artikel 78 Absatz 2 Buchstabe b
der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 maßgebenden Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats
gegebener Leistungsanspruch nicht mehr besteht?
Zur ersten Frage
12.
Die erste Frage des vorlegenden Gerichts geht im wesentlichen dahin, ob Artikel 78 Absatz 2
Buchstabe b der Verordnung dahin auszulegen ist, daß seine in Ziffer ii enthaltenen Regelungen
anwendbar werden, wenn ein Anspruch auf eine Waisenrente, der zunächst aufgrund von Ziffer i im
Wohnmitgliedstaat des Empfängers bestand, wegen Erreichung einer Altersgrenze weggefallen ist,
während in einem anderen Mitgliedstaat, dessen Rechtsvorschriften für den Versicherten ebenfalls
gegolten haben, bei Anwendung der Zusammenrechnungsregel des Artikels 79 der Verordnung auch
über diesen Zeitpunkt ein Anspruch auf eine Waisenrente bestünde.
13.
Die deutsche und die österreichische Regierung vertreten die Ansicht, die Intention des
Gemeinschaftsgesetzgebers spreche ebenso wie Sinn und Zweck der einschlägigen Vorschriften der
Verordnung dafür, daß nach dem Auslaufen der vom Wohnstaat gezahlten Familienleistungen kein
Zuständigkeitswechsel mehr stattfinde. Die durch die streitige Vorschrift bewirkte Koordinierung
beruhe auf dem Grundsatz, daß ein einziger Mitgliedstaat, nämlich der Wohnstaat, für die Gewährung
der Waisenrenten zuständig sei. Andernfalls blieben die Mitgliedstaaten, die eine höhere Altersgrenze
vorsähen, unabhängig vom Wohnort der Waisen immer dafür zuständig, diesen eine dem gesamten
Versicherungsverlauf des Verstorbenen entsprechende Rente zu gewähren, und zwar unabhängig
davon, wieviele Versicherungszeiten in diesen Mitgliedstaaten zurückgelegt worden seien.
14.
Die Kläger des Ausgangsverfahrens sowie die spanische und die griechische Regierung machen
dagegen geltend, Artikel 78 Absatz 2 Buchstabe b Ziffern i und ii der Verordnung impliziere eine
sukzessive Anwendung der Kriterien zur Bestimmung der anwendbaren Rechtsvorschriften. Der
Umstand, daß der Anspruch auf spanische Leistungen erlösche, wenn die Empfänger das 18.
Lebensjahr vollendeten, lasse daher eine andere Sachlage entstehen, die die Anwendung einer
anderen Regelung gemäß Artikel 78 Absatz 2 Buchstabe b Ziffer ii der Verordnung gebiete.
15.
Zunächst bedeute der in Artikel 78 Absatz 2 Buchstabe b Ziffer i verwendete Ausdruck „wenn
Anspruch auf eine der in Absatz 1 genannten Leistungen ... besteht“, daß die Zuständigkeit des
Trägers des Wohnstaates nur so lange erhalten bleibe, bis der Leistungsanspruch nach den
Rechtsvorschriften dieses Staates entfalle. Sodann würde eine andere Auslegung gegen die
Grundsätze der Freizügigkeit der Wanderarbeitnehmer und der Gleichbehandlung verstoßen, denn die
Waisen hätten auf jeden Fall Anspruch auf Leistungen, wenn sie ihren Wohnort nach Deutschland
verlegen würden.
16.
Die Kommission ist ebenfalls der Auffassung, die Zuständigkeit des deutschen Trägers sei im
vorliegenden Fall nicht ausgeschlossen. Zunächst sei zwar das Königreich Spanien der vorrangig
zuständige Staat gewesen; in dem Moment, in dem der spanische Anspruch nicht oder nicht mehr
habe realisiert werden können, sei aber der nächstrangige Staat, d. h. die Bundesrepublik
Deutschland, zuständig geworden.
17.
Die spanische und die griechische Regierung sowie die Kommission stützen ihr Vorbringen auf die
Rechtsprechung des Gerichtshofes, wonach der Anspruch auf Familienleistungen zu Lasten des
Staates, in dem die Waise wohne, nicht zum Wegfall des zuvor begründeten Anspruchs auf höhere
Leistungen zu Lasten eines anderen Mitgliedstaats führe. In diesem Fall schulde der letztgenannte
Mitgliedstaat eine Zusatzleistung in Höhe des Unterschieds zwischen den beiden Beträgen (im
folgenden: Zusatzleistung) (vgl. u. a. Urteile vom 12. Juni 1980 in der Rechtssache 733/79, Laterza,
Slg. 1980, 1915, vom 9. Juli 1980 in der Rechtssache 807/79, Gravina, Slg. 1980, 2205, und vom 11.
Juni 1991 in der Rechtssache C-251/89, Athanasopoulos u. a., Slg. 1991, I-2797). Die spanische und
die griechische Regierung sowie die Kommission tragen vor, der Umstand, daß im
Ausgangsrechtsstreit in der Vergangenheit keine Zusatzleistung gezahlt worden sei — sei es, daß
sich rechnerisch kein Unterschiedsbetrag ergeben habe, oder sei es, daß die Leistungen nicht
beantragt worden seien —, könne nicht zu einem endgültigen Anspruchsverlust führen.
18.
Auch die schwedische Regierung verweist auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes zur
Zusatzleistung und macht geltend, in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens sei diese
Zusatzleistung von dem anderen Mitgliedstaat auch dann zu zahlen, wenn der Leistungsanspruch im
Wohnstaat erloschen sei. Diese Sachlage sei nicht anders zu behandeln als der Fall, daß eine
Zusatzleistung aufgrund dessen gezahlt werde, daß das Leistungsniveau im anderen Mitgliedstaat
höher als im Wohnstaat sei.
19.
Aus den Erklärungen der Kläger des Ausgangsverfahrens, der spanischen, der griechischen und
der schwedischen Regierung sowie der Kommission geht hervor,
daß ein Anspruch auf deutsche Leistungen in einem Fall wie demjenigen des Ausgangsverfahrens eine
Grundlage entweder in der Rechtsprechung des Gerichtshofes zur Zusatzleistung oder in Artikel 78
Absatz 2 Buchstabe b Ziffer ii haben könnte, der dadurch anwendbar wird, daß der aufgrund von Ziffer
i dieser Vorschrift bestehende Anspruch auf Waisenrente im Wohnstaat geendet hat.
20.
Im Urteil vom 27. Februar 1997 in der Rechtssache 59/95 (Bastos Moriana u. a., Slg. 1997, I-1071)
hat der Gerichtshof seine Rechtsprechung zur Zusatzleistung präzisiert. Er hat sich nämlich zu der
Frage geäußert, ob der zuständige Träger eines Mitgliedstaats nach den Artikeln 77 und 78 der
Verordnung selbst dann verpflichtet ist, Rentnern oder Waisen, die in einem anderen Mitgliedstaat
wohnen, eine Zusatzleistung zu gewähren, wenn der Rentenanspruch oder der Anspruch auf
Leistungen für Waisen nicht ausschließlich aufgrund von Versicherungszeiten erworben wurde, die im
erstgenannten Staat zurückgelegt wurden.
21.
Der Gerichtshof hat zunächst darauf hingewiesen, daß die Artikel 77 und 78 der Verordnung der
Bestimmung des Mitgliedstaats dienen, nach dessen Recht sich die Gewährung von Leistungen für
unterhaltsberechtigte Kinder von Rentnern und für Waisen regelt; die Leistungen werden dann
grundsätzlich nach dem Recht allein dieses Mitgliedstaats gewährt. Nach dem jeweiligen Absatz 2
Buchstabe b Ziffer i dieser Artikel werden die in Rede stehenden Leistungen nach dem Recht des
Staates gewährt, in dessen Gebiet der Rentner oder die Waise des verstorbenen Arbeitnehmers
wohnt, wenn für den Rentner oder den verstorbenen Arbeitnehmer die Rechtsvorschriften mehrerer
Mitgliedstaaten gelten bzw. gegolten haben (Urteil Bastos Moriana u. a., a. a. O., Randnr. 15).
22.
Der Gerichtshof hat dann festgestellt, daß die für die Zusatzleistung aufgestellte Regel (vgl. u. a.
Urteile Laterza und Gravina, a. a. O.) auf dem Grundsatz beruht, daß der Zweck der Artikel 48 bis 51
EG-Vertrag verfehlt würde, wenn die Arbeitnehmer, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch
machen, deswegen Vergünstigungen der sozialen Sicherheit verlören, die ihnen allein nach dem Recht
eines Mitgliedstaats zustehen (Urteil Bastos Moriana u. a., a. a. O., Randnr. 17; vgl. auch Urteil vom
21. Oktober 1975 in der Rechtssache 24/75, Petroni, Slg. 1975, 1149, Randnr. 13).
23.
Der Gerichtshof hat aber ausgeführt, daß die Anwendung der Artikel 77 und 78 der Verordnung,
nach denen der Wohnmitgliedstaat für die Gewährung der in Rede stehenden Familienleistungen
allein zuständig ist, dazu führen kann, daß Betroffene Leistungsansprüche verlieren, die ihnen allein
nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats zustehen. Daher sind diese Bestimmungen in den
Urteilen Laterza und Gravina so ausgelegt worden, daß der Grundsatz, daß nur ein Staat
Familienleistungen schuldet, eine Ausnahme dahin gehend erfährt, daß der andere Mitgliedstaat eine
Zusatzleistung schuldet (vgl. Urteil Bastos Moriana u. a., a. a. O., Randnr. 18).
24.
Der Gerichtshof ist schließlich zu dem Ergebnis gelangt, daß die Überlegungen, auf denen diese
Ausnahme beruht, ihre Erstreckung auf den Fall verbieten, daß die Ansprüche des Rentners oder der
Waisen nur durch die Anwendung der Bestimmungen der Verordnung über die Zusammenrechnung
eröffnet sind. Denn in diesem Fall entzieht die Anwendung der Artikel 77 und 78 den Betroffenen keine
Leistungen, die ihnen allein nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats zustehen (Urteil Bastos
Moriana u. a., a. a. O., Randnr. 19).
25.
Nach alledem kann ein Anspruch auf deutsche Leistungen in einem Fall wie dem im
Ausgangsverfahren streitigen in der Anwendung der Rechtsprechung zur Zusatzleistung keine
Grundlage haben. Im vorliegenden Fall ist nämlich kein Anspruch auf deutsche Leistungen allein auf
der Grundlage der in Deutschland zurückgelegten Versicherungszeiten erworben worden, so daß den
Klägern durch die Anwendung der Vorschriften der Verordnung, die die Zuständigkeit des Wohnstaats
vorsehen, keine allein nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats eröffneten
Ansprüche entzogen worden sein können.
26.
Ferner wird allein aufgrund des Umstands, daß die in Artikel 78 Absatz 2 Buchstabe b Ziffer i
genannte Leistung im Wohnstaat ausläuft, weil eine Altersgrenze erreicht wird, wodurch der
Leistungsanspruch generell endet, nicht Artikel 78 Absatz 2 Buchstabe b Ziffer ii anwendbar.
27.
Durch Artikel 78 Absatz 2 der Verordnung soll nämlich der für die Gewährung von Leistungen an
Waisen zuständige Staat bestimmt werden, insbesondere wenn für den Verstorbenen die
Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten gegolten haben. Diese Bestimmung bewirkt, daß gemäß
dem in Artikel 13 Absatz 1 der Verordnung niedergelegten Grundsatz, daß nur ein nationales Recht
anwendbar sein soll, die Rechtsvorschriften eines einzigen Mitgliedstaats anwendbar werden.
28.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß die Mitgliedstaaten, wie der Gerichtshof
mehrfach festgestellt hat, für die Festlegung der Höhe der von ihnen gewährten Leistungen und die
Dauer der Gewährung allein zuständig bleiben (vgl. u. a. Urteil vom 3. Mai 1990 in der Rechtssache C-
2/89, Kits van Heijningen, Slg. 1990, I-1755, Randnr. 19).
29.
Unter diesen Voraussetzungen kann der Umstand, daß die Gewährung der Leistungen aufgrund der
Rechtsvorschriften des nach Artikel 78 Absatz 2 Buchstabe b Ziffer i bestimmten Mitgliedstaats mit der
Begründung eingestellt worden ist, daß der Empfänger die Voraussetzungen für die Gewährung dieser
Leistungen in bezug auf die Altersgrenze nicht mehr erfülle, nicht dazu führen, daß für dasselbe Risiko
durch Rückgriff auf einen anderen in Artikel 78 Absatz 2 enthaltenen Anknüpfungsfaktor ein anderer
Mitgliedstaat zuständig wird.
30.
Wenn man sich die von den Klägern des Ausgangsverfahrens sowie der spanischen und der
griechischen Regierung vorgeschlagene Auslegung zu eigen machte, wären
darüber hinaus, wie die deutsche und die österreichische Regierung unterstrichen haben, die
Mitgliedstaaten, die die höchste Altersgrenze für Ansprüche auf Waisenrente festgesetzt haben,
unabhängig vom Wohnort der Waisen und unabhängig von der Dauer der Versicherungszeiten, die der
Versicherte in den einzelnen Mitgliedstaaten zurückgelegt hat, immer für die Gewährung der
Leistungen zuständig.
31.
Wie die deutsche Regierung vorgetragen hat, ist es im übrigen nicht angezeigt, Artikel 78 Absatz 2
Buchstabe b Ziffer ii in einem Fall anzuwenden, in dem der Wohnmitgliedstaat die Zahlung der
Leistungen nicht mehr als erforderlich ansieht, etwa weil der Empfänger wegen seines Alters in der
Lage ist, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, oder weil sonstige Leistungen, wie z. B.
Ausbildungsbeihilfen, an die Stelle der Familienleistungen treten.
32.
Ist der im Wohnstaat eröffnete Leistungsanspruch erloschen, weil eine Altersgrenze erreicht wurde,
so ist der zuständige Träger eines anderen Mitgliedstaats folglich nicht verpflichtet, den Betroffenen
Leistungen zu gewähren, es sei denn, daß diese ihren Anspruch allein aufgrund von in diesem Staat
zurückgelegten Versicherungszeiten erworben haben.
33.
Auf die erste Vorabentscheidungsfrage ist daher zu antworten, daß Artikel 78 Absatz 2 Buchstabe b
der Verordnung dahin auszulegen ist, daß Ziffer ii dieser Vorschrift nicht anwendbar wird, wenn ein
Anspruch auf eine Waisenrente, der zunächst aufgrund von Ziffer i im Wohnmitgliedstaat des
Empfängers bestand, wegen Erreichung einer Altersgrenze weggefallen ist, während in einem anderen
Mitgliedstaat, dessen Rechtsvorschriften für den Versicherten ebenfalls gegolten haben, bei
Anwendung der Zusammenrechnungsregel des Artikels 79 der Verordnung auch über diesen
Zeitpunkt hinaus ein Anspruch auf eine Waisenrente bestünde.
Zur zweiten und zur dritten Frage
34.
Die zweite und die dritte Frage des vorlegenden Gerichts gehen im wesentlichen dahin, ob die
Artikel 48 und 51 des Vertrages in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens es nicht zulassen, daß
Arbeitnehmer Vergünstigungen der sozialen Sicherheit verlieren, weil ein bilaterales
Sozialversicherungsabkommen infolge des Inkrafttretens der Verordnung unanwendbar wird.
35.
Nach Ansicht der Kläger des Ausgangsverfahrens, der spanischen, der griechischen und der
schwedischen Regierung sowie der Kommission ist diese Frage zu bejahen. Sie sind nämlich der
Auffassung, daß die im Urteil vom 7. Februar 1991 in der Rechtssache C-227/89 (Rönfeldt, Slg. 1991, I-
323) aufgestellten und im Urteil vom 9. November 1995 in der Rechtssache C-475/93 (Thévenon, Slg.
1995, I-3813) näher darlegten Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.
36.
Die deutsche und die österreichische Regierung vertreten dagegen die Auffassung, diese
Rechtsprechung könne in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens keine Anwendung finden.
Insbesondere sei diese Lösung nicht praktikabel, da die bestehenden bilateralen und multilateralen
Abkommen so verschiedenartig seien, daß es verwaltungsmäßig unsinnig wäre, von den
Sozialversicherungsträgern der Mitgliedstaaten zu verlangen, bei jedem Wanderarbeitnehmer nicht
nur seine Ansprüche aus nationalem Recht und aus dem Gemeinschaftsrecht, sondern auch die aus
diesen Abkommen erwachsenden Ansprüche zu berücksichtigen.
37.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die Verordnung nach ihrem Artikel 6 unter bestimmten
Vorbehalten im Rahmen ihres persönlichen und sachlichen Geltungsbereichs an die Stelle von
Abkommen über soziale Sicherheit zwischen zwei oder mehr Mitgliedstaaten tritt.
38.
Im Urteil vom 7. Juni 1973 in der Rechtssache 82/72 (Walder, Slg. 1973, 599, Randnrn. 6 und 7), das
die Auslegung der Artikel 6 und 7 der Verordnung betrifft, hat der Gerichtshof festgestellt, daß diese
Bestimmungen klar erkennen lassen, daß der Grundsatz, wonach die Gemeinschaftsverordnungen an
die Stelle der Abkommen über soziale Sicherheit zwischen Mitgliedstaaten tritt, zwingend ist und
abgesehen von den in den Verordnungen ausdrücklich geregelten Fällen selbst dann keine
Ausnahme zuläßt, wenn diese Abkommen über soziale Sicherheit für die Personen, für die sie gelten,
höhere Leistungen vorsehen, als sie sich aus den Verordnungen ergeben.
39.
Im bereits angeführten Urteil Rönfeldt hat der Gerichtshof jedoch für Recht erkannt, daß Artikel 48
Absatz 2 und Artikel 51 des Vertrages es nicht zulassen, daß Arbeitnehmer Vergünstigungen der
sozialen Sicherheit verlieren, weil in das nationale Recht eingeführte Abkommen zwischen zwei oder
mehr Mitgliedstaatenaufgrund des Inkrafttretens der Verordnung unanwendbar geworden sind.
40.
Im bereits genannten Urteil Thévenon hat der Gerichtshof ausgeführt, daß dem Urteil Rönfeldt
besondere Umstände zugrunde gelegen hätten, die in einem Fall wie dem seinerzeit vorliegenden
fehlten, in dem der Versicherte sein Recht auf Freizügigkeit erst nach Inkrafttreten der Verordnung
ausgeübt hatte, also zu einer Zeit, zu der die Verordnung bereits an die Stelle des bilateralen
Abkommens getreten war.
41.
In einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens ist festzustellen, daß der Vater der Betroffenen
seine Versicherungszeiten in Spanien und in Deutschland vor dem Beitritt des Königreichs Spanien zu
den Europäischen Gemeinschaften zurückgelegt hatte und daß die im Urteil Rönfeldt
herausgearbeitete und im Urteil Thévenon näher bestimmte Regel daher grundsätzlich anwendbar ist.
42.
Personen wie die Kläger des Ausgangsverfahrens dürften daher die Vergünstigungen der sozialen
Sicherheit, die sich für sie aus dem betreffenden bilateralen Abkommen ergaben, nicht verlieren.
43.
Dazu trägt die deutsche Regierung vor, im vorliegenden Fall sei bereits ein Vergleich der sich jeweils
aus dem bilateralen Abkommen und aus der Verordnung ergebenden Vergünstigungen gemäß Artikel
118 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung
der Verordnung Nr. 1408/71 (ABl. L 74, S. 1) mit dem Ergebnis vorgenommen worden, daß die
Anwendung der Verordnung günstiger sei als das Vertragsrecht.
44.
Artikel 118 Absatz 1 der Verordnung Nr. 574/72 gilt in den Fällen, in denen die Verordnung im
Zeitraum zwischen dem Eintritt des Versicherungsfalls und der ersten Feststellung der Leistung in
Kraft tritt. In diesem Fall führt der Rentenantrag nach dieser Vorschrift zu einer doppelten
Feststellung, und zwar gemäß dem Abkommen für die Zeit vor der Anwendung der Verordnung und
gemäß der Verordnung für die Zeit nach dem Inkrafttreten der Verordnung. Außerdem bestimmt die
Vorschrift aber, daß der Betroffene weiter den nach dem Abkommen berechneten Betrag erhält, wenn
dieser höher ist als der nach der Verordnung.
45.
Da bereits ein Vergleich der sich aus dem Abkommen ergebenden Vergünstigungen mit den aus
der Verordnung erwachsenden mit dem Ergebnis vorgenommen worden ist, daß die Regelung der
Verordnung für die Kläger günstiger ist, kann der im Urteil Rönfeldt herausgearbeitete Grundsatz nicht
angewendet werden.
46.
Andernfalls könnten nämlich alle Wanderarbeitnehmer, die sich in der gleichen Lage wie die Kläger
befinden, jederzeit verlangen, daß, je nachdem, was für sie zu einem gegebenen Zeitpunkt zum
günstigeren Ergebnis führt, entweder die Regelung der Verordnung oder die Regelung des
Abkommens angewendet wird.
47.
Ein solcher Vergleich der Vergünstigungen, der während der gesamten Dauer der Gewährung der
Leistungen fortlaufend immer dann durchgeführt würde, wenn eine tatsächliche Änderung der
persönlichen Lage der Betroffenen eintritt, würde den zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten
erhebliche Verwaltungsprobleme aufbürden, obwohl sich in der Verordnung keinerlei Grundlage dafür
findet.
48.
Auf die zweite und die dritte Frage ist daher zu antworten, daß die Artikel 48 und 51 des Vertrages
es nicht zulassen, daß Arbeitnehmer Vergünstigungen der sozialen Sicherheit verlieren, weil ein
bilaterales Abkommen über soziale Sicherheit infolge des Inkrafttretens der Verordnung unanwendbar
geworden ist. Dieser Grundsatz kann jedoch insoweit nicht gelten, als bei der ersten Feststellung der
Leistungen aufgrund der Verordnung bereits ein Vergleich der sich jeweils aus dieser und aus dem
Abkommen ergebenden Vergünstigungen mit dem Ergebnis vorgenommen worden ist, daß die
Anwendung der Verordnung günstiger ist als das Vertragsrecht.
Kosten
49.
Die Auslagen der deutschen, der griechischen, der spanischen, der österreichischen und der
schwedischen Regierung sowie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem
Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des
Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht
anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
auf die ihm vom Bundessozialgericht mit Beschluß vom 8. Februar 1996 vorgelegten Fragen für Recht
erkannt:
1. Artikel 78 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.
Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und
Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und
abwandern, in ihrer durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983
geänderten und aktualisierten Fassung ist dahin auszulegen, daß Ziffer ii dieser
Vorschrift nicht anwendbar wird, wenn ein Anspruch auf eine Waisenrente, der zunächst
aufgrund von Ziffer i im Wohnmitgliedstaat des Empfängers bestand, wegen Erreichung
einer Altersgrenze weggefallen ist, während in einem anderen Mitgliedstaat, dessen
Rechtsvorschriften für den Versicherten ebenfalls gegolten haben, bei Anwendung der
Zusammenrechnungsregel des Artikels 79 der Verordnung auch über diesem Zeitpunkt
hinaus ein Anspruch auf eine Waisenrente bestünde.
2. Die Artikel 48 und 51 des Vertrages lassen es nicht zu, daß Arbeitnehmer
Vergünstigungen der sozialen Sicherheit verlieren, weil ein bilaterales Abkommen über
soziale Sicherheit infolge des Inkrafttretens der Verordnung Nr. 1408/71 unanwendbar
geworden ist. Dieser Grundsatz kann jedoch insoweit nicht gelten, als bei der ersten
Feststellung der Leistungen aufgrund der Verordnung bereits ein Vergleich der sich
jeweils aus dieser und aus dem Abkommen ergebenden Vergünstigungen mit dem
Ergebnis vorgenommen worden ist, daß die Anwendung der Verordnung günstiger ist als
das Vertragsrecht.
Gulmann
Moitinho de Almeida
Edward
Puissochet
Jann
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 7. Mai 1998.
Der Kanzler
Der Präsident der Fünften Kammer
R. Grass
C. Gulmann
Verfahrenssprache: Deutsch.