Urteil des EuGH vom 08.03.2001

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WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Sechste Kammer)
8. März 2001
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Qualität des Oberflächenwassers für die Trinkwassergewinnung -
Richtlinie 75/440/EWG - Bedingungen der Gewinnung von Wasser für den menschlichen Verbrauch in der
Bretagne“
In der Rechtssache C-266/99
Kommission der Europäischen Gemeinschaften,
Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Französische Republik,
Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
wegen Feststellung, dass die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie
75/440/EWG des Rates vom 16. Juni 1975 über die Qualitätsanforderungen an Oberflächenwasser für die
Trinkwassergewinnung in den Mitgliedstaaten (ABl. L 194, S. 34) und insbesondere aus deren Artikel 4
verstoßen hat, dass sie nicht die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um sicherzustellen, dass die
Qualität des Oberflächenwassers für die Trinkwassergewinnung den nach Artikel 3 der genannten Richtlinie
festgelegten Werten entspricht,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Gulmann, der Richter V. Skouris, J.-P. Puissochet und R.
Schintgen sowie der Richterin F. Macken (Berichterstatterin),
Generalanwältin: C. Stix-Hackl
Kanzler: L. Hewlett, Verwaltungsrätin
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der Parteien in der Sitzung vom 26. Oktober 2000,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. Dezember 2000,
folgendes
Urteil
1.
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 16. Juli 1999 bei der
Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 226 EG Klage erhoben auf Feststellung,
dass die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 75/440/EWG
des Rates vom 16. Juni 1975 über die Qualitätsanforderungen an Oberflächenwasser für die
Trinkwassergewinnung in den Mitgliedstaaten (ABl. L 194, S. 34, im Folgenden: Richtlinie) und
insbesondere aus deren Artikel 4 verstoßen hat, dass sie nicht die erforderlichen Maßnahmen
getroffen hat, um sicherzustellen, dass die Qualität des Oberflächenwassers für die
Trinkwassergewinnung den nach Artikel 3 der Richtlinie festgelegten Werten entspricht.
2.
Der Zweck der Richtlinie besteht nach ihrem Artikel 1 darin, die Qualitätsanforderungen
festzulegen, denen Oberflächensüßwasser genügen muss, dasnach entsprechender Aufbereitung zur
Trinkwassergewinnung verwendet wird oder verwendet werden soll.
3.
Artikel 2 der Richtlinie teilt das Oberflächenwasser in drei Gruppen von Grenzwerten ein, nämlich
„A1“, „A2“ und „A3“, die verschiedenen Standardverfahren für die Aufbereitung von
Oberflächenwasser zu für den menschlichen Verbrauch geeignetem Trinkwasser entsprechen. Die
Einzelheiten dieser Standardaufbereitungen sind im Anhang I der Richtlinie festgelegt.
4.
Artikel 3 Absätze 1 und 2 der Richtlinie bestimmt:
„(1) Die Mitgliedstaaten legen für alle Entnahmestellen oder für jede einzelne Entnahmestelle die
auf Oberflächenwasser anwendbaren Werte für alle in Anhang II aufgeführten Parameter fest.
...
(2) Die nach Absatz 1 festgelegten Werte dürfen nicht weniger streng sein als die in den Spalten I
des Anhangs II angegebenen Werte.“
5.
Für den Nitrat-Parameter beträgt der in der Spalte I des Anhangs II der Richtlinie vorgeschriebene
maximale Grenzwert 50 mg/l, und zwar für alle drei Kategorien A1, A2 und A3.
6.
Gemäß Artikel 3 Absatz 3 der Richtlinie in Verbindung mit deren Anhang II bemühen sich die
Mitgliedstaaten, den Leitwert für den Nitratgehalt von 25 mg/l einzuhalten.
7.
Artikel 4 der Richtlinie lautet:
„(1) Die Mitgliedstaaten treffen die notwendigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass das
Oberflächenwasser den nach Artikel 3 festgelegten Werten entspricht. Jeder Mitgliedstaat wendet
dabei diese Richtlinie gleichermaßen auf nationale und grenzüberschreitende Gewässer an.
(2) Im Rahmen der Ziele dieser Richtlinie treffen die Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen,
um eine kontinuierliche Verbesserung der Umwelt sicherzustellen. Zu diesem Zweck legen sie einen
systematischen Plan mit Zeitplan für die Sanierung von Oberflächenwasser, insbesondere von Wasser
der Kategorie A3, fest. Dabei sind in den nächsten zehn Jahren im Rahmen der einzelstaatlichen
Programme wesentliche Verbesserungen zu realisieren.
Bei der Festlegung des in Unterabsatz 1 genannten Zeitplans wird berücksichtigt, dass die Qualität
der Umwelt, insbesondere die des Wassers, verbessert werden muss; ferner wird den wirtschaftlichen
und technischen Sachzwängen Rechnung getragen, die in den verschiedenen Gebieten der
Gemeinschaft bestehen oder sich ergeben können.
Die Kommission prüft eingehend die in Unterabsatz 1 genannten Aktionspläne, einschließlich der
Zeitpläne, und legt dem Rat gegebenenfalls geeignete Vorschläge im Zusammenhang damit vor.
(3) Oberflächenwasser, das in seinen physikalischen, chemischen und mikrobiologischen Merkmalen
nicht mindestens den vorgeschriebenen Grenzwerten der Standardaufbereitung A3 entspricht, darf
nicht zur Trinkwassergewinnung verwendet werden. Wasser von einer solchen geringeren Qualität darf
jedoch ausnahmsweise verwendet werden, wenn eine angemessene Aufbereitung - einschließlich
einer Mischung - vorgenommen wird, durch die alle Qualitätsmerkmale des Wassers auf ein Niveau
gebracht werden, das mit den Gütenormen für Trinkwasser übereinstimmt. Die Begründung für eine
derartige Ausnahme, der ein Verwaltungsplan für die Wasservorräte innerhalb der betreffenden Zone
zugrunde liegen muss, muss der Kommission bei bestehenden Anlagen unverzüglich und bei neuen
Anlagen im Voraus bekannt gegeben werden. Die Kommission prüft diese Begründung eingehend und
legt dem Rat gegebenenfalls geeignete Vorschläge im Zusammenhang damit vor.“
8.
Nach Artikel 10 der Richtlinie setzen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und
Verwaltungsvorschriften in Kraft, um der Richtlinie und ihren Anhängen binnen zwei Jahren nach ihrer
Bekanntgabe nachzukommen. Die Richtlinie wurde der Französischen Republik am 18. Juni 1975
bekannt gegeben.
Das Vorverfahren
9.
Aufgrund mehrerer Beschwerden über den Nitratgehalt des für die Trinkwassergewinnung
bestimmten Oberflächenwassers in der Bretagne richtete die Kommission am 1. April 1992 eine
schriftliche Anfrage an die französische Regierung, die diese am 11. Mai 1993 beantwortete.
10.
Da die Kommission diese Antwort für unzureichend hielt, sandte sie am 30. November 1993 eine
schriftliche Aufforderung zur Äußerung an die Französische Republik. Darin wies sie darauf hin, dass
die Französische Republik ihrer Ansicht nach gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie,
insbesondere aus deren Artikel 4, verstoßen habe.
11.
Die französischen Behörden erwiderten auf das Aufforderungsschreiben der Kommission mit
Schreiben vom 1. Februar 1994, 28. November 1994 und 1. März 1995.
12.
Am 28. Oktober 1997 richtete die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme an die
Französische Republik; die darin enthaltenen Beanstandungen entsprechen denen im
Aufforderungsschreiben. Die Kommission setzte die Frist für die Umsetzung der Richtlinie auf zwei
Monate ab Zustellung der mit Gründen versehenen Stellungnahme fest.
13.
Die französischen Behörden erwiderten auf die mit Gründen versehene Stellungnahme mit
Schreiben vom 2. Januar und vom 18. Juni 1998.
14.
Da diese Antwort die Kommission nicht überzeugte, hat sie die vorliegende Klage erhoben.
Begründetheit
15.
Die Kommission erhebt drei Rügen gegen die Französische Republik.
16.
Mit ihrer ersten Rüge macht die Kommission geltend, die Französische Republik habe gegen Artikel
4 Absatz 1 der Richtlinie verstoßen, indem sie die Überschreitung der Grenzwerte für Nitrate in dem
Wasser erlaubt habe, das in der Bretagne für die Gewinnung von Wasser für den menschlichen
Verbrauch verwendet werde.
17.
Nach Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie in Verbindung mit deren Artikel 3 und deren Anhang II seien
die Mitgliedstaaten verpflichtet, sicherzustellen, dass der Nitratgehalt des gesamten
Oberflächenwassers, das für die Gewinnung von Trinkwasser bestimmt sei, bei Ablauf der
Umsetzungsfrist den Wert von 50 mg/l unterschreite.
18.
Aus den Verfahrensunterlagen geht hervor, dass der Nitratgehalt des Wassers bestimmter
Einzugsgebiete in der Bretagne bei Ablauf der Frist, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme
gesetzt worden war, nicht den Anforderungen der Richtlinie entsprach; dies hat die Französische
Republik selbst eingeräumt.
19.
Unter diesen Umständen ist die erste Rüge der Kommission als begründet anzusehen.
20.
Mit ihrer zweiten Rüge wirft die Kommission der Französischen Republik vor, gegen Artikel 4 Absatz 2
der Richtlinie verstoßen zu haben.
21.
Zum einen wirft die Kommission den französischen Behörden vor, ihr systematischer Plan gemäß
Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie entspreche in der Praxis nicht dem Ziel der Verbesserung der Umwelt.
Diese Vorschrift erlege den Mitgliedstaaten u. a. eine Erfolgspflicht, nämlich eine kontinuierliche
Verbesserung der Umwelt zu erreichen, auf. Die zu diesem Zweck von den französischen Behörden in
Bezug auf die Bretagne erlassenen Maßnahmen seien zu spät getroffen worden und nicht effektiv.
Diese Maßnahmen seien einerseits zu allgemein, andererseits zu punktuell, als dass sie eine
Auswirkung auf die Verschmutzung des Wassers erwarten ließen.
22.
Zum anderen weist die Kommission das Vorbringen der französischen Regierung zurück, die von ihr
getroffenen Maßnahmen erfüllten auf jeden Fall die Verpflichtung gemäß Artikel 4 Absatz 2 der
Richtlinie, ein bestimmtes Mittel anzuwenden. Diese Maßnahmen seien in der Bretagne noch nicht in
Kraft oder nur in einem Teil dieser Region anwendbar. Die getroffenen Maßnahmen stellten daher
keine umfassende und kohärente Vorgehensweise dar, die den Charakter einer konkreten Planung
zur Verringerung der Verschmutzung habe, wie sie in Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie verlangt werde.
23.
Zu der angeblichen Verletzung einer Erfolgspflicht vertritt die französische Regierung die Ansicht,
die in Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen zu kontinuierlicher und
wesentlicher Verbesserung der Umwelt und der in Artikel 3 Absatz 3 in Verbindung mit Anhang II der
Richtlinie vorgesehene Leitwert von 25 mg/l seien nicht bestimmt genug, um Erfolgspflichten zu
begründen. Die zweite Rüge der Kommission habe, soweit danach durch die systematischen Pläne ein
bestimmtes Ziel erreicht werden müsse, keinen eigenständigen Gegenstand gegenüber der ersten
Rüge, die sich auf Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie beziehe. Insoweit räumt die französische Regierung
ein, dass die durch einige Probenahmen in der Bretagne festgestellte Situation nicht der Richtlinie
entspreche.
24.
Zu der angeblichen Verletzung der in Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie vorgesehenen Verpflichtung,
ein bestimmtes Mittel anzuwenden, macht die französische Regierung geltend, die von ihr getroffenen
und der Kommission mitgeteilten Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserqualität in der Bretagne
stellten einen „systematischen Plan mit Zeitplan“ im Sinne dieser Vorschrift dar.
25.
Hinsichtlich des ersten Teils der zweiten Rüge ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten nach
Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie verpflichtet sind, den Gehalt an Giftstoffen, einschließlich Nitraten, zu
verringern, um die Qualität des Oberflächenwassers für die Trinkwassergewinnung zu verbessern. Die
Mitgliedstaaten müssen zu diesem Zweck die geeigneten Mittel einsetzen.
26.
Zwar enthält Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie keine ausdrückliche qualitative oder quantitative
Vorgabe hinsichtlich der genannten Verbesserungen; es steht jedoch fest, dass diese Vorschrift die
Mitgliedstaaten verpflichtet, innerhalb der darin vorgesehenen Frist von zehn Jahren quantitative
Werte zu erreichen, die unter den Grenzwerten liegen, die sie bis zum Ablauf der in Artikel 4 Absatz 1
der Richtlinie vorgesehenen Umsetzungsfrist von zwei Jahren erreichen müssen.
27.
Die Mitgliedstaaten müssen somit innerhalb der in Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie vorgesehenen
Frist von zehn Jahren Nitratgehalte erreichen, die auf jeden Fall unter dem Grenzwert von 50 mg/l
liegen.
28.
Wie sich aus Randnummer 18 dieses Urteils ergibt, entsprach der Nitratgehalt des Wassers
bestimmter Einzugsgebiete in der Bretagne bei Ablauf der Frist, die in der mit Gründen versehenen
Stellungnahme gesetzt worden war, nicht den Anforderungen der Richtlinie. Die Französische Republik
hat somit hinsichtlich der Zonen der Bretagne, die Gegenstand der Untersuchungen der Kommission
waren und in denen der Grenzwert für Nitrate von 50 mg/l nicht eingehalten wurde, auch gegen Artikel
4 Absatz 2 der Richtlinie verstoßen.
29.
Hinsichtlich des zweiten Teils der zweiten Rüge der Kommission ist darauf hinzuweisen, dass zwar
mehrere regional begrenzte Sanierungspläne grundsätzlich einen „Plan“ im Sinne des Artikels 4
Absatz 2 der Richtlinie darstellen können, die von einem Mitgliedstaat vorgelegten Unterlagen
zusammen aber auf jeden Fall einenGesamtplan erkennen lassen müssen, der ein umfassendes und
kohärentes Konzept zum Ausdruck bringt (in diesem Sinn Urteile vom 17. Oktober 1991 in der
Rechtssache C-58/89, Kommission/Deutschland, Slg. 1991, I-4983, Randnr. 25, und vom 21. Januar
1999 in der Rechtssache C-207/97, Kommission/Belgien, Slg. 1999, I-275, Randnr. 40).
30.
Hingegen können einzelne materielle Handlungen oder unvollständige Regelungen die
Verpflichtung eines Mitgliedstaats zur Aufstellung eines umfassenden Programms zur Erreichung
bestimmter Ziele nicht erfüllen (in diesem Sinn Urteil vom 28. Mai 1998 in der Rechtssache C-298/97,
Kommission/Spanien, Slg. 1998, I-3301, Randnr. 16).
31.
Die von der französischen Regierung der Kommission mitgeteilten Maßnahmen haben einen
sachlich oder geographisch beschränkten Anwendungsbereich oder stellen sich als rein punktuelles
Vorgehen dar.
32.
Das Programm „Bretagne Eau Pure“ I betraf die Verbesserung der Qualität der Küstengewässer
und nicht der Qualität des in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie genannten Oberflächenwassers, so dass
dieses Programm keinen „Plan“ im Sinne des Artikels 4 Absatz 2 der Richtlinie darstellen kann.
33.
Zu dem 1994 in Kraft getretenen nationalen Programm zur Bekämpfung der Verschmutzung durch
die Landwirtschaft, das zwischen den Ministerien für Landwirtschaft und für Umwelt und den
Interessenverbänden der Landwirtschaft ausgehandelt wurde und grundsätzlich das gesamte
Mutterland umfasst, ist festzustellen, dass es sich nicht auf landwirtschaftliche Betriebe erstreckt, die
eine bestimmte Größe überschreiten, und nur einen relativ geringen Anteil der bretonischen
landwirtschaftlichen Betriebe betrifft.
34.
Angesichts einer solchen Begrenzung erfüllt dieses Programm nicht die Verpflichtung nach Artikel 4
Absatz 2 der Richtlinie, ein bestimmtes Mittel anzuwenden.
35.
Die Resorptionsprogramme für strukturell übermäßig belastete Zonen und das Programm
„Bretagne Eau Pure“ II betreffen nur besonders verschmutzte geographische Bereiche der Bretagne
und nicht sämtliches Oberflächenwasser, das Besorgnis erregende Nitratwerte aufweist. Das Konzept
der Resorptionsprogramme zielt nämlich darauf ab, den überschüssigen Stickstoff in den am
stärksten betroffenen Landkreisen Frankreichs zu resorbieren, während das Programm „Bretagne Eau
Pure“ II für das bretonische Gebiet nur beschränkt gilt, da es nur die zwanzig problematischsten
Wassereinzugsgebiete erfasst.
36.
Unter diesen Umständen stellen diese Maßnahmen keinen Plan im Sinne des Artikels 4 Absatz 2 der
Richtlinie dar.
37.
Was schließlich die Pläne für die Wasserbewirtschaftung und -verwaltung anbelangt, die im Rahmen
des Leitplans für die Wasserbewirtschaftung und -verwaltung in derBretagne für verschiedene
Einzugsgebiete aufgestellt werden sollen, hat die französische Regierung selbst eingeräumt, dass bei
Ablauf der Frist, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt worden war, noch keiner
dieser Pläne einsetzbar war.
38.
Nach ständiger Rechtsprechung ist das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Situation zu
beurteilen, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen
Stellungnahme gesetzt worden war. Spätere Veränderungen kann der Gerichtshof daher nicht
berücksichtigen (u. a. Urteil vom 7. Dezember 2000 in der Rechtssache C-69/99,
Kommission/Vereinigtes Königreich, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 22).
39.
Daraus folgt, dass diese Pläne in der vorliegenden Rechtssache nicht berücksichtigt werden
können.
40.
Aus dem in den Randnummern 31 bis 39 dieses Urteils Gesagten folgt auch, dass den Maßnahmen,
auf die sich die französische Regierung stützt, die erforderliche Kohärenz fehlt, um einen
systematischen Plan im Sinne des Artikels 4 Absatz 2 der Richtlinie darstellen zu können.
41.
Somit ist festzustellen, dass die zweite Rüge der Kommission begründet ist.
42.
Mit ihrer dritten Rüge wirft die Kommission der Französischen Republik vor, für die Gewinnung von
Wasser für den menschlichen Verbrauch in der Bretagne Oberflächenwasser von unzureichender
Qualität verwendet zu haben, ohne der Kommission die Begründung für diese Verwendung oder einen
Verwaltungsplan für die Wasservorräte bekannt gegeben zu haben, wozu sie nach Artikel 4 Absatz 3
der Richtlinie verpflichtet gewesen wäre.
43.
Die französische Regierung bestreitet nicht, für die Gewinnung von Trinkwasser in der Bretagne
zumindest teilweise Oberflächenwasser verwendet zu haben, dessen Nitratgehalt den durch die
Richtlinie vorgeschriebenen Höchstwert überschritten habe. Dagegen bestreitet sie das Vorbringen
der Kommission, dass sie ihr keinen Verwaltungsplan für die Wasservorräte im Sinne des Artikels 4
Absatz 3 der Richtlinie bekannt gegeben habe.
44.
Es ist festzustellen, dass die französischen Behörden der Kommission erst mit einem Schreiben vom
18. Juni 1998, also nach Ablauf der Frist, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme
vorgesehen war, eine Aufstellung über sämtliches nitratbelastetes Oberflächenwasser in der Bretagne
mit vollständigen Angaben über die Mischung dieses Wassers mit Oberflächenwasser, das nicht mit
Schadstoffen belastet ist, übermittelt haben, um ihr die Überwachung der Verwendung des
Oberflächenwassers gemäß Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie zu ermöglichen.
45.
Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die dritte Rüge der Kommission begründet ist.
46.
Somit hat die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 4 der Richtlinie
verstoßen, dass sie nicht die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um sicherzustellen, dass die
Qualität des Oberflächenwassers für die Trinkwassergewinnung den nach Artikel 3 der Richtlinie
festgelegten Werten entspricht.
Kosten
47.
Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der
Kosten zu verurteilen. Da die Französische Republik mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr
gemäß dem entsprechenden Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Französische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 4 der
Richtlinie 75/440/EWG des Rates vom 16. Juni 1975 über die Qualitätsanforderungen an
Oberflächenwasser für die Trinkwassergewinnung in den Mitgliedstaaten verstoßen, dass
sie nicht die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um sicherzustellen, dass die
Qualität des Oberflächenwassers für die Trinkwassergewinnung den nach Artikel 3 der
Richtlinie festgelegten Werten entspricht.
2. Die Französische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.
Gulmann
Skouris
Puissochet
Schintgen
Macken
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 8. März 2001.
Der Kanzler
Der Präsident der Sechsten Kammer
R. Grass
C. Gulmann
Verfahrenssprache: Französisch.