Urteil des EuGH vom 18.06.1998

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WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Sechste Kammer)
18. Juni 1998
„Richtlinie 85/337/EWG des Rates — Erneute Genehmigung eines Flächennutzungsplans“
In der Rechtssache C-81/96
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag vom Nederlandse Raad van State in dem bei
diesem anhängigen Rechtsstreit
Burgemeester en Wethouders van Haarlemmerliede en Spaarnwoude u. a.
gegen
Gedeputeerde Staten van Noord-Holland
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom
27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten
(ABl. L 175, S. 40)
erläßt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten H. Ragnemalm sowie der Richter G. F. Mancini, P. J. G. Kapteyn, J. L.
Murray und K. M. Ioannou (Berichterstatter),
Generalanwalt: J. Mischo
Kanzler: H. A. Rühl, Hauptverwaltungsrat
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
— der Burgemeester en Wethouders van Haarlemmerliede en Spaarnwoude,
— der Burgemeester en Wethouders van Amsterdam,
— von J. Schuitemaker u. a., vertreten durch Rechtsanwalt L. D. H. Hamer, Amsterdam,
— der Gedeputeerde Staten van Noord-Holland,
— der niederländischen Regierung, vertreten durch J. G. Lammers, stellvertretender Rechtsberater im
Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigten,
— der österreichischen Regierung, vertreten durch W. Okresek, Ministerialrat im Bundeskanzleramt, als
Bevollmächtigten,
— der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Rechtsberater H. van Lier als
Bevollmächtigten, Beistand: Rechtsanwalt J. Stuyck, Brüssel,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Burgemeester en Wethouders van Amsterdam, vertreten
durch Rechtsanwalt B. ter Haar, Amsterdam, von J. Schuitemaker u. a., vertreten durch Rechtsanwalt L. D. H.
Hamer, der Gedeputeerde Staten van Noord-Holland, vertreten durch S. E. Bakker als Bevollmächtigten, der
niederländischen Regierung, vertreten durch J. S. van den Oosterkamp, stellvertretender Rechtsberater im
Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigten, und der Kommission, vertreten durch
Rechtsberater H. van Lier und Rechtsanwalt J. Stuyck, Brüssel, in der Sitzung vom 22. Januar 1998,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. März 1998,
folgendes
Urteil
1.
Der Nederlandse Raad van State hat mit Beschluß vom 12. März 1996, beim Gerichtshof
eingegangen am 18. März 1996, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung der
Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei
bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 175, S. 40; nachstehend: Richtlinie) zur
Vorabentscheidung vorgelegt.
2.
Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit, in dem mehrere Betroffene gegen den Beschluß vom
18. Mai 1993 klagen, mit dem der Provinzialausschuß von Nord-Holland die Zustimmung für den
Flächennutzungsplan „Ruigoord 1992“ erteilte, der vom Rat der Gemeinde Haarlemmerliede en
Spaarnwoude am 21. September 1992 gemäß der Wet op de Ruimtelijke Ordening (Stbl. 1962, S. 286;
nachstehend: Raumordnungsgesetz) angenommen worden war. Die Klage wird damit begründet, daß
der Genehmigung dieses Planes nicht entsprechend den Anforderungen der Richtlinie eine
Umweltverträglichkeitsprüfung vorausgegangen sei.
3.
Aus den Akten geht hervor, daß der Flächennutzungsplan „Ruigoord 1992“ ein etwa 6,5 km
2
großes
Gebiet betrifft und darauf hauptsächlich den Bau eines Hafens und die Einrichtung eines
Industriegeländes vorsieht, die an das östlich des fraglichen Gebietes gelegene westliche
Hafengebiet der Gemeinde Amsterdam anschließen sollen.
4.
Die in diesem Plan vorgesehene Flächennutzung war bereits in dem Flächennutzungsplan „Landelijk
gebied 1968“ und den Regionalplänen „Amsterdam-Noordzeekanaalgebied 1979“ und „Amsterdam-
Noordzeekanaalgebied 1987“ vorgesehen gewesen, jedoch, abgesehen von der Erhöhung eines Teils
der Fläche mit Sand Ende der sechziger Jahre, nie verwirklicht worden. Der Genehmigung dieser Pläne
war keine den Anforderungen der Richtlinie entsprechende Umweltverträglichkeitsprüfung
vorausgegangen.
5.
Nach dem vom Rat der Gemeinde Haarlemmerliede en Spaarnwoude am 25. September 1984
aufgestellten Flächennutzungsplan „Ruigoord 1984“ war der größte Teil des betreffenden Gebietes für
Naherholungszwecke bestimmt. Dieser Plan war durch Beschluß des Provinzialausschusses von Nord-
Holland vom 5. März 1985 zum großen Teil abgelehnt worden. Der Flächennutzungsplan „Ruigoord
1992“ soll den Flächennutzungsplan „Landelijk gebied 1968“ ersetzen.
6.
Gegenstand der Richtlinie ist nach ihrem Artikel 1 Absatz 1 die Umweltverträglichkeitsprüfung bei
öffentlichen und privaten Projekten, die möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt
haben.
7.
Nach Artikel 1 Absatz 2 sind unter Projekt zu verstehen „die Errichtung von baulichen oder
sonstigen Anlagen“ und „sonstige Eingriffe in Natur und Landschaft einschließlich derjenigen zum
Abbau von Bodenschätzen“. Genehmigung ist danach die „Entscheidung der zuständigen Behörde
oder der zuständigen Behörden, aufgrund deren der Projektträger das Recht zur Durchführung des
Projekts erhält“.
8.
Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit vor der Erteilung der Genehmigung
die Projekte, bei denen insbesondere aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standortes mit
erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Prüfung in bezug auf ihre
Auswirkungen unterzogen werden.
Diese Projekte sind in Artikel 4 definiert.“
9.
Aus Artikel 4 in Verbindung mit Anhang I Nummer 8 der Richtlinie geht hervor, daß Projekte, die
Seehandelshäfen sowie Schiffahrtswege und Häfen für die Binnenschiffahrt, die Schiffen mit mehr als
1 350 Tonnen zugänglich sind, betreffen, einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen sind.
10.
Nach Artikel 12 Absatz 1 der Richtlinie treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen,
um dieser Richtlinie innerhalb von drei Jahren nach ihrer Bekanntgabe nachzukommen. Da die
Richtlinie den Mitgliedstaaten am 3. Juli 1985 bekanntgegeben wurde, ist diese Frist am 3. Juli 1988
abgelaufen.
11.
Die Richtlinie wurde insbesondere durch den Besluit milieu-effectrapportage vom 20. Mai 1987
(Verordnung über die Erstellung eines Umweltverträglichkeitsberichts, Stbl. 1987, S. 278,
nachstehend: „MER-Verordnung“) in die niederländische Rechtsordnung umgesetzt. In dieser
Verordnung sind die (als „Tätigkeiten“ bezeichneten) Projekte aufgeführt, für die ein
Umweltverträglichkeitsbericht erstellt werden muß. So wird darin der Bau eines Hafens für die zivile
Nutzung durch die Binnenschiffahrt oder die Seeschiffahrt als „Tätigkeit“ bezeichnet, sofern es sich
um einen Hafen handelt, der Schiffen mit einer Ladekapazität von 1 350 Tonnen oder mehr zugänglich
ist, mit der Folge, daß bei der Vorbereitung eines Planes oder eines Flächennutzungsplans, der
erstmals die Möglichkeit des Baus eines Hafens vorsieht, ein Umweltverträglichkeitsbericht erstellt
werden muß.
12.
Nach Artikel 9 Absatz 2 der MER-Verordnung ist jedoch ein Umweltverträglichkeitsbericht dann nicht
erforderlich, wenn eine „Tätigkeit“ im Sinne der Verordnung bereits in einen geltenden Entwicklungs-
oder Flächennutzungsplan oder einen geltenden Regionalplan aufgenommen wurde.
13.
Nach den Artikeln 10 Absatz 1 und 28 Absatz 1 des Raumordnungsgesetzes wird der
Flächennutzungsplan vom Gemeinderat aufgestellt und dann dem
Provinzialausschuß zur Zustimmung vorgelegt. Dieser kann den Gemeinderat verpflichten, einen
Flächennutzungsplan aufzustellen oder zu ändern.
14.
Das vorlegende Gericht stellt fest, daß gemäß der MER-Verordnung die
Umweltverträglichkeitsprüfung, die der Feststellung des streitigen Planes hätte vorausgehen müssen,
nicht erforderlich gewesen sei, da dieser Plan aus früheren Flächennutzungsplänen übernommen
worden sei.
15.
Der Nederlandse Raad van State hat Zweifel an der Vereinbarkeit dieser Regelung mit der Richtlinie
und hat daher dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Läßt es die Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung
bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten zu, daß für ein in Anhang I der Richtlinie
aufgeführtes Projekt eine Genehmigung erteilt wird, ohne daß bei der Vorbereitung dieser
Genehmigung ein Umweltverträglichkeitsbericht im Sinne der Richtlinie erstellt wurde, wenn sich diese
Genehmigung auf ein Projekt bezieht, für das schon vor dem 3. Juli 1988 eine Genehmigung erteilt
worden war, von der jedoch kein Gebrauch gemacht wurde und bei deren Vorbereitung kein
Umweltverträglichkeitsbericht erstellt wurde, der den Anforderungen der Richtlinie genügt?
16.
Das vorlegende Gericht möchte mit dieser Frage wissen, ob die Richtlinie dahin auszulegen ist, daß
sie es einem Mitgliedstaat gestattet, für in ihrem Anhang I aufgeführte Projekte von den
Verpflichtungen betreffend die Umweltverträglichkeitsprüfung zu befreien, wenn
— für diese Projekte bereits vor dem 3. Juli 1988, dem Zeitpunkt des Ablaufs der Frist zur Umsetzung
der Richtlinie, eine Genehmigung erteilt worden war,
— bei der Vorbereitung dieser Genehmigung kein den Anforderungen der Richtlinie entsprechender
Umweltverträglichkeitsbericht erstellt worden war und von der Genehmigung kein Gebrauch gemacht
worden ist, und
— nach dem 3. Juli 1988 ein neues Genehmigungsverfahren förmlich eingeleitet worden ist.
17.
Die Kläger des Ausgangsverfahrens machen geltend, die Zustimmung zu einem
Flächennutzungsplan stelle eine Entscheidung dar, die den Behörden einen Titel verleihe, der sie zur
Durchführung des Projekts berechtige. Die Entscheidung entspreche also einer Genehmigung im
Sinne des Artikels 1 Absatz 2 der Richtlinie. Da die MER-Verordnung den nationalen Behörden die
Prüfung auf Umweltauswirkungen in bezug auf Pläne erlasse, die einer solchen Prüfung
unterzogen werden müßten, verstoße sie gegen die Richtlinie und dürfe daher nicht angewendet
werden.
18.
Nach Auffassung der österreichischen Regierung und der Kommission betrifft die Verpflichtung zur
Umweltverträglichkeitsprüfung nur Projekte, die einer Genehmigung bedürften. Zustimmungen zu
Flächennutzungsplänen enthielten jedoch grundsätzlich keine Bestimmung, mit der einem
Projektträger das Recht gewährt werde, das fragliche Projekt durchzuführen. Da sie nicht als
Genehmigungen im Sinne des Artikels 1 Absatz 2 der Richtlinie anzusehen seien, begründeten sie
nicht die Verpflichtung zur Erstellung eines Umweltverträglichkeitsberichts.
19.
Die niederländische Regierung trägt dagegen vor, der streitige Plan stelle, da er den Plan „Landelijk
gebied 1968“ ersetzen solle, nur eine Verlängerung dieses Planes dar, der bereits unwiderruflich
genehmigt worden sei. Für einen solchen Fall, in dem ein in Anhang I der Richtlinie aufgeführtes
Projekt vor Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie genehmigt worden sei, in dem aber aus
sonstigen formellen oder materiellen Gründen eine neue Genehmigung erforderlich sei, seien die
Mitgliedstaaten zuständig. Die Verpflichtung zur Erstellung eines Umweltverträglichkeitsberichts
entsprechend den Anforderungen der Richtlinie gelte daher nicht.
20.
Vorab ist darauf hinzuweisen, daß es Sache des nationalen Gerichts ist, im Einzelfall und anhand
der anwendbaren nationalen Regelung festzustellen, ob die Zustimmung zu einem
Flächennutzungsplan eine Genehmigung im Sinne des Artikels 1 Absatz 2 der Richtlinie ist, also eine
Entscheidung der zuständigen Behörde, aufgrund deren der Projektträger das Recht zur
Durchführung des Projekts erhält.
21.
Im vorliegenden Fall geht aus dem Vorlagebeschluß eindeutig hervor, daß es für das vorlegende
Gericht feststeht, daß die Zustimmungen zu den fraglichen Plänen eine solche Genehmigung
darstellen.
22.
Zur Beantwortung der Vorlagefrage ist festzustellen, daß sich nach der Rechtsprechung des
Gerichtshofes in der Richtlinie kein Anhaltspunkt dafür findet,daß die Mitgliedstaaten ermächtigt
wären, Projekte, für die das Genehmigungsverfahren nach dem Stichtag des 3. Juli 1988 eingeleitet
wurde, von der Umweltverträglichkeitsprüfung auszunehmen (Urteil vom 9. August 1994 in der
Rechtssache C-396/92, Bund Naturschutz in Bayern u. a., Slg. 1994, I-3717, Randnr. 18). Folglich muß
für solche Projekte der in Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie aufgestellte Grundsatz eingehalten werden,
daß Projekte, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer
Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden müssen.
23.
Da die Richtlinie jedoch für Projekte, bei denen das Genehmigungsverfahren vor dem 3. Juli 1988
eingeleitet worden ist und zu diesem Zeitpunkt noch läuft, keine
Übergangsvorschriften vorsieht, hat der Gerichtshof entschieden, daß der genannte Grundsatz in
Fällen, in denen das Datum der förmlichen Antragstellung vor dem 3. Juli 1988 liegt, nicht anwendbar
ist. Nur dieses formale Kriterium entspricht nämlich nach Auffassung des Gerichtshofes dem
Grundsatz der Rechtssicherheit und ist geeignet, die praktische Wirksamkeit der Richtlinie zu erhalten
(Urteil vom 11. August 1995 in der Rechtssache C-431/92, Kommission/Deutschland, Slg. 1995, I-2189,
Randnr. 32).
24.
Der Grund hierfür ist, daß die Richtlinie überwiegend Projekte größeren Umfangs betrifft, deren
Durchführung sehr häufig viel Zeit erfordert. Es wäre nicht angebracht, daß Verfahren, die bereits auf
nationaler Ebene komplex sind und die vor Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie förmlich
eingeleitet wurden, durch die spezifischen Anforderungen der Richtlinie noch zusätzlich belastet und
verzögert und daß bereits entstandene Rechtspositionen beeinträchtigt werden.
25.
Die vorliegende Rechtssache betrifft jedoch kein vor dem 3. Juli 1988 eingeleitetes und zu diesem
Zeitpunkt noch laufendes Genehmigungsverfahren für ein Projekt, das einer
Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen ist. Es geht im Gegenteil um einen nach dem 3. Juli 1988
eingereichten Antrag auf eine neue Genehmigung für ein Projekt der in Anhang I der Richtlinie
aufgeführten Art, in das Flächennutzungen aufgenommen wurden, die mehrere Jahre oder sogar
Jahrzehnte zuvor Gegenstand einer Genehmigung waren, ohne daß ein den Anforderungen der
Richtlinie entsprechender Umweltverträglichkeitsbericht erstellt worden wäre. Die Realisierung des
fraglichen Projekts, dessen Träger eine Behörde ist, hat aber praktisch noch nicht begonnen.
26.
Auf einen solchen Fall lassen sich die Erwägungen, die den Gerichtshof im Urteil
Kommission/Deutschland veranlaßten, die Nichtanwendung des Grundsatzes der
Umweltverträglichkeitsprüfung zuzulassen, nicht übertragen, zumal in bezug auf das neue
Genehmigungsverfahren die Rechtsbehelfe des nationalen Rechts eröffnet sind.
27.
Daher müssen für ein neues Verfahren, das wie im Ausgangsverfahren aus Gründen, die in der
anwendbaren nationalen Regelung liegen, nach dem 3. Juli 1988 förmlich eingeleitet wurde, die sich
aus der Richtlinie ergebenden Verpflichtungen betreffend die Umweltverträglichkeitsprüfung gelten.
Jede andere Lösung würde gegen das in Artikel 2 der Richtlinie enthaltene Gebot, daß bei größeren
Projekten eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist, verstoßen und dessen praktische
Wirksamkeit gefährden.
28.
Daher ist auf die Frage des vorlegenden Gerichts zu antworten, daß die Richtlinie dahin auszulegen
ist, daß sie es einem Mitgliedstaat nicht gestattet, für in ihrem Anhang I aufgeführte Projekte von den
Verpflichtungen betreffend die Umweltverträglichkeitsprüfung zu befreien, wenn
— für diese Projekte bereits vor dem 3. Juli 1988, dem Zeitpunkt des Ablaufs der Frist zur Umsetzung
der Richtlinie, eine Genehmigung erteilt worden war,
— bei der Vorbereitung dieser Genehmigung kein den Anforderungen der Richtlinie entsprechender
Umweltverträglichkeitsbericht erstellt worden war und von der Genehmigung kein Gebrauch gemacht
worden ist, und
— nach dem 3. Juli 1988 ein neues Genehmigungsverfahren förmlich eingeleitet worden ist.
Kosten
29.
Die Auslagen der niederländischen und der österreichischen Regierung sowie der Kommission, die
vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des
Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht
anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
auf die ihm vom Nederlandse Raad van State mit Beschluß vom 12. März 1996 vorgelegte Frage für
Recht erkannt:
Die Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei
bestimmten öffentlichen und privaten Projekten ist dahin auszulegen, daß sie es einem Mitgliedstaat
nicht gestattet, für in ihrem Anhang I aufgeführte Projekte von den Verpflichtungen betreffend die
Umweltverträglichkeitsprüfung zu befreien, wenn
— für diese Projekte bereits vor dem 3. Juli 1988, dem Zeitpunkt des Ablaufs der Frist zur Umsetzung
der Richtlinie, eine Genehmigung erteilt worden war,
— bei der Vorbereitung dieser Genehmigung kein den Anforderungen der Richtlinie entsprechender
Umweltverträglichkeitsbericht erstellt worden war und von der Genehmigung kein Gebrauch gemacht
worden ist, und
— nach dem 3. Juli 1988 ein neues Genehmigungsverfahren förmlich eingeleitet worden ist.
Ragnemalm
Mancini
Kapteyn
Murray
Ioannou
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 18. Juni 1998.
Der Kanzler
Der Präsident der Sechsten Kammer
R. Grass
H. Ragnemalm
Verfahrenssprache: Niederländisch.