Urteil des EuGH vom 01.04.2004

EuGH: klage auf nichtigerklärung, verordnung, kommission, juristische person, rat der europäischen union, nichtigkeitsklage, verfahrensordnung, kontrolle, erlass, rechtsschutz

WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Sechste Kammer)
1. April 2004
„Rechtsmittel – Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage einer juristischen Person gegen eine Verordnung“
In der Rechtssache C-263/02 P
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Rechtsmittelführerin,
betreffend ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
(Erste erweiterte Kammer) vom 3. Mai 2002 in der Rechtssache T-177/01 (Jégo-Quéré/Kommission, Slg. 2002,
II-2365) wegen Aufhebung dieses Urteils,
andere Verfahrensbeteiligte:
Jégo-Quéré et Cie SA
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Richters C. Gulmann (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten
der Sechsten Kammer, der Richter J. N. Cunha Rodrigues, J.-P. Puissochet und R. Schintgen sowie der
Richterin F. Macken,
Generalanwalt: F. G. Jacobs,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der Parteien in der Sitzung vom 22. Mai 2003,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. Juli 2003,
folgendes
Urteil
1
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Rechtsmittelschrift, die am 17. Juli 2002 bei der
Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 49 der EG-Satzung des Gerichtshofes ein
Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 3. Mai 2002 in der Rechtssache T-177/01
(Jégo-Quéré/Kommission, Slg. 2002, II-2365, im Folgenden: angefochtenes Urteil) eingelegt, mit dem die
Nichtigkeitsklage der Jégo-Quéré et Cie SA (im Folgenden: Jégo-Quéré) gegen die Artikel 3 Buchstabe d und
5 der Verordnung (EG) Nr. 1162/2001 der Kommission vom 14. Juni 2001 mit Maßnahmen zur
Wiederauffüllung des Seehechtbestands in den ICES-Gebieten III, IV, V, VI und VII sowie VIII a, b, d, e und
Vorschriften zur Überwachung der dort tätigen Fischereifahrzeuge (ABl. L 159, S. 4) für zulässig erklärt
worden ist.
Rechtlicher Rahmen
2
Nach Artikel 15 der Verordnung (EWG) Nr. 3760/92 des Rates vom 20. Dezember 1992 zur Einführung einer
gemeinschaftlichen Regelung für die Fischerei und die Aquakultur (ABl. L 389, S. 1) kann die Kommission
Sofortmaßnahmen treffen, wenn die Erhaltung der Fischfangressourcen aufgrund schwer wiegender und
unerwarteter Störungen gefährdet ist.
3
Im Dezember 2000 waren die Kommission und der Rat der Europäischen Union, durch den Internationalen
Rat für Meeresforschung (ICES) alarmiert, der Ansicht, dass für Seehechte dringend ein
Bestandserholungsplan verabschiedet werden müsse.
4
Die dazu erlassene Verordnung Nr. 1162/2001 bezweckt in erster Linie, den Fang junger Seehechte
unmittelbar zu begrenzen. Sie gilt für die in den von ihr festgelegten Gebieten tätigen Fischereifahrzeuge.
Diesen schreibt sie für die verschiedenen Techniken des Netzfischfangs unabhängig von der Fischart, deren
Fang das einzelne Fischereifahrzeug gezielt betreibt, eine je nach Gebiet unterschiedliche
Mindestmaschenöffnung vor. Davon nicht betroffen sind Schiffe von weniger als 12 m Länge, die für
höchstens 24 Stunden auslaufen.
5
Artikel 3 Buchstabe d der Verordnung Nr. 1162/2001 verbietet „Grundschleppnetze, an denen ein Steert mit
einer Maschenöffnung von weniger als 100 mm auf andere Weise angebracht ist als in den vorderen Teil des
Netzes eingenäht“. Artikel 5 dieser Verordnung grenzt in Absatz 1 die geografischen Gebiete ab, in denen
die Vorschriften der Verordnung gelten, und enthält in Absatz 2 für alle diese Gebiete Verbote, Schleppnetze
mit bestimmten Maschenöffnungen zu verwenden, zu Wasser zu lassen und einzusetzen, sowie
Verpflichtungen in Bezug auf das Festzurren und Verstauen dieser Netze. Für jedes dieser Gebiete enthält
Absatz 2 außerdem Verbote, stationäres Fanggerät mit bestimmten Maschenöffnungen zu verwenden, zu
Wasser zu lassen und auszubringen, sowie Verpflichtungen in Bezug auf das Festzurren und Verstauen
dieser Geräte. Bei Schleppnetzen gelten die Verbote für Maschen im Öffnungsbereich von 55 mm bis 99 mm.
Bei stationären Fanggeräten gelten sie je nach Gebiet für Maschenöffnungen von weniger als 100 mm oder
120 mm.
Sachverhalt und angefochtenes Urteil
6
Jégo-Quéré ist eine Fischfang-Reederei mit Sitz in Frankreich und betreibt südlich von Irland in dem von
Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1162/2001 erfassten ICES-Gebiet VII ständig gezielten
Wittlingfang, der durchschnittlich 67,3 % ihrer Fänge ausmacht. Sie besitzt vier Schiffe von über 30 m Länge
und verwendet Netze mit einer Maschenweite von 80 mm.
7
Mit Klageschrift, die am 2. August 2001 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob Jégo-Quéré nach Artikel
230 Absatz 4 EG Klage auf Nichtigerklärung der Artikel 3 Buchstabe d und 5 der Verordnung Nr. 1162/2001.
8
Mit gesondertem Schriftsatz, der am 30. Oktober 2001 bei der Kanzlei des Gerichts einging, machte die
Kommission eine Einrede der Unzulässigkeit nach Artikel 114 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts
geltend.
9
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht die Unzulässigkeitseinrede abgewiesen und die Fortsetzung
des Verfahrens zur Hauptsache angeordnet.
10
Nach der Feststellung in Randnummer 24 des angefochtenen Urteils, dass die angefochtenen Vorschriften
ihrem Wesen nach allgemeine Geltung haben, hat das Gericht in Randnummer 25 darauf hingewiesen, dass
die allgemeine Geltung einer Vorschrift es nicht ausschließe, dass diese Vorschrift bestimmte
Wirtschaftsteilnehmer unmittelbar und individuell betreffe.
11
In Randnummer 38 des angefochtenen Urteils hat das Gericht ausgeführt, dass Jégo-Quéré „nach den
bisher in der Gemeinschaftsrechtsprechung entwickelten Kriterien nicht als im Sinne von Artikel 230 Absatz 4
EG individuell betroffen angesehen werden kann“.
12
Jégo-Quéré hatte geltend gemacht, dass sie nicht bei den nationalen Gerichten Klage erheben könne, da
die Verordnung Nr. 1162/2001 nicht den Erlass von Durchführungsmaßnahmen durch die Mitgliedstaaten
vorsehe, und dass sie daher, wenn ihre beim Gericht erhobene Klage unzulässig wäre, über keinen
Rechtsbehelf mehr verfüge, um die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Vorschriften zu bestreiten. Das
Gericht hat ausgeführt, es sei zu prüfen, ob in einer Rechtssache wie der bei ihm anhängigen, in der ein
Einzelner die Rechtmäßigkeit von Vorschriften allgemeiner Geltung bestreite, die seine Rechtsposition
unmittelbar beeinträchtigten, die Unzulässigkeit der Nichtigkeitsklage dem Kläger das Recht auf einen
wirksamen Rechtsschutz nehmen würde, wie es in der auf dem EG-Vertrag beruhenden Rechtsordnung
insbesondere nach den Artikeln 6 und 13 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte
und Grundfreiheiten (EMRK) garantiert werde.
13
Das Gericht hat insoweit ausgeführt:
„44
[Es] ist daran zu erinnern, dass es außer der Nichtigkeitsklage noch zwei weitere Rechtsbehelfe gibt,
mit denen der Einzelne die Rechtswidrigkeit eines Gemeinschaftsrechtsakts durch den hierfür
ausschließlich zuständigen Gemeinschaftsrichter feststellen lassen kann, nämlich die Klage beim
nationalen Gericht mit Vorlage an den Gerichtshof nach Artikel 234 EG und die Klage aus
außervertraglicher Haftung der Gemeinschaft nach den Artikeln 235 EG und 288 Absatz 2 EG.
45
Was die Klage beim nationalen Gericht mit Vorlage an den Gerichtshof nach Artikel 234 EG angeht, so
fehlt es jedoch in einem Fall wie dem vorliegenden an Durchführungsmaßnahmen, die die Grundlage
für eine Klage bei den nationalen Gerichten sein könnten. Der Umstand, dass ein Einzelner, dessen
Rechtsposition durch eine Gemeinschaftsmaßnahme beeinträchtigt wird, deren Gültigkeit bei den
nationalen Gerichten dadurch bestreiten könnte, dass er gegen die in dieser Maßnahme
vorgesehenen Bestimmungen verstößt und sich in einem gegen ihn eingeleiteten Gerichtsverfahren
auf deren Rechtswidrigkeit beruft, stellt für ihn keinen angemessenen gerichtlichen Rechtsschutz dar.
Dem Einzelnen kann nicht zugemutet werden, dass er gegen das Gesetz verstößt, um Zugang zu den
Gerichten zu erlangen (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 21. März 2002 in der
Rechtssache C-50/00 P, Unión de Pequeños Agricultores/Rat, [Urteil vom 25. Juli 2002, Slg. 2002, I-
6677], Nr. 43).
46
Eine Schadensersatzklage aus außervertraglicher Haftung der Gemeinschaft führt in einem Fall wie
dem vorliegenden nicht zu einer für die Interessen des Rechtsbürgers befriedigenden Lösung. Mit ihr
lässt sich ein Rechtsakt auch dann nicht aus der Gemeinschaftsrechtsordnung entfernen, wenn er
rechtswidrig sein sollte. Diese Klage, die den Eintritt eines unmittelbar durch die Anwendung des
streitigen Rechtsakts verursachten Schadens voraussetzt, unterliegt anderen Voraussetzungen für
die Zulässigkeit und die Begründetheit als die Nichtigkeitsklage und versetzt den
Gemeinschaftsrichter daher nicht in die Lage, die Rechtmäßigkeitskontrolle, die er ordnungsgemäß
durchzuführen hat, in ihrem ganzen Umfang wahrzunehmen. Insbesondere wenn eine Maßnahme
allgemeiner Geltung wie die im vorliegenden Fall angefochtenen Vorschriften im Rahmen einer solchen
Klage in Frage gestellt wird, erstreckt sich die Kontrolle des Gemeinschaftsrichters nicht auf sämtliche
Faktoren, die die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme beeinträchtigen könnten, sondern beschränkt
sich darauf, die hinreichend qualifizierten Verstöße gegen Rechtsnormen zu sanktionieren, deren
Zweck es ist, dem Einzelnen Rechte zu verleihen (Urteil des Gerichtshofes vom 4. Juli 2000 in der
Rechtssache C-352/98 P, Bergaderm und Goupil/Kommission, Slg. 2000, I-5291, Randnrn. 41 bis 43,
und Urteil des Gerichts vom 23. Oktober 2001 in der Rechtssache T-155/99, Dieckmann &
Hansen/Kommission, Slg. 2001, II-3143, Randnrn. 42 und 43; vgl. außerdem für einen nicht
hinreichend qualifizierten Verstoß Urteil des Gerichtshofes vom 19. Mai 1992 in den Rechtssachen C-
104/89 und C‑37/90, Mulder u. a./Rat und Kommission, Slg. 1992, I-3061, Randnrn. 18 und 19, und für
einen Fall, in dem die angeführte Norm nicht bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, Urteil des
Gerichts vom 6. Dezember 2001 in der Rechtssache T-196/99, Area Cova u. a./Rat und Kommission,
Slg. 2001, II-3597, Randnr. 43).
47
Nach alledem ist festzustellen, dass im Licht der Artikel 6 und 13 EMRK sowie des Artikels 47 der
Charta der Grundrechte nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass die Verfahren nach Artikel
234 EG einerseits und nach den Artikeln 235 EG und 288 Absatz 2 EG andererseits den
Rechtsbürgern ein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf gewährleisten, das es ihnen ermöglichen
würde, die Rechtmäßigkeit von Gemeinschaftsvorschriften allgemeiner Geltung zu bestreiten, die ihre
Rechtsposition unmittelbar beeinträchtigen.
48
Freilich kann ein solcher Umstand keine Änderung des Rechtsschutzsystems gestatten, das der
Vertrag geschaffen hat und das den Gemeinschaftsrichter mit der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der
Handlungen der Organe betraut. Keinesfalls ermöglicht er es, die von einer natürlichen oder
juristischen Person erhobene Nichtigkeitsklage, die nicht die Voraussetzungen des Artikels 230 Absatz
4 EG erfüllt, für zulässig zu erklären (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 12. Oktober
2000 in der Rechtssache C‑300/00 P [R], Federación de Cofradías de Pescadores u. a./Rat, Slg. 2000,
I-8797, Randnr. 37).
49
Doch gibt es, wie Generalanwalt Jacobs in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Unión de
Pequeños Agricultores/Rat (zitiert oben in Randnr. 45, Nr. 59) ausgeführt hat, kein zwingendes
Argument für die These, dass der Begriff der individuell betroffenen Person im Sinne von Artikel 230
Absatz 4 EG es verlangt, dass ein Einzelner, der eine Maßnahme allgemeiner Geltung anfechten
möchte, in ähnlicher Weise individualisiert ist wie ein Adressat.
50
Unter diesen Umständen ist es in Anbetracht der Tatsache, dass der EG-Vertrag ein vollständiges
Rechtsschutzsystem geschaffen hat, das den Gemeinschaftsrichter mit der Kontrolle der
Rechtmäßigkeit der Handlungen der Organe betraut (oben in Randnr. 41 zitiertes Urteil Les
Verts/Parlament, Randnr. 23), angebracht, die bisherige enge Auslegung des Begriffes der individuell
betroffenen Person im Sinne von Artikel 230 Absatz 4 EG zu überdenken.
51
Demnach ist, um einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz der Einzelnen zu gewährleisten, eine
natürliche oder juristische Person als von einer allgemein geltenden Gemeinschaftsbestimmung, die
sie unmittelbar betrifft, individuell betroffen anzusehen, wenn diese Bestimmung ihre Rechtsposition
unzweifelhaft und gegenwärtig beeinträchtigt, indem sie ihre Rechte einschränkt oder ihr Pflichten
auferlegt. Die Zahl und die Lage anderer Personen, deren Rechtsposition durch die Bestimmung
ebenfalls beeinträchtigt wird oder werden kann, sind insoweit keine relevanten Gesichtspunkte.
52
Im vorliegenden Fall werden der Klägerin durch die angefochtenen Vorschriften tatsächlich Pflichten
auferlegt. Die Klägerin, deren Schiffe in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen, betreibt
nämlich die Fischerei in einem der Gebiete, in denen diese Tätigkeit nach den angefochtenen
Vorschriften ganz bestimmten Verpflichtungen in Bezug auf die Maschenöffnung der zu verwendenden
Netze unterliegt.
53
Die Klägerin ist daher von den angefochtenen Vorschriften individuell betroffen.
54
Da die Klägerin von diesen Vorschriften auch unmittelbar betroffen ist (vgl. oben, Randnr. 26), ist die
Unzulässigkeitseinrede der Kommission abzuweisen und die Fortsetzung des Verfahrens anzuordnen.“
Das Rechtsmittel
14
Die Kommission beantragt mit ihrem Rechtsmittel,
das angefochtene Urteil aufzuheben;
die Klage auf Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 1162/2001 als unzulässig abzuweisen, hilfsweise die
Sache an das Gericht zurückzuverweisen;
Jégo-Quéré die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens vor dem Gericht
aufzuerlegen.
15
Jégo-Quéré beantragt,
das Rechtsmittel wegen verspäteter Einlegung als unzulässig zurückzuweisen;
das Rechtsmittel als unbegründet zurückzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen;
das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit es davon ausgeht, dass Jégo-Quéré nicht im Sinne von
Artikel 230 Absatz 4 EG unmittelbar betroffen ist;
den Rechtsstreit gemäß den von ihr beim Gericht eingereichten Erklärungen selbst zu entscheiden,
insbesondere
die beim Gericht erhobene Klage für zulässig zu erklären;
die Artikel 3 Buchstabe d und 5 der Verordnung Nr. 1162/2001 für nichtig zu erklären;
folgende Personen als Zeugen zu vernehmen:
John Farnell, Direktor in der Direktion „Bestandserhaltung“ der Generaldirektion Fischerei der
Kommission, und
Victor Badiola, Geschäftsführer des Fischerzeugerverbandes von Ondárroa;
der Kommission die Kosten dieses Verfahrens sowie des Verfahrens vor dem Gericht aufzuerlegen.
16
Die Kommission stützt ihr Rechtsmittel auf zwei Gründe.
17
Erstens habe das Gericht gegen seine Verfahrensordnung verstoßen, weil die Rechtssache an das Plenum
des Gerichts hätte verwiesen werden müssen. Zweitens habe das Gericht dadurch gegen Artikel 230 Absatz
4 EG verstoßen, dass es die Voraussetzung der individuellen Betroffenheit von Jégo-Quéré in einer Weise
ausgelegt habe, die mit dem vom Vertrag geschaffenen Rechtsschutzsystem unvereinbar sei.
18
Jégo-Quéré erhebt die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsmittels. Die Kommission habe keinerlei Angaben
darüber gemacht, an welchem Tag ihr das angefochtene Urteil zugestellt worden sei. Mangels
Gegenbeweises bestreite Jégo-Quéré, dass das Rechtsmittel tatsächlich fristgemäß eingelegt worden sei.
19
Insoweit ist daran zu erinnern, dass nach Artikel 49 der EG-Satzung des Gerichtshofes in Verbindung mit
Artikel 81 § 2 der Verfahrensordnung innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach der Zustellung der
angefochtenen Entscheidung, die um eine pauschale Entfernungsfrist von zehn Tagen verlängert wird, ein
Rechtsmittel beim Gerichtshof eingelegt werden kann. Nach Artikel 112 § 2 der Verfahrensordnung ist die
mit dem Rechtsmittel angefochtene Entscheidung des Gerichts der Rechtsmittelschrift beizufügen, und es
ist anzugeben, an welchem Tag die angefochtene Entscheidung dem Rechtsmittelführer zugestellt worden
ist.
20
Die Kommission hat ihrem Rechtsmittel das angefochtene Urteil mit dem Begleitschreiben des Kanzlers des
Gerichts beigefügt, das mit einem Stempelaufdruck, der den 8. Mai 2002 als Eingangsdatum ausweist,
versehen ist. Dieses Datum wird durch die Bescheinigung über den Empfang der Sendung bestätigt. Das
Rechtsmittel der Kommission ist, wie in Randnummer 1 des vorliegenden Urteils erwähnt, am 17. Juli 2002 bei
der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen.
21
Die Kommission hat also in der Rechtsmittelschrift angegeben, an welchem Tag ihr das angefochtene Urteil
zugestellt wurde, und das Rechtsmittel innerhalb der vorgeschriebenen Frist eingelegt.
22
Das Rechtsmittel der Kommission ist daher zulässig.
Vorbringen der Parteien
23
Die Kommission trägt vor, die vom Gericht im angefochtenen Urteil vorgenommene Auslegung des Begriffes
der individuell betroffenen Person sei so weit, dass sie die Voraussetzung der individuellen Betroffenheit im
Sinne von Artikel 230 Absatz 4 EG praktisch aufhebe. Das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem
es das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf mit einem allgemeinen Klagerecht des Einzelnen in
Streitigkeiten, in denen es um die Nichtigerklärung von Rechtsakten allgemeiner Geltung gehe, verwechselt
habe, denn das Fehlen eines solchen allgemeinen Klagerechts bedeute nicht, dass es keinen wirksamen
Rechtsbehelf gebe. Es sei falsch, wie es das Gericht in Randnummer 47 des angefochtenen Urteils getan
habe, den Schluss zu ziehen, dass nicht mehr davon ausgegangen werden könne, dass das im Vertrag
vorgesehene gerichtliche System den Rechtsbürgern ein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf
gewährleiste, das es ihnen ermögliche, die Rechtmäßigkeit von Gemeinschaftsvorschriften allgemeiner
Geltung zu bestreiten, die ihre Rechtsposition unmittelbar beeinträchtigten, und es daher angebracht sei,
die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage zugunsten des Einzelnen dadurch zu
erweitern, dass die in ständiger Rechtsprechung vertretene Auslegung des Begriffes der individuell
betroffenen Person im Sinne von Artikel 230 Absatz 4 EG überdacht werde.
24
Die Kommission führt dazu aus, dass in den meisten Mitgliedstaaten das Recht des Einzelnen, Klage auf
Nichtigerklärung eines Rechtsakts allgemeiner Geltung zu erheben, in unterschiedlicher Weise
eingeschränkt sei. Häufig sei die Nichtigkeitsklage gegen ein Gesetz entweder gar nicht möglich oder aber
durch die Art der Klagegründe, die geltend gemacht werden könnten, oder die Voraussetzungen, die für die
Klagebefugnis gälten, eingeschränkt. In einigen Mitgliedstaaten existiere nicht einmal ein allgemeines
Klagerecht Einzelner gegen normative Akte der Verwaltungsbehörden. Solche Systeme seien aber in der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte niemals beanstandet worden.
25
Schließlich hätte in Anbetracht des Urteils vom 9. März 1994 in der Rechtssache C-188/92 (TWD Textilwerke
Deggendorf, Slg. 1994, I-833) die Auslegung des Begriffes der individuell betroffenen Person, wie sie das
Gericht vorgenommen habe, eine Einschränkung der Möglichkeiten für den Einzelnen zur Folge, die
Rechtmäßigkeit von Gemeinschaftsrechtsakten allgemeiner Geltung im Wege der Einrede in Frage zu stellen.
26
Jégo-Quéré trägt vor, eine erweiterte, flexible Auslegung von Artikel 230 Absatz 4 EG, wie sie das Gericht
vorgenommen habe, ermögliche es ihr ohne Änderung des gerichtlichen Systems des Vertrages, die
Rechtmäßigkeit einer Rechtsnorm in Frage zu stellen, durch die ihr ein erheblicher Schaden entstehe.
Andernfalls läge ein Verstoß gegen die Artikel 6 und 13 EMRK vor, weil sie über keinen Rechtsbehelf mehr
verfüge, um die Rechtmäßigkeit der fraglichen Vorschriften zu bestreiten. Da die Verordnung Nr. 1162/2001
unmittelbar, d. h. ohne Tätigwerden der nationalen Behörden, gelte, gebe es keinen Rechtsakt, der vor den
nationalen Gerichten in Zweifel gezogen werden könnte, um damit diese Verordnung mittelbar anzufechten.
Folglich würde dann keine Möglichkeit bestehen, ohne einen Verstoß gegen die Verordnung Nr. 1162/2001
auf nationaler Ebene umfassenden gerichtlichen Rechtsschutz zu erlangen.
27
Was die Klage aus außervertraglicher Haftung nach den Artikeln 235 EG und 288 Absatz 2 EG angeht, so tritt
Jégo-Quéré dem Vorbringen der Kommission entgegen, wonach eine Schadensersatzklage angesichts der
auf sechs Monate begrenzten Geltungsdauer der Verordnung Nr. 1162/2001 ein geeigneteres Mittel hätte
sein können als eine Nichtigkeitsklage. Diese Verordnung stelle nämlich nur eine Stufe im gegenwärtigen
Reformprozess der gemeinsamen Fischereipolitik dar, der zum Erlass von mittel- und langfristigen
Maßnahmen führe. Jégo-Quéré bliebe demzufolge nichts anderes übrig, als regelmäßig neue Klagen zu
erheben.
28
Es sei außerdem nicht kohärent, den Begriff der individuell betroffenen Person eng auszulegen, während es
hinsichtlich der für den Einzelnen bestehenden Möglichkeit einer Schadensersatzklage nach den Artikeln
235 EG und 288 EG, die in der Regel voraussetze, dass die Rechtmäßigkeit allgemein geltender
Gemeinschaftsmaßnahmen bestritten werde, keine Einschränkungen gebe.
Würdigung durch den Gerichtshof
29
Es ist daran zu erinnern, dass der Einzelne die Möglichkeit haben muss, einen effektiven gerichtlichen Schutz
der Rechte in Anspruch zu nehmen, die er aus der Gemeinschaftsrechtsordnung herleitet, wobei das Recht
auf einen derartigen Schutz zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehört, die sich aus den gemeinsamen
Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben. Dieses Recht ist auch in den Artikeln 6 und 13
EMRK verankert (vgl. u. a. Urteile vom 15. Mai 1986 in der Rechtssache 222/84, Johnston, Slg. 1986, 1651,
Randnr. 18, und vom 25. Juli 2002 in der Rechtssache C-50/00 P, Unión de Pequeños Agricultores/Rat, Slg.
2002, I-6677, Randnr. 39).
30
Der EG-Vertrag hat mit den Artikeln 230 EG und 241 EG auf der einen und Artikel 234 EG auf der anderen
Seite ein vollständiges System von Rechtsbehelfen und Verfahren, das die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der
Handlungen der Organe gewährleisten soll, geschaffen und mit dieser Kontrolle den Gemeinschaftsrichter
betraut. In diesem System haben natürliche oder juristische Personen, die wegen der
Zulässigkeitsvoraussetzungen des Artikels 230 Absatz 4 EG Gemeinschaftshandlungen allgemeiner Geltung
nicht unmittelbar anfechten können, die Möglichkeit, je nach den Umständen des Falles die Ungültigkeit
solcher Handlungen entweder inzident nach Artikel 241 EG vor dem Gemeinschaftsrichter oder aber vor den
nationalen Gerichten geltend zu machen und diese Gerichte, die nicht selbst die Ungültigkeit der genannten
Handlungen feststellen können, zu veranlassen, dem Gerichtshof insoweit Fragen zur Vorabentscheidung
vorzulegen (Urteil Unión de Pequeños Agricultores/Rat, Randnr. 40).
31
Es ist somit Sache der Mitgliedstaaten, ein System von Rechtsbehelfen und Verfahren vorzusehen, mit dem
die Einhaltung des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz gewährleistet werden kann (Urteil Unión
de Pequeños Agricultores/Rat, Randnr. 41).
32
In diesem Rahmen haben die nationalen Gerichte gemäß dem in Artikel 10 EG aufgestellten Grundsatz der
loyalen Zusammenarbeit die nationalen Verfahrensvorschriften über die Einlegung von Rechtsbehelfen
möglichst so auszulegen und anzuwenden, dass natürliche und juristische Personen die Rechtmäßigkeit
jeder nationalen Entscheidung oder anderen Maßnahme, mit der eine Gemeinschaftshandlung allgemeiner
Geltung auf sie angewandt wird, gerichtlich anfechten und sich dabei auf die Ungültigkeit dieser Handlung
berufen können (Urteil Unión de Pequeños Agricultores/Rat, Randnr. 42).
33
Eine Nichtigkeitsklage vor dem Gemeinschaftsrichter steht jedoch einem Einzelnen, der sich gegen eine
Handlung mit allgemeiner Geltung wie eine Verordnung wendet, die ihn nicht in ähnlicher Weise
individualisiert wie einen Adressaten, auch dann nicht offen, wenn nach einer konkreten Prüfung der
nationalen Verfahrensvorschriften durch diesen Richter dargetan werden könnte, dass diese Vorschriften es
dem Einzelnen nicht gestatten, eine Klage zu erheben, mit der er die Gültigkeit der streitigen
Gemeinschaftshandlung in Frage stellen kann. Denn eine solche Regelung würde es in jedem Einzelfall
erforderlich machen, dass der Gemeinschaftsrichter das nationale Verfahrensrecht prüft und auslegt, was
seine Zuständigkeit im Rahmen der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Gemeinschaftshandlungen
überschreiten würde (Urteil Unión de Pequeños Agricultores/Rat, Randnrn. 37 und 43).
34
Daher ist eine Nichtigkeitsklage vor dem Gemeinschaftsrichter jedenfalls auch dann nicht möglich, wenn sich
ergäbe, dass der Einzelne nach den nationalen Verfahrensvorschriften die Gültigkeit der beanstandeten
Gemeinschaftshandlung erst in Frage stellen kann, wenn er gegen diese Handlung verstoßen hat.
35
Die Tatsache, dass die Verordnung Nr. 1162/2001 im vorliegenden Fall unmittelbar, d. h. ohne Tätigwerden
der nationalen Behörden, gilt, bedeutet als solche nicht, dass ein von der Verordnung unmittelbar
betroffener Wirtschaftsteilnehmer deren Gültigkeit erst dann in Zweifel ziehen kann, wenn er gegen sie
verstoßen hat. Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass ein nationales Rechtssystem einem Einzelnen, der
von einer allgemeinen normativen Handlung des nationalen Rechts, die nicht unmittelbar gerichtlich
angefochten werden kann, unmittelbar betroffen ist, die Möglichkeit eröffnet, bei den nationalen Behörden
eine mit dieser Handlung zusammenhängende Maßnahme zu beantragen, die vor dem nationalen Gericht
angefochten werden kann, so dass dieser Einzelne die fragliche Handlung mittelbar beanstanden kann.
Ebenso ist nicht auszuschließen, dass ein nationales Rechtssystem einem von der Verordnung Nr.
1162/2001 unmittelbar betroffenen Wirtschaftsteilnehmer die Möglichkeit eröffnet, bei den nationalen
Behörden eine sich auf diese Verordnung beziehende Maßnahme zu beantragen, die vor dem nationalen
Gericht angefochten werden kann, so dass ein solcher Wirtschaftsteilnehmer die fragliche Verordnung
mittelbar beanstanden kann.
36
Zwar ist die Voraussetzung, dass eine natürliche oder juristische Person nur dann Klage gegen eine
Verordnung erheben kann, wenn sie nicht nur unmittelbar, sondern auch individuell betroffen ist, im Licht
des Grundsatzes eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes unter Berücksichtigung der verschiedenen
Umstände, die einen Kläger individualisieren können, auszulegen; doch kann eine solche Auslegung nicht
zum Wegfall der fraglichen Voraussetzung, die ausdrücklich im Vertrag vorgesehen ist, führen. Andernfalls
würden die Gemeinschaftsgerichte die ihnen durch den Vertrag verliehenen Befugnisse überschreiten (Urteil
Unión de Pequeños Agricultores/Rat, Randnr. 44).
37
Dies ist aber bei der Auslegung dieser Voraussetzung in Randnummer 51 des angefochtenen Urteils der Fall,
wonach eine natürliche oder juristische Person als von einer allgemein geltenden
Gemeinschaftsbestimmung, die sie unmittelbar betrifft, individuell betroffen anzusehen ist, wenn diese
Bestimmung ihre Rechtsposition unzweifelhaft und gegenwärtig beeinträchtigt, indem sie ihre Rechte
einschränkt oder ihr Pflichten auferlegt.
38
Eine derartige Auslegung läuft nämlich im Wesentlichen darauf hinaus, dass die Voraussetzung der
individuellen Betroffenheit, wie sie in Artikel 230 Absatz 4 EG vorgesehen ist, verfälscht wird.
39
Aus dem Vorstehenden folgt, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen hat. Der zweite
Rechtsmittelgrund ist daher für begründet zu erklären.
Vorbringen der Parteien
40
Jégo-Quéré macht geltend, das Gericht habe zu Unrecht entschieden, dass sie nicht im Sinne von Artikel 230
Absatz 4 EG, wie er vom Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgelegt werde, von der Verordnung Nr.
1162/2001 individuell betroffen sei. Diese Verordnung bestehe in Wirklichkeit aus einem Bündel individueller
Entscheidungen, die an die besonderen Fälle einiger betroffener Wirtschaftsteilnehmer angepasst seien,
ohne dass es objektive Gründe gebe, die eine solche individuelle Behandlung rechtfertigen könnten. In
Anbetracht des Zieles, den jungen Seehecht zu schützen, müsse eine Verordnung allgemeiner Geltung ohne
Ausnahme das Verbot aufstellen, in den von ihr erfassten Gebieten mit Maschenöffnungen von weniger als
100 mm zu fischen.
41
Jégo-Quéré werde insbesondere durch zwei Umstände aus dem Kreis aller übrigen von der Verordnung Nr.
1162/2001 berührten Personen herausgehoben. Erstens sei sie der einzige Wirtschaftsteilnehmer, der
ständig im Keltischen Meer mit Schiffen von über 30 m Länge Wittling fische und jungen Seehecht nur in
geringfügigen Mengen im Wege des „by-catch“ fange. Zweitens sei sie die einzige Fischfang-Reederei
gewesen, die der Kommission vor dem Erlass der Verordnung Nr. 1162/2001 eine bestimmte Lösung für die
Wiederauffüllung des Seehechtbestands vorgeschlagen habe, die letztlich nicht übernommen worden sei.
42
Die Kommission hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass keines der von Jégo-Quéré vorgetragenen
Argumente zu der Schlussfolgerung führen könne, dass diese Gesellschaft von der Verordnung Nr.
1162/2001 individuell betroffen sei. Das Anschlussrechtsmittel sei daher zurückzuweisen.
Würdigung durch den Gerichtshof
43
Wie das Gericht in den Randnummern 23 und 24 des angefochtenen Urteils zutreffend festgestellt hat,
wenden sich die Artikel 3 Buchstabe d und 5 der Verordnung Nr. 1162/2001, deren Nichtigerklärung Jégo-
Quéré erreichen will, abstrakt an unbestimmte Personengruppen und gelten für objektiv bestimmte
Sachverhalte. Diese Artikel haben daher ihrem Wesen nach allgemeine Geltung.
44
Es entspricht aber ständiger Rechtsprechung, dass die allgemeine Geltung einer Vorschrift es nicht
ausschließt, dass diese Vorschrift bestimmte Wirtschaftsteilnehmer unmittelbar und individuell betreffen
kann (vgl. u. a. Urteil vom 10. April 2003 in der Rechtssache C-142/00 P, Kommission/Nederlandse Antillen,
Slg. 2003, I-3483, Randnr. 64).
45
Eine natürliche oder juristische Person kann aber von einer solchen Vorschrift nur dann individuell betroffen
sein, wenn diese sie wegen bestimmter besonderer Eigenschaften oder aufgrund von Umständen betrifft,
die sie aus dem Kreis aller übrigen Personen herausheben und sie in ähnlicher Weise individualisieren wie
einen Adressaten (vgl. u. a. Urteile vom 15. Juli 1963 in der Rechtssache 25/62, Plaumann/Kommission, Slg.
1963, 213, 238, und Kommission/Nederlandse Antillen, Randnr. 65).
46
Der Umstand, dass Jégo-Quéré nach ihrem Vorbringen der einzige Wirtschaftsteilnehmer ist, der Wittling in
den Gewässern südlich von Irland mit Schiffen von mehr als 30 m fängt, ist aber, wie das Gericht in
Randnummer 30 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, nicht geeignet, sie zu individualisieren, da die
Artikel 3 Buchstabe d und 5 der Verordnung Nr. 1162/2001 sie nur wegen ihrer objektiven Eigenschaft als
Wittlingfischer, der in einem bestimmten Gebiet eine bestimmte Fangtechnik anwendet, ebenso wie jeden
anderen Wirtschaftsteilnehmer betreffen, der sich tatsächlich oder potenziell in der gleichen Lage befindet.
47
Außerdem ist nicht ersichtlich, dass der Kommission für den Erlass der Verordnung Nr. 1162/2001 durch
eine gemeinschaftsrechtliche Bestimmung die Anwendung eines Verfahrens vorgeschrieben wäre, in dessen
Rahmen Jégo-Quéré möglicherweise Rechte wie das Anhörungsrecht hätte geltend machen können. Das
Gemeinschaftsrecht hat somit im Hinblick auf den Erlass der Verordnung Nr. 1162/2001 keine besondere
Rechtsposition zugunsten eines Wirtschaftsteilnehmers, wie es Jégo-Quéré ist, festgelegt (in diesem Sinne
Urteil vom 4. Oktober 1983 in der Rechtssache 191/82, FEDIOL/Kommission, Slg. 1983, 2913, Randnr. 31).
48
Daher kann der Umstand, dass Jégo-Quéré nach ihrem Vorbringen die einzige Fischfang-Reederei war, die
der Kommission vor dem Erlass der Verordnung Nr. 1162/2001 eine bestimmte Lösung für die
Wiederauffüllung des Seehechtbestands vorgeschlagen hatte, sie nicht im Sinne von Artikel 230 Absatz 4 EG
individualisieren.
49
Das Anschlussrechtsmittel ist daher zurückzuweisen.
50
Nach alledem ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage auf Nichtigerklärung der Artikel 3
Buchstabe d und 5 der Verordnung Nr. 1162/2001 nach Artikel 61 Absatz 1 der Satzung des Gerichtshofes
für unzulässig zu erklären.
Kosten
51
Nach Artikel 122 Absatz 1 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das
Rechtsmittel begründet ist und er selbst den Rechtsstreit endgültig entscheidet. Nach Artikel 69 § 2 der
Verfahrensordnung, der gemäß Artikel 118 der Verfahrensordnung auf das Rechtsmittelverfahren
entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu
verurteilen.
52
Da das Rechtsmittel und die Unzulässigkeitseinrede der Kommission begründet sind, hat Jégo-Quéré
sämtliche vor dem Gericht und dem Gerichtshof angefallenen Kosten zu tragen.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1.
Das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 3. Mai 2002
in der Rechtssache T-177/01 (Jégo-Quéré/Kommission) wird aufgehoben.
2.
Die Nichtigkeitsklage der Jégo-Quéré et Cie SA gegen die Artikel 3 Buchstabe d und 5 der
Verordnung (EG) Nr. 1162/2001 der Kommission vom 14. Juni 2001 mit Maßnahmen zur
Wiederauffüllung des Seehechtbestands in den ICES-Gebieten III, IV, V, VI und VII sowie VIII
a, b, d, e und Vorschriften zur Überwachung der dort tätigen Fischereifahrzeuge ist
unzulässig.
3.
Die Jégo-Quéré et Cie SA trägt die Kosten beider Rechtszüge.
Gulmann
Cunha Rodrigues
Puissochet
Schintgen
Macken
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 1. April 2004.
Der Kanzler
Der Präsident
R. Grass
V. Skouris
Verfahrenssprache: Französisch.