Urteil des EuGH vom 16.12.2004

EuGH: verordnung, schutz der gesundheit, behörde, bestimmungsort, beförderung, mitgliedstaat, durchfuhr, zivilrechtliche haftung, kommission, verbringen

WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Erste Kammer)
16. Dezember 200
„Umwelt – Abfälle – Verordnung (EWG) Nr. 259/93 über die Verbringung von Abfällen – Zur Verwertung
bestimmte Abfälle – Einwände – Zuständigkeit der Behörde am Versandort – Verwertung, die die
Anforderungen des Artikels 4 der Richtlinie 75/442/EWG oder nationaler Bestimmungen nicht beachtet –
Zuständigkeit der Behörde am Versandort für die Erhebung solcher Einwände“
In der Rechtssache C-277/02
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Oberverwaltungsgericht
Rheinland-Pfalz (Deutschland) mit Entscheidung vom 3. Juli 2002, eingegangen am 29. Juli 2002, in dem
Verfahren
EU-Wood-Trading GmbH
gegen
Sonderabfall-Management-Gesellschaft Rheinland-Pfalz mbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann, des Richters A. Rosas, der Richterin R. Silva de Lapuerta
sowie der Richter K. Lenaerts und K. Schiemann (Berichterstatter),
Generalanwalt: P. Léger,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. Mai 2004,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
der EU-Wood-Trading GmbH, vertreten durch die Rechtsanwälte T. Pschera und B. Enderle,
der Sonderabfall-Management-Gesellschaft Rheinland-Pfalz mbH, vertreten durch Rechtsanwalt C. von der
Lühe,
der dänischen Regierung, vertreten durch J. Molde als Bevollmächtigten,
der österreichischen Regierung, vertreten durch E. Riedl als Bevollmächtigten,
der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch U. Wölker und M. Konstantinidis als
Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. September 2004,
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a erster und
zweiter Gedankenstrich der Verordnung (EWG) Nr. 259/93 des Rates vom 1. Februar 1993 zur Überwachung
und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft (ABl. L 30,
S. 1) in der durch die Entscheidungen 98/368/EG der Kommission vom 18. Mai 1998 (ABl. L 165, S. 20) und
1999/816/EG der Kommission vom 24. November 1999 (ABl. L 316, S. 45) geänderten Fassung (im
Folgenden: Verordnung).
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits der EU‑Wood‑Trading GmbH mit Sitz in Bürstadt
(Deutschland) (im Folgenden: EU‑Wood‑Trading) gegen die Sonderabfall-Management-Gesellschaft
Rheinland-Pfalz mbH wegen von dieser erhobener Einwände gegen die von der EU‑Wood‑Trading
beabsichtigten Verbringung von 3 500 Tonnen Holzabfällen nach Italien.
Rechtlicher Rahmen
3
Wesentliche Zielsetzung der Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle (ABl. L 194, S.
47) in der durch die Richtlinie 91/156/EWG des Rates vom 18. März 1991 (ABl. L 78, S. 32) und die
Entscheidung 96/350/EG der Kommission vom 24. Mai 1996 (ABl. L 135, S. 32) geänderten Fassung (im
Folgenden: Richtlinie) ist der Schutz der menschlichen Gesundheit sowie der Umwelt gegen nachteilige
Auswirkungen der Sammlung, Beförderung, Behandlung, Lagerung und Ablagerung von Abfällen.
Insbesondere weist die vierte Begründungserwägung dieser Richtlinie darauf hin, dass die Aufbereitung von
Abfällen sowie die Verwendung wiedergewonnener Materialien im Interesse der Erhaltung der natürlichen
Rohstoffquellen zu fördern ist.
4
Die Richtlinie definiert in Artikel 1 Buchstabe e die „Beseitigung“ als „alle in Anhang II A aufgeführten
Verfahren“ und in Buchstabe f die „Verwertung“ als „alle in Anhang II B aufgeführten Verfahren“.
5
Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Abfälle verwertet
oder beseitigt werden, ohne dass die menschliche Gesundheit gefährdet wird und ohne dass Verfahren
oder Methoden verwendet werden, welche die Umwelt schädigen können, insbesondere ohne dass
Wasser, Luft, Boden und die Tier‑ und Pflanzenwelt gefährdet werden;
Geräusch‑ oder Geruchsbelästigungen verursacht werden;
die Umgebung und das Landschaftsbild beeinträchtigt werden.“
6
Nach Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie müssen die von den Mitgliedstaaten benannten zuständigen Behörden
zur Verwirklichung der Ziele u. a. des Artikels 4 so bald wie möglich einen oder mehrere
Abfallbewirtschaftungspläne erstellen. Nach Artikel 7 Absatz 3 können die Mitgliedstaaten die erforderlichen
Maßnahmen ergreifen, um das Verbringen von Abfällen, das ihren Abfallbewirtschaftungsplänen nicht
entspricht, zu unterbinden.
7
Die Verordnung regelt u. a. die Überwachung und die Kontrolle der Verbringung von Abfällen zwischen
Mitgliedstaaten.
8
Die neunte Begründungserwägung lautet:
„Die Verbringung von Abfällen muss vorher den zuständigen Behörden notifiziert werden, damit diese
angemessen insbesondere über Art, Beförderung und Beseitigung oder Verwertung der Abfälle informiert
sind und alle für den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt erforderlichen Maßnahmen
treffen können; hierzu gehört auch die Möglichkeit, mit Gründen zu versehende Einwände gegen die
Abfallverbringung erheben zu können.“
9
In Artikel 2 der Verordnung heißt es:
„Im Sinne dieser Verordnung sind:
b)
‚zuständige Behörden‘: die entweder von den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 36 oder von Drittländern
benannten zuständigen Behörden;
c)
‚zuständige Behörde am Versandort‘: von den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 36 benannte Behörde,
die für das Gebiet zuständig ist, von dem aus die Verbringung erfolgt …;
d)
‚zuständige Behörde am Bestimmungsort‘: von den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 36 benannte
Behörde, die für das Gebiet zuständig ist, in dem die Verbringung endet …;
e)
‚für die Durchfuhr zuständige Behörde‘: die gemäß Artikel 36 von jedem Mitgliedstaat für den Staat,
durch den die Durchfuhr erfolgt, bestimmte einzige Behörde;
g)
‚notifizierende Person‘: alle Personen, die zur Notifizierung verpflichtet sind, d. h. eine der … Personen,
die beabsichtigt, Abfälle zu verbringen oder verbringen zu lassen …;
i)
‚Beseitigung‘: Beseitigung im Sinne des Artikels 1 Buchstabe e) der Richtlinie 75/442/EWG;
k)
‚Verwertung‘: Verwertung im Sinne des Artikels 1 Buchstabe f) der Richtlinie 75/442/EWG;
…“
10
Titel II der Verordnung mit der Überschrift „Verbringung von Abfällen zwischen Mitgliedstaaten“ enthält u. a.
zwei gesonderte Abschnitte, von denen der eine das Verfahren für die Verbringung von zur Beseitigung
bestimmten Abfällen (Abschnitt A, Artikel 3 bis 5) und der andere das Verfahren für die Verbringung von zur
Verwertung bestimmten Abfällen (Abschnitt B, Artikel 6 bis11) behandelt.
11
Gemäß Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung notifiziert der Erzeuger oder der Besitzer der Abfälle, der
beabsichtigt, zur Verwertung bestimmte Abfälle des Anhangs III der Verordnung (gelbe Liste) von einem
Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat zu verbringen und/oder sie durch einen oder mehrere andere
Mitgliedstaaten durchzuführen, dies der zuständigen Behörde am Bestimmungsort und übermittelt den
zuständigen Behörden am Versandort und den für die Durchfuhr zuständigen Behörden sowie dem
Empfänger eine Kopie des Notifizierungsschreibens.
12
Nach Artikel 6 Absatz 3 der Verordnung erfolgt die Notifizierung mit Hilfe des Begleitscheins, der von der
zuständigen Behörde am Versandort ausgestellt wird. Artikel 6 Absatz 5 bezeichnet die Angaben, die die
notifizierende Person auf dem Begleitschein zu machen hat, u. a. die Angaben zu den Verwertungsverfahren
gemäß Anhang II B der Richtlinie.
13
Nach Artikel 6 Absatz 6 der Verordnung schließt die notifizierende Person mit dem Empfänger einen Vertrag
über die Verwertung der Abfälle. Eine Kopie dieses Vertrages ist der zuständigen Behörde auf deren
Verlangen zuzustellen.
14
Nach Artikel 6 Absatz 8 der Verordnung kann eine zuständige Behörde am Versandort nach Maßgabe der
einzelstaatlichen Vorschriften beschließen, anstelle der notifizierenden Person die Notifizierung gegenüber
der zuständigen Behörde am Bestimmungsort selbst vorzunehmen; sie übermittelt dann eine Kopie des
Notifizierungsschreibens an den Empfänger und an die für die Durchfuhr zuständige Behörde.
15
Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung legt die Frist sowie die Bedingungen und Modalitäten fest, die von den
zuständigen Behörden am Bestimmungsort und am Versandort sowie der für die Durchfuhr zuständigen
Behörde bei der Erhebung von Einwänden gegen eine notifizierte geplante Verbringung von zur Verwertung
bestimmten Abfällen eingehalten werden müssen. Diese Vorschrift sieht insbesondere vor, dass die
Einwände auf Artikel 7 Absatz 4 zu stützen sind.
16
Artikel 7 Absatz 4 der Verordnung bestimmt:
„a)
Die zuständigen Behörden am Versandort und am Bestimmungsort können gegen die geplante
Verbringung mit Gründen zu versehende Einwände erheben, und zwar
gemäß der Richtlinie 75/442/EWG, insbesondere … Artikel 7; oder
wenn die Verbringung nicht gemäß den einzelstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften
zum Schutz der Umwelt, zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder zum Schutz
der Gesundheit erfolgt; oder
wenn die notifizierende Person oder der Empfänger sich in der Vergangenheit illegale
Transporte hat zuschulden kommen lassen. In diesem Fall kann die zuständige Behörde am
Versandort jede Verbringung im Zusammenhang mit der betreffenden Person nach
einzelstaatlichen Rechtsvorschriften ablehnen; oder
wenn die Verbringung gegen Verpflichtungen aus internationalen Übereinkommen verstößt, die
der betroffene Mitgliedstaat geschlossen hat bzw. die die betroffenen Mitgliedstaaten
geschlossen haben; oder
wenn der Anteil an verwertbarem und nicht verwertbarem Abfall, der geschätzte Wert der
letztlich verwertbaren Stoffe oder die Kosten der Verwertung und die Kosten der Beseitigung
des nicht verwertbaren Anteils eine Verwertung unter wirtschaftlichen und ökologischen
Gesichtspunkten nicht rechtfertigen.
b)
Die für die Durchfuhr zuständigen Behörden können mit Gründen zu versehende Einwände gegen die
geplante Verbringung aufgrund von Buchstabe a) zweiter, dritter und vierter Gedankenstrich
erheben.“
17
Artikel 26 der Verordnung sieht vor:
„1. Als illegale Verbringung gilt:
c)
eine Verbringung mit einer durch Fälschung, falsche Angaben oder Betrug erlangten Zustimmung der
betroffenen zuständigen Behörden,
e)
eine Verbringung, die eine Beseitigung oder Verwertung unter Verletzung gemeinschaftlicher oder
internationaler Bestimmungen bewirkt,
…“
18
Artikel 30 Absatz 1 der Verordnung lautet:
„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Verbringung von
Abfällen in Übereinstimmung mit den Vorschriften dieser Verordnung erfolgt. Diese Maßnahmen können
Überprüfungen von Anlagen und Unternehmen nach Artikel 13 der Richtlinie 75/442/EWG und die
stichprobenartige Überprüfung von Verbringungen umfassen.“
19
Artikel 34 der Verordnung bestimmt:
„(1) Unbeschadet des Artikels 26 und der gemeinschaftlichen und einzelstaatlichen Bestimmungen über die
zivilrechtliche Haftung und unabhängig vom Ort der Abfallbeseitigung oder -verwertung trifft der Erzeuger von
Abfällen alle erforderlichen Maßnahmen, um die Abfälle so zu beseitigen oder zu verwerten oder so für ihre
Beseitigung oder Verwertung zu sorgen, dass die Qualität der Umwelt … gewahrt bleibt.
(2) Die Mitgliedstaaten treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um die Erfüllung der Verpflichtungen nach
Absatz 1 zu gewährleisten.“
20
Artikel 36 der Verordnung bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten benennen die für die Anwendung dieser Verordnung zuständige(n) Behörde(n). Für die
Durchfuhr bestimmt jeder Mitgliedstaat nur eine einzige zuständige Behörde.“
21
§ 5 Absatz 3 des Gesetzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen
Beseitigung von Abfällen vom 27. September 1994 (BGBl. I 1994, S. 2705, im Folgenden: Gesetz vom 27.
September 1994) verbietet eine Abfallverwertung, die zu einer Schadstoffanreicherung im Wertstoffkreislauf
führt.
22
Für das Land Rheinland-Pfalz obliegt die Organisation der Sonderabfallentsorgung der Sonderabfall-
Management-Gesellschaft Rheinland-Pfalz mbH.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
23
Am 23. November 1999 notifizierte die EU‑Wood‑Trading der Sonderabfall‑Management‑Gesellschaft
Rheinland‑Pfalz mbH als der zuständigen Behörde am Versandort ihre Absicht, 3 500 Tonnen Holzabfälle zu
dem Unternehmen Frati Luigi de Pomponesco mit Sitz in Italien zu verbringen.
24
Nach dieser Notifizierung bestanden die Abfälle u. a. aus behandeltem oder gestrichenem Holz aus Abbruch,
Möbelholz oder Schreinereiabfällen. Sie sollten bei der Produktion von Spanplatten verwendet werden.
25
Unter den der Notifizierung beigefügten Dokumenten befand sich eine Beschreibung der
Verwertungsmaßnahme, eine Bescheinigung, der zufolge die italienischen Behörden am Bestimmungsort
keine Einwände gegen die Einfuhr dieses Holzabfalls geltend machten, sowie ein Laborbericht, wonach eine
Analyse des Abfalls einen Bleigehalt von 47 mg pro Kilogramm Trockensubstanz ergeben hatte.
26
Mit Bescheid vom 17. Januar 2000 erhob die zuständige Behörde am Versandort Einwände gegen die
Verbringung gemäß Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a erster und zweiter Gedankenstrich der Verordnung.
Diese Einwände waren darauf gestützt, dass mit Blick auf den Bleigehalt der fraglichen Abfälle, der den in
einer Leitlinie des Umweltministeriums des Landes Rheinland-Pfalz festgelegten Richtwert überschritt, eine
Verwertung nicht ohne eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit oder eine Schädigung der Umwelt
erfolgen könne, was sowohl gegen die Anforderungen der Richtlinie als auch gegen die des Gesetzes vom
27. September 1994 verstoße.
27
Die EU‑Wood‑Trading legte gegen diese Einwände Widerspruch ein und brachte eine weitere Analyse der
Abfälle bei, die pro Kilogramm Trockengewicht einen Bleigehalt von 23 mg und einen Arsengehalt von 3,4 mg
auswies. Dieser Widerspruch wurde am 5. Juli 2000 zurückgewiesen.
28
Die gegen den Widerspruchsbescheid beim Verwaltungsgericht Mainz (Deutschland) eingelegte Klage der
EU‑Wood‑Trading wurde mit Urteil vom 16. Oktober 2001 abgewiesen. Die EU‑Wood‑Trading legte gegen
dieses Urteil Berufung zum Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz ein. Sie macht in Wesentlichen geltend,
die zuständige Behörde am Versandort könne keine Einwände gegen eine Verbringung von zur Verwertung
bestimmten Abfällen erheben, die sich nicht auf den Transport dieser Abfälle bezögen, sondern auf deren
Verwertung in einem anderen Mitgliedstaat.
29
Da das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz der Ansicht ist, dass die Entscheidung in dem bei ihm
anhängigen Rechtsstreit von der Auslegung des Gemeinschaftsrechts abhänge, hat es beschlossen, das
Verfahren auszusetzen, und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1.
Kann gemäß Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a erster Gedankenstrich der Verordnung (EWG) Nr. 259/93
ein Einwand gegen die Verbringung von Abfällen zur Verwertung mit der Begründung erhoben werden,
die vorgesehene Verwertung verstoße gegen das aus Artikel 4 Satz 1 der Richtlinie 75/442/EWG
folgende Gebot der gesundheits- und umweltverträglichen Abfallverwertung?
2.
Wenn ja, steht ein derartiger Einwand neben der Behörde des Bestimmungsortes auch der Behörde
des Versandortes zu?
3.
Wenn ja, darf die Behörde des Versandortes bei der Beurteilung der Gesundheits- und
Umweltverträglichkeit der geplanten Verwertung am Bestimmungsort die im Versandstaat geltenden
Standards auch dann zugrunde legen, wenn diese höher sind als die im Bestimmungsstaat geltenden
Standards?
4.
Kann gemäß Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 259/93 ein
Einwand gegen die Verbringung von Abfällen zur Verwertung mit der Begründung erhoben werden, die
vorgesehene Verwertung verstoße gegen einzelstaatliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften zum
Schutz der Umwelt, zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder zum Schutz der
Gesundheit?
5.
Wenn ja, kann die Behörde des Versandortes einen solchen Einwand mit der Begründung erheben,
die Verwertung verstoße gegen am Versandort geltende einzelstaatliche Rechts- und
Verwaltungsvorschriften?
Zu den Vorlagefragen
30
Mit der ersten und der zweiten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen,
ob die zuständigen Behörden am Versandort und am Bestimmungsort die Einwände gegen eine Verbringung
von Abfällen, zu deren Erhebung sie nach Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a erster Gedankenstrich der
Verordnung berechtigt sind, auf Erwägungen stützen können, die nicht nur an die Beförderung der Abfälle
im örtlichen Zuständigkeitsbereich jeder Behörde selbst anknüpfen, sondern auch an die im
Zusammenhang mit dieser Verbringung vorgesehene Verwertungsmaßnahme.
31
Einleitend ist festzustellen, dass die Verordnung den Begriff der Verbringung nicht definiert. Da aber andere
Bestimmungen der Verordnung, u. a. Artikel 7 Absatz 3, den Begriff der Beförderung der Abfälle erwähnen,
kann die Verbringung nach Artikel 7 Absatz 4 derselben Verordnung nicht ohne weiteres auf das Befördern
der Abfälle begrenzt werden.
32
Der Begriff der Verbringung ist somit in seinem Zusammenhang zu sehen und nach Sinn und Zweck der in
Rede stehenden Vorschriften auszulegen, um zu entscheiden, ob es nach diesen Vorschriften erlaubt ist,
Einwände gegen die Verbringung zu erheben, die auf die im Bestimmungsstaat vorgesehene Verwertung
gestützt sind.
33
Zunächst ist daran zu erinnern, dass mit der Verordnung auf Gemeinschaftsebene eine harmonisierte
Regelung für die Verbringung von Abfällen geschaffen worden ist, um den Schutz der Umwelt sicherzustellen
(Urteil vom 13. Dezember 2001 in der Rechtssache C‑324/99, DaimlerChrysler, Slg. 2001, I‑9897, Randnr. 42).
34
Die in der Verordnung festgelegten Voraussetzungen und Verfahren sind in dem Bestreben, den Schutz der
Umwelt sicherzustellen, und unter Berücksichtigung von Zielen der Umweltpolitik wie der Prinzipien der Nähe,
des Vorrangs für die Verwertung und der Entsorgungsautarkie auf gemeinschaftlicher und einzelstaatlicher
Ebene geschaffen worden. Sie ermöglichen es den Mitgliedstaaten, zur Verwirklichung dieser Prinzipien
allgemeine oder teilweise Verbote zu erlassen oder systematisch Einwände zu erheben und der Verbringung
von Abfällen zu widersprechen, wenn diese nicht den Bestimmungen der Richtlinie entspricht. Die
Verordnung fügt sich somit in den Rahmen der von der Gemeinschaft verfolgten Umweltpolitik ein und ist
nicht darauf gerichtet, den freien Verkehr von Abfällen innerhalb der Gemeinschaft zu verwirklichen (Urteil
vom 28. Juni 1994 in der Rechtssache C‑187/93, Parlament/Rat, Slg. 1994, I‑2857, Randnrn. 22 und 23).
35
In dem so durch die Verordnung geschaffenen gemeinschaftlichen System könnten die vom
Gemeinschaftsgesetzgeber damit verfolgten Ziele des Erhalts der Gesundheit und der Umwelt gefährdet
sein, wenn angesichts ihres Gegenstands die Verbringung von Abfällen zwischen Mitgliedstaaten nicht als
ein Ganzes gesehen würde, d. h. vom Ausgangspunkt der Abfälle im Versandstaat bis zum Ende ihrer
Behandlung im Bestimmungsstaat.
36
Aus der neunten Begründungserwägung der Verordnung ergibt sich, dass diese ein Verfahren einführt,
wonach die Verbringung von Abfällen vorher den zuständigen Behörden notifiziert werden muss, damit diese
nicht nur angemessen über Art und Beförderung der Abfälle, sondern auch über deren Beseitigung oder
Verwertung informiert sind, und alle für den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt
erforderlichen Maßnahmen treffen können; hierzu gehört auch die Möglichkeit, mit Gründen zu versehende
Einwände zu erheben.
37
Die notifizierende Person muss nach Artikel 6 Absatz 5 der Verordnung auf dem Begleitschein, mit dessen
Hilfe die Notifizierung erfolgt, nicht nur Angaben über Zusammensetzung und Menge der zu verwertenden
Abfälle und die Modalitäten ihrer Beförderung machen, sondern auch über die Bedingungen, unter denen
diese Abfälle zu verwerten sind. Nach dem Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers sollten somit alle
zuständigen Behörden über den gesamten Vorgang der Behandlung der Abfälle bis zu dem Zeitpunkt, zu
dem sie keine Gefahr mehr für die Gesundheit und die Umwelt darstellen, informiert sein.
38
Im Übrigen enthält die Verordnung andere als die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Bestimmungen,
deren Durchführung erfordert, dass die zuständigen Behörden bei der Kontrolle der Verbringung der zur
Verwertung bestimmten Abfälle Faktoren berücksichtigen, die die Verwertung betreffen. So ist es nach
Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a fünfter Gedankenstrich der Verordnung ein Grund für einen Einwand gegen
eine solche Verbringung, wenn die Verwertung unter wirtschaftlichen und ökologischen Gesichtspunkten
nicht zu rechtfertigen ist. Ebenso sieht Artikel 26 Absatz 1 Buchstabe e in Verbindung mit Artikel 26 Absatz 5
der Verordnung vor, dass die Mitgliedstaaten die illegale Beförderung durch geeignete rechtliche
Maßnahmen verbieten und ahnden; als illegale Verbringung gilt eine Verbringung, die eine Beseitigung oder
Verwertung unter Verletzung gemeinschaftlicher oder internationaler Bestimmungen bewirkt.
39
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die Verordnung in ihrer Gesamtheit nicht ausschließt, dass alle mit
der Kontrolle der Abfallverbringung betrauten zuständigen Behörden nicht nur Faktoren im Zusammenhang
nicht nur mit der Beförderung dieser Abfälle, sondern auch solche im Zusammenhang mit den Bedingungen,
unter denen sie verwertet werden, berücksichtigen können.
40
Wie der Generalanwalt in Nummer 36 seiner Schlussanträge ausführt, ist Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a
erster Gedankenstrich der Verordnung, wonach die zuständigen Behörden am Versandort und am
Bestimmungsort gegen die geplante Verbringung mit Gründen zu versehende Einwände erheben können,
und zwar „gemäß der Richtlinie 75/442/EWG, insbesondere … Artikel 7“, so auszulegen, dass diese Behörden
berechtigt sind, solche Einwände auf der Grundlage der Richtlinie und insbesondere des Artikels 7 zu
erheben.
41
Die Verwendung des Adverbs „insbesondere“ vor der Nennung des Artikels 7 bedeutet, dass die
Bezugnahme auf diesen Artikel nur Hinweischarakter hat, so dass Einwände auch auf andere Bestimmungen
der Richtlinie gestützt werden können. Infolgedessen kann der Umstand, dass Artikel 7 Absatz 3 der
Richtlinie vorsieht, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen ergreifen können, um das
„Verbringen“ von Abfällen, das ihren Abfallbewirtschaftungsplänen nicht entspricht, zu unterbinden, nicht zur
Folge haben, dass die zuständigen Behörden Einwände nach Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a erster
Gedankenstrich der Verordnung nur auf Erwägungen im Zusammenhang mit der Beförderung dieser Abfälle
stützen können.
42
Da schließlich die Mitgliedstaaten nach Artikel 4 der Richtlinie die erforderlichen Maßnahmen treffen, um
sicherzustellen, dass die Abfälle verwertet oder beseitigt werden, ohne dass die menschliche Gesundheit
gefährdet wird und ohne dass Verfahren oder Methoden verwendet werden, die die Umwelt schädigen
können, müssen die Bestimmungen des Artikels 7 Absatz 4 Buchstabe a erster Gedankenstrich der
Verordnung so ausgelegt werden, dass sie die zuständigen Behörden am Versandort und am
Bestimmungsort ermächtigen, Einwände gegen die Verbringung von zur Verwertung bestimmten Abfällen mit
der Begründung zu erheben, dass die vorgesehene Verwertung die sich aus Artikel 4 der Richtlinie
ergebenden Anforderungen nicht beachte.
43
Nach alledem ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a erster
Gedankenstrich der Verordnung dahin auszulegen ist, dass die zuständigen Behörden am Versandort und
am Bestimmungsort die Einwände gegen eine Verbringung von zur Verwertung bestimmten Abfällen, zu
deren Erhebung sie berechtigt sind, auf Erwägungen stützen können, die nicht nur an die Beförderung der
Abfälle im örtlichen Zuständigkeitsbereich jeder Behörde selbst anknüpfen, sondern auch an die im
Zusammenhang mit dieser Verbringung vorgesehene Verwertungsmaßnahme.
44
Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a erster
Gedankenstrich der Verordnung dahin auszulegen ist, dass die zuständige Behörde am Versandort bei der
Prüfung der Auswirkungen der beabsichtigten Verwertung am Bestimmungsort auf die Gesundheit und die
Umwelt die im Versandstaat zur Vermeidung solcher Auswirkungen geltenden Standards zugrunde legen
darf, um einer Abfallverbringung zu widersprechen, auch wenn diese Standards höher sind als die im
Bestimmungsstaat geltenden.
45
Wie in Randnummer 33 dieses Urteils dargelegt, ist durch die Verordnung auf Gemeinschaftsebene eine
harmonisierte Regelung für die Verbringung von Abfällen geschaffen worden, um den Schutz der Umwelt
sicherzustellen. Dagegen sind, wie der Generalanwalt in Nummer 60 seiner Schlussanträge ausführt, die
Bedingungen der Verwertung der Abfälle nicht Gegenstand von Harmonisierungsmaßnahmen. Infolgedessen
müssen die Mitgliedstaaten nach Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie die erforderlichen Maßnahmen treffen, um
sicherzustellen, dass die Abfälle verwertet oder beseitigt werden, ohne die menschliche Gesundheit zu
gefährden und ohne Verfahren oder Methoden zu verwenden, die die Umwelt schädigen können, und
insbesondere ohne Wasser, Luft, Boden sowie Tier‑ und Pflanzenwelt zu gefährden, Geräusch‑ oder
Geruchsbelästigungen zu verursachen sowie die Umgebung und das Landschaftsbild zu beeinträchtigen.
Diese Bestimmung regelt zwar nicht im Einzelnen den Inhalt der zu treffenden Maßnahmen, legt die
Mitgliedstaaten aber hinsichtlich des zu erreichenden Zieles fest, wobei sie ihnen allerdings ein Ermessen
bei der Beurteilung der Erforderlichkeit solcher Maßnahmen belässt (Urteil vom 9. November 1999 in der
Rechtssache C‑365/97, Kommission/Italien, Slg. 1999, I‑7773, Randnrn. 66 und 67).
46
Die Ausübung dieses Ermessens kann dazu führen, dass die einzelnen Mitgliedstaaten bei der Festlegung
ihrer Abfallverwertungsnormen nationale Maßnahmen treffen, die sich in ihren Anforderungen hinsichtlich
der von der Richtlinie festgelegten Ziele des Schutzes der menschlichen Gesundheit und der Umwelt
deutlich voneinander unterscheiden können. Eben dies ist der tatsächliche Hintergrund der vom
vorlegenden Gericht gestellten Fragen und insbesondere der Frage, ob, wenn die vom Versandstaat zum
Erreichen der genannten Ziele festgelegten Normen strenger sind als die im Bestimmungsstaat geltenden,
die zuständige Behörde am Versandort aufgrund der Verordnung unter Berufung auf das durch ihre
nationalen Normen garantierte höhere Schutzniveau einen Einwand gegen die geplante Verbringung
erheben kann. Da den zuständigen Behörden am Versandort das Recht zuzugestehen ist, bei ihren
Einwänden gegen die Verbringung Faktoren im Zusammenhang mit den Bedingungen, unter denen die
Verwertung der Abfälle im Bestimmungsstaat durchgeführt wird, zu berücksichtigen, impliziert Artikel 7 Absatz
4 Buchstabe a erster Gedankenstrich der Verordnung, dass die Behörden bei der Einschätzung der mit
dieser Verwertung für die menschliche Gesundheit und die Umwelt verbundenen Risiken alle in dieser
Hinsicht sachdienlichen Kriterien berücksichtigen können, einschließlich der im Versandstaat geltenden,
auch wenn sie strenger sind als die des Bestimmungsstaats, sofern sie darauf gerichtet sind, diese Risiken
zu vermeiden. Die zuständigen Behörden des Versandstaats können jedoch nicht durch die Kriterien ihres
Staates gebunden sein, wenn diese nicht in höherem Maße zur Vermeidung dieser Risiken geeignet sind als
diejenigen des Bestimmungsstaats.
47
Diese Auslegung der Verordnung ergibt sich zwingend daraus, dass diese im Rahmen der Umweltpolitik der
Gemeinschaft zu sehen ist, deren Aufgabe es gemäß Artikel 2 EG u. a. ist, ein hohes Maß an Umweltschutz
und Verbesserung der Umweltqualität zu fördern. Dieses Ziel könnte gefährdet sein, wenn die zuständige
Behörde am Versandort gehindert wäre, sich auf den Inhalt ihrer Normen mit hohem Schutzniveau für die
Umwelt zu berufen und folglich einer Verbringung von Abfällen zu widersprechen, wenn die Bedingungen der
Verwertung dieser Abfälle im Bestimmungsstaat die menschliche Gesundheit oder die Umwelt schädigen
könnten.
48
Ein solcher Einwand kann zwar, wie im Ausgangsverfahren, im Widerspruch zu dem von der zuständigen
Behörde am Bestimmungsort eingenommenen Standpunkt stehen, wenn diese der Ansicht ist, dass die
Verwertung ihren eigenen nationalen Normen entspricht, und deshalb keinen Einwand gegen die
beabsichtigte Verbringung erhebt. Eine solche Situation ist jedoch dem mit der Verordnung selbst
eingeführten System immanent, da diese die Verpflichtung, darüber zu wachen, dass die Verbringung
entsprechend den Vorschriften dieser Verordnung erfolgt, allen zuständigen Behörden zugleich überträgt
(Urteil vom 27. Februar 2002 in der Rechtssache C‑6/00, ASA, Slg. 2002, I‑1961, Randnr. 44). Daher lässt
sich eine andere Auslegung der Verordnung nicht darauf stützen, dass diese Bewertungsunterschiede der
verschiedenen zuständigen Behörden gegen den in Artikel 10 EG aufgestellten Grundsatz der Loyalität
verstießen.
49
Da der Gemeinschaftsgesetzgeber jedoch vorgesehen hat, dass ein freier Verkehr der zur Verwertung
bestimmten Abfälle zwischen den Mitgliedstaaten zum Zweck ihrer Behandlung möglich sein muss (Urteil vom
25. Juni 1998 in der Rechtssache C‑203/96, Dusseldorp u. a., Slg. 1998, I‑4075, Randnr. 33), ist der auf die
eigenen nationalen Verwertungsnormen gestützte Einwand der zuständigen Behörde am Versandort nur
rechtmäßig, sofern diese Normen unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zur Erreichung
der Ziele, Gefahren für die menschliche Gesundheit und die Umwelt vorzubeugen, geeignet sind und nicht
über das hinausgehen, was dazu erforderlich ist.
50
Dabei sind die Gefahren nicht anhand allgemeiner Überlegungen, sondern auf der Grundlage relevanter
wissenschaftlicher Untersuchungen zu beurteilen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom 14. Juli 1994 in der
Rechtssache C‑17/93, Van der Veldt, Slg. 1994, I‑3537, Randnr. 17).
51
Ferner bedeutet die Tatsache, dass ein Mitgliedstaat weniger strenge Vorschriften erlässt als ein anderer,
nicht, dass strengere Vorschriften unverhältnismäßig und folglich mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar
sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juli 2002 in der Rechtssache C‑294/00, Gräbner, Slg. 2002, I‑6515,
Randnr. 46).
52
Der Umstand allein, dass ein Mitgliedstaat andere Schutzregelungen als ein anderer Mitgliedstaat erlassen
hat, ist nämlich für die Beurteilung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der einschlägigen
Bestimmungen ohne Belang (Urteile vom 21. Oktober 1999 in der Rechtssache C‑67/98, Zenatti, Slg. 1999,
I‑7289, Randnr. 34, und Gräbner, Randnr. 47).
53
Es ist Sache des nationalen Gerichts, das mit einer gegen den Einwand der zuständigen Behörde am
Versandort gerichteten Klage befasst ist, zu prüfen, ob bei der Anwendung dieser nationalen Normen der
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Oktober 2000 in
der Rechtssache C‑314/98, Snellers, Slg. 2000, I‑8633, Randnr. 59).
54
Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a erster
Gedankenstrich der Verordnung dahin auszulegen ist, dass die zuständige Behörde am Versandort bei der
Prüfung der Auswirkungen der beabsichtigten Verwertung am Bestimmungsort auf die Gesundheit und die
Umwelt unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die im Versandstaat, zur Vermeidung
solcher Auswirkungen, für die Abfallverwertung geltenden Standards zugrunde legen darf, um einer
Abfallverbringung zu widersprechen, auch wenn diese Standards höher sind als die im Bestimmungsstaat
geltenden.
55
Mit der vierten und der fünften Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen,
ob Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a zweiter Gedankenstrich der Verordnung, wonach mit Gründen zu
versehende Einwände gegen die beabsichtigte Verbringung erhoben werden können, wenn diese nicht
gemäß den einzelstaatlichen Rechts‑ und Verwaltungsvorschriften zum Schutz der Umwelt, zur Wahrung der
öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder zum Schutz der Gesundheit erfolgt, es der zuständigen Behörde
am Versandort erlaubt, einen Einwand zu erheben, der darauf gestützt wird, dass die beabsichtigte
Verwertung die nationalen Vorschriften nicht beachtet.
56
Wie in Randnummer 39 dieses Urteils dargelegt, schließt die Verordnung in ihrer Gesamtheit nicht aus, dass
alle mit der Kontrolle der Abfallverbringung betrauten zuständigen Behörden Faktoren im Zusammenhang
nicht nur mit der Beförderung dieser Abfälle, sondern auch mit den Bedingungen, unter denen sie verwertet
werden, berücksichtigen können. Eine Gesamtprüfung der Bestimmungen des Artikels 7 Absatz 4 der
Verordnung kann jedoch nicht zu einem solchen Ergebnis für die Anwendung von Artikel 7 Absatz 4
Buchstabe a zweiter Gedankenstrich der Verordnung führen, ohne dass die Kohärenz dieses Artikels in
Frage gestellt würde.
57
Zu beachten ist nämlich, dass Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe b der Verordnung den für die Durchfuhr
zuständigen Behörden erlaubt, mit Gründen zu versehende Einwände gegen die geplante Verbringung
aufgrund von Buchstabe a zweiter, dritter und vierter Gedankenstrich dieses Artikels, nicht aber von
Buchstabe a erster und fünfter Gedankenstrich, zu erheben.
58
Die Verordnung erlaubt somit den für die Durchfuhr zuständigen Behörden – anders als den zuständigen
Behörden am Versandort und am Bestimmungsort – nicht, zu überprüfen, ob die Abfälle gemäß der Richtlinie
behandelt werden oder ob die Verwertung aus wirtschaftlichen und ökologischen Gesichtspunkten
gerechtfertigt ist.
59
Indem der Gemeinschaftsgesetzgeber in Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a zweiter Gedankenstrich der
Verordnung vorsah, dass die zuständigen Behörden Einwände gegen die beabsichtigte Verbringung
erheben können, wenn sie nicht gemäß den einzelstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erfolgt,
wollte er für jede Etappe der Verbringung die Wirksamkeit der eigenen Vorschriften jedes betroffenen
Mitgliedstaats hinsichtlich der sich im Gebiet dieses Staates befindlichen Abfälle bewahren. Somit bezieht
sich die Verbringung, die durch die genannten Bestimmungen geregelt wird, nur auf die Vorgänge im
Zusammenhang mit dieser Verbringung, wie sie sich während der Zeit darstellen, in der sie im jeweiligen
Gebiet jeder der betroffenen zuständigen Behörden stattfinden. Daraus folgt, dass sich die zuständigen
Behörden am Versandort nicht auf diese Vorschriften stützen können, um einen Einwand gegen die
Verwertung im Bestimmungsstaat zu erheben.
60
Unter diesen Umständen ist auf die vierte und fünfte Frage zu antworten, dass Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe
a zweiter Gedankenstrich der Verordnung dahin auszulegen ist, dass eine zuständige Behörde am
Versandort sich nicht auf diese Vorschriften berufen kann, um einen Einwand gegen die Verbringung von
Abfällen zu erheben, der darauf gestützt ist, dass die beabsichtigte Verwertung die nationalen Rechts- und
Verwaltungsvorschriften zum Schutz der Umwelt, zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder
zum Schutz der Gesundheit nicht beachtet.
Kosten
61
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden
Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen
anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:
1.
Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a erster Gedankenstrich der Verordnung (EWG) Nr. 259/93 des
Rates vom 1. Februar 1993 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in
der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft in der durch die Entscheidungen
98/368/EG der Kommission vom 18. Mai 1998 und 1999/816/EG der Kommission vom 24.
November 1999 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die zuständigen
Behörden am Versandort und am Bestimmungsort die Einwände gegen eine Verbringung
von zur Verwertung bestimmten Abfällen, zu deren Erhebung sie berechtigt sind, auf
Erwägungen stützen können, die nicht nur an die Beförderung der Abfälle im örtlichen
Zuständigkeitsbereich jeder Behörde selbst anknüpfen, sondern auch an die im
Zusammenhang mit dieser Verbringung vorgesehene Verwertungsmaßnahme.
2.
Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 259/93 in der
durch die Entscheidungen 98/368 und 1999/816 geänderten Fassung ist dahin auszulegen,
dass die zuständige Behörde am Versandort bei der Prüfung der Auswirkungen der
beabsichtigten Verwertung am Bestimmungsort auf die Gesundheit und die Umwelt unter
Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die im Versandstaat, zur Vermeidung
solcher Auswirkungen, für die Abfallverwertung geltenden Standards zugrunde legen
darf, um einer Abfallverbringung zu widersprechen, auch wenn diese Standards höher
sind als die im Bestimmungsstaat geltenden.
3.
Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 259/93 in der
durch die Entscheidungen 98/368 und 1999/816 geänderten Fassung ist dahin auszulegen,
dass eine zuständige Behörde am Versandort sich nicht auf diese Vorschriften berufen
kann, um einen Einwand gegen die Verbringung von Abfällen zu erheben, der darauf
gestützt ist, dass die beabsichtigte Verwertung die nationalen Rechts- und
Verwaltungsvorschriften zum Schutz der Umwelt, zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit
und Ordnung oder zum Schutz der Gesundheit nicht beachtet.
Unterschriften.
Verfahrenssprache: Deutsch.