Urteil des EuGH vom 14.07.2011

EuGH: verordnung, marke, spirituosen, gegen die guten sitten, unmittelbare anwendbarkeit, gattungsbezeichnung, europäische kommission, öffentliche ordnung, regierung, ausnahme

WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)
14. Juli 2011()
„Verordnung (EG) Nr. 110/2008 – Geografische Angaben für Spirituosen – Zeitliche Anwendbarkeit –
Marke, die eine geografische Angabe enthält – Verwendung, die zu einem Tatbestand führt, der die
geografische Angabe beeinträchtigen kann – Ablehnung der Eintragung oder Löschung einer solchen
Marke – Unmittelbare Anwendbarkeit einer Verordnung“
In den verbundenen Rechtssachen C‑4/10 und C‑27/10
betreffend die Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Korkein hallinto-
oikeus (Finnland) mit Entscheidungen vom 31. Dezember 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 5.
Januar und am 18. Januar 2010, in den Verfahren
Bureau national interprofessionnel du Cognac,
Beteiligte:
Gust. Ranin Oy,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter M. Ilešič, E. Levits und M. Safjan sowie
der Richterin M. Berger (Berichterstatterin),
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– des Bureau national interprofessionnel du Cognac, vertreten durch P. Siitonen, asianajaja,
– der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und B. Cabouat als Bevollmächtigte,
– der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von
S. Fiorentino, avvocato dello Stato,
– der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes als Bevollmächtigten,
– der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Ossowski als Bevollmächtigten,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Paasivirta, F. Bulst und M. Vollkommer als
Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge
über die Rechtssachen zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Art. 16 und 23 der Verordnung (EG)
Nr. 110/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2008 zur
Begriffsbestimmung, Bezeichnung, Aufmachung und Etikettierung von Spirituosen sowie zum Schutz
geografischer Angaben für Spirituosen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 1576/89 des
Rates (ABl. L 39, S. 16, und Berichtigung ABl. 2009, L 228, S. 47) sowie der Ersten Richtlinie
89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1).
2 Diese Ersuchen ergehen im Rahmen eines Rechtsstreits, den das Bureau national interprofessionnel
du Cognac (im Folgenden: BNIC) bezüglich der vom Patentti- ja rekisterihallitus (zentrales Patent- und
Registeramt) in Finnland vorgenommenen Eintragung zweier Bildmarken für Spirituosen eingeleitet hat.
Rechtlicher Rahmen
Verordnung Nr. 110/2008
3 Nach Satz 2 des 14. Erwägungsgrundes der Verordnung Nr. 110/2008 „[sollten] [d]ie geografischen
Angaben … in ein Verzeichnis eingetragen werden, bei dem die Spirituosen als Erzeugnis eines
Staates, einer Region oder eines Orts in dem Hoheitsgebiet gekennzeichnet werden, wobei eine
bestimmte Qualität, ein bestimmter Ruf oder andere Merkmale der Spirituose im Wesentlichen ihrem
geografischen Ursprung zugeordnet werden können“.
4 Art. 14 dieser Verordnung, der die bei der Bezeichnung, Aufmachung und Etikettierung von
Spirituosen verwendeten Sprachen betrifft, sieht in Abs. 2 vor:
„… die in Anhang III eingetragenen geografischen Angaben werden weder auf dem Etikett noch in der
Aufmachung der Spirituose übersetzt.“
5 Art. 15 („Geografische Angaben“) der Verordnung bestimmt:
„(1) Eine geografische Angabe im Sinne dieser Verordnung ist eine Angabe, die eine Spirituose als
aus dem Hoheitsgebiet eines Landes, einer Region oder eines Ortes in diesem Hoheitsgebiet
stammend kennzeichnet, wobei eine bestimmte Qualität, das Ansehen oder ein sonstiges Merkmal im
Wesentlichen auf diesen geografischen Ursprung zurückzuführen ist.
(2) Die geografischen Angaben nach Absatz 1 sind in Anhang III eingetragen.
(3) Die in Anhang III eingetragenen geografischen Angaben dürfen nicht zu Gattungsbezeichnungen
werden.
Bezeichnungen, die zu Gattungsbezeichnungen geworden sind, dürfen nicht in Anhang III eingetragen
werden.
(4) Spirituosen, die eine in Anhang III eingetragene geografische Angabe tragen, müssen allen
Spezifikationen der technischen Unterlage im Sinne des Artikels 17 Absatz 1 entsprechen.“
6 Art. 16 der Verordnung Nr. 110/2008, der den Schutz geografischer Angaben betrifft, sieht vor:
„… werden die in Anhang III eingetragenen geografischen Angaben geschützt gegen
a) jede direkte oder indirekte gewerbliche Verwendung einer eingetragenen geografischen Angabe
für Spirituosen, die nicht unter die Eintragung fallen, sofern diese Erzeugnisse mit den unter
dieser Bezeichnung eingetragenen Erzeugnissen vergleichbar sind oder durch diese
Verwendung das Ansehen der geschützten Bezeichnung ausgenutzt wird;
b) jede widerrechtliche Aneignung, Nachahmung oder Anspielung, selbst wenn der wahre Ursprung
des Erzeugnisses angegeben ist oder die geschützte Bezeichnung in Übersetzung oder
zusammen mit Ausdrücken wie ‚Art‘, ‚Typ‘, ‚Verfahren‘, ‚Marke‘, ‚Geschmack ‘oder dergleichen
verwendet wird;
c) alle sonstigen falschen oder irreführenden Angaben zur Herkunft, zum Ursprung, zur
Beschaffenheit oder zu wesentlichen Merkmalen in der Bezeichnung, Aufmachung oder
Etikettierung des Erzeugnisses, die geeignet sind, einen falschen Eindruck über den Ursprung zu
erwecken;
d) alle sonstigen Praktiken, die geeignet sind, den Verbraucher über den tatsächlichen Ursprung
des Erzeugnisses in die Irre zu führen.“
7 In den Abs. 1 und 2 des Art. 23 („Beziehung zwischen Marken und geografischen Angaben“) der
genannten Verordnung heißt es:
„(1) Die Eintragung einer Marke, die eine in Anhang III eingetragene geografische Angabe enthält
oder daraus besteht, wird abgelehnt oder gelöscht, wenn ihre Verwendung zu einem der in Artikel 16
beschriebenen Tatbestände führen würde.
(2) Unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts darf eine Marke, auf die einer der in Artikel 16
beschriebenen Tatbestände zutrifft und die vor dem Zeitpunkt des Schutzes der geografischen
Angabe im Ursprungsland oder vor dem 1. Januar 1996 in gutem Glauben im Gebiet der Gemeinschaft
angemeldet, eingetragen oder, sofern dies nach den einschlägigen Rechtsvorschriften vorgesehen ist,
durch Verwendung erworben wurde, ungeachtet der Eintragung einer geografischen Angabe weiter
verwendet werden ...“
8 Im Anhang III wird der Begriff „Cognac“ als geografische Angabe angeführt, mit der Erzeugnisse der
Kategorie 4, d. h. Branntweine, bezeichnet werden, deren Ursprungsland Frankreich ist.
9 Die Verordnung Nr. 110/2008 ist gemäß Art. 30 am 20. Februar 2008 in Kraft getreten.
Verordnung (EWG) Nr. 1576/89
10 Durch die Verordnung Nr. 110/2008 wurde die Verordnung (EWG) Nr. 1576/89 des Rates vom 29. Mai
1989 zur Festlegung der allgemeinen Regeln für die Begriffsbestimmung, Bezeichnung und
Aufmachung von Spirituosen (ABl. L 160, S. 1), die seit dem 15. Juni 1989 in Kraft war, aufgehoben und
ersetzt. Im Anhang II der Verordnung Nr. 1576/89 war als eine der geschützten geografischen Angaben
die Bezeichnung „Cognac“ genannt.
Verordnung (EG) Nr. 3378/94
11 Durch die Verordnung Nr. 3378/94 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Dezember
1994 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1576/89 (ABl. L 366, S. 1) wurde mit Wirkung vom
1. Januar 1996 ein Art. 11a in die Verordnung Nr. 1576/89 eingefügt, dessen Abs. 1 Unterabs. 1
bestimmte:
„Die Mitgliedstaaten treffen geeignete Maßnahmen, um betroffenen Personen die Möglichkeit
einzuräumen, unter den Bedingungen der Artikel 23 und 24 des Übereinkommens über
handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums zu verhindern, dass in der
Gemeinschaft geografische Angaben von Erzeugnissen, die unter diese Verordnung fallen, bei
Erzeugnissen verwendet werden, deren Ursprung nicht dem in der betreffenden geografischen Angabe
bezeichneten Ort entspricht, auch wenn der tatsächliche Ursprung des Erzeugnisses angegeben ist
oder die geografische Angabe in einer Übersetzung oder zusammen mit Ausdrücken ‚Art‘, ‚Typ‘, ‚Stil‘,
‚Imitat‘ und andere benutzt wird.“
Richtlinie 89/104
12 Art. 3 der Richtlinie 89/104, der sich auf Eintragungshindernisse oder Ungültigkeitsgründe bezog, die
der Eintragung einer Marke entgegengehalten werden konnten, sah in Abs. 1 Buchst. g und Abs. 2
Buchst. a vor:
„(1) Folgende Zeichen oder Marken sind von der Eintragung ausgeschlossen oder unterliegen im
Falle der Eintragung der Ungültigerklärung:
g) Marken, die geeignet sind, das Publikum zum Beispiel über die Art, die Beschaffenheit oder die
geografische Herkunft der Ware oder Dienstleistung zu täuschen, Marken, die gegen die
öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen,
(2) Jeder Mitgliedstaat kann vorsehen, dass eine Marke von der Eintragung ausgeschlossen ist
oder im Falle der Eintragung der Ungültigerklärung unterliegt, wenn und soweit
a) die Benutzung dieser Marke nach anderen Rechtsvorschriften als des Markenrechts des
jeweiligen Mitgliedstaats oder der Gemeinschaft untersagt werden kann.“
13 Die Richtlinie 89/104 wurde mit Wirkung vom 28. November 2008 durch die Richtlinie 2008/95/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. L 299, S. 25) aufgehoben und ersetzt. Die
Bestimmungen des genannten Art. 3 Abs. 1 Buchst. g und Abs. 2 Buchst. a sind unverändert
geblieben.
14 Das am 15. April 1994 in Marrakesch unterzeichnete und mit dem Beschluss 94/800/EG des Rates vom
22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen
Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986–1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug
auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche (ABl. 1994, L 336, S. 1) genehmigte Übereinkommen
über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (im Folgenden: TRIPS-
Übereinkommen),
das
den
Anhang
1
C
des
Übereinkommens
zur
Errichtung
der
Welthandelsorganisation (WTO) darstellt, enthält einen Art. 23 („Zusätzlicher Schutz für geografische
Angaben für Weine und Spirituosen“), dessen Abs. 1 und 2 vorsehen:
„(1) Die Mitglieder bieten beteiligten Parteien die rechtlichen Mittel für ein Verbot der Verwendung
geografischer Angaben zur Kennzeichnung von … Spirituosen für Spirituosen, die ihren Ursprung nicht
an dem durch die fragliche geografische Angabe bezeichneten Ort haben, selbst wenn der wahre
Ursprung der Waren angegeben oder die geografische Angabe in Übersetzung oder zusammen mit
Ausdrücken wie ‚Art‘, ‚Typ‘, ‚Stil‘, ‚Imitation‘ oder dergleichen benutzt wird.
(2) Die Eintragung einer Marke, die eine geografische Angabe enthält oder aus ihr besteht, durch
die … Spirituosen gekennzeichnet werden, für Spirituosen, wird in Bezug auf solche … Spirituosen, die
diesen Ursprung nicht haben, von Amts wegen, wenn das Recht eines Mitglieds dies erlaubt, oder auf
Antrag einer beteiligten Partei zurückgewiesen oder für ungültig erklärt.“
15 Art. 24 Abs. 5 dieses Übereinkommens lautet:
„Wenn entweder
a) vor dem Zeitpunkt der Anwendung dieser Bestimmungen in einem Mitglied gemäß Teil VI oder
b) bevor die geografische Angabe in ihrem Ursprungsland geschützt wird,
eine Marke gutgläubig angemeldet oder eingetragen wurde oder Rechte an einer Marke durch
gutgläubige Benutzung erworben wurden, beeinträchtigen zur Umsetzung dieses Abschnitts ergriffene
Maßnahmen nicht die Eintragungsfähigkeit oder die Gültigkeit der Eintragung einer Marke oder das
Recht zur Benutzung einer Marke aufgrund der Tatsache, dass eine solche Marke mit einer
geografischen Angabe identisch oder ihr ähnlich ist.“
Sachverhalt der Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
16 Die Gust. Ranin Oy, eine Gesellschaft finnischen Rechts, meldete am 19. Dezember 2001 beim
Patentti- ja rekisterihallitus zwei Bildmarken in Gestalt eines Flaschenetiketts an. Für Weinbrände der
Klasse 33 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und
Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter
Fassung enthielt das Bildelement, auf das sich die Anmeldung bezog, die Angabe „COGNAC L&P
HIENOA KONJAKKIA Lignell & Piispanen Product of France 40 % Vol 500 ml“. Für „Liköre auf
Weinbrandbasis“ der Klasse 33 enthielt das Bildelement die Angabe „KAHVI-KONJAKKI Cafe Cognac
Likööri – Likör – Liqueur 21 % Vol Lignell & Piispanen 500 ml“.
17 Das Patentti- ja rekisterihallitus trug die beiden Marken mit Entscheidung vom 31. Januar 2003 ein,
Erstere unter der Nr. 226350 (Rechtssache C-4/10) und Letztere unter der Nr. 226351 (Rechtssache C-
27/10).
18 Das BNIC erhob gegen die Eintragung dieser Marken Widerspruch.
19 Mit Entscheidung vom 10. September 2004 wies das Patentti- ja rekisterihallitus den Widerspruch des
BNIC zurück und bestätigte die Gültigkeit der unter der Nr. 226350 eingetragenen Marke. Mit dieser
Entscheidung gab es hingegen dem Widerspruch statt, soweit er sich gegen die unter der Nr. 226351
eingetragene Marke richtete, und löschte diese Eintragung.
20 Mit Entscheidung vom 22. Oktober 2007 wies der Pattenti- ja rekisterihallituksen valituslautakunta
(Beschwerdeausschuss des Patentti- ja rekisterihallitus) die Beschwerde des BNIC zurück und
bestätigte die Entscheidung vom 10. September 2004, mit der die Eintragung der Marke Nr. 226350
aufrechterhalten worden war. Er gab zudem der Beschwerde der Gust. Ranin Oy statt und hob die
Entscheidung über die Löschung der Marke Nr. 226351 auf.
21 In den Verfahren vor dem Korkein hallinto-oikeus (Oberstes Verwaltungsgericht) beantragt das BNIC in
erster Linie, die genannte Entscheidung vom 22. Oktober 2007 aufzuheben, hilfsweise, die Sache zur
erneuten Prüfung an das Patentti- ja rekisterihallitus zurückzuverweisen.
22 Unter diesen Umständen hat das Korkein hallinto-oikeus das Verfahren ausgesetzt und dem
Gerichtshof folgende, in den beiden Rechtssachen C-4/10 und C-27/10 gleichlautende Fragen zur
Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist die Verordnung Nr. 110/2008 bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Eintragung der am
19. Dezember 2001 angemeldeten und am 31. Januar 2003 eingetragenen Marke, die eine nach
dieser Verordnung geschützte geografische Ursprungsbezeichnung enthält, anwendbar?
2. Ist, wenn die erste Frage zu bejahen ist, die Marke, die u. a. eine nach der Verordnung Nr.
110/2008
geschützte
Ursprungsbezeichnung
oder
aber
diese
Bezeichnung
als
Gattungsbezeichnung in einer Übersetzung enthält und die für Spirituosen eingetragen ist, die
u. a. im Hinblick auf das Herstellungsverfahren und den Alkoholgehalt die Anforderungen der
Verordnung für eine Verwendung der betreffenden geografischen Ursprungsbezeichnung nicht
erfüllen, wegen Verstoßes gegen die Art. 16 und 23 der Verordnung Nr. 110/2008 abzulehnen?
3. Ist ungeachtet dessen, ob die erste Frage bejaht oder verneint wird, eine Marke wie die in der
zweiten Frage beschriebene im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 89/104, jetzt
Richtlinie 2008/95, als geeignet anzusehen, das Publikum z. B. über die Art, die Beschaffenheit
oder die geografische Herkunft der Ware oder Dienstleistung zu täuschen?
4. Darf ungeachtet der Antwort auf die erste Frage, sofern ein Mitgliedstaat nach Art. 3 Abs. 2
Buchst. a der Richtlinie 89/104 vorgesehen hat, dass eine Marke von der Eintragung
ausgeschlossen ist oder im Fall der Eintragung der Ungültigerklärung unterliegt, wenn und
soweit die Benutzung dieser Marke nach anderen Rechtsvorschriften als des Markenrechts des
jeweiligen Mitgliedstaats oder der Gemeinschaft untersagt werden kann, eine Marke, sofern sie
Bestandteile enthält, die gegen die Verordnung Nr. 110/2008 verstoßen und derentwegen die
Verwendung der Marke untersagt werden kann, von der Eintragung ausgeschlossen werden?
23 Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 9. März 2010 sind die Rechtssachen C-4/10 und
C-27/10 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung
verbunden worden.
Zu den Vorlagefragen
24 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Verordnung Nr. 110/2008 bei
der Prüfung der Voraussetzungen für die Gültigkeit der Eintragung einer Marke, die eine nach dieser
Verordnung geschützte geografische Ursprungsbezeichnung enthält, anwendbar ist, wenn die
Eintragung vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung erfolgt ist.
25 Nach ständiger Rechtsprechung verbietet es der Grundsatz der Rechtssicherheit im Allgemeinen, den
Beginn der Geltungsdauer eines Rechtsakts der Union auf einen Zeitpunkt vor dessen
Veröffentlichung zu legen, wobei ausnahmsweise anderes dann gelten kann, wenn das angestrebte
Ziel es verlangt und das berechtigte Vertrauen der Betroffenen gebührend beachtet wird (vgl. u. a.
Urteile vom 24. September 2002, Falck und Acciaierie di Bolzano/Kommission, C‑74/00 P und C‑75/00 P,
Slg. 2002, I-7869, Randnr. 119, und vom 22. Dezember 2010, Bavaria, C‑120/08, Slg. 2010, I–0000,
Randnr. 40).
26 In dieser Hinsicht sind die materiell-rechtlichen Unionsvorschriften, um die Beachtung der Grundsätze
der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes zu gewährleisten, so auszulegen, dass sie für vor
ihrem Inkrafttreten eingetretene Sachverhalte nur gelten, soweit aus ihrem Wortlaut, ihrer Zielsetzung
oder ihrem Aufbau eindeutig hervorgeht, dass ihnen eine solche Wirkung beizumessen ist (vgl. u. a.
Urteile Falck und Acciaierie di Bolzano/Kommission, Randnr. 119, Bavaria, Randnr. 40, und vom 24. März
2011, ISD Polska u. a./Kommission, C-369/09 P, Slg. 2011, I-0000, Randnr. 98).
27 Nach Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 110/2008 wird die Eintragung einer Marke, die eine in Anhang
III eingetragene geografische Angabe enthält, abgelehnt oder gelöscht, wenn ihre Verwendung zu
einem der in Art. 16 der Verordnung beschriebenen Tatbestände führen würde.
28 Diese Bestimmung sieht somit neben der Möglichkeit, die Eintragung einer solchen Marke
abzulehnen, klar die Möglichkeit vor, eine bereits eingetragene Marke aus den gleichen Gründen zu
löschen, ohne dass sich aus einer zeitlichen Bezugnahme irgendeine Beschränkung im Hinblick auf
den Zeitpunkt ergäbe, zu dem die Eintragung dieser Marke erfolgt ist. Wie die französische und die
portugiesische Regierung sowie die Europäische Kommission ausgeführt haben, ergibt sich aus
diesem Wortlaut, dass Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 110/2008 auf Marken Anwendung finden soll,
die vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung eingetragen worden sind.
29 Diese Auslegung wird durch die in Art. 23 Abs. 2 dieser Verordnung aufgestellte Regel gestützt.
30 Diese Bestimmung erlaubt es nämlich ausnahmsweise, eine Marke, die einen der in Art. 16 der
Verordnung Nr. 110/2008 beschriebenen Tatbestände erfüllt, weiter zu verwenden, sofern sie vor dem
Zeitpunkt des Schutzes der geografischen Angabe im Ursprungsland oder vor dem 1. Januar 1996
eingetragen oder erworben wurde. Wie die italienische Regierung und die Regierung des Vereinigten
Königreichs sowie die Kommission geltend gemacht haben, ist aus dieser Regel zu folgern, dass vor
dem Inkrafttreten dieser Verordnung eingetragene Marken, abgesehen von denjenigen, die unter die
zeitliche Begrenzung der in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 110/2008 ausdrücklich vorgesehenen
Ausnahme fallen, gemäß Art. 23 Abs. 1 der Verordnung gelöscht werden dürfen.
31 Folglich ist Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 110/2008 dahin auszulegen, dass er auf Marken
anwendbar ist, die vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung eingetragen worden sind.
32 Was die Beurteilung der Vereinbarkeit einer solchen zeitlichen Anwendung mit der Wahrung der
Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes der Betroffenen angeht, ist darauf
hinzuweisen, dass mit dem Schutz, der geografischen Angaben durch die Verordnung Nr. 110/2008
gewährt wird, der Schutz fortgeführt wird, der bereits durch die Verordnung Nr. 3378/94 gewährleistet
wurde, durch die mit Wirkung vom 1. Januar 1996 ein Art. 11a in die Verordnung Nr. 1576/89 eingefügt
worden war.
33 Nach diesem Art. 11a Abs. 1 hatten die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen zu treffen, um
betroffenen Personen die Möglichkeit einzuräumen, unter den Bedingungen der Art. 23 und 24 des
TRIPS-Übereinkommens zu verhindern, dass in der Gemeinschaft geografische Angaben bei
Erzeugnissen verwendet werden, deren Ursprung nicht dem in dieser geografischen Angabe
bezeichneten Ort entspricht. Nach Art. 23 Abs. 2 dieses Übereinkommens muss die Eintragung einer
Marke, die eine geografische Angabe, durch die Spirituosen gekennzeichnet werden, enthält oder aus
ihr besteht, in Bezug auf Spirituosen, die diesen Ursprung nicht haben, zurückgewiesen oder für
ungültig erklärt werden, während Art. 24 Abs. 5 des genannten Übereinkommens eine Ausnahme
zugunsten von Marken vorsieht, die gutgläubig eingetragen oder erworben wurden, bevor das
Übereinkommen selbst in Kraft getreten ist oder bevor die geografische Angabe geschützt wurde.
34 Es ist somit festzustellen, dass die im TRIPS-Übereinkommen vorgesehenen Regelungen zum Schutz
geografischer Angaben mit Wirkung vom 1. Januar 1996, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der
Verordnung Nr. 3378/94, in das Unionsrecht aufgenommen wurden, auch wenn die Zuständigkeit für
die Festlegung der Umsetzungsmaßnahmen den Mitgliedstaaten übertragen worden war.
35 Daher stellt Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 110/2008, wonach die Eintragung einer Marke, die eine
geschützte geografische Angabe enthält, abgelehnt oder gelöscht wird, wenn ihre Verwendung einen
der in Art. 16 dieser Verordnung genannten Tatbestände der missbräuchlichen Benutzung erfüllt,
lediglich einheitliche Bedingungen für die Umsetzung einer im Unionsrecht bereits geltenden Regelung
auf, während Art. 23 Abs. 2 die nach dem Unionsrecht bereits anerkannten zeitlichen Ausnahmen
bestätigt.
36 Daraus folgt, dass die Anwendung dieser Bestimmungen weder den Grundsatz der Rechtssicherheit
noch den des Vertrauensschutzes der Betroffenen beeinträchtigt.
37 Auf die erste Frage ist daher zu antworten, dass die Verordnung Nr. 110/2008 bei der Prüfung der
Gültigkeit der Eintragung einer Marke, die eine nach dieser Verordnung geschützte geografische
Ursprungsbezeichnung enthält, anwendbar ist, wenn die Eintragung vor dem Inkrafttreten dieser
Verordnung erfolgt ist.
38 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 16 und 23 der Verordnung
Nr. 110/2008 der Eintragung einer Marke, die eine geschützte geografische Angabe oder aber eine
dieser Angabe entsprechende Gattungsbezeichnung in einer Übersetzung enthält, für Spirituosen
entgegenstehen, die die Anforderungen für eine Verwendung dieser geografischen Angabe nicht
erfüllen.
39 Um diese Frage zu beantworten, sind die Voraussetzungen der Anwendung der Art. 23 und 16 dieser
Verordnung nacheinander zu prüfen.
Zu den Voraussetzungen der Anwendung des Art. 23 der Verordnung Nr. 110/2008
40 Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung nach Art. 288 Abs. 2 AEUV allgemeine Geltung
hat und unmittelbar in allen Mitgliedstaaten gilt. Daher ruft sie schon nach ihrer Rechtsnatur und ihrer
Funktion im Rechtsquellensystem des Unionsrechts unmittelbare Wirkungen hervor und kann Rechte
der Einzelnen begründen, die die nationalen Gerichte schützen müssen (vgl. u. a. Urteile vom 10.
Oktober 1973, Variola, 34/73, Slg. 1973, 981, Randnr. 8, und vom 17. September 2002, Muñoz und
Superior Fruiticola, C‑253/00, Slg. 2002, I‑7289, Randnr. 27).
41 Der klare und bedingungslose Wortlaut des Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 110/2008, wonach die
Eintragung einer Marke, die eine in Anhang III eingetragene geografische Angabe enthält, abgelehnt
oder gelöscht wird, wenn ihre Verwendung unter Umständen erfolgt, die einen der in Art. 16 der
Verordnung beschriebenen Tatbestände begründen würden, verpflichtet die zuständigen nationalen
Behörden, die Eintragung einer Marke abzulehnen oder zu löschen, wenn diese unter solchen
Umständen verwendet wird.
42 Zwar sieht Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 110/2008 eine begrenzte Ausnahme für Marken vor, die
vor dem Inkrafttreten des Schutzes der fraglichen geografischen Angabe im Ursprungsland oder vor
dem 1. Januar 1996 gutgläubig eingetragen oder erworben wurden.
43 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff „Cognac“, der in den Marken enthalten ist, um deren
Eintragung es in den Ausgangsverfahren geht, sowohl im Anhang III der Verordnung Nr. 110/2008 als
auch im Anhang II der Verordnung Nr. 1576/89 als geografische Angabe enthalten ist, mit der eine
Spirituose bezeichnet wird, deren Ursprungsland Frankreich ist. Unabhängig vom Schutz, den der
Begriff „Cognac“ nach französischem Recht genießt, ist er daher seit dem 15. Juni 1989, dem
Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung Nr. 1576/89, nach dem Unionsrecht als geografische
Angabe geschützt.
44 Bereits aus dieser Feststellung folgt, dass den in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Marken,
die nach den Vorlageentscheidungen am 31. Januar 2003 eingetragen wurden, die in Art. 23 Abs. 2
der Verordnung Nr. 110/2008 vorgesehene Ausnahme nicht zugute kommen kann.
45 Daher ist der erste Teil der zweiten Frage dahin zu beantworten, dass die zuständigen nationalen
Behörden auf der Grundlage des Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 110/2008 die Eintragung einer
Marke, die eine geschützte geografische Angabe enthält und nicht unter die in Art. 23 Abs. 2
vorgesehene zeitliche Ausnahme fällt, ablehnen oder löschen müssen, wenn die Verwendung dieser
Marke zu einem der in Art. 16 der Verordnung genannten Tatbestände führt.
Zu den Voraussetzungen der Anwendung des Art. 16 der Verordnung Nr. 110/2008
46 Art. 16 Buchst. a bis d der Verordnung Nr. 110/2008 erfasst verschiedene Fälle, in denen die
Vermarktung eines Erzeugnisses mit einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Bezugnahme auf
eine geografische Angabe unter Umständen einhergeht, die geeignet sind, das Publikum irrezuführen
oder bei ihm zumindest Assoziationen hinsichtlich des Ursprungs des Erzeugnisses hervorzurufen oder
dem Wirtschaftsteilnehmer zu ermöglichen, in unberechtigter Weise vom Ansehen der fraglichen
geografischen Angabe zu profitieren.
47 Der Schutz, der geografischen Angaben so durch Art. 16 der Verordnung Nr. 110/2008 gewährt wird,
muss im Hinblick auf den Zweck ausgelegt werden, der mit der Eintragung dieser Angaben verfolgt
wird, nämlich, wie sich aus dem 14. Erwägungsgrund dieser Verordnung ergibt, Spirituosen als
Erzeugnisse einer bestimmten Region zu kennzeichnen, wobei eine bestimmte Qualität, ein bestimmter
Ruf oder andere Merkmale der Spirituose im Wesentlichen ihrem geografischen Ursprung zugeordnet
werden können.
48 Konkret ist der Umfang dieses Schutzes im Hinblick auf die in Art. 15 Abs. 4 der Verordnung
Nr. 110/2008 aufgestellte Grundregel zu beurteilen, wonach nur Spirituosen eine im Anhang III der
Verordnung eingetragene geografische Angabe tragen können, die allen Spezifikationen entsprechen,
die in der technischen Unterlage enthalten sind, die der Ursprungsmitgliedstaat gemäß Art. 17 Abs. 1
dieser Verordnung im Rahmen des Antrags auf Eintragung der betreffenden Angabe bei der
Kommission eingereicht hat.
49 Die Frage, ob eine bestimmte Spirituose den für eine geschützte geografische Angabe geltenden
Spezifikationen entspricht, ist eine Tatsachenfrage, die von den zuständigen nationalen Behörden zu
beurteilen ist und vor der Prüfung einer möglichen Anwendung der Bestimmungen des Art. 16 der
Verordnung Nr. 110/2008 entschieden werden muss.
50 Die zweite Frage des vorlegenden Gerichts bezieht sich insbesondere auf den Fall, dass eine Marke,
die eine geschützte geografische Angabe oder aber diese Angabe als Gattungsbezeichnung in einer
Übersetzung enthält, für Spirituosen eingetragen wurde, die den für diese Angabe geltenden
Spezifikationen nicht entsprechen. Auf der Grundlage dieser Prämisse ist daher dem vorlegenden
Gericht Auskunft darüber zu geben, ob ein solcher Fall von den Tatbeständen des Art. 16 der
Verordnung Nr. 110/2008 erfasst werden kann.
51 Soweit diese Frage sich auf eine Marke bezieht, die eine geografische Angabe als
Gattungsbezeichnung in einer Übersetzung enthält, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die in
Anhang III der Verordnung Nr. 110/2008 eingetragenen geografischen Angaben nach Art. 15 Abs. 3
Unterabs. 1 dieser Verordnung nicht zu Gattungsbezeichnungen werden dürfen. Umgekehrt dürfen
Bezeichnungen, die zu Gattungsbezeichnungen geworden sind, nach Art. 15 Abs. 3 Unterabs. 2 nicht
in Anhang III eingetragen werden. Folglich kann im Rahmen der Beurteilung der Gültigkeit der
Eintragung der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Marken nicht geltend gemacht werden,
dass die in diesem Anhang III eingetragene Bezeichnung „Cognac“ zu einer Gattungsbezeichnung
geworden sei.
52 Zudem dürfen die in Anhang III eingetragenen geografischen Angaben, wie etwa die Bezeichnung
„Cognac“, gemäß Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 110/2008 weder auf dem Etikett noch in der
Aufmachung einer Spirituose übersetzt werden.
53 Was die von Art. 16 der Verordnung Nr. 110/2008 erfassten Tatbestände anbelangt, ist darauf
hinzuweisen, dass Art. 16 Buchst. a insbesondere die direkte oder indirekte gewerbliche Verwendung
einer eingetragenen geografischen Angabe für Spirituosen betrifft, die nicht unter die Eintragung
fallen, sofern diese Erzeugnisse mit den eingetragenen Erzeugnissen vergleichbar sind.
54 Im von der zweiten Vorlagefrage erfassten Fall, in dem es sich bei den Erzeugnissen, die nicht unter
eine geografische Angabe fallen, um Spirituosen handelt, erscheint es legitim, davon auszugehen,
dass es sich um Erzeugnisse handelt, die mit der unter dieser geografischen Angabe eingetragenen
Spirituose vergleichbar sind. Unabhängig von den verschiedenen Kategorien, die sie umfassen, sind
Spirituosen nämlich Getränke, die gemeinsame objektive Merkmale aufweisen und aus der Sicht der
maßgeblichen Verkehrskreise bei im Wesentlichen identischen Gelegenheiten konsumiert werden.
Außerdem werden sie häufig über dieselben Netze vertrieben und unterliegen ähnlichen
Vermarktungsregeln.
55 Folglich ist in einem solchen Fall die Verwendung einer Marke, die eine geografische Angabe oder
aber diese Angabe als Gattungsbezeichnung in einer Übersetzung enthält, für Spirituosen, die nicht
den jeweiligen Spezifikationen entsprechen, als direkte gewerbliche Verwendung einer eingetragenen
geografischen Angabe für Erzeugnisse, die mit den unter dieser Bezeichnung eingetragenen
Spirituosen vergleichbar sind, aber nicht unter diese Bezeichnung fallen, im Sinne des Art. 16
Buchst. a der Verordnung Nr. 110/2008 anzusehen.
56 Hinsichtlich des in Art. 16 Buchst. b der Verordnung Nr. 110/2008 enthaltenen Begriffs „Anspielung“,
auf den in der Vorlageentscheidung in der Rechtssache C-4/10 Bezug genommen wird, ist darauf
hinzuweisen, dass dieser Begriff eine Fallgestaltung erfasst, in der der zur Bezeichnung eines
Erzeugnisses verwendete Ausdruck einen Teil einer geschützten Bezeichnung in der Weise einschließt,
dass der Verbraucher durch den Namen des Erzeugnisses veranlasst wird, gedanklich einen Bezug zu
der Ware herzustellen, die die Bezeichnung trägt (vgl. Urteile vom 4. März 1999, Consorzio per la tutela
del formaggio Gorgonzola, C‑87/97, Slg. 1999, I‑1301, Randnr. 25, und vom 26. Februar 2008,
Kommission/Deutschland, C‑132/05, Slg. 2008, I‑957, Randnr. 44).
57 Der Gerichtshof hat entschieden, dass dies bei Erzeugnissen der Fall sein kann, die visuelle
Ähnlichkeiten und klanglich und visuell ähnliche Verkaufsbezeichnungen aufweisen (Urteile Consorzio
per la tutela del formaggio Gorgonzola, Randnr. 27, und Kommission/Deutschland, Randnr. 46).
58 Es erscheint legitim, diese Bewertungen auf den von der zweiten Vorlagefrage erfassten Fall der
Eintragung einer Marke, die eine geografische Angabe oder aber diese Angabe als
Gattungsbezeichnung in einer Übersetzung enthält, für Spirituosen, die den für diese Angabe
geltenden Spezifikationen nicht entsprechen, zu übertragen. Die Verwendung einer Marke, die das
Element „Cognac“ enthält, für Spirituosen, die die entsprechenden Spezifikationen nicht erfüllen, kann
somit als „Anspielung“ im Sinne des Art. 16 Buchst. b der Verordnung Nr. 110/2008 eingestuft werden.
59 Zudem vermag nach dieser Bestimmung die Angabe des wahren Ursprungs des Erzeugnisses oder
die Verwendung der geschützten Bezeichnung in Übersetzung oder zusammen mit Ausdrücken wie
„Art“, „Typ“, „Verfahren“, „Marke“, „Geschmack“ oder dergleichen nichts an dieser Einstufung zu
ändern.
60 Soweit das nationale Gericht es für zweckdienlich hält, hat es für die Feststellung, ob die Tatbestände
des Art. 16 Buchst. c und d der Verordnung Nr. 110/2008 erfüllt sind, unter Berücksichtigung der vom
Gerichtshof bereits erteilten Auslegungshinweise zu beurteilen, ob die Verwendung einer Marke, die
eine geografische Angabe oder aber diese Angabe als Gattungsbezeichnung in einer Übersetzung
enthält, für Spirituosen, die den für diese Angabe geltenden Spezifikationen nicht entsprechen,
geeignet ist, einen falschen Eindruck über den Ursprung dieser Spirituosen zu erwecken oder den
Verbraucher über ihren tatsächlichen Ursprung in die Irre zu führen.
61 Der zweite Teil der zweiten Frage ist dahin zu beantworten, dass eine Fallgestaltung, wie sie in dieser
Frage angesprochen ist, nämlich die der Eintragung einer Marke, die eine geografische Angabe oder
aber diese Angabe als Gattungsbezeichnung in einer Übersetzung enthält, für Spirituosen, die den für
diese Angabe geltenden Spezifikationen nicht entsprechen, unter die in Art. 16 Buchst. a und b der
Verordnung Nr. 110/2008 genannten Tatbestände fällt, ungeachtet der möglichen Anwendbarkeit
anderer in Art. 16 aufgestellter Regeln.
62 Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 Abs. 1 Buchst. g der
Richtlinie 89/104 dahin auszulegen ist, dass eine Marke, die eine geografische Angabe oder aber
diese Angabe als Gattungsbezeichnung in einer Übersetzung enthält, für Spirituosen, die den für diese
Angabe geltenden Spezifikationen nicht entsprechen, als geeignet anzusehen ist, das Publikum zu
täuschen.
63 Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der
Richtlinie 89/104 dahin auszulegen ist, dass, wenn ein Mitgliedstaat in Umsetzung dieser Bestimmung
vorgesehen hat, dass eine Marke für ungültig erklärt wird, wenn und soweit sie gegen andere
Vorschriften als die des Markenrechts verstößt, die Eintragung einer Marke abzulehnen ist, die gegen
die Bestimmungen der Verordnung Nr. 110/2008 verstößt.
64 Angesichts der Antwort auf die zweite Frage sind die dritte und die vierte Frage nicht zu beantworten.
65 Aus dieser Antwort ergibt sich nämlich, dass zum einen die Eintragung einer Marke, die eine
geografische Angabe oder aber diese Angabe als Gattungsbezeichnung in einer Übersetzung enthält,
für Spirituosen, die den für diese Angabe geltenden Spezifikationen nicht entsprechen, zumindest
unter die Tatbestände des Art. 16 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 110/2008 fällt, und zum
anderen die zuständigen nationalen Behörden die Eintragung einer solchen Marke auf der Grundlage
des Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 110/2008 ablehnen oder löschen müssen.
66 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die unmittelbare Anwendbarkeit einer Verordnung voraussetzt,
dass die Verordnung in Kraft getreten ist und zugunsten oder zu Lasten der Rechtssubjekte
Anwendung findet, ohne dass es irgendwelcher Maßnahmen zur Umwandlung in nationales Recht
bedarf, und dass die gewissenhafte Beachtung dieser Pflicht eine unerlässliche Voraussetzung für die
gleichzeitige und einheitliche Anwendung der Verordnungen in der gesamten Europäischen Union ist
(Urteil Variola, Randnr. 10). Die Verordnung Nr. 110/2008 muss somit unabhängig von den Regelungen
Anwendung finden, mit denen die Umsetzung der Richtlinie 89/104 in das nationale Recht
sichergestellt wird.
Kosten
67 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem
vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses
Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind
nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:
1. Die Verordnung (EG) Nr. 110/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom
15. Januar 2008 zur Begriffsbestimmung, Bezeichnung, Aufmachung und Etikettierung
von Spirituosen sowie zum Schutz geografischer Angaben für Spirituosen und zur
Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 1576/89 des Rates ist bei der Prüfung der
Gültigkeit der Eintragung einer Marke, die eine nach dieser Verordnung geschützte
geografische Angabe enthält, anwendbar, wenn die Eintragung vor dem Inkrafttreten
dieser Verordnung erfolgt ist.
2. Die Art. 23 und 16 der Verordnung Nr. 110/2008 sind dahin auszulegen, dass
– die zuständigen nationalen Behörden auf der Grundlage des Art. 23 Abs. 1
dieser Verordnung die Eintragung einer Marke, die eine geschützte
geografische Angabe enthält und nicht unter die in Art. 23 Abs. 2 vorgesehene
zeitliche Ausnahme fällt, ablehnen oder löschen müssen, wenn die Verwendung
dieser Marke zu einem der in Art. 16 der Verordnung genannten Tatbestände
führt;
– eine Fallgestaltung wie sie in der zweiten Frage angesprochen ist, nämlich die
der Eintragung einer Marke, die eine geografische Angabe oder aber diese
Angabe als Gattungsbezeichnung in einer Übersetzung enthält, für Spirituosen,
die den für diese Angabe geltenden Spezifikationen nicht entsprechen, unter
die in Art. 16 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 110/2008 genannten
Tatbestände fällt, ungeachtet der möglichen Anwendbarkeit anderer in Art. 16
aufgestellter Regeln.
Unterschriften
Verfahrenssprache: Finnisch.