Urteil des EuGH vom 24.02.2000

EuGH: auswärtige angelegenheiten, kommission, alkohol, anwendungsbereich, regierung, wein, bemessungsgrundlage, republik, luxemburg, beförderung

WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Fünfte Kammer)
24. Februar 2000
„Vertragsverletzungsverfahren - Richtlinie 92/12/EWG - Spezifische Besteuerung starker alkoholischer
Getränke“
In der Rechtssache C-434/97
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift: C. Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre
Wagner, Luxemburg-Kirchberg,
Klägerin,
gegen
Französische Republik
Rechtsfragen des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten, und G. Mignot, Sekretär für Auswärtige
Angelegenheiten in derselben Direktion, als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift: Französische Botschaft, 8
B, boulevard Joseph II, Luxemburg,
Beklagte,
wegen Feststellung, daß die Französische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 3 Absatz 2 der
Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die
Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABl. L 76, S. 1) insbesondere in Verbindung
mit Artikel 20 der Richtlinie 92/83/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der
Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke (ABl. L 316, S. 21) verstoßen hat, indem sie Artikel
26 des Gesetzes Nr. 83-25 vom 19. Januar 1983, der den Anwendungsbereich und die
Bemessungsgrundlage des auf alkoholische Getränke erhobenen „Sozialbeitrags“ betrifft, beibehalten hat,
erläßt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Sechsten Kammer J. C. Moitinho de Almeida in Wahrnehmung der
Aufgaben des Präsidenten der Fünften Kammer, sowie der Richter L. Sevón, C. Gulmann, J.-P. Puissochet und
M. Wathelet (Berichterstatter),
Generalanwalt: A. Saggio
Kanzler: D. Louterman-Hubeau, Hauptverwaltungsrätin
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der Parteien in der Sitzung vom 25. Februar 1999, in der die Kommission durch H. Michard
und die Französische Republik durch S. Seam, Sekretär für Auswärtige Angelegenheiten in der Direktion für
Rechtsfragen des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigten vertreten waren,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 1. Juli 1999,
folgendes
Urteil
1.
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 22. Dezember 1997
bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EG-Vertrag (jetzt Artikel 226 EG)
Klage erhoben auf Feststellung, daß die Französische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel
3 Absatz 2 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den
Besitz,die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABl. L 76, S. 1; im
folgenden: Verbrauchsteuerrichtlinie) insbesondere in Verbindung mit Artikel 20 der Richtlinie
92/83/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern
auf Alkohol und alkoholische Getränke (ABl. L 316, S. 21; im folgenden: Strukturrichtlinie) verstoßen
hat, indem sie Artikel 26 des Gesetzes Nr. 83-25 vom 19. Januar 1983, der den Anwendungsbereich
und die Bemessungsgrundlage des auf alkoholische Getränke erhobenen „Sozialbeitrags“ betrifft,
beibehalten hat.
Die Gemeinschaftsregelung
2.
In der dritten Begründungserwägung der Verbrauchsteuerrichtlinie heißt es:
„Der Begriff .verbrauchsteuerpflichtige Waren' ist zu definieren. Die gemeinschaftsrechtlichen
Vorschriften gelten nur für Waren, die in allen Mitgliedstaaten der Verbrauchsteuer unterliegen. Auf
diese Waren können andere indirekte Steuern zu spezifischen Zwecken erhoben werden. Die
Beibehaltung oder Einführung anderer indirekter Steuern darf keine mit dem Überschreiten einer
Grenze verbundenen Formalitäten nach sich ziehen.“
Artikel 3 der Verbrauchsteuerrichtlinie bestimmt insoweit:
„(1) Diese Richtlinie findet auf Gemeinschaftsebene Anwendung auf die folgenden in den
einschlägigen Richtlinien definierten Waren:
- Mineralöle,
- Alkohol und alkoholische Getränke,
- Tabakwaren.
(2) Auf die in Absatz 1 genannten Waren können andere indirekte Steuern mit besonderer
Zielsetzung erhoben werden, sofern diese Steuern die Besteuerungsgrundsätze der
Verbrauchsteuern oder der Mehrwertsteuer in bezug auf die Besteuerungsgrundlage sowie die
Berechnung, die Steuerentstehung und die steuerliche Überwachung beachten.
(3) Die Mitgliedstaaten können Steuern auf andere als die in Absatz 1 genannten Waren einführen
oder beibehalten, sofern diese Steuern im Handelsverkehr zwischen Mitgliedstaaten keine mit dem
Grenzübertritt verbundenen Formalitäten nach sich ziehen.
Unter der gleichen Voraussetzung ist es den Mitgliedstaaten ebenfalls weiterhin freigestellt, Steuern
auf Dienstleistungen, auch im Zusammenhang mitverbrauchsteuerpflichtigen Waren, zu erheben,
sofern es sich nicht um umsatzbezogene Steuern handelt.“
3.
Die Vorschriften über die Struktur und die Höhe der Verbrauchsteuer auf Mineralöle, Alkohol,
alkoholische Getränke und Tabakwaren sind in speziellen Richtlinien enthalten. Die Strukturrichtlinie
harmonisiert insbesondere die Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke. Nach Artikel
19 dieser Richtlinie erheben die Mitgliedstaaten eine Verbrauchsteuer auf Ethylalkohol.
4.
Artikel 20 der Richtlinie bestimmt:
„Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Begriff .Ethylalkohol'
- alle Erzeugnisse der KN-Codes 2207 und 2208 mit einem vorhandenen Alkoholgehalt von mehr als
1,2 % vol., auch wenn diese Erzeugnisse Teil eines Erzeugnisses sind, das unter ein anderes Kapitel
der Kombinierten Nomenklatur fällt;
- die Erzeugnisse der KN-Codes 2204, 2205 und 2206 mit einem vorhandenen Alkoholgehalt von
mehr als 22 % vol.;
- Trinkbranntweine, gleichviel, ob sie gelöste Erzeugnisse enthalten oder nicht.“
5.
Nach Artikel 21 der Strukturrichtlinie wird die Verbrauchsteuer auf Ethylalkohol je Hektoliter reinen
Alkohols bei einer Temperatur von 20 °C festgesetzt und nach der Anzahl der Hektoliter reinen
Alkohols berechnet. Nach den Artikeln 9 Absatz 1 und 13 Absatz 1 dagegen wird die von den
Mitgliedstaaten auf Wein sowie auf andere gegorene Getränke als Wein und Bier erhobene
Verbrauchsteuer nach der Anzahl Hektoliter des Fertigerzeugnisses festgesetzt.
Das nationale Recht
6.
Artikel 26 des Gesetzes Nr. 83-25 hat angesichts der mit dem ungezügelten Konsum von Tabak und
alkoholischen Getränken verbundenen gesundheitlichen Risiken eine Abgabe auf diese Erzeugnisse
zugunsten der Caisse nationale d'assurance maladie (Nationale Krankenkasse) eingeführt (im
folgenden: „Sozialbeitrag“). In den Absätzen II und IV dieses Artikels heißt es:
„II. In bezug auf alkoholische Getränke wird der Beitrag beim Kauf von Getränken mit einem
Alkoholgehalt von mehr als 25 % vol. durch die Verbraucher fällig.
...
IV. In bezug auf alkoholische Getränke wird der Sozialbeitrag auf 1 Franc je Deziliter oder
angefangenen Deziliter festgesetzt.“
Das Vorverfahren und die Vertragsverletzungsklage
7.
Nach Auffassung der Kommission verfolgt der „Sozialbeitrag“ zwar eine besondere Zielsetzung im
Sinne des Artikels 3 Absatz 2 der Verbrauchsteuerrichtlinie, doch seien sein Anwendungsbereich und
seine Bemessungsgrundlage nicht mit der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und
alkoholische Getränke, wie sie in der Strukturrichtlinie festgelegt worden sei, vereinbar.
8.
Zum einen beziehe sich der Sozialbeitrag auf Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 25 %
vol. Artikel 20 der Strukturrichtlinie enthalte jedoch eine Definition des Begriffes „Ethylalkohol“,
wonach dieser u. a. alle alkoholischen Getränke der KN-Codes 2204 (Wein), 2205 (Wermutwein) und
2206 (andere gegorene Getränke) mit einem vorhandenen Alkoholgehalt von mehr als 22 % vol.
umfasse. Der unterschiedliche Anwendungsbereich der französischen Rechtsvorschriften und der
Strukturrichtlinie bedeute somit, daß innerhalb der gemeinschaftsrechtlichen Steuerkategorie
„Ethylalkohol“ eine spezielle, in der Richtlinie nicht vorgesehene Unterkategorie für alkoholische
Erzeugnisse geschaffen werde.
9.
Zum anderen lege Artikel 21 der Strukturrichtlinie als Bemessungsgrundlage für die
Verbrauchsteuer auf Ethylalkohol die Anzahl der Hektoliter reinen Alkohols zugrunde, während der
Sozialbeitrag sich nach dem Getränkevolumen bestimme.
10.
Aus diesen beiden Gründen wies die Kommission die französische Regierung mit Mahnschreiben
vom 14. Februar 1996 darauf hin, daß der Sozialbeitrag nicht unter die in Artikel 3 Absatz 2 der
Verbrauchsteuerrichtlinie enthaltene Ausnahmevorschrift falle.
11.
In ihrer Antwort vom 25. April 1996 teilte die französische Regierung der Kommission mit, die von
dieser vertretene Auslegung nehme Artikel 3 Absatz 2 der Verbrauchsteuerrichtlinie jede praktische
Wirkung. Diese Vorschrift verpflichte die Mitgliedstaaten lediglich, „die Besteuerungsgrundsätze der
Verbrauchsteuern oder der Mehrwertsteuer“ zu beachten, nicht aber, die Grundsätze für die
Verbrauchsteuern oder die Mehrwertsteuer zu erlassen.
12.
Durch mit Gründen versehene Stellungnahme vom 12. Februar 1997 bekräftigte die Kommission
ihre Auffassung und forderte die französische Regierung auf, die erforderlichen Maßnahmen zu
erlassen, um der Gemeinschaftsregelung binnen zwei Monaten nach Empfang dieser Stellungnahme
nachzukommen. Da die französische Regierung der mit Gründen versehenen Stellungnahme nicht
nachkam, hat die Kommission die vorliegende Klage erhoben.
13.
Nach Auffassung der Kommission ist Artikel 3 Absatz 2 der Verbrauchsteuerrichtlinie eng
auszulegen, soweit er den Mitgliedstaaten die Befugnis gibt, Ausnahmen vom harmonisierten
Verbrauchsteuersystem vorzusehen. Die Mitgliedstaaten dürften daher andere indirekte Steuern mit
besonderer Zielsetzung nur beibehalten oder einführen,wenn sie die Besteuerungsgrundsätze der
Verbrauchsteuern und der Mehrwertsteuer beachteten. Jede andere Auslegung stünde nicht nur im
Widerspruch zum Wortlaut dieser Vorschrift, sondern würde auch die Einführung einer nationalen
indirekten Steuer neben den Verbrauchsteuern legitimieren. Dies würde die Erreichung des Zieles der
Verbrauchsteuerrichtlinie, nämlich des freien Verkehrs der verbrauchsteuerpflichtigen Güter im
Binnenmarkt, gefährden, da sie zur Verwirrung und Rechtsunsicherheit für die Wirtschaftsteilnehmer
der anderen Mitgliedstaaten führen würde.
14.
Wenn somit die Mitgliedstaaten von der Befugnis Gebrauch machten, zusätzliche indirekte Abgaben
auf verbrauchsteuerpflichtige Erzeugnisse beizubehalten oder einzuführen, seien sie gehalten, für die
Einhaltung des bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Rahmens insbesondere in bezug auf die
betroffenen Erzeugnisse und auf die Bemessungsgrundlage der Gemeinschaftsabgaben zu sorgen.
15.
Die französische Regierung wendet ein, wenn der Auffassung der Kommission gefolgt würde, würde
Artikel 3 Absatz 2 der Verbrauchsteuerrichtlinie den Mitgliedstaaten lediglich eine Erhöhung der
bestehenden Verbrauchsteuer erlauben. Eine solche Auslegung würde sie daran hindern, spezifische
Ziele zu verfolgen, da sie keine anderen Steuermodalitäten als den Steuersatz ändern dürften. Sie
würde Artikel 3 Absatz 2 der Verbrauchsteuerrichtlinie daher jeder praktischen Wirkung berauben. Im
übrigen sei die Kommission nie imstande gewesen, klarzustellen, welche Art von spezifischer, von der
harmonisierten Verbrauchsteuer zu unterscheidender Steuer nach dieser Vorschrift, so wie von ihr
ausgelegt, zulässig sei.
16.
Der Sozialbeitrag erfülle alle Voraussetzungen des Artikels 3 Absatz 2 der Verbrauchsteuerrichtlinie.
Die Art und Weise seiner Berechnung sei am besten geeignet, um das Ziel eines Schutzes der
öffentlichen Gesundheit zu erreichen. Dadurch, daß bei der Erhebung des Beitrags auf das
Getränkevolumen statt auf den Prozentsatz des darin enthaltenen Alkohols abgestellt werde, würden
die Getränke mit einem Alkoholgehalt zwischen 25 und 50 % vol., die am meisten verkauft würden,
einheitlich belastet.
Würdigung durch den Gerichtshof
17.
Zunächst ist festzustellen, daß die Verbrauchsteuer- und die Strukturrichtlinie nur eine teilweise
Harmonisierung vorgenommen haben. Sie beschränken sich nämlich im wesentlichen darauf, die
Erzeugnisse anhand objektiver - u. a. an die verwendeten Herstellungsverfahren anknüpfender -
Erwägungen einzustufen, die Bedingungen für die Entstehung der Verbrauchsteuer festzulegen, eine
Regelung für die Beförderung der verbrauchsteuerpflichtigen Erzeugnisse aufzustellen, die
Besteuerungsgrundlage für die Verbrauchsteuern zu bestimmen und Verbrauchsteuermindestsätze
festzulegen.
18.
Um den unterschiedlichen steuerlichen Traditionen der Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet und dem
häufigen Rückgriff auf indirekte Steuern für die Zwecke nicht auf denHaushalt bezogener Politiken
Rechnung zu tragen, hat der Rat Artikel 3 Absatz 2 in die Verbrauchsteuerrichtlinie aufgenommen.
19.
Diese Vorschrift soll es den Mitgliedstaaten erlauben, zusätzlich zu der durch die Strukturrichtlinie
festgesetzten Mindestverbrauchsteuer andere indirekte Steuern mit besonderer Zielsetzung, d. h. zu
anderen als Haushaltszwecken, einzuführen.
20.
Abgesehen vom Erfordernis einer besonderen Zielsetzung setzt diese den Mitgliedstaaten
eingeräumte Befugnis die Einhaltung bestimmter Besteuerungsgrundsätze voraus. Insoweit weichen
die Sprachfassungen allerdings in zweifacher Hinsicht voneinander ab.
21.
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ist bei verschiedenen möglichen Auslegungen
einer Gemeinschaftsvorschrift derjenigen der Vorzug zu geben, die die praktische Wirksamkeit der
Vorschrift zu wahren geeignet ist (vgl. insbesondere Urteil vom 22. September 1988 in der
Rechtssache 187/87, Saarland u. a., Slg. 1988, 5013, Randnr. 19).
22.
Weichen die verschiedenen Sprachfassungen eines Gemeinschaftstextes voneinander ab, so muß
die fragliche Vorschrift außerdem nach dem Zusammenhang und dem Zweck der Regelung ausgelegt
werden, zu der sie gehört (vgl. insbesondere Urteil vom 27. März 1990 in der Rechtssache C-372/88,
Cricket St. Thomas, Slg. 1990, I-1345, Randnr. 19).
23.
Erstens eröffnet in der deutschen, der französischen, der italienischen, der portugiesischen und
der spanischen Fassung die Verwendung des Wortes „oder“ eine Alternative zwischen der Beachtung
der Besteuerungsgrundsätze einerseits der Verbrauchsteuern und andererseits der Mehrwertsteuer,
während in der dänischen, der englischen, der finnischen, der griechischen, der niederländischen und
der schwedischen Fassung das Wort „und“ die kumulative Beachtung dieser Grundsätze zu fordern
scheint.
24.
Mehrwertsteuer und Verbrauchsteuern besitzen jedoch Merkmale, die nicht miteinander vereinbar
sind. So ist die Mehrwertsteuer proportional im Verhältnis zum Preis der Waren, die ihr unterliegen,
während Verbrauchsteuern hauptsächlich aufgrund des Volumens der Ware berechnet werden.
Außerdem wird die Mehrwertsteuer auf jeder Stufe der Erzeugung und des Vertriebs erhoben (wobei
die Vorsteuer grundsätzlich abzugsfähig ist), während die Verbrauchsteuern bei der Überführung der
steuerpflichtigen Ware in den steuerrechtlich freien Verkehr entstehen (ohne daß eine vergleichbare
Abzugsmöglichkeit vorgesehen ist). Schließlich wird die Mehrwertsteuer allgemein, die
Verbrauchsteuer nur auf bestimmte Waren erhoben. Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie wäre somit nicht
zu erfüllen, wenn er die Mitgliedstaaten verpflichtete, die Besteuerungsgrundsätze beider Steuerarten
gleichzeitig zu beachten.
25.
Zweitens verpflichtet die Richtlinie in der dänischen, der englischen, der finnischen, der
niederländischen, der portugiesischen und der schwedischen Fassung die Mitgliedstaaten zur
Beachtung des für die Verbrauchsteuern und die Mehrwertsteuer geltenden Steuerrechts. In der
deutschen Fassung verpflichtet sie die Mitgliedstaaten dagegen nur zur Beachtung der
„Besteuerungsgrundsätze“ der Verbrauchsteuern oder der Mehrwertsteuer. Die französische, die
griechische, die italienische und die spanische Fassung verwenden Umschreibungen wie „les règles
applicables des accises ou de la TVA“, „êáíüíåò öïñïëüãçóçò ðïõ éó÷ýïõí ãéá ôéò
áíÜãêåò ôùí åéäéêþí öüñùí êáôáíÜëùóçò êáé ôïõ ÖÐÁ“, „le regole di imposizione applicabili della
accise o dell'IVA“, „las normas impositivas aplicables con los impuestos especiales o el
IVA“.
26.
Aus dem Vergleich zwischen Artikel 3 Absatz 2 und Absatz 3 sowie aus der dritten
Begründungserwägung der Verbrauchsteuerrichtlinie, die sich auf beide in Artikel 3 behandelte Fälle
bezieht, ergibt sich, daß diese Richtlinie verhindern will, daß der Handelsverkehr durch zusätzliche
indirekte Steuern übermäßig behindert wird. Dies wäre insbesondere der Fall, wenn die
Wirtschaftsteilnehmer anderen als den in den Gemeinschaftsvorschriften über die Verbrauchsteuern
oder die Mehrwertsteuer vorgesehenen Förmlichkeiten unterlägen, denn diese könnten von einem
Mitgliedstaat zum anderen variieren.
27.
Demnach verlangt Artikel 3 Absatz 2 der Verbrauchsteuerrichtlinie von den Mitgliedstaaten nicht die
Beachtung des gesamten für die Verbrauchsteuern oder die Mehrwertsteuer geltenden Steuerrechts
in bezug auf die Besteuerungsgrundlage, die Berechnung und die Entstehung der Steuer sowie die
steuerliche Überwachung. Es reicht aus, wenn die indirekten Steuern mit besonderer Zielsetzung
unter diesen Aspekten einem dieser beiden Steuersysteme, wie sie im Gemeinschaftsrecht
ausgestaltet sind, im Grundsatz entsprechen.
28.
Somit sind die von der Kommission gegenüber dem Gesetz Nr. 83-25 erhobenen Rügen im Licht der
vorangegangen Erwägungen zu prüfen.
29.
Die Kommission rügt erstens, daß die französischen Abgaben nicht für die gesamte Kategorie
alkoholischer Getränke gelten, wie sie in der Strukturrichtlinie definiert ist.
30.
Diese Rüge betrifft den sachlichen Anwendungsbereich der Strukturrichtlinie. Insoweit verlangt
Artikel 3 Absatz 2 der Verbrauchsteuerrichtlinie jedoch nicht die Einhaltung der
Besteuerungsgrundsätze der Verbrauchsteuern oder der Mehrwertsteuer.
31.
Die Kommission macht zweitens geltend, die Höhe des Sozialbeitrags sei proportional zur
Getränkemenge, unabhängig vom Alkoholgehalt.
32.
Diese Besteuerungsgrundlage entspricht der allgemeinen Systematik der Besteuerungsgrundsätze
der Verbrauchsteuern. Im übrigen findet sie sich auch in der Strukturrichtlinie. Diese verwendet
nämlich die Menge als Besteuerungsgrundlage fürdie Verbrauchsteuer auf Wein und auf andere
gegorene Getränke als Wein und Bier (vgl. Artikel 9 und 13 der Strukturrichtlinie).
33.
Aufgrund all dessen ist die Klage abzuweisen.
Kosten
34.
Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der
Kosten zu verurteilen. Da die Französische Republik beantragt hat, die Kommission in die Kosten zu
verurteilen, und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind der Kommission die Kosten
aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt die Kosten des Verfahrens.
Moitinho de Almeida
Sevón
Gulmann
Puissochet
Wathelet
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 24. Februar 2000.
Der Kanzler
Der Präsident der Fünften Kammer
R. Grass
D. A. O. Edward
Verfahrenssprache: Französisch.