Urteil des EuGH vom 27.06.2002

EuGH: schutz der gewässer, verunreinigung, stickstoff, kommission, republik, ausweisung, regierung, wachstum, luxemburg, landwirtschaft

WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Sechste Kammer)
27. Juni 200
„Vertragsverletzung - Richtlinie 91/676/EWG - Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus
landwirtschaftlichen Quellen - Bestimmung der Gewässer, die von Verunreinigung betroffen sind -
Ausweisung der gefährdeten Gebiete“
In der Rechtssache C-258/00
Kommission der Europäischen Gemeinschaften,
Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Französische Republik,
und D. Colas als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
unterstützt durch
Königreich Spanien,
Luxemburg,
Streithelfer,
wegen Feststellung, dass die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie
91/676/EWG des Rates vom 12. Dezember 1991 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat
aus landwirtschaftlichen Quellen (ABl. L 375, S. 1) verstoßen hat, dass sie die Bestimmung der Gewässer, die
von Verunreinigung betroffen sind, und demzufolge die Ausweisung der entsprechenden gefährdeten
Gebiete gemäß Artikel 3 und Anhang I dieser Richtlinie nicht in angemessener Weise vorgenommen hat,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin F. Macken (Berichterstatterin), der Richterin N. Colneric und der
Richter C. Gulmann, R. Schintgen und J. N. Cunha Rodrigues,
Generalanwalt: L. A. Geelhoed
Kanzler: L. Hewlett, Verwaltungsrätin
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der Beteiligten in der Sitzung vom 4. Oktober 2001, in der die Kommission durch M. Nolin und
die Französische Republik durch D. Colas und C. Chevalier als Bevollmächtigten vertreten waren,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. November 2001,
folgendes
Urteil
1.
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 28. Juni 2000 bei der
Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 226 EG Klage erhoben auf Feststellung,
dass die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 91/676/EWG
des Rates vom 12. Dezember 1991 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus
landwirtschaftlichen Quellen (ABl. L 375, S. 1; im Folgenden: Richtlinie) verstoßen hat, dass sie die
Bestimmung der Gewässer, die von Verunreinigung betroffen sind, und demzufolge die Ausweisung
der entsprechenden gefährdeten Gebiete gemäß Artikel 3 und Anhang I dieser Richtlinie nicht in
angemessener Weise vorgenommen hat.
2.
Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 9. November 2000 ist das Königreich Spanien
als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Französischen Republik zugelassen worden.
Rechtlicher Rahmen
3.
Die Richtlinie hat gemäß Artikel 1 zum Ziel, die durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen
verursachte oder ausgelöste Gewässerverunreinigung zu verringern und weiterer
Gewässerverunreinigung dieser Art vorzubeugen.
4.
Gemäß Artikel 2 Buchstabe i der Richtlinie bedeutet „Eutrophierung“ die „Anreicherung des
Wassers mit Stickstoffverbindungen, die zu einem vermehrten Wachstum von Algen und höheren
Formen des pflanzlichen Lebens und damit zu einer unerwünschten Beeinträchtigung des biologischen
Gleichgewichts und der Qualität des betroffenen Gewässers führt“.
5.
Artikel 3 Absätze 1 und 2 der Richtlinie bestimmt:
„(1) Gewässer, die von Verunreinigung betroffen sind, und Gewässer, die von Verunreinigung
betroffen werden könnten, falls keine Maßnahmen nach Artikel 5 ergriffen werden, werden von den
Mitgliedstaaten nach den Kriterien des Anhangs I bestimmt.
(2) Die Mitgliedstaaten weisen innerhalb von zwei Jahren nach Bekanntgabe dieser Richtlinie alle in
ihrem Gebiet bekannten Flächen, die in nach Absatz 1 bestimmte Gewässer entwässern und die zur
Verunreinigung beitragen, als gefährdete Gebiete aus. Sie unterrichten die Kommission hiervon
innerhalb von sechs Monaten nach erster Ausweisung.“
6.
Gemäß Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie legen die Mitgliedstaaten „[z]ur Verwirklichung der in Artikel
1 genannten Ziele ... innerhalb von zwei Jahren nach der ersten Ausweisung der gefährdeten Gebiete
nach Artikel 3 Absatz 2 oder innerhalb eines Jahres nach jeder ergänzenden Ausweisung nach Artikel
3 Absatz 4 Aktionsprogramme für die als gefährdet ausgewiesenen Gebiete fest“.
7.
Anhang I der Richtlinie enthält Kriterien für die Bestimmung der Gewässer nach Artikel 3 Absatz 1
der Richtlinie; er sieht in Abschnitt A vor:
„Gewässer nach Artikel 3 Absatz 1 werden unter anderem nach folgenden Kriterien bestimmt:
1. wenn Binnengewässer, insbesondere solche, die zur Trinkwassergewinnung benutzt werden oder
bestimmt sind, eine höhere Nitratkonzentration als die nach der Richtlinie 75/440/EWG festgesetzte
Konzentration enthalten oder enthalten können und keine Maßnahmen im Sinne des Artikels 5
getroffen werden;
2. wenn Grundwasser mehr als 50 mg/l Nitrat enthält oder enthalten könnte und keine Maßnahmen
im Sinne des Artikels 5 getroffen werden;
3. wenn in Binnengewässern, Mündungsgewässern, Küstengewässern und in Meeren eine
Eutrophierung festgestellt wurde oder in naher Zukunft zu befürchten ist und keine Maßnahmen im
Sinne des Artikels 5 getroffen werden.“
8.
Der Runderlass des französischen Umweltministeriums vom 5. November 1992 zu der Richtlinie und
zur ersten Ausweisung gefährdeter Gebiete enthält die Anhänge 3 „Arbeitsmethode“ und 4
„Gegenwärtige Erkenntnisse über die Eutrophierung und Ausweisung gefährdeter Gebiete“.
9.
In Anhang 3 des Runderlasses vom 5. November 1992 heißt es: „[D]ie Auswertung der Daten zur
Eutrophierung der Küstengewässer und der flachen Brackwasserlagunen wird eine Vervollständigung
der ersten Gebietseinteilung ermöglichen.“
10.
In Anhang 4 des Runderlasses vom 5. November 1992 finden sich Ausführungen zu den beiden
Schlüsselbegriffen für die Bekämpfung der Eutrophierung, nämlich dem „Begrenzungsfaktor“ und dem
„Steuerungsfaktor“.
„Die Eindämmung des Phänomens [der Eutrophierung] ist eine komplexe und schwierige Aufgabe.
Zunächst ist zu berücksichtigen, dass jede der unten aufgeführten chemischen oder physikalischen
Ursachen als Anknüpfungspunkt für wirksame Maßnahmen in Betracht kommen kann. In den meisten
Fällen hat es sich jedoch als zweckmäßig erwiesen, die Maßnahmen zur Bekämpfung der
Eutrophierung auf die Nährstoffe, insbesondere auf Stickstoff [(N)] und Phosphor [(P)] zu
konzentrieren.
...
Sämtliche Nährstoffe zählen zu den Ursachen des Phänomens. Je nach ihrer relativen Häufigkeit in der
Umgebung können bestimmte Nährstoffe reichlich vorhanden sein, während andere früher oder
später fehlen werden. ... Bei dieser Betrachtungsweise stellt der Stoff, der als erster fehlen wird und
infolge der Aufnahme durch die Pflanzen in der Umgebung nicht mehr vorkommt, den
dar.
...
Für jede betroffene Art lässt sich durch einen Vergleich des arteigenen N/P-Verhältnisses und des
N/P-Verhältnisses der Umgebung ermitteln, inwieweit die Umgebung der Art Nährstoffe zur Verfügung
stellen kann und welcher der beiden Stoffe der Begrenzungsfaktor ist. Ist das N/P-Verhältnis der
Umgebung höher als im Gewebe der betreffenden Art, so bedeutet dies, dass ein
Stickstoffüberschuss herrscht und daher als erstes ein Mangel an Phosphor auftreten wird. In diesem
Fall ist Phosphor der Begrenzungsfaktor. Ist dagegen das N/P-Verhältnis in der Umgebung niedriger
als im Gewebe der betreffenden Art, so ist der Stickstoff der Faktor, der die Entwicklung der Art
begrenzt.
...
Beim handelt es sich zwar um einen der Begrenzungsfaktor, doch hat der Begriff
auch eine operative Bedeutung. Angesichts der Möglichkeiten zur Kontrolle der Nährstoffanreicherung
der Umgebung ist Steuerungsfaktor derjenige Faktor, der
.“
11.
In Anhang 4 des Runderlasses vom 5. November 1992 heißt es weiter, ein Nährstoff sei nur dann
ein Steuerungsfaktor, wenn er durch menschliche Eingriffe zur Begrenzung genutzt werden könne. Als
Beispiel werden bestimmte Cyanophyzeen (Blaualgen) genannt, für die Stickstoff der begrenzende
Nährstoff sei, deren Ausbreitung jedoch nicht durch eine Verringerung der Stickstoffeinträge
menschlichen Ursprungs kontrolliert werden könne, da die Algen an die Wasseroberfläche aufsteigen
könnten, um Stickstoff aus der Atmosphäre aufzunehmen.
12.
Anhang 4 des Runderlasses vom 5. November 1992 schließt mit den folgenden Feststellungen:
„Die gegenwärtigen Erkenntnisse, die wegen der Komplexität der zu berücksichtigenden Faktoren und
Prozesse noch ungenau und unvollständig sind, lassen die Annahme zu, dass die Eutrophierung in
flachem (Küstengewässer) und (Lagunen) mit großer
Wahrscheinlichkeit vom Stickstoff gesteuert wird. Dies trifft erwiesenermaßen bei fließendem
Brackwasser (Mündungsgewässer) und bei kalkhaltigen, fließenden oder stehenden Binnengewässern
nicht zu; hier ist vielmehr Phosphor der Steuerungsfaktor. Bei sauren, hauptsächlich stehenden
(aufgestauten) Binnengewässern und bei tiefem Brackwasser sind weitere Untersuchungen
erforderlich, um zu einer abschließenden Bewertung zu gelangen.
Steht der Stand der Eutrophierung der Gewässer aufgrund von Beobachtungen und Untersuchungen
... fest, so muss die Arbeitsgruppe anhand der oben wiedergegebenen Gesichtspunkte prüfen, in
welchen Fällen die Eutrophierung durch Stickstoff gesteuert wird. Im Anschluss daran hat sie
außerdem festzustellen, ob der Stickstoff zumindest in überwiegendem Maße aus der Landwirtschaft
stammt. Ist das der Fall, so ist gegebenfalls die Gebietseinteilung nach dem Nitratgehalt der
Gewässer zu ergänzen. Anderenfalls besteht dagegen keine Veranlassung, anhand dieses Kriteriums
ein gefährdetes Gebiet abzugrenzen.“
Vorverfahren
13.
Gemäß Artikel 12 Absatz 1 der Richtlinie hatten die Mitgliedstaaten bis spätestens 20. Dezember
1993 in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet nach Artikel 3 Absätze 1 und 2 der Richtlinie die von
Verunreinigung betroffenen Gewässer zu bestimmen und die gefährdeten Gebiete auszuweisen.
14.
Die Kommission betrachtete die Ausweisung der gefährdeten Gebiete im Fall Frankreichs als
unvollständig und forderte die Französische Republik mit Schreiben vom 25. September 1998 auf, sich
binnen zwei Monaten zu äußern.
15.
Die Kommission warf der Französischen Republik insbesondere vor, sie habe bei der Bestimmung
der von Verunreinigung betroffenen Gewässer, bei der Ausweisung der gefährdeten Gebiete und bei
der Überwachung der Nitratkonzentration der Gewässer die Artikel 3 und 6 sowie Anhang I der
Richtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt.
16.
Da die Kommission die Antwort der französischen Behörden vom 26. November 1998 für
unbefriedigend hielt, gab sie mit Schreiben vom 9. Juli 1999 eine mit Gründen versehene
Stellungnahme ab, in der sie die Französische Republik aufforderte, alle notwendigen Maßnahmen zu
ergreifen, um der Stellungnahme innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Zustellung nachzukommen.
17.
Die französischen Behörden antworteten auf die mit Gründen versehene Stellungnahme mit
Schreiben vom 16. September 1999, dem die endgültigen Ergebnisse der Überwachung der Gewässer
für den Zeitraum von September 1997 bis August 1998 beigefügt waren.
18.
Die französischen Behörden wiesen in dem Schreiben insbesondere darauf hin, dass Anhang 4 des
Runderlasses vom 5. November 1992 es den Präfekten nicht nur ermöglichen solle, ein Gebiet
aufgrund des Kriteriums der Eutrophierung auszuweisen, sondern sie dazu ausdrücklich verpflichte,
wenn erwiesen sei, dass Nitrat landwirtschaftlichen Ursprungs zu einer bereits bestehenden oder in
naher Zukunft zu befürchtenden Eutrophierung beitrage.
19.
Die Kommission war jedoch der Auffassung, dass die Französische Republik der mit Gründen
versehenen Stellungnahme nicht innerhalb der gesetzten Frist nachgekommen sei, und hat deshalb
die vorliegende Klage erhoben.
Zur Klage
20.
Die Kommission hat in ihrer Klageschrift eine Reihe von Vorwürfen gegen die Französische Republik
erhoben, die sich auf die unvollständige Bestimmung der Gewässer, bei denen eine Eutrophierung
eingetreten oder in naher Zukunft zu befürchten ist, und der Binnengewässer und der
Grundwasservorkommen, die mehr als 50 mg/l Nitrat enthalten oder enthalten könnten, sowie auf
eine dadurch bedingte unvollständige Ausweisung der gefährdeten Gebiete beziehen.
21.
Die Kommission macht insbesondere geltend, der Runderlass vom 5. November 1992 stelle keine
ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinie, vor allem des Artikels 3 und des Anhangs I dar, da die
Bestimmung eutrophierter Gewässer im Sinne der Richtlinie auf Fälle beschränkt sei, in denen der
Stickstoff überwiegend aus der Landwirtschaft stamme und der Steuerungsfaktor für die
Eutrophierung sei.
22.
Die Französische Republik habe außerdem Artikel 3 Absatz 1 und Anhang I der Richtlinie nicht
ordnungsgemäß umgesetzt, da sie es versäumt habe, die Seinebucht als eutrophiert auszuweisen
und bestimmte Gewässer im Departement Oise als Gewässer zu bestimmen, die eine höhere
Nitratkonzentration als 50 mg/l enthalten oder enthalten können.
23.
In ihrer Klagebeantwortung hat die französische Regierung angegeben, dass der Runderlass vom 5.
November 1992 durch einen Runderlass vom 24. Juli 2000 geändert worden sei, nach dem die
Verunreinigung nur in erheblichem Maße und nicht mehr in überwiegendem Maße auf Nitrat
landwirtschaftlichen Ursprungs zurückgehen müsse. Außerdem sei das Departement Oise als
gefährdetes Gebiet ausgewiesen worden.
24.
Die Kommission hat daher die Rügen fallen gelassen, die sie in der Klageschrift wegen der
Beschränkung auf Verunreinigungen, die in überwiegendem Maße durch Stickstoff
landwirtschaftlichen Ursprungs verursacht werden, und hinsichtlich der Gewässer des Departements
Oise erhoben hatte.
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
25.
Die Kommission trägt vor, das Vorgehen der Französischen Republik sei insofern nicht mit der
Richtlinie, insbesondere deren Artikel 3 und Anhang I, vereinbar, als die Bestimmung eutrophierter
Gewässer auf Gebiete beschränkt sei, in denen Stickstoff der Steuerungsfaktor der Eutrophierung sei,
d. h. konkret auf Küstengebiete und auf flaches, stehendes Brackwasser. Fließendes Brackwasser
und kalkhaltige, fließende oder stehende Binnengewässer könnten daher niemals als eutrophiert im
Sinne der Richtlinie angesehen werden, da bei diesen Gewässern nach dem Runderlass Phosphor und
nicht Stickstoff der Steuerungsfaktor sei.
26.
Nach Auffassung der Kommission spielt Stickstoff jedoch im Rahmen der Eutrophierung eine
wichtige Rolle als Nährstoff, der vorbeugend auch in den Fällen kontrolliert werden müsse, in denen
die Eutrophierung durch die gleichzeitige Anwesenheit von Phosphor ausgelöst und in ihrer Intensität
beeinflusst werde. Für die Bekämpfung der Eutrophierung müssten die entsprechenden Gewässer
nach Artikel 3 und Anhang I der Richtlinie bestimmt und Maßnahmen zur Eindämmung der
Verunreinigung durch Nitrat getroffen werden.
27.
Die Kommission macht daher geltend, die französischen Behörden hätten die von Verunreinigung
betroffenen Gewässer nicht ordnungsgemäß und vollständig bestimmt und folglich die gefährdeten
Gebiete nur unvollständig ausgewiesen.
28.
Die französische Regierung steht auf dem Standpunkt, die in dem Runderlass vom 5. November
1992 enthaltenen Anweisungen für die Anwendung des Kriteriums der Eutrophierung seien mit der
Richtlinie vereinbar.
29.
Sie definiert den Steuerungsfaktor als denjenigen Faktor, der kontrollierbar sei, während der
Begrenzungsfaktor der Faktor sei, dessen Verschwinden das Wachstum der Algen und der höheren
Formen des pflanzlichen Lebens zum Stillstand bringe.
30.
Die französische Regierung bestreitet zunächst die Behauptung der Kommission, dass der Stickstoff
stets kontrolliert werden müsse, selbst wenn die Eutrophierung durch einen anderen Faktor
ausgelöst werde. Ein Faktor wie der Stickstoff könne sich begrenzend auswirken, ohne kontrollierbar
zu sein. In solchen Fällen begründe die Richtlinie keine Verpflichtung, das entsprechende Gewässer
als eutrophiert auszuweisen.
31.
Wenn die französischen Behörden unter Berufung auf neue wissenschaftliche und technische
Erkenntnisse die Meinung verträten, Stickstoff sei nicht in allen Fällen ein Steuerungsfaktor, so
beziehe sich das auf die Tatsache, dass Stickstoff nicht notwendig ein Faktor sei, der durch
Änderungen der landwirtschaftlichen Methoden wirksam beeinflusst werden könne. In bestimmten
Fällen könne der Stickstoff aus dem Einzugsgebiet, aus Ablagerungen am Gewässergrund oder aus
der Atmosphäre stammen, so dass der Versuch einer Steuerung der Nitratmenge nicht sinnvoll sei. In
solchen Fällen müsse sich eine wirksame Politik zur Bekämpfung einer festgestellten Eutrophierung
anderer Mittel bedienen.
32.
Die französische Regierung macht zweitens geltend, das in dem Runderlass vom 5. November 1992
beschriebene Vorgehen stehe im Einklang mit Artikel 2 Buchstabe i der Richtlinie, der drei kumulative
Voraussetzungen für die Einstufung eines Gebietes als eutrophiert enthalte. Die bloße Anreicherung
eines Gewässers mit Nitrat könne daher nicht automatisch zu der Annahme führen, dass dieses
Gewässer eutrophiert oder von Eutrophierung bedroht sei.
33.
Drittens trägt die französische Regierung vor, dass die in der Richtlinie enthaltenen Regeln nicht
auf alle eutrophierten oder von Eutrophierung bedrohten Gewässer angewandt werden müssten,
sondern nur auf solche Gewässer, bei denen eine Eutrophierung bestehe oder zu befürchten sei,
wenn die in Artikel 5 der Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen nicht getroffen würden. Die
Mitgliedstaaten hätten also diejenigen eutrophierten Gewässer auszuwählen, deren Qualität durch
eine Steuerung der Verunreinigung durch Nitrat landwirtschaftlichen Ursprungs verbessert werden
könne.
34.
Die Auffassung der Kommission, wonach Nitrat in jedem Fall aus Gründen der Vorbeugung als
Zeichen einer Eutrophierung im Sinne der Richtlinie anzusehen sei, habe außerdem zur Folge, dass
mehrere Bestimmungen der Richtlinie ihre praktische Wirksamkeit verlören. Nach der Richtlinie seien
nämlich eutrophierte Gewässer nur dann als verunreinigte Gewässer zu bestimmen, wenn eine
Steuerung der Nitratbelastung durch Maßnahmen im Bereich der Landwirtschaft in Betracht komme;
die Ausweisung des gesamten Hoheitsgebiets als gefährdetes Gebiet stelle nur eine Möglichkeit dar.
Der Ansatz der Kommission führe zwangsläufig dazu, sämtliche Gewässer, die Nitrat - auch in
vertretbarer Konzentration - enthielten, und damit praktisch alle Gewässer der Gemeinschaft als
verunreinigt anzusehen.
35.
Die spanische Regierung trägt in ihrem Streithilfeschriftsatz vor, ein Programm zur Verringerung der
Stickstoffeinträge landwirtschaftlichen Ursprungs, wie es in der Richtlinie vorgeschrieben sei, könne
die Eutrophierung der Gewässer nur dann beeinflussen und sei folglich auch nur dann von Interesse,
wenn zwei Voraussetzungen gegeben seien. Zum einen müsse die primäre Erzeugung der Ökosysteme
der betreffenden Gewässer durch die verfügbare Stickstoffmenge begrenzt sein. Zum anderen müsse
es möglich sein, durch die Anwendung des Programms den Stickstoffgehalt zu senken.
36.
Daher seien nur diejenigen Gewässer im Sinne der Richtlinie als von Verunreinigung betroffen
anzusehen, bei denen die Erzeugung von Phytoplankton durch den Stickstoff begrenzt sei und bei
denen die Möglichkeit bestehe, den Stickstoffgehalt durch Maßnahmen im Bereich der Landwirtschaft
zu senken.
37.
Die spanische Regierung macht weiter geltend, es sei wissenschaftlich erwiesen, dass bei der
Mehrzahl der Ökosysteme der Schelfmeere die primäre Erzeugung von Phytoplankton und damit
letztlich die Eutrophierung nicht durch die verfügbare Stickstoffmenge, sondern durch die
Phosphormenge begrenzt werde.
38.
Die Kommission wendet ein, diese Behauptung werde durch keine wissenschaftliche Untersuchung
gestützt. Sie beruft sich auf mehrere in der Klageschrift und in der Erwiderung aufgeführte
Untersuchungen, um darzutun, dass die Eutrophierung auf das Zusammentreffen von Stickstoff- und
Phosphoreinträgen zurückzuführen sei und Stickstoffeinträge daher im Zusammenhang mit der
Eutrophierung der Meere nicht außer Acht gelassen werden dürften.
Würdigung durch den Gerichtshof
39.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie nach ihrer sechsten Begründungserwägung
sowie nach Artikel 1 das Ziel verfolgt, zum Schutz der menschlichen Gesundheit, der lebenden
Ressourcen und der Ökosysteme der Gewässer sowie zur Sicherung sonstiger rechtmäßiger
Nutzungen der Gewässer die durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen verursachte oder
ausgelöste Gewässerverunreinigung zu verringern und weiterer Gewässerverunreinigung dieser Art
vorzubeugen.
40.
In der neunten Begründungserwägung der Richtlinie heißt es, dass für bestimmte Einzugsgebiete
von Gewässern, die von der Verschmutzung durch Stickstoffverbindungen bedroht sind, ein
besonderer Schutz vorzusehen ist.
41.
Außerdem ergibt sich aus den Artikeln 3 Absätze 1 und 2 sowie 5 der Richtlinie in Verbindung mit
deren Anhang I Abschnitt A Nummern 1 und 2, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind,
- nicht nur diejenigen Gewässer, die Wasser zum menschlichen Gebrauch enthalten, sondern
(i) alle Binnengewässer, die eine höhere Nitratkonzentration als die nach der Richtlinie
75/440/EWG festgesetzte Konzentration enthalten oder enthalten können, und
(ii) Grundwasser, das mehr als 50 mg/l Nitrat enthält oder enthalten könnte,
als Gewässer zu bestimmen, die von Verunreinigung betroffen sind oder betroffen werden könnten,
falls keine Maßnahmen nach Artikel 5 der Richtlinie getroffen werden;
- bis spätestens 20. Dezember 1993 alle in ihrem Gebiet bekannten Flächen, die in von
Verunreinigung betroffene, nach Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie bestimmte Gewässer entwässern, als
gefährdete Gebiete auszuweisen, und
- bis spätestens 20. Dezember 1995 für die nach Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie als gefährdet
ausgewiesenen Gebiete Aktionsprogramme zur Verringerung der Gewässerverunreinigung durch Nitrat
und zur Verbesserung der Gewässerqualität festzulegen.
42.
Die von Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie erfassten Gewässer, die von Verunreinigung betroffen sind
oder betroffen werden könnten, werden u. a. nach den Kriterien in Anhang I Abschnitt A der Richtlinie
bestimmt. Eines dieser Kriterien bezieht sich auf eine Eutrophierung, die bereits festgestellt wurde
oder in naher Zukunft zu befürchten ist, falls keine Maßnahmen nach Artikel 5 der Richtlinie getroffen
werden.
43.
Im vorliegenden Fall folgert die französische Regierung aus der Definition der Eutrophierung in
Artikel 2 Buchstabe i der Richtlinie, dass die Anreicherung der Oberflächengewässer mit Nitrat für sich
allein nicht ausreiche, um die Gewässer als eutrophiert im Sinne der Richtlinie anzusehen.
44.
Außerdem ergebe sich aus dem Runderlass vom 5. November 1992, dass eine Eutrophierung bei
bestimmten Arten von Gewässern wie insbesondere fließendem Brackwasser und kalkhaltigen,
stehenden oder fließenden Binnengewässern nicht durch eine Verringerung der Stickstoffmenge
bekämpft werden könne, da in diesen Fällen Phosphor als der Steuerungsfaktor der Eutrophierung
anzusehen sei.
45.
Ohne dass es einer Auseinandersetzung mit den zahlreichen wissenschaftlichen Berichten und
Untersuchungen bedürfte, die in diesem Verfahren angeführt worden sind, kann festgestellt werden,
dass es sich nicht mit der Systematik und Zielsetzung der Richtlinie vereinbaren lässt, wenn deren
Anwendungsbereich durch den Ausschluss bestimmter Arten von Gewässern beschränkt wird, weil bei
der Verunreinigung dieser Gewässer angeblich Phosphor eine wichtige Rolle spielt.
46.
Die Vorgehensweise der Französischen Republik führt dazu, dass ein erheblicher Teil der
Binnengewässer, der brackwasserhaltigen Mündungsgewässer und der Küstengewässer selbst dann
nicht als eutrophiert ausgewiesen werden könnte, wenn tatsächlich eine Verunreinigung durch
Stickstoff aus landwirtschaftlichen Quellen besteht oder zu befürchten ist.
47.
Die zuständigen Behörden werden in dem Runderlass vom 5. November 1992 nämlich aufgefordert,
die „Ausführungen in Anhang 4“ zu berücksichtigen, in dem darauf hingewiesen wird - wie in
Randnummer 12 des vorliegenden Urteils wiedergegeben -, dass Stickstoff bei fließendem
Brackwasser, insbesondere in Mündungsgewässern, und bei kalkhaltigen, stehenden oder fließenden
Binnengewässern nicht als Steuerungsfaktor anzusehen ist.
48.
Die Möglichkeit, dass wichtige Arten von Gewässern selbst dann nicht als eutrophiert ausgewiesen
werden, wenn tatsächlich eine Verunreinigung durch Stickstoff aus landwirtschaftlichen Quellen
besteht oder zu befürchten ist, ist offensichtlich unvereinbar mit der Richtlinie, die die Mitgliedstaaten
verpflichtet, die Gewässer zu bestimmen, die von Verunreinigung betroffen sind oder betroffen werden
könnten, und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, mit denen die durch Nitrat aus landwirtschaftlichen
Quellen verursachte oder ausgelöste Gewässerverunreinigung verringert und weiterer
Gewässerverunreinigung dieser Art vorgebeugt wird.
49.
In dem Runderlass vom 5. November 1992 heißt es zwar, dass das übermäßige Wachstum einer
Pflanzenart in einem Gewässer von verschiedenen chemischen, physikalischen oder ökologischen
Faktoren abhängen könne. Dazu wird ausgeführt: „[I]n dem Stadium, in dem man von
sprechen kann ... stellt sich das übermäßige Wachstum von Wasserpflanzen als Ergebnis eines
komplexen und subtilen Zusammenwirkens unterschiedlicher und veränderlicher Faktoren dar. Die
Ermittlung der Ursachen des Auftretens, der Art, der Intensität und der Häufigkeit des Phänomens ist
gerade wegen der Komplexität und Subtilität dieses Zusammenspiels außerordentlich schwierig.“
50.
Angesichts dieser Komplexität und der Tatsache, dass die einschlägigen Erkenntnisse - wie es in
dem Runderlass vom 5. November 1992 heißt - noch ungenau und unvollständig sind, lässt es sich
jedoch nicht mit der Systematik und dem Zweck der Richtlinie vereinbaren, wichtige Arten von
Gewässern wie die in dem Runderlass genannten von vornherein vom Anwendungsbereich
auszuschließen. Unabhängig von der Rolle, die dem Phosphor bei der Eutrophierung möglicherweise
zukommt, können in solchen Gewässern Pflanzenarten auftreten, deren Wachstum durch Stickstoff
beschleunigt wird, was zu einer Störung des Gleichgewichts der in den Gewässern vorhandenen
Organismen führt.
51.
Da außerdem die Verpflichtungen aus Artikel 3 Absätze 1 und 2 der Richtlinie ihrem Wesen nach
miteinander zusammenhängen, hätte eine zu enge Bestimmung der Gewässer, die von Verunreinigung
betroffen sind oder betroffen werden könnten, im Rahmen von Artikel 3 Absatz 1 eine nur
unvollständige Ausweisung der gefährdeten Gebiete nach Artikel 3 Absatz 2 zur Folge.
52.
Bei der Methode, nach der die französischen Behörden die Gewässer bestimmen, die von
Verunreinigung betroffen sind oder betroffen werden könnten, besteht nämlich die Möglichkeit, dass
bestimmte Gewässer mit hohem Stickstoffgehalt von der Richtlinie nicht erfasst werden, so dass die
Einzugsgebiete dieser Gewässer nicht nach Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie als gefährdete Gebiete
ausgewiesen werden und somit auch nicht in ein Aktionsprogramm nach Artikel 5 aufgenommen
werden müssen.
53.
Zwar haben die Mitgliedstaaten bei der Bestimmung der Gewässer im Sinne des Artikels 3 Absatz 1
der Richtlinie wegen der Komplexität der Prüfungen, die sie in diesem Zusammenhang vorzunehmen
haben, einen weiten Ermessensspielraum (vgl. Urteil vom 29. April 1999 in der Rechtssache C-293/97,
Standley u. a., Slg. 1999, I-2603, Randnrn. 37 und 39), doch müssen sie bei dieser Bestimmung dem
Zweck der Richtlinie Rechnung tragen, der in der Verringerung der Verunreinigung der Gewässer
durch Nitrat landwirtschaftlichen Ursprungs besteht.
54.
Die Ausübung dieses Ermessens darf daher nicht - wie im vorliegenden Fall - dazu führen, dass ein
erheblicher Teil der stickstoffbelasteten Gewässer nicht von der Richtlinie erfasst wird.
Vorbringen der Parteien
55.
Die Kommission macht geltend, die Französische Republik habe gegen Artikel 3 Absatz 1 in
Verbindung mit Anhang I Abschnitt A Nummer 3 der Richtlinie verstoßen, indem sie es versäumt habe,
die Gewässer der Seinebucht als eutrophiert im Sinne der Richtlinie zu bestimmen.
56.
Die Kommission verweist dabei insbesondere auf den Leitplan für die Wasserbewirtschaftung und -
verwaltung im Seine-Normandie-Becken, nach dem sich die Ausbreitung des giftigen Phytoplanktons
Dinophysis zwischen Courseulles und Dieppe seit einigen Jahren zu verstärken scheine und die
Nährstoffzufuhr durch die Seine und die Wasserläufe offenbar eine wesentliche Rolle bei dem
Auftreten des Phänomens spiele.
57.
Außerdem sei einem wissenschaftlichen Bericht von 1996 mit dem Titel „Die Nitrat- und
Phosphateinträge in der Seinebucht - Entwicklung der Meeresverschmutzung“ zu entnehmen, dass die
Zunahme der Einträge landwirtschaftlichen Ursprungs in der Seinebucht wahrscheinlich zu der
verstärkten Stickstoffzufuhr beitrage, die primäre Erzeugung erhöhe und eine Eutrophierung
verursache.
58.
Nach Auffassung der Kommission ist die Seinebucht von dem Phänomen der Eutrophierung des
östlichen Teils der Nordsee betroffen, der sich von Nordfrankreich bis nach Norwegen erstrecke.
59.
Die französische Regierung macht geltend, die Gewässer der Seinebucht seien im Sinne der
Richtlinie nicht eutrophiert.
60.
Unter Berufung auf die Definition der Eutrophierung in Artikel 2 Buchstabe i der Richtlinie trägt sie
vor, in der Seinebucht bestehe unbestreitbar eine „Anreicherung ... mit Stickstoffverbindungen“. Ob
diese ausreiche, um ein „vermehrtes Wachstum von Algen und höheren Formen des pflanzlichen
Lebens“ zu verursachen, sei schon zweifelhaft, doch dass sie zu einer „unerwünschten
Beeinträchtigung des biologischen Gleichgewichts und der Qualität der betroffenen Gewässer“ führe,
habe die Kommission jedenfalls nicht bewiesen.
61.
Weder in der Seinebucht noch im Küstengebiet der unteren Normandie seien Phänomene wie
Makroalgen, grüne Fluten oder Sauerstoffmangel wegen übermäßiger Phytoplanktonmengen
aufgetreten. Die Seinebucht weise starke Gezeitenströme auf, die ein erhebliches Absinken des
Sauerstoffgehalts in den tieferen Gewässern der Bucht verhinderten, so dass das natürliche
Gleichgewicht der Meeresorganismen nicht beeinträchtigt werde. Das zeitweise Auftreten von
planktonischen Mikroalgen aus der Gruppe der Dinophyzeen sei nicht bedeutend genug, um die
Meeresorganismen zu beeinträchtigen; es werde eher durch die vertikale Schichtung bestimmter
Küstengewässer als durch die Entwicklung der Stickstoffmenge im Wasser verursacht.
62.
Die bloße Tatsache, dass in der Seinebucht unbestreitbar hinreichende Nitratmengen vorhanden
seien, um eine mögliche Eutrophierung zu unterstützen, widerlegt nach Auffassung der französischen
Regierung nicht schon ihre Feststellung, dass dieses Gebiet nicht im Sinne der Richtlinie eutrophiert
sei.
63.
Dass die Seinebucht nicht als verunreinigt bezeichnet worden sei, habe jedenfalls keine Auswirkung
auf den nächsten Verfahrensschritt, nämlich die Ausweisung gefährdeter Gebiete gehabt, da
praktisch sämtliche Einzugsgebiete des Seinebeckens unabhängig davon als gefährdete Gebiete
ausgewiesen worden seien.
Würdigung durch den Gerichtshof
64.
Zunächst ist festzustellen, dass die französische Regierung in ihren beim Gerichtshof eingereichten
Schriftsätzen eine Anreicherung mit Stickstoffverbindungen, deren landwirtschaftlichen Ursprung sie
nicht in Abrede stellt, und ein vermehrtes Wachstum der Algen und höheren Formen pflanzlichen
Lebens in der Seinebucht einräumt. Wie sie weiter einräumt, ist nicht ausgeschlossen, dass das
Fortbestehen bestimmter Phänomene, die als Beeinträchtigungen des biologischen Gleichgewichts
und der Qualität der Gewässer angesehen werden können, dafür spricht, dass die Seinebucht einige
Kriterien der Eutrophierung erfüllt.
65.
Die französische Regierung vertritt dennoch die Auffassung, dass dieses Gebiet bei Anwendung der
maßgeblichen objektiven wissenschaftlichen Kriterien nicht im Sinne der Richtlinie als eutrophiert zu
bestimmen gewesen sei.
66.
Wie in den Randnummern 45 bis 54 des vorliegenden Urteils ausgeführt, ist jedoch die Auslegung
des Begriffes der Eutrophierung durch die französischen Behörden und die Methode, nach der diese
die von Verunreinigung betroffenen Gewässer bestimmen, zu eng und folglich nicht mit der Richtlinie
vereinbar.
67.
Auch wenn das Phänomen der Eutrophierung in der Seinebucht selbst nicht auftritt, ändert das im
Übrigen nichts daran, dass dieses Gebiet von der Eutrophierung der Nordsee betroffen ist, die nach
der vierten Begründungserwägung der Richtlinie ein besonders schutzwürdiges Gebiet darstellt.
68.
Wie aus der mit Gründen versehenen Stellungnahme hervorgeht, ist die Eutrophierung des
östlichen Teils der Nordsee, der von Nordfrankreich bis nach Norwegen reicht, auf die Eintragung von
Nährstoffen, insbesondere Stickstoff, aus sämtlichen Einzugsgebieten der Nordsee und des östlichen
Ärmelkanals zurückzuführen. Dabei entfällt allein auf die Seine eine jährliche Zufuhr von 100 000 t
Stickstoff, der zu zwei Dritteln landwirtschaftlichen Ursprungs ist, wobei die jährliche Zufuhr über den
Ärmelkanal in die Nordsee 400 000 t beträgt.
69.
Es ist unstreitig, dass die Gewässer der Seinebucht einen hohen Nitratgehalt aufweisen und dass
Stickstoff im Salzwasser der Nordsee den wichtigsten Begrenzungsfaktor für das Wachstum von Algen
und höheren Formen des pflanzlichen Lebens bildet.
70.
Damit ist festzustellen, dass die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der
Richtlinie verstoßen hat, dass sie die Bestimmung der Gewässer, die von Verunreinigung betroffen
sind, und demzufolge die Ausweisung der entsprechenden gefährdeten Gebiete gemäß Artikel 3 und
Anhang I der Richtlinie nicht in angemessener Weise vorgenommen hat.
Kosten
71.
Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der
Kosten zu verurteilen. Da die Französische Republik mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr dem
Antrag der Kommission entsprechend die Kosten aufzuerlegen. Nach Artikel 69 § 4 Absatz 1 der
Verfahrensordnung trägt das Königreich Spanien, das dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten
ist, seine eigenen Kosten.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Französische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie
91/676/EWG des Rates vom 12. Dezember 1991 zum Schutz der Gewässer vor
Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen verstoßen, dass sie die
Bestimmung der Gewässer, die von Verunreinigung betroffen sind, und demzufolge die
Ausweisung der entsprechenden gefährdeten Gebiete gemäß Artikel 3 und Anhang I
dieser Richtlinie nicht in angemessener Weise vorgenommen hat.
2. Die Französische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Königreich Spanien trägt seine eigenen Kosten.
Macken
Colneric
Gulmann
Schintgen
Cunha Rodrigues
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 27. Juni 2002.
Der Kanzler
Die Präsidentin der Sechsten Kammer
R. Grass
F. Macken
Verfahrenssprache: Französisch.