Urteil des EuGH vom 01.04.2004

EuGH: verordnung, ablauf der frist, kommission, nichteinhaltung der frist, abgabe, behörde, daten, milchabnehmer, form, sanktion

WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Sechste Kammer)
1. April 2004
„Landwirtschaft – Zusatzabgabe auf Milch – Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 536/93 – Jährliche
Abrechnung der an den Abnehmer gelieferten Milchmengen – Übermittlungsfrist – Art der Frist –
Strafbeträge“
In der Rechtssache C-1/02
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Finanzgericht Düsseldorf (Deutschland) in dem bei
diesem anhängigen Rechtsstreit
Privat-Molkerei Borgmann GmbH & Co. KG
gegen
Hauptzollamt Dortmund
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Gültigkeit des Artikels 3 Absatz 2 Unterabsatz 2 der
Verordnung (EWG) Nr. 536/93 der Kommission vom 9. März 1993 mit Durchführungsbestimmungen zur
Zusatzabgabe im Milchsektor (ABl. L 57, S. 12) in der sich aus der Verordnung (EG) Nr. 1001/98 der
Kommission vom 13. Mai 1998 (ABl. L 142, S. 22) ergebenden Fassung
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Sechsten
Kammer, der Richter C. Gulmann, J.-P. Puissochet und R. Schintgen sowie der Richterin N. Colneric
(Berichterstatterin),
Generalanwalt: A. Tizzano,
Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler,
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
der Privat-Molkerei Borgmann GmbH & Co. KG, vertreten durch Rechtsanwalt S. Büscher,
der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und A. Colomb als Bevollmächtigte,
der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Niejahr als Bevollmächtigten,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Privat-Molkerei Borgmann GmbH & Co. KG und der
Kommission in der Sitzung vom 9. April 2003,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 3. Juli 2003,
folgendes
Urteil
1
Das Finanzgericht Düsseldorf hat mit Beschluss vom 19. Dezember 2001, beim Gerichtshof eingegangen am
7. Januar 2002, gemäß Artikel 234 EG eine Frage nach der Gültigkeit des Artikels 3 Absatz 2 Unterabsatz 2
der Verordnung (EWG) Nr. 536/93 der Kommission vom 9. März 1993 mit Durchführungsbestimmungen zur
Zusatzabgabe im Milchsektor (ABl. L 57, S. 12) in der sich aus der Verordnung (EG) Nr. 1001/98 der
Kommission vom 13. Mai 1998 (ABl. L 142, S. 22) ergebenden Fassung zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2
Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen der Privat‑Molkerei Borgmann GmbH & Co. KG (im
Folgenden: Molkerei Borgmann) und dem Hauptzollamt Dortmund (zuständig seit dem 1. Januar 2002
anstelle des ursprünglich zuständigen Hauptzollamts Bochum, im Folgenden ohne Unterscheidung: HZA)
wegen eines Strafbetrags, den das HZA aufgrund der angeblichen Nichteinhaltung der in Artikel 3 Absatz 2
Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 536/93 festgesetzten Frist für die Übermittlung der dort genannten
Angaben gegen die Molkerei Borgmann verhängt hat.
Rechtlicher Rahmen
3
Die Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 des Rates vom 28. Dezember 1992 über die Erhebung einer
Zusatzabgabe im Milchsektor (ABl. L 405, S. 1) hat die seit 2. April 1984 geltende Abgabenregelung für
weitere sieben Zwölfmonatszeiträume ab 1. April 1993 verlängert und Grundregeln für die verlängerte
Regelung festgelegt. Nach Artikel 2 Absatz 1 Unterabsatz 1 dieser Verordnung wird die Abgabe auf alle
Milch- oder Milchäquivalenzmengen erhoben, die in dem betreffenden Zwölfmonatszeitraum vermarktet
werden und die eine der beiden in Artikel 3 für Lieferungen und Direktverkäufe genannten Mengen
überschreiten. Sie wird auf die Erzeuger verteilt, die zur Mengenüberschreitung beigetragen haben.
4
In der achten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 3950/92 wird festgestellt, dass der Abnehmer als
der Abgabepflichtige zu bestimmen ist, damit es nicht zu Verzögerungen bei der Erhebung und Zahlung der
Abgabe kommt. Nach Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 3950/92 obliegt es dem
Abnehmer, den fälligen Betrag bis zu einem bestimmten Zeitpunkt und nach festzulegenden Bedingungen
an die zuständige Stelle des jeweiligen Mitgliedstaats zu entrichten; er behält den Betrag bei der Zahlung
des Milchpreises an die die Abgabe schuldenden Erzeuger ein bzw. erhebt ihn auf andere geeignete Weise.
5
Unter anderem auf Grundlage von Artikel 11 der Verordnung Nr. 3950/92 erließ die Kommission der
Europäischen Gemeinschaften die Verordnung Nr. 536/93. Gemäß Artikel 3 Absatz 4 dieser Verordnung
oblag es dem abgabenpflichtigen Abnehmer, den geschuldeten Betrag vor dem 1. September jedes Jahres
nach den vom Mitgliedstaat festgelegten Modalitäten zu zahlen. Außerdem war der Abnehmer nach Artikel 3
Absatz 2 unter Androhung von Strafbeträgen verpflichtet, der zuständigen Behörde vor dem 15. Mai jedes
Jahres die erforderlichen Daten zu übermitteln.
6
Die fünfte Begründungserwägung der Verordnung Nr. 536/93 hat folgenden Wortlaut:
„Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Regelung infolge erheblicher Verzögerungen bei der Übermittlung der
Zahlen über die Lieferungen oder Direktverkäufe sowie bei der Zahlung der Abgabe nicht voll wirksam sein
konnte. Daraus sind die erforderlichen Folgerungen zu ziehen, indem strenge Anforderungen in Form von
Übermittlungs- und Zahlungsfristen gestellt werden, die mit Strafmaßnahmen bewehrt sein müssen.“
7
In seiner ursprünglichen Fassung lautete Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 536/93 wie folgt:
„Vor dem 15. Mai jedes Jahres übermittelt der Abnehmer der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats eine
Aufstellung der Abrechnungen für jeden Erzeuger bzw. unterrichtet sie aufgrund eines entsprechenden
Beschlusses des Mitgliedstaats über die Gesamtmenge, die gemäß Artikel 2 Absatz 2 berichtigte Menge und
den Durchschnittsfettgehalt der Milch und/oder des Milchäquivalents, die bzw. das ihm von Erzeugern
geliefert worden ist, sowie über die Summe der einzelbetrieblichen Referenzmengen und den jeweils für
diese Erzeuger ermittelten repräsentativen Durchschnittsfettgehalt.
Bei Nichteinhaltung der Frist muss der Abnehmer einen Strafbetrag zahlen, der der Abgabe entspricht, die
bei einer Überschreitung in Höhe von 0,1 % der ihm von den Erzeugern gelieferten Milch- oder
Milchäquivalentmengen zu entrichten ist. Dieser Strafbetrag darf 20 000 ECU nicht überschreiten.“
8
In seinem Urteil vom 6. Juli 2000 in der Rechtssache C‑356/97 (Molkereigenossenschaft Wiedergeltingen, Slg.
2000, I‑5461) entschied der Gerichtshof, dass Artikel 3 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 536/93 in
seiner ursprünglichen Fassung insoweit ungültig ist, als er bei Nichtbeachtung der in Artikel 3 Absatz 2
Unterabsatz 1 genannten Frist die Verhängung einer finanziellen Sanktion gegen den Abnehmer vorschreibt,
ohne dass dabei das Ausmaß der Fristüberschreitung berücksichtigt werden kann.
9
Bereits vor Erlass dieses Urteils hatte die Kommission die Verordnung Nr. 1001/98 erlassen, nach der
Artikel 3 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 536/93 folgende Fassung erhielt:
„Der vom Abnehmer im Fall einer Fristüberschreitung zu zahlende Strafbetrag wird wie folgt berechnet:
Erfolgt die im ersten Unterabsatz genannte Mitteilung vor dem 1. Juni, entspricht er der Abgabe, die
bei einer Überschreitung der ihm von den Erzeugern gelieferten Milch- und Milchäquivalentmengen um
0,1 % zu entrichten ist. Dieser Strafbetrag beträgt mindestens 500 und höchstens 20 000 ECU;
erfolgt die im ersten Unterabsatz genannte Mitteilung nach dem 31. Mai und vor dem 16. Juni,
entspricht er der Abgabe, die bei einer Überschreitung der ihm von den Erzeugern gelieferten Milch-
und Milchäquivalentmengen um 0,2 % zu entrichten ist. Dieser Strafbetrag beträgt mindestens 1 000
und höchstens 40 000 ECU;
erfolgt die im ersten Unterabsatz genannte Mitteilung nach dem 15. Juni und vor dem 1. Juli, entspricht
er der Abgabe, die bei einer Überschreitung der ihm von den Erzeugern gelieferten Milch- und
Milchäquivalentmengen um 0,3 % zu entrichten ist. Dieser Strafbetrag beträgt mindestens 1 500 und
höchstens 60 000 ECU;
erfolgt die im ersten Unterabsatz genannte Mitteilung nicht bis zum 1. Juli, entspricht er dem unter
dem dritten Gedankenstrich genannten und, für jeden Tag der Verspätung im Juli, um 3 % erhöhten
Betrag. Dieser Strafbetrag beläuft sich auf höchstens 100 000 ECU.
Werden jedoch dem Abnehmer je Zwölfmonatszeitraum weniger als 100 000 kg geliefert, verringern sich die
unter den drei ersten Gedankenstrichen genannten Mindeststrafen auf 100, 200 bzw. 300 ECU.“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
10
Die Molkerei Borgmann ist eine private Molkerei. Mit Schreiben vom 10. April 2000 forderte das HZA sie auf,
ihm bis zum 14. Mai 2000 die in Artikel 3 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 536/93 und in § 11
Absatz 3 der deutschen Milchmengen-Garantie-Verordnung (MGV) vorgesehene Mitteilung für den
Zwölfmonatszeitraum 1. April 1999 bis 31. März 2000 mittels der dem Schreiben beigefügten Vordrucke zu
übersenden, und wies sie auf die für den Fall der Nichteinhaltung dieser Frist angedrohten finanziellen
Sanktionen hin.
11
Die auf den 11. Mai 2000 datierte und laut eidesstattlicher Erklärung der beteiligten Mitarbeiter noch am
selben Tag zur Post gegebene Mitteilung der Molkerei Borgmann ging jedoch erst am 16. Mai 2000 beim HZA
ein.
12
Gestützt auf Artikel 3 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 536/93 in der durch die Verordnung Nr.
1001/98 geänderten Fassung setzte das HZA daraufhin mit Bescheid vom 29. Mai 2000 eine finanzielle
Sanktion gegen die Molkerei Borgmann in Höhe von 39 311,60 DM (20 000,00 ECU) wegen verspäteter
Übermittlung der Mitteilung fest.
13
Zur Begründung führte es aus, dass aufgrund der Nichteinhaltung der Abgabefrist ein Strafbetrag zu
erheben sei, der der Abgabe für eine Überschreitung der dem Abnehmer/Käufer im betreffenden
Zwölfmonatszeitraum tatsächlich angelieferten Menge um 0,1 % entspreche. Dieser Strafbetrag dürfe 500
ECU nicht unter- und 20 000 ECU nicht überschreiten. In Anbetracht der Angaben der Molkerei Borgmann zur
angelieferten Milchmenge wäre ein Strafbetrag in Höhe von 55 985,36 DM zu erheben gewesen, der wegen
des Höchstbetrags von 20 000 ECU auf 39 311,60 DM ermäßigt worden sei.
14
Das HZA wies den Einspruch der Molkerei Borgmann gegen die Entscheidung vom 29. Mai 2000 mit
Entscheidung vom 9. Juli 2001 zurück. Am 13. Juli 2001 erhob die Molkerei Borgmann Klage beim
Finanzgericht Düsseldorf.
15
Gestützt auf das Urteil Molkereigenossenschaft Wiedergeltingen, in dem der Gerichtshof Artikel 3 Absatz 2
Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 536/93 wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
für ungültig erklärt hat, äußert das Finanzgericht Zweifel an der Rechtmäßigkeit der durch die Verordnung
Nr. 1001/98 eingeführten und ihm zufolge im Ausgangsverfahren anwendbaren Strafbetragsregelung. Das
Finanzgericht hält sie ebenfalls für unverhältnismäßig. Sie stelle für den Milchabnehmer gegenüber der
früheren, vom Gerichtshof für ungültig erklärten Regelung sogar eine Verschlechterung dar. Für denjenigen
Abnehmer von Milch, der die Frist für die Abgabe der Mitteilung nur geringfügig überschreite, sehe die
Regelung immer noch einen Strafbetrag von bis zu 20 000 ECU vor. Für denjenigen Abnehmer, der seine
Mitteilung erst nach dem 31. Mai abgebe, erhöhe sich der Strafbetrag sogar fühlbar gegenüber der für
unwirksam erklärten Regelung.
16
Nach Auffassung des Finanzgerichts ist zumindest der im Fall der Molkerei Borgmann gebildete Zeitraum vom
15. Mai bis 1. Juni zu weit gefasst. Er sei insofern unverhältnismäßig, als er auch dann zur Verhängung des
vollen Strafbetrags führen könne, wenn die Frist nur um einen Tag überschritten werde, ohne dass
erkennbar sei, dass sich die Überschreitung ernsthaft auf die Zahlung der Abgabe durch den Abnehmer vor
dem 1. September nach Artikel 3 Absatz 4 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 536/93 ausgewirkt habe. Damit
stünden die für den Abnehmer von Milch mit der (vollen) Strafbetragszahlung verbundenen Nachteile
erkennbar außer Verhältnis zu dem mit der Regelung verfolgten Ziel.
17
Das vorlegende Gericht führt außerdem weitere Gründe für die Unverhältnismäßigkeit der in Rede stehenden
Strafbetragsregelung an.
18
Aus diesen Gründen hat das Finanzgericht Düsseldorf das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof
folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Verstößt die Strafbetragsregelung in Artikel 3 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 536/93 in der
Fassung aufgrund der Verordnung Nr. 1001/98 in Fällen, in denen nur eine geringfügige Fristüberschreitung
vorliegt, die zudem noch unverschuldet herbeigeführt worden ist, gegen den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit?
Zur Vorlagefrage
19
Um zu einer Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu gelangen, die für das nationale Gericht von Nutzen ist,
ist zu bemerken, dass die Vorlagefrage u. a. auf der Prämisse beruht, dass die Molkerei Borgmann im
Ausgangsverfahren die in Artikel 3 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 536/93 vorgesehene Frist
nicht eingehalten hat.
20
Diese Prämisse impliziert, dass es sich dabei um eine Frist für den Eingang und nicht um eine für die
Absendung der verlangten Angaben handelt. Im ersten Fall müssen diese vor dem 15. Mai bei der
zuständigen Behörde eingehen. Im zweiten Fall müssen sie vor diesem Tag abgesendet worden sein.
21
Daher ist zunächst die Art der fraglichen Frist zu bestimmen, da sich die Frage einer eventuellen Verletzung
des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Fall einer geringfügigen Fristüberschreitung angesichts der
Umstände des Ausgangsverfahrens nur dann stellt, wenn es sich bei der vorgesehenen Frist um eine
Zugangsfrist handelt.
22
Der Wortlaut der verschiedenen Sprachfassungen von Artikel 3 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr.
536/93 bietet keine eindeutigen Anhaltspunkte für eine der beiden Auslegungen der Fristbestimmung.
23
Wie der Generalanwalt in Nummer 44 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist in den meisten
Sprachfassungen davon die Rede, dass der Abnehmer der zuständigen nationalen Behörde die
Aufstellungen über die Abrechnungen für jeden Milcherzeuger vor dem 15. Mai jedes Jahres „übermittelt“
oder sie darüber „unterrichtet“. Solche Formulierungen deuten eher darauf hin, dass die Daten vor Ablauf
der Frist abgesendet werden müssen.
24
Die griechische („κοινοποιεί“), die niederländische („bezorgt“) und die finnische („antaa tiedoksi“) Fassung
der fraglichen Bestimmung sprechen jedoch eher dafür, dass die Daten vor Ablauf der Frist zugegangen sein
müssen.
25
Weichen die verschiedenen Sprachfassungen eines Gemeinschaftstextes voneinander ab, so muss die
fragliche Vorschrift nach dem Zusammenhang und dem Zweck der Regelung ausgelegt werden, zu der sie
gehört (vgl. Urteil vom 9. März 2000 in der Rechtssache C‑437/97, EKW und Wein & Co., Slg. 2000, I‑1157,
Randnr. 42).
26
In dieser Hinsicht ergibt sich aus der fünften Begründungserwägung der Verordnung Nr. 536/93, dass diese
bezweckt, strenge Anforderungen in Form von Übermittlungs- und Zahlungsfristen zu stellen.
27
Auch wenn die Beachtung des Termins 15. Mai erforderlich ist, um das ordnungsgemäße Funktionieren der
Regelung sicherzustellen, damit die rechtzeitige Zahlung der geschuldeten Beträge gewährleistet ist, darf
daraus jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass die Einhaltung dieses Termins für das
ordnungsgemäße Funktionieren der Regelung absolut unabdingbar ist, denn eine geringfügige
Fristüberschreitung würde die Zahlung der Zusatzabgabe auf Milch vor dem 1. September nicht gefährden
(vgl. Urteil Molkereigenossenschaft Wiedergeltingen, Randnr. 41).
28
Die Kommission hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass sie keine Einwände dagegen erhebt,
dass der 15. Mai als der Termin angesehen wird, vor dem die Angaben abgesendet worden sein müssen.
Der Zeitraum zwischen dem 15. Mai und dem 1. September sei lang genug, um unüberwindliche praktische
Schwierigkeiten auszuschließen.
29
Weder die allgemeine Systematik noch der Zweck der fraglichen Regelung widersprechen somit einem
Verständnis der in Rede stehenden Frist als Absendungsfrist mit der Folge, dass die zu übermittelnden
Daten der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats eventuell erst einige Tage nach dem 15. Mai zugehen.
30
Außerdem ist eine Bestimmung des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts möglichst so auszulegen, dass sie mit
dem Vertrag und den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts vereinbar ist (Urteil vom 27. Januar
1994 in der Rechtssache C‑98/91, Herbrink, Slg. 1994, I‑223, Randnr. 9), insbesondere mit dem Grundsatz
der Rechtssicherheit.
31
Dieser Grundsatz verlangt u. a., dass eine Regelung wie die vorliegende, die dazu führen kann, dass den
betroffenen Wirtschaftsteilnehmern Belastungen auferlegt werden, klar und deutlich ist, damit diese ihre
Rechte und Pflichten eindeutig erkennen und somit ihre Vorkehrungen treffen können (vgl. Urteil vom 12.
Februar 2004 in der Rechtssache C‑236/02, Slob, Slg. 2004, I‑0000, Randnr. 37).
32
In einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens, in der eine Bestimmung des abgeleiteten Rechts
unterschiedliche Auslegungen zulässt und in der keine der in Betracht kommenden Auslegungen die mit der
Bestimmung verfolgten Ziele beeinträchtigt, ist die in Artikel 3 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr.
536/93 festgesetzte Frist als Absendefrist zu verstehen.
33
Da die Molkerei Borgmann, wie sich aus dem Vorlagebeschluss ergibt, im Ausgangsverfahren dieses
Erfordernis erfüllt hat, besteht unter diesen Umständen keine Veranlassung, die Frage des vorlegenden
Gerichts in der Form zu beantworten, in der sie dem Gerichtshof gestellt worden ist.
34
Dem vorlegenden Gericht ist somit zu antworten, dass Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 536/93 in der
durch die Verordnung Nr. 1001/98 geänderten Fassung so auszulegen ist, dass der Milchabnehmer die dort
vorgesehene Frist einhält, wenn er die verlangten Daten vor dem 15. Mai des betreffenden Jahres an die
zuständige Behörde absendet.
Kosten
35
Die Auslagen der französischen Regierung und der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen
abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren
ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist
daher Sache dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
auf die ihm vom Finanzgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 19. Dezember 2001 vorgelegte Frage für Recht
erkannt:
Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 536/93 der Kommission vom 9. März 1993 mit
Durchführungsbestimmungen zur Zusatzabgabe im Milchsektor in der sich aus der Verordnung
(EG) Nr. 1001/98 der Kommission vom 13. Mai 1998 ergebenden Fassung ist so auszulegen, dass
der Milchabnehmer die dort vorgesehene Frist einhält, wenn er die verlangten Daten vor dem
15. Mai des betreffenden Jahres an die zuständige Behörde absendet.
Skouris
Gulmann
Puissochet
Schintgen
Colneric
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 1. April 2004.
Der Kanzler
Der Präsident
R. Grass
V. Skouris
Verfahrenssprache: Deutsch.