Urteil des EuGH vom 05.11.2002

EuGH: bermuda, amerika, eigentum, öffentliche ordnung, kommission, kontrolle, bilaterales abkommen, wirtschaftliche tätigkeit, mitgliedstaat, nordirland

WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES
5. November 200
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Abschluss und Anwendung eines bilateralen Abkommens mit den
Vereinigten Staaten von Amerika durch einen Mitgliedstaat - Abkommen, das die Vereinigten Staaten von
Amerika ermächtigt, die Verkehrsrechte der vom Vereinigten Königreich bezeichneten Luftfahrtunternehmen,
die nicht im Eigentum des Vereinigten Königreichs oder britischer Staatsangehöriger stehen, zu widerrufen,
auszusetzen oder einzuschränken - Artikel 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 43 EG)“
In der Rechtssache C-466/98
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland
Bevollmächtigten im Beistand von D. Anderson, QC, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagter,
unterstützt durch
Königreich der Niederlande
Streithelfer,
wegen Feststellung, dass das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland dadurch gegen seine
Verpflichtungen aus Artikel 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 43 EG) verstoßen hat, dass es ein am
23. Juli 1977 unterzeichnetes Abkommen über Luftverkehrsdienste mit den Vereinigten Staaten von Amerika
geschlossen und angewandt hat, wonach die Verkehrsrechte widerrufen, ausgesetzt oder eingeschränkt
werden können, wenn die vom Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland bezeichneten
Luftfahrtunternehmen nicht im Eigentum des Vereinigten Königreichs oder im Eigentum britischer
Staatsangehöriger stehen,
erlässt
DER GERICHTSHOF
unter Mitwirkung des Präsidenten der Sechsten Kammer J.-P. Puissochet in Wahrnehmung der Aufgaben des
Präsidenten, des Kammerpräsidenten R. Schintgen sowie der Richter C. Gulmann, D. A. O. Edward, A. La
Pergola, P. Jann und V. Skouris (Berichterstatter), der Richterinnen F. Macken und N. Colneric und der
Richter S. von Bahr und J. N. Cunha Rodrigues,
Generalanwalt: A. Tizzano
Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler, und D. Louterman-Hubeau, Abteilungsleiterin
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten in der Sitzung vom 8. Mai 2001, in der die Kommission durch F.
Benyon, das Vereinigte Königreich durch J. E. Collins im Beistand von D. Anderson und das Königreich der
Niederlande durch J. van Bakel, H. G. Sevenster und J. van Haersolte als Bevollmächtigte vertreten waren,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 31. Januar 2002,
folgendes
Urteil
1.
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 18. Dezember 1998
bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EG-Vertrag (jetzt Artikel 226 EG)
Klage erhoben auf Feststellung, dass das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland
dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 43 EG)
verstoßen hat, dass es ein am 23. Juli 1977 unterzeichnetes Abkommen über Luftverkehrsdienste mit
den Vereinigten Staaten von Amerika geschlossen und angewandt hat, wonach die Verkehrsrechte
widerrufen, ausgesetzt oder eingeschränkt werden können, wenn die vom Vereinigten Königreich
Großbritannien und Nordirland bezeichneten Luftfahrtunternehmen nicht im Eigentum des Vereinigten
Königreichs oder im Eigentum britischer Staatsangehöriger stehen.
2.
Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 8. Juli 1999 ist das Königreich der
Niederlande als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Vereinigten Königreichs zugelassen
worden.
Vorgeschichte des Rechtsstreits
3.
Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs oder danach schlossen mehrere Staaten, die später
Mitgliedstaaten der Gemeinschaft wurden - so auch das Vereinigte Königreich -, mit den Vereinigten
Staaten von Amerika bilaterale Luftverkehrsabkommen.
4.
Ein solches bilaterales Abkommen, das erste der Bermuda-Abkommen (im Folgenden: Abkommen
Bermuda I), wurde zwischen dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten von Amerika
erstmals 1946 geschlossen. Dieses Abkommen enthielt insbesondere einen Artikel 6, wonach sich
„[j]ede Vertragspartei ... das Recht [vorbehält], die Inanspruchnahme der im Anhang dieses
Abkommens aufgeführten Rechte durch ein von der anderen Vertragspartei bezeichnetes
Luftfahrtunternehmen zu versagen oder zu widerrufen, wenn ihrer Ansicht nach die Voraussetzung
nicht erfüllt ist, dass ein wesentlicher Teil des Eigentums und die tatsächliche Kontrolle des
Luftfahrtunternehmens bei Staatsangehörigen einer Vertragspartei liegen ...“.
5.
Später trat ein anderes Abkommen, das zweite der Bermuda-Abkommen (im Folgenden: Abkommen
Bermuda II), mit Wirkung vom 23. Juli 1977, dem Tag seiner Unterzeichnung und seines Inkrafttretens,
an die Stelle des Abkommens Bermuda I. Artikel 5 des Abkommens Bermuda II bestimmt:
„(1) Jede Vertragspartei ist berechtigt, die Betriebsgenehmigungen oder technischen
Genehmigungen eines von der anderen Vertragspartei bezeichneten Luftfahrtunternehmens zu
widerrufen, auszusetzen, einzuschränken oder von Bedingungen abhängig zu machen, wenn
(a) nicht ein wesentlicher Teil des Eigentums und die tatsächliche Kontrolle dieses
Luftfahrtunternehmens bei der Vertragspartei, die das Luftfahrtunternehmen bezeichnet hat, oder bei
Staatsangehörigen dieser Vertragspartei liegen;
...
(2) ... von diesen Rechten [darf] nur nach Konsultation mit der anderen Vertragspartei Gebrauch
gemacht werden.“
6.
Außerdem hat jede Vertragspartei nach Artikel 3(6) des Abkommens Bermuda II einem
Luftfahrtunternehmen die entsprechenden Betriebsgenehmigungen und technischen Genehmigungen
zu gewähren, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind, einschließlich der Bedingung, dass ein
wesentlicher Teil des Eigentums und die tatsächliche Kontrolle des Luftfahrtunternehmens bei der
Vertragspartei, die das Luftfahrtunternehmen bezeichnet hat, oder bei Staatsangehörigen dieser
Vertragspartei liegen.
7.
Den Akten ist zu entnehmen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika 1992 die Initiative ergriffen
und einzelnen europäischen Staaten den Abschluss eines bilateralen „Open-skies“-Abkommens
vorschlugen. In den Jahren 1993 und 1994 verstärkten die Vereinigten Staaten von Amerika ihre
Bemühungen, mit möglichst vielen europäischen Staaten solche Abkommen zu schließen.
8.
In einem an die Mitgliedstaaten gerichteten Schreiben vom 17. November 1994 wies die Kommission
auf die negativen Auswirkungen dieser bilateralen Abkommen für die Gemeinschaft hin und stellte
fest, dass ein Abkommen dieses Typs die interne Regelung der Gemeinschaft beeinträchtigen könnte.
Die Verhandlungen über solche Abkommen könnten wirkungsvoll und in rechtlich zulässiger Weise nur
auf Gemeinschaftsebene geführt werden.
9.
Vor dem Hintergrund dieses Schriftwechsels ersuchte die Kommission die Regierung des
Vereinigten Königreichs mit Schreiben vom 20. April 1995 um die Zusicherung, dass sie kein
bilaterales Abkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika aushandeln, paraphieren, schließen
oder ratifizieren werde. Das Vereinigte Königreich verhandelte jedoch weiter mit den Vereinigten
Staaten von Amerika über ein Abkommen, das am 5. Juni 1995 geschlossen wurde.
Sachverhalt und vorprozessuales Verfahren
10.
Am 17. Juli 1995 richtete die Kommission an das Vereinigte Königreich eine schriftliche Aufforderung
zur Äußerung, in der sie insbesondere ausführte, dass ihrer Kenntnis nach die Verkehrsrechte, die
dem Vereinigten Königreich von den Vereinigten Staaten von Amerika nach dem Abkommen
zugestanden würden, auf der Grundlage der Staatsangehörigkeit des Luftfahrtunternehmens gewährt
werden sollten. Dies stelle einen Verstoß gegen Artikel 52 EG-Vertrag dar, weil unter den
Luftfahrtunternehmen, die nach der Verordnung (EWG) Nr. 2407/92 des Rates vom 23. Juli 1992 über
die Erteilung von Betriebsgenehmigungen an Luftfahrtunternehmen (ABl. L 240, S. 1) eine
Betriebsgenehmigung des Vereinigten Königreichs erhalten hätten, nach dem Abkommen denjenigen
Unternehmen, die im Eigentum und unter der Kontrolle von Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats
stünden, die Verkehrsrechte in die Vereinigten Staaten von Amerika verweigert würden, während den
Unternehmen, die im Eigentum und unter der Kontrolle von britischen Staatsangehörigen stünden,
diese Rechte gewährt würden.
11.
Das Vereinigte Königreich antwortete auf das Aufforderungsschreiben der Kommission mit
Schreiben vom 13. September 1995. Aus diesem Schreiben ergibt sich, dass das Vereinigte Königreich
und die Vereinigten Staaten von Amerika übereingekommen waren, das Abkommen Bermuda II durch
das Abkommen vom 5. Juni 1995 zu ändern. In Bezug auf Artikel 52 EG-Vertrag führte das Vereinigte
Königreich aus, dass die Klausel des Abkommens Bermuda II über Eigentum und Kontrolle der
Luftfahrtunternehmen durch das Abkommen vom 5. Juni 1995 nicht geändert worden sei. Diese
Bestimmung untersage den britischen Behörden nicht die Bezeichnung von Luftfahrtunternehmen, die
weder im Eigentum noch unter der Kontrolle von britischen Staatsangehörigen stünden, sondern
ermögliche lediglich den Vereinigten Staaten von Amerika, diese Bezeichnung abzulehnen, wobei das
Vereinigte Königreich in diesem Fall Konsultationen verlangen könne.
12.
Daraufhin richtete die Kommission am 16. März 1998 eine mit Gründen versehene Stellungnahme
an das Vereinigte Königreich, in der sie feststellte, das Vereinigte Königreich habe dadurch gegen
seine Verpflichtungen aus Artikel 52 EG-Vertrag verstoßen, dass es das Abkommen Bermuda II mit den
Vereinigten Staaten von Amerika geschlossen und angewandt habe, wonach die Verkehrsrechte
widerrufen, ausgesetzt oder eingeschränkt werden könnten, wenn die vom Vereinigten Königreich
bezeichneten Luftfahrtunternehmen nicht im Eigentum des Vereinigten Königreichs oder britischer
Staatsangehöriger stünden. Sie forderte das Vereinigte Königreich auf, dieser Stellungnahme binnen
zwei Monaten nach ihrer Bekanntgabe nachzukommen.
13.
Das Vereinigte Königreich antwortete mit Schreiben vom 19. Juni 1998, dass die beanstandete
Bestimmung des Abkommens Bermuda II nur eine Klausel aufgreife, die in dem vor seinem Beitritt zu
den Europäischen Gemeinschaften geschlossenen Abkommen Bermuda I enthalten sei. Das
beanstandete Recht, das den Vereinigten Staaten von Amerika nach dem Abkommen Bermuda II
zustehe, gehe somit auf das Abkommen Bermuda I zurück und bestehe nach Artikel 234 EG-Vertrag
(nach Änderung jetzt Artikel 307 EG) fort.
14.
Da die Kommission von den Argumenten des Vereinigten Königreichs nicht überzeugt war, hat sie
die vorliegende Klage erhoben.
Die Klage
15.
In ihrer Klageschrift wirft die Kommission dem Vereinigten Königreich vor, es habe seine
Verpflichtungen aus Artikel 52 EG-Vertrag verletzt, indem es das Abkommen Bermuda II geschlossen
und angewandt habe, das die erwähnte Klausel über Eigentum und Kontrolle der
Luftfahrtunternehmen enthalte.
16.
Das Vereinigte Königreich macht zu seiner Verteidigung zunächst geltend, das den Vereinigten
Staaten von Amerika eingeräumte Recht, die Verkehrsrechte zu widerrufen, auszusetzen oder
einzuschränken, wenn die vom Vereinigten Königreich bezeichneten Luftfahrtunternehmen nicht im
Eigentum des Vereinigten Königreichs oder britischer Staatsangehöriger stünden, falle unter Artikel
234 EG-Vertrag und bestehe danach fort. Sodann sei Artikel 52 EG-Vertrag im vorliegenden Fall weder
anwendbar noch verletzt. Schließlich sei die Klausel über Eigentum und Kontrolle der
Luftfahrtunternehmen jedenfalls nach Artikel 56 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 46 EG)
gerechtfertigt.
Zur Anwendbarkeit von Artikel 234 EG-Vertrag
17.
Die Regierung des Vereinigten Königreichs trägt vor, der Schutz des Artikels 234 EG-Vertrag sei
nicht auf Übereinkünfte beschränkt, die von den Mitgliedstaaten vor Inkrafttreten des Vertrages in
ihrem Hoheitsgebiet geschlossen worden seien, sondern erstrecke sich auf die sich aus solchen
Übereinkünften ergebenden Rechte und Pflichten. Die Frage, ob eine vor dem Beitritt geschlossene
Übereinkunft seit dem Beitritt des Mitgliedstaats zur Gemeinschaft geändert oder gar ersetzt worden
sei, sei daher nur von untergeordneter Bedeutung. Artikel 234 EG-Vertrag gelte nach Beendigung
einer Übereinkunft nicht für die darin enthaltenen Rechte und Pflichten, es sei denn, dass im
Wesentlichen gleiche Rechte und Pflichten ohne Bruch in ein neues Abkommen überführt worden
seien.
18.
Dies sei vorliegend der Fall. Das Abkommen Bermuda II sei zwar 1977, also vier Jahre nach
Inkrafttreten des EWG-Vertrags im Vereinigten Königreich, geschlossen worden, doch sei das Recht
der Vereinigten Staaten von Amerika aus Artikel 5 des Abkommens Bermuda II ursprünglich durch
Artikel 6 des Abkommens Bermuda I in Bezug auf Linienflüge zugestanden und seither nicht wesentlich
geändert worden. Auch wenn die beiden Artikel nicht wortwörtlich übereinstimmten, da sie die
unterschiedlichen Strukturen der beiden Abkommen Bermuda I und II widerspiegelten, seien Artikel 6
des Abkommens Bermuda I und Artikel 5 des Abkommens Bermuda II in ihrer Anwendung auf
Linienflugdienste im Wesentlichen gleich, was die Kontinuität des fraglichen Rechts vom einen
Abkommen zum anderen veranschauliche. Zwar bestehe zwischen den Wirkungen des Abkommens
Bermuda I und denen des Abkommens Bermuda II insoweit ein sachlicher Unterschied, als das
Abkommen Bermuda II auch für Charterflüge gelte, doch sei dies kein grundsätzlicher Unterschied
zwischen den beiden Abkommen, sondern eine Änderung mit Rücksicht auf die gewachsene
Bedeutung der Charterdienste.
19.
Die niederländische Regierung, die Artikel 234 EG-Vertrag im vorliegenden Fall ebenfalls für
anwendbar hält, trägt vor, die Änderungen, die das Vereinigte Königreich mit dem Abkommen vom 5.
Juni 1995 am Abkommen Bermuda II vorgenommen habe, könnten nicht als neues Abkommen
angesehen werden, da offenbar nur die Änderungen des die Verkehrsrechte betreffenden Anhangs I
des Abkommens Bermuda II wesentliche Änderungen darstellten.
20.
Die Kommission tritt dem Vorbringen des Vereinigten Königreichs entgegen. Artikel 234 EG-Vertrag
gelte nur für Übereinkünfte, die im Fall des Vereinigten Königreichs vor dessen Beitritt zur
Gemeinschaft am 1. Januar 1973 geschlossen worden seien, während das Abkommen Bermuda II
später, nämlich 1977, geschlossen worden sei. Artikel 234 EG-Vertrag sei als Ausnahme von den
Vertragsbestimmungen eng auszulegen. Insbesondere ergebe sich aus ihm keineswegs, dass er für
die Rechte und Pflichten aus Abkommen, die irgendwann einmal in Kraft gewesen seien, ungeachtet
der Tatsache gelte, dass diese Abkommen abgelaufen seien. Auch wenn diese Rechte und Pflichten in
ein anderes Abkommen aufgenommen worden seien, lasse sich damit nicht begründen, dass das
ursprüngliche Abkommen gewissermaßen fortbestehe.
21.
Im vorliegenden Fall heiße es in der letzten Begründungserwägung des Abkommens Bermuda II
eindeutig, dass dieses Abkommen geschlossen worden sei, um das Abkommen Bermuda I „zu
ersetzen“, so dass mit dem letztgenannten Abkommen jede Möglichkeit der Anwendung von Artikel
234 EG-Vertrag entfallen sei. Daher sei es nicht möglich, dass unter diesen Artikel eine Klausel des
Abkommens Bermuda I falle, deren Formulierung noch dazu geändert worden sei, als sie in das
Abkommen Bermuda II aufgenommen worden sei.
22.
Nach Artikel 234 Absatz 1 EG-Vertrag werden die Rechte und Pflichten aus Übereinkünften, die vor
Inkrafttreten dieses Vertrages zwischen einem oder mehreren Mitgliedstaaten einerseits und einem
oder mehreren dritten Ländern andererseits geschlossen wurden, durch diesen Vertrag nicht berührt.
Nach Absatz 2 dieses Artikels haben die Mitgliedstaaten jedoch alle geeigneten Mittel anzuwenden,
um etwaige Unvereinbarkeiten solcher Übereinkünfte mit dem Vertrag zu beheben.
23.
Artikel 234 EG-Vertrag hat allgemeine Geltung und erfasst unabhängig von ihrem Gegenstand alle
völkerrechtlichen Verträge, die sich auf die Anwendung des EG-Vertrags auswirken können (vgl.
Urteile vom 14. Oktober 1980 in der Rechtssache 812/79, Burgoa, Slg. 1980, 2787, Randnr. 6, vom 2.
August 1993 in der Rechtssache C-158/91, Levy, Slg. 1993, I-4287, Randnr. 11, und vom 4. Juli 2000 in
der Rechtssache C-62/98, Kommission/Portugal, Slg. 2000, I-5171, Randnr. 43).
24.
Nach Randnummer 8 des Urteils Burgoa soll durch Artikel 234 Absatz 1 EG-Vertrag in
Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Völkerrechts (vgl. insoweit Artikel 30 Absatz 4 Buchstabe b
des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge) klargestellt werden,
dass die Geltung des EG-Vertrags die Verpflichtung des Mitgliedstaats, Rechte dritter Länder aus
einer früheren Übereinkunft zu achten und die entsprechenden Pflichten zu erfüllen, nicht berührt.
25.
Nach Artikel 5 der Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Dänemark, Irlands und
des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland und die Anpassungen der Verträge (ABl.
1972, L 73, S. 14) ist Artikel 234 des Vertrages auf die vom Vereinigten Königreich vor dessen Beitritt,
d. h. vor dem 1. Januar 1973, geschlossenen Abkommen und Übereinkommen anwendbar.
26.
Die Rechte und Pflichten der Vereinigten Staaten von Amerika und des Vereinigten Königreichs aus
der Klausel über Eigentum und Kontrolle der Luftfahrtunternehmen resultieren jedoch nicht aus einem
vor dem Beitritt des Vereinigten Königreichs zu den Europäischen Gemeinschaften, sondern aus
einem danach geschlossenen Abkommen, nämlich aus dem Abkommen Bermuda II, das 1977
geschlossen wurde.
27.
Daher kann Artikel 234 EG-Vertrag im vorliegenden Fall keine Anwendung finden.
28.
Daran kann auch der Umstand nichts ändern, dass eine ähnlich lautende Klausel bereits in dem vor
dem Beitritt des Vereinigten Königreichs zu den Europäischen Gemeinschaften geschlossenen
Abkommen Bermuda I enthalten war, das bis 1977 in Kraft war.
29.
Das Abkommen Bermuda II ist nämlich ausweislich seiner letzten Begründungserwägung
geschlossen worden, um das Abkommen Bermuda I „zu ersetzen“, um insbesondere der Entwicklung
der Verkehrsrechte zwischen den Vertragsparteien Rechnung zu tragen. Es hat daher neue Rechte
und Pflichten zwischen ihnen entstehen lassen. Unter diesen Umständen ist es ausgeschlossen, die
Rechte und Pflichten, die sich für das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten von Amerika
seit dem Inkrafttreten des Abkommens Bermuda II aus der darin enthaltenen Klausel über Eigentum
und Kontrolle der Luftfahrtunternehmen ergeben, mit dem Abkommen Bermuda I in Verbindung zu
bringen.
30.
Daher ist zu prüfen, ob die Fassung dieser Klausel, wie die Kommission vorträgt, gegen Artikel 52
EG-Vertrag verstößt.
Zum Verstoß gegen Artikel 52 EG-Vertrag
31.
Die Kommission trägt vor, im Unterschied zu Artikel 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 49
EG) über den freien Dienstleistungsverkehr innerhalb der Gemeinschaft, dessen Geltung im
Verkehrssektor durch Artikel 61 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 51 EG) ausdrücklich
ausgeschlossen worden sei, sei die Geltung von Artikel 52 EG-Vertrag für diesen Sektor weder
ausgesetzt noch ausgeschlossen. Artikel 52 EG-Vertrag gelte für alle Sektoren, einschließlich des
Luftverkehrssektors, und gelte als grundlegende Vertragsbestimmung auch für die anderen Bereiche,
die in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fielen (vgl. Urteile vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C-
221/89, Factortame u. a., Slg. 1991, I-3905, vom 12. Juni 1997 in der Rechtssache C-151/96,
Kommission/Irland, Slg. 1997, I-3327, vom 12. Mai 1998 in der Rechtssache C-336/96, Gilly, Slg. 1998, I-
2793, vom 24. November 1998 in der Rechtssache C-274/96, Bickel und Franz, Slg. 1998, I-7637, und
vom 9. März 1999 in der Rechtssache C-212/97, Centros, Slg. 1999, I-1459).
32.
Im vorliegenden Fall sei Artikel 5 des Abkommens Bermuda II unvereinbar mit Artikel 52 EG-Vertrag,
da die Vereinigten Staaten von Amerika danach die Erteilung der Betriebsgenehmigungen oder
technischen Genehmigungen an vom Vereinigten Königreich bezeichnete Luftfahrtunternehmen, bei
denen ein wesentlicher Teil des Eigentums und die tatsächliche Kontrolle nicht beim Vereinigten
Königreich oder bei britischen Staatsangehörigen lägen, ablehnen oder die solchen Unternehmen
bereits gewährten Betriebsgenehmigungen oder technischen Genehmigungen widerrufen, aussetzen
oder einschränken könnten. Aufgrund von Artikel 5 dieses Abkommens sei nämlich ein im Vereinigten
Königreich ansässiges Luftfahrtunternehmen, das im Eigentum oder unter der Kontrolle eines anderen
Mitgliedstaats als des Vereinigten Königreichs oder von Angehörigen dieses Mitgliedstaats stehe,
daran gehindert, dieselbe Behandlung zu erhalten wie die im Eigentum und unter der Kontrolle des
Vereinigten Königreichs oder britischer Staatsangehöriger stehenden Luftfahrtunternehmen.
33.
Entgegen dem Vorbringen des Vereinigten Königreichs sei das Verhalten der Vereinigten Staaten
von Amerika für das vorliegende Verfahren irrelevant, da der Verstoß gegen Artikel 52 EG-Vertrag
darin bestehe, dass das Vereinigte Königreich den Vereinigten Staaten von Amerika das in Artikel 5
des von ihm ausgehandelten und geschlossenen Abkommens Bermuda II vorgesehene Recht
eingeräumt habe.
34.
Das Vereinigte Königreich macht zunächst geltend, Artikel 52 EG-Vertrag könne nicht einen Typ des
Handels mit Drittländern - den Luftverkehr außerhalb der Gemeinschaft - erfassen, bezüglich dessen
die Gemeinschaft nie von Rechtsetzungsbefugnissen Gebrauch gemacht habe. Außerdem liege die
einzige wirtschaftliche Tätigkeit, die durch Artikel 5 des Abkommens Bermuda II beeinträchtigt sein
könnte, hauptsächlich außerhalb der Gemeinschaft.
35.
Selbst wenn Artikel 52 EG-Vertrag anwendbar wäre, hätte das Vereinigte Königreich nicht gegen ihn
verstoßen. Zum einen verleihe Artikel 5 des Abkommens Bermuda II dem Vereinigten Königreich nicht
die Befugnis, andere Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft aufgrund der in Bezug auf sie
bestehenden Eigentums- oder Kontrollverhältnisse in irgendeiner Weise zu diskriminieren, weder in
Bezug auf ihre Niederlassung im Vereinigten Königreich noch in Bezug auf ihre Bezeichnung. Zum
anderen beruhe die Befugnis, Verkehrsrechte Luftfahrtunternehmen zu verweigern, die nicht unter der
Kontrolle oder im Eigentum des Vereinigten Königreichs oder britischer Staatsangehöriger stünden,
auf einer souveränen Entscheidung der Vereinigten Staaten von Amerika, die das Vereinigte
Königreich nicht habe beeinflussen oder verhindern können. Die Befugnis der Vereinigten Staaten von
Amerika zu einer solchen Diskriminierung gehe nicht auf die Abkommen Bermuda I und II zurück, so
dass das Vereinigte Königreich nicht für die Unterzeichnung und Anwendung eines Abkommens
verantwortlich gemacht werden könne, wonach diese Diskriminierung gestattet sei. Eine etwaige
Diskriminierung von Gemeinschaftsbürgern durch Behörden eines Drittlandes gehöre aber nicht zu
den Beeinträchtigungen, die Artikel 52 EG-Vertrag verbieten solle.
36.
In der mündlichen Verhandlung hat sich das Vereinigte Königreich insoweit auf das Urteil vom 21.
September 1999 in der Rechtssache C-307/97 (Saint-Gobain ZN, Slg. 1999, I-6161, Randnrn. 59 und
60) berufen, aus dem sich ergebe, dass ein Mitgliedstaat nach Artikel 52 EG-Vertrag zwar dazu
verpflichtet sein könne, einseitig seine Rechtsvorschriften zu ändern, damit ein im Inland
niedergelassenes Unternehmen eines anderen Mitgliedstaats nicht diskriminiert werde, nicht aber
dazu, Abkommen, die mit Drittländern bereits geschlossen seien, zu ändern, um diesen Ländern neue
Verpflichtungen aufzuerlegen. Genau dies verlange aber die Kommission im vorliegenden Fall vom
Vereinigten Königreich in Bezug auf die Genehmigungen, die die Vereinigten Staaten von Amerika -
noch dazu für die Benutzung ihres eigenen Luftraums - erteilten.
37.
Schließlich habe die Kommission kein Beispiel dafür genannt, dass einem Luftfahrtunternehmen der
Gemeinschaft durch die Anwendung der Klausel über Eigentum und Kontrolle der
Luftfahrtunternehmen ein Schaden entstanden wäre.
38.
Auch nach Ansicht der niederländischen Regierung liegt kein Verstoß des Vereinigten Königreichs
gegen Artikel 52 EG-Vertrag vor.
39.
Zur Anwendbarkeit von Artikel 52 EG-Vertrag im vorliegenden Fall ist zunächst darauf hinzuweisen,
dass diese Bestimmung, gegen die das Vereinigte Königreich verstoßen haben soll, im
Luftverkehrsbereich Anwendung findet.
40.
Während nämlich Artikel 61 EG-Vertrag die Anwendung der Vertragsbestimmungen über den freien
Dienstleistungsverkehr auf den Verkehr ausschließt, da für diesen die Bestimmungen des Titels über
den Verkehr gelten, schließt kein Artikel des Vertrages die Anwendung der Vertragsbestimmungen
über die Niederlassungsfreiheit auf den Verkehr aus.
41.
Sodann ist festzustellen, dass die Anwendung von Artikel 52 EG-Vertrag in einem konkreten Fall
nicht von der Frage abhängt, ob die Gemeinschaft auf dem von der ausgeübten Tätigkeit betroffenen
Gebiet Recht gesetzt hat, sondern von der Frage, ob sich die betreffende Situation nach dem
Gemeinschaftsrecht bestimmt. Auch wenn ein Sachgebiet in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten
fällt, müssen diese ihre Zuständigkeit unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben (vgl. Urteile
Factortame u. a., Randnr. 14, vom 14. Januar 1997 in der Rechtssache C-124/95, Centro-Com, Slg.
1997, I-81, Randnr. 25, und vom 16. Juli 1998 in der Rechtssache C-264/96, ICI, Slg. 1998, I-4695,
Randnr. 19).
42.
Daher ist das Vorbringen des Vereinigten Königreichs, die Gemeinschaft sei im Bereich des
außergemeinschaftlichen Luftverkehrs nicht gesetzgeberisch tätig geworden, selbst wenn es als
zutreffend unterstellt wird, nicht geeignet, die Anwendung von Artikel 52 EG-Vertrag in diesem Sektor
auszuschließen.
43.
Das Gleiche gilt schließlich für das Vorbringen des Vereinigten Königreichs, die einzige
wirtschaftliche Tätigkeit, die durch Artikel 5 des Abkommens Bermuda II beeinträchtigt sein könnte,
liege hauptsächlich außerhalb der Gemeinschaft. Denn alle Gesellschaften, die im Sinne von Artikel 52
EG-Vertrag in einem Mitgliedstaat niedergelassen sind, werden von dieser Bestimmung erfasst, auch
wenn der Gegenstand ihrer Tätigkeit in diesem Staat in Dienstleistungen im Verhältnis zu Drittländern
besteht.
44.
Zur Frage, ob das Vereinigte Königreich gegen Artikel 52 EG-Vertrag verstoßen hat, ist darauf
hinzuweisen, dass nach dem Wortlaut dieses Artikels die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und
Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen,
insbesondere von Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 EG-Vertrag (jetzt Artikel 48 Absatz
2 EG), nach den Bestimmungen des Aufnahmemitgliedstaats für seine eigenen Angehörigen umfasst.
45.
Die Artikel 52 und 58 EG-Vertrag stellen somit sicher, dass die Gemeinschaftsangehörigen, die von
ihrer Niederlassungsfreiheit Gebrauch gemacht haben, sowie die ihnen dort gleichgestellten
Gesellschaften im Aufnahmemitgliedstaat wie Inländer behandelt werden (vgl. Urteil Saint-Gobain ZN,
Randnr. 35), und dies sowohl in Bezug auf die Aufnahme einer Berufstätigkeit zum Zeitpunkt einer
erstmaligen Niederlassung als auch in Bezug auf die Ausübung dieser Tätigkeit durch eine im
Aufnahmemitgliedstaat bereits niedergelassene Person.
46.
Der Gerichtshof hat entschieden, dass der Grundsatz der Inländerbehandlung den Mitgliedstaat,
der ein bilaterales Doppelbesteuerungsabkommen mit einem Drittstaat geschlossen hat, verpflichtet,
die in diesem Abkommen vorgesehenen Vorteile den Betriebsstätten der Gesellschaften mit Sitz in
einem anderen Mitgliedstaat unter den gleichen Voraussetzungen wie den Gesellschaften mit Sitz in
dem an dem Abkommen beteiligten Mitgliedstaat zu gewähren (vgl. Urteile Saint-Gobain ZN, Randnr.
59, und vom 15. Januar 2002 in der Rechtssache C-55/00, Gottardo, Slg. 2002, I-413, Randnr. 32).
47.
Im vorliegenden Fall ermöglicht Artikel 5 des Abkommens Bermuda II insbesondere den Vereinigten
Staaten von Amerika, die Betriebsgenehmigungen oder technischen Genehmigungen eines vom
Vereinigten Königreich bezeichneten Luftfahrtunternehmens, bei dem nicht ein wesentlicher Teil des
Eigentums und die tatsächliche Kontrolle bei diesem Mitgliedstaat oder bei britischen
Staatsangehörigen liegen, zu widerrufen, auszusetzen oder einzuschränken.
48.
Zweifellos können von dieser Klausel die im Vereinigten Königreich niedergelassenen
Luftfahrtunternehmen nachteilig betroffen sein, bei denen ein wesentlicher Teil des Eigentums und
die tatsächliche Kontrolle bei einem anderen Mitgliedstaat als dem Vereinigten Königreich oder bei
Angehörigen eines solchen Mitgliedstaats liegen (im Folgenden: Luftfahrtunternehmen der
Gemeinschaft).
49.
Dagegen ergibt sich aus Artikel 3(6) des Abkommens Bermuda II, dass die Vereinigten Staaten von
Amerika grundsätzlich verpflichtet sind, die entsprechenden Betriebsgenehmigungen und
erforderlichen technischen Genehmigungen den Luftfahrtunternehmen zu gewähren, bei denen ein
wesentlicher Teil des Eigentums und die tatsächliche Kontrolle beim Vereinigten Königreich oder bei
britischen Staatsangehörigen liegen (im Folgenden: britische Luftfahrtunternehmen).
50.
Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft jederzeit von der
Anwendung des Abkommens Bermuda II ausgeschlossen werden können, während für die britischen
Luftfahrtunternehmen dessen Anwendung gesichert ist. Infolgedessen erfahren die
Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft eine Diskriminierung, die sie daran hindert, im
Aufnahmemitgliedstaat, d. h. im Vereinigten Königreich, wie Inländer behandelt zu werden.
51.
Entgegen dem Vorbringen des Vereinigten Königreichs hat diese Diskriminierung ihren
unmittelbaren Ursprung nicht in einem etwaigen Verhalten der Vereinigten Staaten von Amerika,
sondern darin, dass durch Artikel 5 des Abkommens Bermuda II den Vereinigten Staaten von Amerika
gerade das Recht eingeräumt wurde, sich in einer solchen Weise zu verhalten.
52.
Folglich hat das Vereinigte Königreich dadurch, dass es dieses Abkommen geschlossen und
angewandt hat, gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 52 EG-Vertrag verstoßen.
53.
Diese Feststellung kann nicht durch die Argumente erschüttert werden, die das Vereinigte
Königreich aus den Ausführungen des Gerichtshofes in den Randnummern 59 und 60 des Urteils
Saint-Gobain ZN herleitet.
54.
In diesen Randnummern hat sich der Gerichtshof auf die Feststellung beschränkt, dass die
Bundesrepublik Deutschland Steuervergünstigungen, die in einem von ihr mit einem Drittland
geschlossenen bilateralen völkerrechtlichen Abkommen vorgesehen waren, einseitig auf die
Betriebsstätten von Gesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als der Bundesrepublik
Deutschland ausdehnen könne, ohne in irgendeiner Weise die sich für das Drittland aus diesem
Abkommen ergebenden Rechte zu beeinträchtigen und ohne dem Drittland neue Verpflichtungen
aufzuerlegen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass, wenn sich der Verstoß gegen das
Gemeinschaftsrecht unmittelbar aus einer Bestimmung eines bilateralen völkerrechtlichen Vertrages
ergibt, den ein Mitgliedstaat nach seinem Beitritt zur Gemeinschaft geschlossen hat, der Gerichtshof
daran gehindert wäre, diesen Verstoß festzustellen, um nicht die Rechte zu beeinträchtigen, die sich
für die Drittländer gerade aus der gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßenden Bestimmung
ergeben.
Zur Rechtfertigung nach Artikel 56 EG-Vertrag
55.
Das Vereinigte Königreich trägt vor, selbst wenn eine dem ersten Anschein nach mit Artikel 52 EG-
Vertrag unvereinbare Diskriminierung vorläge, wäre sie nach Artikel 56 EG-Vertrag aus Gründen der
öffentlichen Ordnung gerechtfertigt. Das Vereinigte Königreich macht insbesondere geltend, dass im
Hinblick auf die öffentliche Ordnung ein Interesse an der Wahrung des Rechts bestehe, die
Betriebsgenehmigungen oder technischen Genehmigungen eines von den Vereinigten Staaten von
Amerika bezeichneten, aber im Eigentum und unter der tatsächlichen Kontrolle von anderen
Drittstaaten oder von Angehörigen dieser Staaten stehenden Luftfahrtunternehmens zu widerrufen,
auszusetzen, einzuschränken oder von Bedingungen abhängig zu machen. Wenn die Kommission mit
ihrer Ansicht durchdringen würde, würden die Mitgliedstaaten ihre Befugnis verlieren, den Zugang
jedes Luftfahrtunternehmens zu beschränken, das von den Vereinigten Staaten von Amerika
bezeichnet würde. Die mit einer solchen Einbuße an Befugnissen verbundenen Folgen gingen über
rein wirtschaftliche Gesichtspunkte hinaus und beträfen auch außenpolitische sowie ordnungs- und
sicherheitsrelevante Erwägungen.
56.
Die Kommission trägt vor, die Ausnahme aus Gründen der öffentlichen Ordnung in Artikel 56 EG-
Vertrag sei als Ausnahme von einer Grundfreiheit eng auszulegen (vgl. Urteil vom 10. Juli 1986 in der
Rechtssache 79/85, Segers, Slg. 1986, 2375). Sie könne nie zur Verfolgung wirtschaftlicher Ziele
geltend gemacht werden (Urteil vom 26. April 1988 in der Rechtssache 352/85, Bond van
Adverteerders u. a., Slg. 1988, 2085). Auch vor dem Hintergrund der Richtlinie 64/221/EWG des Rates
vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt
von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit
gerechtfertigt sind (ABl. 1964, Nr. 56, S. 850), die verlange, dass Erwägungen im Hinblick auf die
öffentliche Ordnung mit dem Verhalten einer Einzelperson in Zusammenhang stünden und sich nicht
nur auf ein allgemeines Verhalten stützten, könne Artikel 5 des Abkommens Bermuda II, der eine
ganze Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern diskriminiere, wohl kaum aus Gründen der öffentlichen
Ordnung nach Artikel 56 EG-Vertrag gerechtfertigt sein.
57.
Nach ständiger Rechtsprechung setzt die Berufung auf den in Artikel 56 EG-Vertrag vorgesehenen
Rechtfertigungsgrund der öffentlichen Ordnung voraus, dass die Aufrechterhaltung einer
diskriminierenden Maßnahme erforderlich ist, um einer tatsächlichen und hinreichend schweren
Gefährdung zu begegnen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. in diesem Sinne
Urteile vom 27. Oktober 1977 in der Rechtssache 30/77, Bouchereau, Slg. 1977, 1999, Randnr. 35,
vom 29. Oktober 1998 in der Rechtssache C-114/97, Kommission/Spanien, Slg. 1998, I-6717, Randnr.
46, und vom 19. Januar 1999 in der Rechtssache C-348/96, Calfa, Slg. 1999, I-11, Randnr. 21). Daraus
folgt, dass zwischen dieser Gefährdung, die im Übrigen gegenwärtig sein muss, und der zu ihrer
Beseitigung erlassenen diskriminierenden Maßnahme ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen
muss (vgl. in diesem Sinne Urteile Bond van Adverteerders u. a., Randnr. 36, und Calfa, Randnr. 24).
58.
Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass Artikel 5 des Abkommens Bermuda II die Befugnis, die
Betriebsgenehmigungen oder erforderlichen technischen Genehmigungen einem von der anderen
Vertragspartei bezeichneten Luftfahrtunternehmen zu verweigern, nicht auf den Fall beschränkt, dass
dieses Unternehmen eine Gefährdung für die öffentliche Ordnung der Vertragspartei darstellt, die
diese Genehmigungen erteilt.
59.
Jedenfalls besteht kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen einer solchen, eher hypothetischen
Gefährdung der öffentlichen Ordnung des Vereinigten Königreichs, die die Bezeichnung eines
Luftfahrtunternehmens durch die Vereinigten Staaten von Amerika darstellen könnte, und der
allgemeinen Diskriminierung der Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft.
60.
Daher ist der vom Vereinigten Königreich auf Artikel 56 EG-Vertrag gestützte Rechtfertigungsgrund
zurückzuweisen.
61.
Nach alledem ist festzustellen, dass das Vereinigte Königreich dadurch gegen seine
Verpflichtungen aus Artikel 52 EG-Vertrag verstoßen hat, dass es ein am 23. Juli 1977 unterzeichnetes
Abkommen über Luftverkehrsdienste mit den Vereinigten Staaten von Amerika geschlossen und
angewandt hat, wonach dieser Drittstaat die Verkehrsrechte widerrufen, aussetzen oder
einschränken kann, wenn die vom Vereinigten Königreich bezeichneten Luftfahrtunternehmen nicht im
Eigentum des Vereinigten Königreichs oder im Eigentum britischer Staatsangehöriger stehen.
Kosten
62.
Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der
Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung des Vereinigten Königreichs in die Kosten
beantragt hat und dieses mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen.
63.
Gemäß Artikel 69 § 4 der Verfahrensordnung trägt das Königreich der Niederlande seine eigenen
Kosten.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF
für Recht erkannt und entschieden:
1. Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland hat dadurch gegen seine
Verpflichtungen aus Artikel 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 43 EG) verstoßen,
dass es ein am 23. Juli 1977 unterzeichnetes Abkommen über Luftverkehrsdienste mit den
Vereinigten Staaten von Amerika geschlossen und angewandt hat, wonach dieser
Drittstaat die Verkehrsrechte widerrufen, aussetzen oder einschränken kann, wenn die
vom Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland bezeichneten
Luftfahrtunternehmen nicht im Eigentum des Vereinigten Königreichs oder im Eigentum
britischer Staatsangehöriger stehen.
2. Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland trägt die Kosten des
Verfahrens.
3. Das Königreich der Niederlande trägt seine eigenen Kosten.
Puissochet
Schintgen
Gulmann
Edward
La Pergola
Jann
Skouris
Macken
Colneric
von Bahr
Cunha Rodrigues
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 5. November 2002.
Der Kanzler
Der Präsident
R. Grass
G. C. Rodríguez Iglesias
Verfahrenssprache: Englisch.