Urteil des EuGH vom 13.04.2000

EuGH: verordnung, europäische union, grundsatz der nichtdiskriminierung, verbot der diskriminierung, regierung, republik, quote, auswärtige angelegenheiten, mitgliedstaat, kuh

WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Sechste Kammer)
13. April 2000
„Zusätzliche Abgabe für Milch - Milchquotenregelung in Schweden - Erstzuteilung von Milchquoten - Nationale
Regelung - Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 - Gleichbehandlungsgrundsatz“
In der Rechtssache C-292/97
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) vom Regeringsrätt
(Schweden) in den bei diesem anhängigen Verfahren
Kjell Karlsson u. a.
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 des
Rates vom 28. Dezember 1992 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor (ABl. L 405, S. 1), der
Artikel 5 EG-Vertrag (jetzt Artikel 10 EG) und 40 Absatz 3 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 34 Absatz 2
EG) sowie des Gleichbehandlungsgrundsatzes,
erläßt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Richters P. J. G. Kapteyn in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Sechsten
Kammer sowie der Richter G. Hirsch (Berichterstatter) und H. Ragnemalm,
Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer
Kanzler: L. Hewlett, Verwaltungsrätin
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- der Herren Karlsson und Gustafsson, vertreten durch die Rechtsanwälte J. Borgström und C. M. von
Quitzow, Jönköping,
- der schwedischen Regierung, vertreten durch L. Nordling, Rättschef im Ministerium für auswärtige
Angelegenheiten, als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A. M. Alves Vieira und K. Simonsson,
Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Herren Karlsson, Gustafsson und Torarp, vertreten durch
die Rechtsanwälte J. Borgström und C. M. von Quitzow sowie P. Bentley, QC, der schwedischen Regierung,
vertreten durch L. Nordling, und der Kommission, vertreten durch A. M. Alves Vieira und K. Simonsson, in der
Sitzung vom 10. Dezember 1998,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. Januar 1999,
folgendes
Urteil
1.
Das Regeringsrätt (oberstes Verwaltungsgericht) hat mit Beschluß vom 27. Mai 1997, beim
Gerichtshof eingegangen am 8. August 1997, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) eine
Frage nach der Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 des Rates vom 28. Dezember 1992 über
die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor (ABl. L 405, S. 1), der Artikel 5 EG-Vertrag (jetzt
Artikel 10 EG) und40 Absatz 3 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 34 Absatz 2 EG) sowie des
Gleichbehandlungsgrundsatzes zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2.
Diese Frage stellt sich in drei Verfahren, die von den Milcherzeugern Karlsson und Gustafsson bzw.
dem ehemaligen Milcherzeuger Torarp gegen Entscheidungen des Jordbruksverk (schwedisches
Landwirtschaftsamt) angestrengt wurden, mit denen im Fall der ersten beiden niedrigere Milchquoten
festgesetzt bzw. bereits zugeteilte Milchquoten herabgesetzt worden waren und im Fall des dritten die
Zuteilung einer Milchquote abgelehnt worden war.
Rechtlicher Rahmen
3.
Um den strukturellen Überschüssen auf dem Milchmarkt Herr zu werden, wurde durch die
Verordnungen (EWG) Nr. 856/84 des Rates vom 31. März 1984 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr.
804/68 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (ABl. L 90, S. 10) und
die Verordnung (EWG) Nr. 857/84 vom gleichen Tag über Grundregeln für die Anwendung der Abgabe
gemäß Artikel 5c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse (ABl. L 90, S.
13) eine Regelung über zusätzliche Abgaben auf die eine bestimmte jährliche Referenzmenge
überschreitenden Milchmengen zu Lasten der Erzeuger oder Käufer eingeführt.
4.
Nach dem durch die Verordnung Nr. 856/84 eingefügten Artikel 5c der Verordnung (EWG) Nr.
804/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und
Milcherzeugnisse (ABl. L 148, S. 13) darf die Summe der in dem einzelnen Mitgliedstaat den
betreffenden Wirtschaftsteilnehmern zugeteilten Milchquoten eine Gesamtgarantiemenge in Höhe der
Summe der Milchmengen, die in einem Referenzjahr an be- oder verarbeitende Unternehmen geliefert
werden, nicht überschreiten. Bei Überschreitung der zugeteilten Quote hat je nach der von dem
Mitgliedstaat gewählten Formel entweder der Erzeuger oder der Käufer eine zusätzliche Abgabe zu
entrichten. Trifft diese Verpflichtung den Käufer, wälzt dieser nach der Zahlung der Abgabe diese auf
die Erzeuger ab, die ihre Milchquote überschritten und damit zur Überschreitung der Milchquote des
Käufers beigetragen haben.
5.
Die Mitgliedstaaten legten die Milchquote für jeden Erzeuger durch Bezugnahme auf die Milch- oder
Milchäquivalenzmenge fest, die von dem jeweiligen Erzeuger je nach Wahl des Mitgliedstaats im
Referenzjahr 1981, 1982 oder 1983 erzeugt worden war.
6.
Die Mitgliedstaaten, die als Reaktion auf die besondere Lage bestimmter Erzeuger nationale
Milchquotenreserven festlegen durften, ohne dabei jedoch die Gesamtmenge zu überschreiten,
sollten nach Artikel 3 der Verordnung Nr. 857/84 bei der Festlegung der Milchquoten eine Reihe
besonderer Situationen berücksichtigen wie die vonErzeugern, die sich zur Durchführung eines
Entwicklungsplans verpflichtet hatten, von Junglandwirten oder von Landwirten, deren Milcherzeugung
im Referenzjahr von außergewöhnlichen Ereignissen, die in der Bestimmung abschließend aufgezählt
sind, nachhaltig betroffen wurden.
7.
Nach Artikel 4 der Verordnung Nr. 857/84 konnten die Mitgliedstaaten Erzeugern, die im Bereich der
Milcherzeugung einen Entwicklungsplan mit bestimmten Kriterien durchführten oder die die
Landwirtschaft hauptberuflich betrieben, eine zusätzliche Referenzmenge zuweisen.
8.
Die ursprünglich für einen Zeitraum von fünf Jahren vom 1. April 1984 bis 31. März 1989 eingeführte
Regelung über die Zusatzabgabe, die anschließend bis zum 31. März 1993 verlängert wurde, wurde
durch die Verordnung Nr. 3950/92 für weitere sieben Zwölfmonatszeiträume verlängert. Die
letztgenannte Verordnung, die die Verordnung Nr. 857/84 abgelöst hat, legt die Grundregeln der
verlängerten Regelung fest und nimmt dabei insbesondere zu deren Vereinfachung einige
Änderungen vor.
9.
Nach Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3950/92 entspricht die einzelbetriebliche
Referenzmenge (im folgenden: Milchquote) grundsätzlich der am 31. März 1993 zur Verfügung
stehenden Menge, die gegebenenfalls für jeden der betreffenden Zwölfmonatszeiträume angepaßt
wird, um die Gesamtmenge nicht zu überschreiten. Für das Königreich Schweden, das den
Europäischen Gemeinschaften am 1. Januar 1995 beigetreten ist, hat die Akte über die Bedingungen
des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die
Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. 1994, C 241, S. 21, und ABL.
1995 L 1, S. 1; nachstehend: Beitrittsakte) diese Bestimmung um einen zweiten Absatz ergänzt, in dem
das Datum vom 31. März 1993 durch das vom 31. März 1996 ersetzt worden ist.
10.
Die Beitrittsakte hat für das Königreich Schweden ebenfalls eine Gesamtgarantiemenge von 3,3
Mio. Tonnen für Lieferungen und 3 000 Tonnen für Direktverkäufe festgesetzt. Nach Artikel 3 Absatz 1
der Verordnung Nr. 3950/92 in der durch die Beitrittsakte geänderten Fassung darf diese
Gesamtmenge nicht überschritten werden.
11.
Nach Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3950/92 in der durch die Beitrittsakte geänderten
Fassung dürfen die Mitgliedstaaten die einzelstaatliche Reserve durch eine lineare Verringerung der
Gesamtheit der einzelbetrieblichen Referenzmengen aufstocken, um Erzeugern, die nach objektiven,
im Einvernehmen mit der Kommission festgelegten Kriterien bestimmt werden, zusätzliche oder
spezifische Mengen zuzuteilen.
12.
Für die Erstzuteilung von Milchquoten an die schwedischen Erzeuger erließ das Königreich
Schweden zunächst die Förordning (1994:1714) om mjölkkvoter m. m. (Verordnung Nr. 1714 von 1994
über Milchquoten u. a.), die am 8. Februar 1995durch die Verordnung (1995:119) geändert wurde (im
folgenden: schwedische Verordnung Nr. 1714). Gemäß dieser Verordnung wurden Milchquoten für die
Lieferungen zwischen dem 1. April 1995 und dem 31. März 1996 gewährt.
13.
Ein Erzeuger mußte, um nach § 5 Absatz 1 der schwedischen Verordnung Nr. 1714 einen Anspruch
auf eine Milchquote für diesen Zeitraum geltend machen zu können, zwischen dem 1. März 1994 und
dem 1. Januar 1995 tatsächlich ununterbrochen Milch geliefert haben und bestimmte
Umweltschutzauflagen erfüllen.
14.
Bei einer Unterbrechung der Lieferungen in diesem Zeitraum konnte das Jordbruskverk, das für die
Überwachung der Milchquotenregelung zuständig ist, nach § 5 Absatz 2 der schwedischen Verordnung
Nr. 1714 eine Milchquote gewähren, wenn die Unterbrechung auf einem Umstand beruhte, den der
Erzeuger nicht zu vertreten hatte, und besondere Gründe vorlagen, ihm trotz der Unterbrechung eine
Milchquote zu gewähren.
15.
Nach § 6 der schwedischen Verordnung Nr. 1714 wurde die Milchlieferquote nach Maßgabe der in
den Referenzjahren 1991, 1992 und 1993 durchschnittlich gelieferten Milchmenge festgesetzt (im
folgenden: Hauptregel). Diese Hauptregel galt für alle Erzeuger, die ihre Erzeugung zwischen dem 1.
Januar 1991 und dem 31. Dezember 1994 nicht erhöht hatten (im folgenden: reguläre Erzeuger).
Zusätzliche, d. h. abweichende Vorschriften galten jedoch für drei besondere Erzeugergruppen,
nämlich die neuen Erzeuger, die ihren Betrieb erweiternden Erzeuger und die ökologischen Erzeuger.
16.
Neuer Erzeuger war, wer seine Lieferungen nach dem 1. Januar 1991 aufgenommen hatte. Nach §
10 der schwedischen Verordnung Nr. 1714 wurde seine Milchquote auf der Grundlage von 7 398 kg
Milch je Kuh und Jahr abzüglich 15 % „Eigenrisiko“ festgesetzt. Auf Antrag des Erzeugers konnte seine
Milchquote jedoch auf der Grundlage der von 1991 bis 1993 durchschnittlich gelieferten Mengen
festgesetzt werden, wobei die Milchmengen derjenigen Monate zugrunde gelegt wurden, in denen der
Betrieb Milch geliefert hatte.
17.
Zu den ihren Betrieb erweiternden Erzeugern gehörte, wer nach dem 1. Januar 1991 bauliche
Investitionen zur Erhöhung der Milcherzeugung vorgenommen oder ohne solche Investitionen seinen
Bestand an Kühen vergrößert hatte. Nach § 10a der schwedischen Verordnung Nr. 1714 hatte ein
solcher Erzeuger Anspruch auf eine Grund- und auf eine Zusatzquote. Die Grundquote berechnete
sich nach der Hauptregel ohne Berücksichtigung der im Referenzzeitraum vorgenommenen
Betriebserweiterung. Diese Erweiterungen berechtigten zu einer zusätzlichen Milchquote, die je nach
Wahl des Erzeugers auf der Grundlage von 7 398 kg Milch je neuer Kuh abzüglich 25 % „Eigenrisiko“
oder auf der Grundlage einer Milchmenge für jede neue Kuh in Höhe der durchschnittlichen
Liefermenge je Kuh und Jahr im Referenzzeitraum, ebenfalls abzüglich 25 % Eigenrisiko, berechnet
wurde.
18.
Die ökologischen Erzeuger im Sinne des § 7 der schwedischen Verordnung Nr. 1714 konnten
verlangen, daß ihre Milchquote auf der Grundlage des Durchschnitts ihrer ökologischen
Milchproduktion im Jahr 1993 oder 1994 berechnet wurde. Wenn ein solcher Erzeuger die Anwendung
der Vorschriften über neue Erzeuger oder den Betrieb erweiternde Erzeuger wünschte, wurde ihm die
entsprechende Quote gemäß den §§ 10 und 10a der schwedischen Verordnung Nr. 1714, jedoch ohne
Abzug für Eigenrisiko, zugeteilt.
19.
Im Januar 1995 teilten die schwedischen Behörden den regulären Erzeugern vorläufige Milchquoten
zu. Zwischen März und Mai 1995 verfuhren sie ebenso gegenüber den neuen Erzeugern. Daraufhin
stellten sie fest, daß die Zuteilung der Milchquoten an die ihren Betrieb erweiternden Erzeuger zu
einer Überschreitung der dem Königreich Schweden zugewiesenen Gesamtgarantiemenge führen
würde.
20.
Durch die Verordnung (1995:812) zur Änderung der schwedischen Verordnung Nr. 1714, die am 1.
Juli 1995 in Kraft trat (im folgenden: schwedische Verordnung Nr. 812) wurde der prozentuale Abzug
wegen Eigenrisiko von 15 % auf 30 % für die neuen Erzeuger und von 25 % auf 55 % für die ihren
Betrieb erweiternden Erzeuger erhöht. Letzteren wurde darüber hinaus die Zusatzabgabe nur noch für
den Teil der Erhöhung des Kuhbestands gewährt, der über 10 % des Kuhbestands vor der Erhöhung
hinausging. Daraufhin wurden die den neuen Erzeugern bereits vorläufig zugeteilten Quoten
entsprechend den neuen prozentualen Abzügen und Kriterien berichtigt.
Sachverhalt
21.
Herr Karlsson erhielt im Januar 1995 eine vorläufige Milchquote von 38 797 kg, die seiner
durchschnittlichen Milcherzeugung zwischen 1991 und 1993 entsprach. Mit der Begründung, daß er
seine Betriebsgebäude erneuert und die Zahl seiner Kühe von sieben auf zwölf erhöht habe,
beantragte er eine zusätzliche Quote als seinen Betrieb erweiternder Erzeuger. Mit Bescheid vom 29.
August 1995 wurde seinem Antrag stattgegeben und seine Milchquote unter Anwendung eines
Kürzungssatzes von 55 % gemäß § 10a der schwedischen Verordnung Nr. 1714 in der Fassung der
schwedischen Verordnung Nr. 812 auf 48 553 kg Milch festgesetzt.
22.
Herr Gustafsson beantragte eine Milchquote als neuer Erzeuger. Mit Bescheid vom 23. März 1995
erhielt er eine Quote von 251 532 kg Milch, berechnet für 40 Milchkühe unter Anwendung eines
Kürzungssatzes von 15 % gemäß Artikel 10 der schwedischen Verordnung Nr. 1714. Nach der
Änderung dieser Bestimmung durch die schwedische Verordnung Nr. 812 wurde dieser Bescheid
aufgehoben und durch einen neuen Bescheid vom 3. Juli 1995 ersetzt, der die Milchquote unter
Anwendung des neuen Kürzungssatzes von 30 % auf 207 144 kg festsetzte.
23.
Herr Torarp lieferte Milch zwischen 1991 und 1993. Mit Bescheid vom 13. Januar 1995 wurde ihm von
Amts wegen eine Milchquote zugeteilt. Herr Torarp teilte daraufhin der zuständigen Behörde mit, daß
er seine Milchproduktion am 12. November 1994 eingestellt habe, da ihm aufgrund eines
Arbeitsunfalls die Haltung vonMilchkühen unmöglich geworden sei. Am 13. Februar 1995 beantragte
er jedoch eine Milchquote, berechnet auf der Grundlage der in den Referenzjahren tatsächlich
durchgeführten Lieferungen. Mit Bescheid vom 5. März 1995 entzog das Jordbruksverk ihm nach § 5
der schwedischen Verordnung Nr. 1714 die von Amts wegen zugeteilte Quote und lehnte seinen
Antrag ab.
24.
Die Herren Karlsson, Gustafsson und Torarp erhoben gegen diese Bescheide Klage beim
zuständigen Länsrätt. Nach der Abweisung der Klage in erster Instanz und der Zurückweisung des
Rechtsmittels durch das Kammarrätt Jönköping legten die Betroffenen Revision beim Regeringsrätt
ein.
25.
Aufgrund der Feststellung, daß nach dem derzeitigen Stand des Gemeinschaftsrechts vergleichbare
Durchführungsvorschriften wie die der Verordnung Nr. 857/84 fehlten, und aufgrund von Zweifeln, ob
die schwedische Regelung mit der Verordnung Nr. 3950/92 mit den Artikeln 5 und 40 Absatz 3 EG-
Vertrag sowie dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar sei, beschloß das Regeringsrätt, das
Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Sind nach der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 des Rates über die Erhebung einer Zusatzabgabe im
Milchsektor sowie nach den Artikeln 5 und 40 Absatz 3 des Vertrages von Rom und dem im
Gemeinschaftsrecht grundlegenden Prinzip der Gleichbehandlung im Falle eines Staates, der der
Union am 1. Januar 1995 beigetreten ist, einzelstaatliche Rechtsvorschriften zulässig, nach denen
a) für Erzeuger, die ihre Erzeugung nicht verändert haben, die durchschnittlichen Lieferungen in den
Jahren 1991, 1992 und 1993 für die Zuteilung einer Milchquote zugrunde gelegt werden,
b) die Erzeuger, die in der Zeit vom 1. Januar 1991 bis 31. Dezember 1994 mit der Milchproduktion
begonnen oder diese erhöht haben, im Gegensatz zu den Milcherzeugern, deren
Produktionsverhältnisse sich in der genannten Zeit nicht verändert haben, oder zu den ökologischen
Milcherzeugern eine Herabsetzung ihrer Milchquote hinnehmen müssen, die für neue Erzeuger und für
ihren Betrieb erweiternde Erzeuger unterschiedlich gekürzt wird,
c) Erzeugern, die in der Zeit vor dem Beitritt des Staates zum Milchquotensystem der Gemeinschaft
Milch geliefert haben, aber - aus Gründen, auf die sie keinen Einfluß hatten - nicht während des
gesamten für die Zuteilung der Quote erforderlichen Qualifikationszeitraums (1. März 1994 bis 1.
Januar 1995) Milch geliefert haben, die Zuteilung einer Quote versagt wird?
26.
Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Verordnung Nr. 3950/92 EG-Vertrag,
Artikel 5 EG-Vertrag sowie der Gleichbehandlungsgrundsatz, der insbesondere in Artikel 40 Absatz 3
EG-Vertrag seinen Niederschlag gefunden hat, einer Regelung eines den Europäischen
Gemeinschaften am 1. Januar 1995 beigetretenen Mitgliedstaats über die Erstzuteilung der
Milchquoten entgegensteht, diedie Milchquoten der regulären Erzeuger auf der Grundlage ihrer
durchschnittlichen Lieferungen zwischen 1991 und 1993 bestimmt, zur Berechnung der Quoten für die
neuen Erzeuger und für die ihren Betrieb erweiternden Erzeuger im Unterschied zu den regulären und
den ökologischen Erzeugern Kürzungssätze vorsieht, die zudem noch unterschiedlich sind, und eine
Milchquote nur den Erzeugern gewährt, die eine Produktion nachweisen können, die zwischen dem 1.
März 1994 und dem 1. Januar 1995 zu keinem Zeitpunkt unterbrochen war.
Zur anwendbaren gemeinschaftlichen Regelung
27.
Soweit das vorlegende Gericht der Ansicht ist, daß die Regelung über die Zusatzabgabe auf Milch
nach der Aufhebung der Verordnung Nr. 857/84 durch die Verordnung Nr. 3950/92 keine Vorschriften
mehr über die Erstzuteilung der Milchquoten an die nationalen Erzeuger enthält, ist es im Einklang mit
den allgemeinen Grundsätzen, auf denen die Gemeinschaft beruht und die die Beziehungen zwischen
der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten beherrschen, gemäß Artikel 5 EG-Vertrag Sache der
Mitgliedstaaten, in ihrem Hoheitsgebiet für die Durchführung der Gemeinschaftsregelungen zu sorgen.
Soweit das Gemeinschaftsrecht einschließlich der allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze
hierfür keine gemeinsamen Vorschriften enthält, gehen die nationalen Behörden bei der
Durchführung dieser Regelungen nach den formellen und materiellen Bestimmungen ihres nationalen
Rechts vor (vgl. u. a. Urteil vom 23. November 1995 in der Rechtssache C-285/93, Dominikanerinnen-
Kloster Altenhohenau, Slg. 1995, I-4069, Randnr. 26).
28.
Entgegen der Ansicht der Kläger des Ausgangsverfahrens kann der durch die Verordnung Nr.
856/84 in die Verordnung Nr. 804/68 aufgenommene Artikel 5c nicht als einschlägig und anwendbar
angesehen werden.
29.
Die Verordnung Nr. 856/84, deren Bestimmungen durch die Verordnung (EWG) Nr. 2071/92 des
Rates vom 30. Juni 1992 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 (ABl. L 215, S. 64) schon vor
dem Beitritt des Königreichs Schweden in der Praxis nicht mehr angewendet wurden, regelte, wie der
Generalanwalt unter Nummer 32 seiner Schlußanträge ausgeführt hat, nicht die Art und Weise der
Zuteilung der individuellen Milchquoten - die in der später durch die Verordnung Nr. 3950/92
aufgehobenen Verordnung Nr. 857/84 festgelegt waren -, sondern diente nur der Einführung einer
Zusatzabgabe für Milch und der Bestimmung der Abgabenschuldner.
30.
Abgesehen davon, daß Artikel 5c der Verordnung Nr. 804/68 niemals die Erstzuteilung der
Milchquoten geregelt hat, kann auch das Argument der Kläger des Ausgangsverfahrens, die durch
diesen Artikel eingeführte Regelung gehöre zum gemeinschaftlichen Besitzstand und sei insoweit
immer noch von Bedeutung, ebenfalls nicht überzeugen.
31.
Die Regelung wurde ursprünglich auf fünf aufeinanderfolgende Zwölfmonatszeiträume befristet
eingeführt, dann auf acht und später auf neun aufeinanderfolgende Zwölfmonatszeiträume
ausgedehnt und durch die Verordnung Nr. 3950/92 erneut nurbefristet verlängert, dieses Mal um
sieben weitere Zwölfmonatszeiträume. Dies schließt bereits aus, daß die Milchquotenregelung zum
gemeinschaftlichen Besitzstand gehört.
32.
Abgesehen von den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts muß die schwedische
Regelung daher nur den Anforderungen der Verordnung Nr. 3950/92 in der durch die Beitrittsakte
geänderten Fassung genügen. Die geänderte Verordnung enthält, wie sich aus ihren Artikeln 3 bis 5
ergibt, keine Bestimmung zur Regelung der Erstzuteilung der Milchquoten. Sie beruhte nämlich in der
durch die Beitrittsakte geänderten Fassung, wie insbesondere ihr Artikel 4 zeigt, auf der
Voraussetzung, daß die Milchquoten für die Gesamtheit der Mitgliedstaaten mit Ausnahme der
Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden bereits vor dem
Inkrafttreten der Verordnung zugeteilt waren und für die Republik Österreich und die Republik Finnland
vor dem 1. April 1995 und für das Königreich Schweden vor dem 1. April 1996 zugeteilt wurden.
33.
Folglich waren die Mitgliedstaaten, die den Europäischen Gemeinschaften am 1. Januar 1995
beigetreten sind, nach der Verordnung Nr. 3950/92 in der durch die Beitrittsakte geänderten Fassung
lediglich verpflichtet, sich zu vergewissern, daß die Summe der auf diese Weise zugeteilten
Milchquoten nicht die Gesamtgarantiemenge überschritt, die für das Königreich Schweden 3 300 000 t
bei Lieferungen und 3 000 t bei Direktverkäufen beträgt. Diese Verpflichtung ergibt sich aus Artikel 3
Absatz 1 der geänderten Verordnung.
34.
Da die den Europäischen Gemeinschaften nach dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 3950/92
beigetretenen Mitgliedstaaten die Kriterien der Erstzulassung allein unter Beachtung der Grenze in
Artikel 3 Absatz 1 dieser durch die Beitrittsakte geänderten Verordnung festlegen müssen, steht
diese Verordnung einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahrens streitigen über die
Erstzuteilung der Milchquoten nicht entgegen.
Zu den Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts für die Erstzuteilung der Milchquoten
35.
Auch wenn ein Mitgliedstaat bei dieser Erstzuteilung über ein weites Ermessen verfügt, um in
seinem Gebiet die Gemeinschaftsregelung durchzuführen, müssen die nationalen Vorschriften, die er
erläßt, nach ständiger Rechtsprechung mit dem Erfordernis einer einheitlichen Anwendung des
Gemeinschaftsrechts in Einklang stehen, um eine Ungleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer zu
verhindern (Urteil Dominikanerinnen-Kloster Altenhohenau, Randnr. 26). Ebenso muß der
Mitgliedstaat, wie der Generalanwalt unter Nummer 36 seiner Schlußanträge ausgeführt hat, sich von
den besonderen Zielen der gemeinsamen Agrarpolitik leiten lassen, wenn die von ihm
durchzuführende Gemeinschaftsregelung unter diese fällt.
36.
Im vorliegenden Fall ergibt sich bereits aus der streitigen Regelung und den Erklärungen der
schwedischen Regierung in der Sitzung, daß das Königreich Schwedensich bei der Festlegung der
nationalen Regelung über die Zuteilung der Milchquoten von den gemeinschaftsrechtlichen
Vorschriften hat leiten lassen, die zum Zeitpunkt der Einführung der Regelung über die Zusatzabgabe
für Milch in Kraft waren.
37.
Die Mitgliedstaaten müssen bei der Durchführung der gemeinschaftsrechtlichen Regelungen aber
auch die Erfordernisse des Grundrechtschutzes in der Gemeinschaftsrechtsordnung beachten. Sie
müssen diese deshalb soweit wie möglich in Übereinstimmung mit diesen Erfordernissen anwenden
(Urteil vom 24. März 1994 in der Rechtssache C-2/92, Bostock, Slg. 1994, I-955, Randnr. 16).
38.
Zu diesen Grundrechten gehört der allgemeine Grundsatz der Gleichheit und Nichtdiskriminierung,
der das vorlegende Gericht zu der Frage veranlaßt hat, ob die betreffende schwedische Regelung ihn
beachtet hat.
Zum Gleichbehandlungsgrundsatz
39.
Artikel 40 Absatz 3 Unterabsatz 2 EG-Vertrag, der im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik das
Verbot der Diskriminierung aufstellt, ist lediglich ein besonderer Ausdruck des allgemeinen
Gleichheitsgrundsatzes, der besagt, daß vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und
unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen, es sei denn, daß eine
unterschiedliche Behandlung objektiv gerechtfertigt wäre (Urteile vom 20. September 1988 in der
Rechtssache 203/86, Spanien/Rat, Slg. 1988, 4563, Randnr. 25, und vom 17. April 1997 in der
Rechtssache C-15/95, EARL de Kerlast, Slg. 1997, I-1961, Randnr. 35).
40.
Die Akten enthalten keinen Anhaltspunkt dafür, daß die schwedische Regelung durch die Wahl der
Jahre 1991 bis 1993 als Referenzzeitraum und durch die Heranziehung des Durchschnitts der
Milchlieferungen in diesem Zeitraum für die Berechnung der den regulären Erzeugern zuzuteilenden
Milchquoten gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen hätte. Indem diese Regelung nämlich
für die Festlegung der Milchquoten auf alle Erzeuger, die sich in der gleichen Lage befinden, die
gleichen Vorschriften anwendet, behandelt sie vergleichbare Sachverhalte gleich.
41.
Folglich steht der Gleichbehandlungsgrundsatz einer nationalen Regelung eines den Europäischen
Gemeinschaften am 1. Januar 1995 beigetretenen Mitgliedstaats über die Erstzuteilung von
Milchquoten, die die Milchquoten der Erzeuger, deren Produktion sich zwischen dem 1. Januar 1991
und dem 31. Dezember 1994 nicht geändert hat, auf der Grundlage ihrer durchschnittlichen
Lieferungen zwischen 1991 und 1993 bestimmt, nicht entgegen.
42.
Die schwedische Regierung ist sich durchaus darüber im klaren gewesen, daß die neuen Erzeuger
und die ihren Betrieb erweiternden Erzeuger gegenüber den regulären Erzeugern benachteiligt
werden, wenn aufgrund ihrer eigenen Entscheidung ihre Milchquote oder der Teil der Quote, der der
Produktionserweiterung entspricht, gemäß § 10 der schwedischen Verordnung Nr. 1714 nach den
zwischen 1991 und 1993 durchschnittlich gelieferten Mengen festgesetzt wird. Im Unterschied zu den
regulären Erzeugern können sie nämlich in diesem Fall keine so hohe Milchquote erhalten wie die, die
der Gesamtheit der Milchmenge entspricht, die sie mit ihrem Bestand an Kühen zu erzeugen in der
Lage sind.
43.
Die schwedische Regierung ist sich auch der Tatsache bewußt gewesen, daß die alternativ
vorgeschlagene Berechnungsart, die von einer pauschalen Milchmenge von 7 398 kg Milch je Kuh und
Jahr ausgeht und der besonderen Lage dieser beiden Erzeugergruppen Rechnung tragen soll, diese
Ungleichheit der Behandlung auch nicht beseitigen kann, da die Milchquoten der neuen Erzeuger und
die zusätzlichen Milchquoten der ihren Betrieb erweiternden Erzeuger nach Anwendung eines
Kürzungssatzes von 30 % bzw. 55 % festgesetzt werden. Daher sind ungeachtet der sich aus den
unterschiedlichen Sätzen ergebenden unterschiedlichen Behandlung dieser beiden Erzeugergruppen
die neuen Erzeuger und die ihren Betrieb erweiternden Erzeuger gegenüber den regulären Erzeugern
und auch gegenüber den ökologischen Erzeugern benachteiligt, die sich zwar in einer vergleichbaren
Lage befinden, aber keine Kürzungen hinnehmen müssen.
44.
Die Belastung durch die Festsetzung der Milchquoten unterhalb der vorhandenen
Produktionskapazitäten trifft somit einseitig die neuen Erzeuger und die ihren Betrieb erweiternden
Erzeuger. Eine solche Begrenzung der Mengen, die im Rahmen der Milchquoten zugelassen werden, ist
eine Beschränkung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung, die von diesen Erzeugern geltend
gemacht werden kann.
45.
Nach gefestigter Rechtsprechung kann jedoch die Ausübung dieser Rechte, insbesondere im
Rahmen einer gemeinsamen Marktorganisation, Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese
tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Gemeinschaft entsprechen und nicht einen im
Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen, nicht tragbaren Eingriff darstellen, der diese
Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet (vgl. Urteil vom 13. Juli 1989 in der Rechtssache 5/88,
Wachauf, Slg. 1989, 2609, Randnr. 18).
46.
Im Ausgangsrechtsstreit dient die Festsetzung der Milchquoten unterhalb der vorhandenen
Produktionskapazitäten dem von der Gemeinschaft mit der Einführung einer Zusatzabgabe für Milch in
erster Linie verfolgten Ziel, die strukturellen Überschüsse abzubauen und zu einem besseren
Marktgleichgewicht zu kommen, wie sich u. a. aus der ersten Begründungserwägung der Verordnung
Nr. 3950/92 ergibt.
47.
Die Kürzungen, die einseitig die neuen Erzeuger und die ihren Betrieb erweiternden Erzeuger
treffen, sind daher objektiv gerechtfertigt, da diese Erzeuger eine besondereVerantwortlichkeit für die
drohende Überschreitung der Gesamtgarantiemenge traf, die die schwedischen Behörden bei der
vorläufigen Zuteilung der Milchquoten festgestellt hatten. Die dem Königreich Schweden bei seinem
Beitritt zugeteilte Gesamtgarantiemenge, die der in diesem Land 1992 erzeugten Milchmenge
entspricht, war nämlich im wesentlichen anhand der von den regulären Erzeugern produzierten
Mengen festgesetzt worden. Die Gefahr einer Überschreitung dieser Gesamtmenge war somit in erster
Linie Folge der Produktionszunahme in den letzten Jahren, für die vor allem die ihren Betrieb
erweiternden Erzeuger und die neuen Erzeuger verantwortlich waren.
48.
Innerhalb der Gruppe der von einer Kürzung ihrer Milchquoten betroffenen Erzeuger werden die
neuen Erzeuger gegenüber den ihren Betrieb erweiternden Erzeugern begünstigt, da in ihrem Fall die
Mengen, mit deren Produktion nach dem 1. Januar 1991 und vor dem 1. Januar 1995 begonnen wurde,
einem niedrigeren Kürzungssatz unterliegen.
49.
Diese unterschiedliche Behandlung ist jedoch durch agrarpolitische Ziele gerechtfertigt, die das
Königreich Schweden nach den Angaben der schwedischen Regierung in diesem Verfahren im
Milchsektor verfolgt und die nicht die Grenzen des Ermessens überschreiten, über das es verfügt.
50.
Die Rechtmäßigkeit dieser Ziele ist nämlich im Gemeinschaftsrecht anerkannt. Zum einen erlaubte
im Rahmen der ursprünglichen Regelung über die Zusatzabgabe bereits Artikel 3 Nummer 1 der
Verordnung Nr. 857/84 den Mitgliedstaaten, den Junglandwirten eine Vorzugsbehandlung zuteil
werden zu lassen. Zum anderen gestattet im Rahmen der derzeitigen Regelung über die
Zusatzabgabe Artikel 5 der Verordnung Nr. 3950/92 den Mitgliedstaaten, bestimmten Erzeugern nach
objektiven Kriterien zusätzliche oder spezifische Mengen zuzuteilen.
51.
Bei der Verfolgung seiner agrarpolitischen Ziele kann ein Mitgliedstaat berechtigt sein, aus
ökologischen Gründen insbesondere im Zusammenhang mit bestimmten umweltfreundlichen
Produktionsverfahren bestimmte Erzeuger von der Anwendung von Kürzungssätzen auszunehmen,
selbst wenn diese Erzeuger sich in einer vergleichbaren Lage wie die neuen Erzeuger oder die ihren
Betrieb erweiternden Erzeuger befinden. Jedoch sind weder die Begründung des Vorlagebeschlusses
noch die Erklärungen der Beteiligten nach Artikel 20 der EG-Satzung des Gerichtshofes genügend
detailliert, um dem Gerichtshof eine weitergehende Stellungnahme zu ermöglichen.
52.
Die Kläger des Ausgangsverfahrens machen geltend, daß die Umweltschutzauflagen, die jeder
schwedische Erzeuger nach § 5 der schwedischen Verordnung Nr. 1714 erfüllen müsse, diesen im
Verhältnis zu den Erzeugern aus den anderen Mitgliedstaaten diskriminierten.
53.
Eine etwaige Ungleichbehandlung der Erzeuger eines Mitgliedstaats gegenüber denen aus anderen
Mitgliedstaaten, die wie im vorliegenden Fall lediglich auf den Unterschieden zwischen den
Rechtsvorschriften dieser Mitgliedstaaten beruht, bewirkt keine Diskriminierung im Sinne des Artikels
40 Absatz 3 EG-Vertrag, da die fraglichen nationalen Rechtsvorschriften alle betroffenen Erzeuger
nach objektiven Kriterien erfassen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juli 1988 in der Rechtssache
308/86, Lambert, Slg. 1988, 4369, Randnrn. 21 und 22).
54.
Zu der Entscheidung, Herrn Torarp wegen der Unterbrechung seiner Lieferungen keine Milchquote
zu gewähren, ist vorweg festzustellen, daß es allein dem nationalen Gericht obliegt, die Tragweite der
nationalen Bestimmungen und die Art und Weise ihrer Anwendung zu beurteilen (vgl. z. B. Urteil vom
30. April 1996 in der Rechtssache C-194/94, CIA Security International, Slg. 1996, I-2201, Randnr. 20).
Daher können die Anwendung der betreffenden nationalen Rechtsvorschrift auf den Fall Torarp und
insbesondere die Gründe der schwedischen Behörden für die Versagung einer Milchquote im Rahmen
des Artikels 177 EG-Vertrag nicht geprüft werden.
55.
Wie der Generalanwalt in den Nummern 60 und 61 seiner Schlußanträge zutreffend festgestellt hat,
verstößt es nach dem Urteil vom 17. Mai 1988 in der Rechtssache 84/87 (Erpelding, Slg. 1988, 2647,
Randnrn. 15 bis 21) nicht gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung - und im übrigen auch nicht
gegen den des Vertrauensschutzes -, wenn eine nationale Regelung über die Erstzuteilung der
Milchquote bestimmte Unglücksfälle unberücksichtigt läßt, so daß ein Erzeuger, der von einem
solchen Unglücksfall betroffen ist und dadurch im Referenzzeitraum erheblich weniger Milch erzeugt,
eine niedrigere Milchquote erhält, als sie ihm zugeteilt worden wäre, wenn der Unglücksfall nicht
eingetreten wäre.
56.
Dies gilt erst recht für eine Regelung, nach der ein Milcherzeuger eine Milchquote erhalten kann,
obwohl er durch Umstände, die von ihm nicht zu vertreten sind, während des Referenzzeitraums oder
eines Teils desselben gezwungen war, seine Milchproduktion zu unterbrechen, sofern sein Antrag auf
Wiederaufnahme der Produktion aus besonderen Gründen gerechtfertigt ist. Diese Lösung entspricht
nämlich den Leitlinien der Regelung über die Zusatzabgabe für Milch, nach denen ein Erzeuger nach
bestimmten Unterbrechungen, z. B. namentlich dann, wenn er eine Verpflichtung zur Nichtvermarktung
nach der Verordnung (EWG) Nr. 1078/77 des Rates vom 17. Mai 1977 zur Einführung einer
Prämienregelung für die Nichtvermarktung von Milch und Milcherzeugnissen und die Umstellung der
Milchkuhbestände (ABl. L 131, S. 1) unterschrieben hat, die Produktion wieder aufnehmen kann,
sofern er die Absichthat, die Produktion fortzuführen und gegebenenfalls nachweisen kann, daß er die
von ihm beanspruchten Mengen vermarkten kann.
57.
Dagegen ist es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes gerechtfertigt, einem Erzeuger eine
Milchquote zu versagen, der einen entsprechenden Antrag nicht mit dem Ziel der Wiederaufnahme
der Vermarktung von Milch auf Dauer, sondern zu dem Zweck gestellt hat, aus dieser Zuteilung einen
rein finanziellen Vorteil zu ziehen, indem er sich den Marktwert zunutze macht, den die Milchquote in
der Zwischenzeit erlangt hat (vgl. u. a. Urteil vom 22. Oktober 1991 in der Rechtssache C-44/89, Von
Deetzen II, Slg. 1991, I-5119, Randnr. 24). Um spekulative Geschäfte, bei denen eine Milchquote an
einen anderen nur mit dem Ziel ihrer kommerziellen Verwertung veräußert wird, auszuschließen, bietet
das Erfordernis der besonderen Gründe den nationalen Behörden somit die Möglichkeit, die
Ernsthaftigkeit der Absicht und die tatsächliche Fähigkeit eines Erzeugers, die Milchlieferungen
tatsächlich wiederaufzunehmen, zu überprüfen.
58.
Soweit die Festsetzung der Milchquoten insbesondere für die neuen Erzeuger und die ihren Betrieb
erweiternden Erzeuger unterhalb ihrer Produktionskapazität eine Einschränkung der Ausübung ihrer
Grundrechte darstellt, muß ein Mitgliedstaat, der die Ausübung von Grundrechten einschränkt, den
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Danach darf eine solche Beschränkung unter
Berücksichtigung ihres Zieles keinen unverhältnismäßigen, nicht tragbaren Eingriff darstellen, der die
Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet (vgl. Urteil Wachauf, Randnr. 18).
59.
Die Akten enthalten nichts, was Anlaß zu Zweifeln böte, daß die Festsetzung der Milchquoten für die
neuen Erzeuger und die ihren Betrieb erweiternden Erzeuger unterhalb ihrer Produktionskapazität
angemessen und erforderlich ist, um die Überschreitung der Gesamtgarantiemenge zu verhindern.
Nach den Erklärungen der schwedischen Regierung wurde die eingeschränkte Berücksichtigung ihrer
Produktionskapazität, von der diese Wirtschaftsteilnehmer betroffen sind, gerade wegen der
voraussichtlichen Überschreitung der Gesamtmenge festgesetzt.
60.
Die schwedische Regierung hat in der mündlichen Verhandlung anhand von Zahlen nachgewiesen,
daß im Wirtschaftsjahr 1995/96 nur 1 % der Gesamtgarantiemenge nicht verteilt worden ist und daß
diese Zahl im Wirtschaftsjahr 1997/98 auf 0,2 % gesunken ist. Angesichts der in der
Gemeinschaftsregelung vorgesehenen Möglichkeit der Bildung einer nationalen Reserve und der sehr
geringen Höhe der von den schwedischen Behörden zurückbehaltenen Mengen läßt sich nicht von
einer Ermessensüberschreitung eines Mitgliedstaats sprechen, wenn er so geringfügige Mengen nicht
verteilt.
61.
Aus all diesen Erwägungen zu einer eventuellen Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes
folgt, daß dieser Grundsatz einer nationalen Regelung eines den Europäischen Gemeinschaften am 1.
Januar 1995 beigetretenen Mitgliedstaatsüber die Erstzuteilung von Milchquoten nicht entgegensteht,
die zur Berechnung der Milchquoten für die neuen Erzeuger, die ihre Produktion zwischen dem 1.
Januar 1991 und dem 31. Dezember 1994 aufgenommen haben, und für die ihren Betrieb
erweiternden Erzeuger, die während des gleichen Zeitraums ihre bereits bestehende Produktion
erhöht haben, im Unterschied zu den Erzeugern, die ihre Produktion in dem genannten Zeitraum nicht
erhöht haben, und zu den ökologischen Milcherzeugern Kürzungssätze, die zudem noch
unterschiedlich sind, vorsieht und die eine einzelbetriebliche Referenzmenge nur den Erzeugern
gewährt, die eine Produktion nachweisen können, die zwischen dem 1. März 1994 und dem 1. Januar
1995 zu keinem Zeitpunkt unterbrochen war, es sei denn, daß ein Erzeuger, der seine Lieferungen in
diesem Zeitraum nicht freiwillig unterbrochen hat, sich auf besondere Gründe berufen kann, die die
Gewährung einer Referenzmenge rechtfertigen.
Zum Grundsatz des Vertrauensschutzes
62.
Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens machen geltend, die schwedische Regelung verstoße
gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, da die nationale Regelung über die Verteilung der
Milchquoten kein getreues Abbild der Gemeinschaftsregelung, wie sie sich aus der Verordnung Nr.
856/84 ergebe, sei. So seien für die Zuteilung einer Milchquote Umweltschutzauflagen und die
Bedingung einer zwischen dem 1. März 1994 und dem 1. Januar 1995 ununterbrochenen Produktion
festgesetzt worden.
63.
Diese Rügen greifen nicht durch. Die Berufung auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes ist
gegenüber einer Gemeinschaftsregelung nur insoweit möglich, als die Gemeinschaft zuvor selbst eine
Situation geschaffen hat, die ein berechtigtes Vertrauen wecken kann (Urteil vom 15. April 1997 in der
Rechtssache C-22/94, Irish Farmers Association, u. a., Slg. 1997, I-1809, Randnr. 19). Die Prüfung der
im Ausgangsverfahren streitigen Regelung hat bereits gezeigt, daß die fragliche
Gemeinschaftsregelung eine solche Wirkung nicht gehabt hat.
Kosten
64.
Die Auslagen der schwedischen Regierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften,
die Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des
Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem nationalen Gericht
anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
auf die ihm vom Regeringsrätt mit Beschluß vom 27. Mai 1997 vorgelegte Frage für Recht erkannt:
Die Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 des Rates vom 28. Dezember 1992 über die Erhebung
einer Zusatzabgabe im Milchsektor in der Fassung der Akte über die Bedingungen des
Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden
und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge sowie der
Gleichbehandlungsgrundsatz, der insbesondere in Artikel 40 Absatz 3 Unterabsatz 2 EG-
Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 34 Absatz 2 Unterabsatz 2 EG) seinen Niederschlag
gefunden hat, sind dahin auszulegen, daß sie einer nationalen Regelung eines den
Europäischen Gemeinschaften am 1. Januar 1995 beigetretenen Mitgliedstaats über die
Erstzuteilung einzelbetrieblicher Referenzmengen nicht entgegenstehen,
- die einzelbetrieblichen Referenzmengen der Erzeuger, deren Produktion sich zwischen
dem 1. Januar 1991 und dem 31. Dezember 1994 nicht geändert hat, auf der Grundlage
ihrer durchschnittlichen Lieferungen zwischen 1991 und 1993 bestimmt,
- zur Berechnung der einzelbetrieblichen Referenzmengen für die neuen Erzeuger, die
ihre Produktion zwischen dem 1. Januar 1991 und dem 31. Dezember 1994 aufgenommen
haben, und für die ihren Betrieb erweiternden Erzeuger, die in diesem Zeitraum ihre
bereits bestehende Produktion erhöht haben, im Unterschied zu den Erzeugern, die ihre
Produktion in dem genannten Zeitraum nicht verändert haben, und zu den ökologischen
Milcherzeugern Kürzungssätze, die zudem noch unterschiedlich sind, vorsieht,
- eine einzelbetriebliche Referenzmenge nur den Erzeugern gewährt, die eine
Produktion nachweisen können, die zwischen dem 1. März 1994 und dem 1. Januar 1995 zu
keinem Zeitpunkt unterbrochen war, es sei denn, daß ein Erzeuger, der seine Lieferungen
in diesem Zeitraum nicht freiwillig unterbrochen hat, sich auf besondere Gründe berufen
kann, die die Gewährung einer Referenzmenge rechtfertigen.
Kapteyn
Hirsch
Ragnemalm
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 13. April 2000.
Der Kanzler
Der Präsident der Sechste Kammer
R. Grass
J. C. Moitinho de Almeida
Verfahrenssprache: Schwedisch.