Urteil des EuGH vom 29.04.2004

EuGH: kommission, produktion, staatliche beihilfe, begriff, markt, republik, umstrukturierung, beitrag, bedingung, luxemburg

WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Fünfte Kammer)
29. April 2004
„Rechtsmittel – Staatliche Beihilfen – Schiffbau – Entscheidungen der Kommission, mit denen die Gewährung
von Beihilfen genehmigt wird – Voraussetzung – Einhaltung einer ‚Kapazitätsgrenze‘ – Begriff“
In der Rechtssache C-181/02 P
Kommission der Europäischen Gemeinschaften,
Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Rechtsmittelführerin,
betreffend ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
(Vierte erweiterte Kammer) vom 28. Februar 2002 in den Rechtssachen T-227/99 und T-134/00 (Kvaerner
Warnow Werft/Kommission, Slg. 2002, II-1205) wegen Aufhebung dieses Urteils,
anderer Verfahrensbeteiligter:
Kvaerner Warnow Werft GmbH,
Rechtsanwalt M. Schütte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung der Richter C. W. A. Timmermans in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der
Fünften Kammer, A. La Pergola (Berichterstatter) und S. von Bahr,
Generalanwalt: P. Léger,
Kanzler: M. Mugica Arzamendi, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten in der Sitzung vom 10. Juli 2003,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 27. November 2003,
folgendes
Urteil
1
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Rechtsmittelschrift, die am 15. Mai 2002 bei der
Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 49 der EG-Satzung des Gerichtshofes ein
Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz zum 28. Februar 2002 in den Rechtssachen
T‑227/99 und T‑134/00 (Kvaerner Warnow Werft/Kommission, Slg. 2002, II‑1205, im Folgenden:
angefochtenes Urteil) eingelegt, mit dem die Entscheidung 1999/675/EG der Kommission vom 8. Juli 1999
über die staatliche Beihilfe der Bundesrepublik Deutschland zugunsten der Kvaerner Warnow Werft GmbH
(ABl. L 274, S. 23) in der Fassung der Entscheidung 2000/416/EG der Kommission vom 29. März 2000 über
die staatliche Beihilfe Deutschlands zugunsten der Kvaerner Warnow Werft GmbH (1999) (ABl. L 156, S. 39)
und die Entscheidung 2000/336/EG der Kommission vom 15. Februar 2000 über die staatliche Beihilfe der
Bundesrepublik Deutschland zugunsten der Kvaerner Warnow Werft GmbH (ABl. L 120, S. 12) für nichtig
erklärt worden sei.
Rechtlicher Rahmen
2
Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe e EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe e EG)
bestimmt:
„Als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar können angesehen werden:
e)
sonstige Arten von Beihilfen, die der Rat durch eine Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit auf
Vorschlag der Kommission bestimmt.“
3
Auf dieser Grundlage erließ der Rat die Richtlinie 90/684/EWG vom 21. Dezember 1990 über Beihilfen für den
Schiffbau (ABl. L 380, S. 27). Diese sieht unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit der Gewährung von
staatlichen Betriebsbeihilfen, Investitionsbeihilfen, Schließungsbeihilfen sowie Forschungs- und
Entwicklungsbeihilfen zugunsten von Schiffbaubetrieben vor.
4
Artikel 6 Absätze 1 und 3 der Richtlinie 90/684 bestimmt:
„(1) Investitionsbeihilfen … dürfen für die Errichtung neuer Werften oder für Investitionen in bereits
bestehende Werften nur dann gewährt werden, wenn sie an einen Umstrukturierungsplan, der zu keiner
Steigerung der Schiffbaukapazität dieser Werft führt, gebunden oder, im Falle einer Kapazitätsausweitung,
mit einem entsprechenden endgültigen Abbau der Kapazität anderer Werften in dem gleichen Zeitraum in
demselben Mitgliedstaat unmittelbar verbunden sind.
(3) … Investitionsbeihilfen [dürfen] als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar gelten, sofern
Höhe und Intensität derartiger Beihilfen durch den Umfang der betreffenden
Umstrukturierungsbemühungen gerechtfertigt sind;
sie auf einen Betrag zur Deckung der mit der Investition unmittelbar verbundenen Kosten beschränkt
sind.“
5
Gemäß Artikel 10a Absatz 2 Buchstabe c der Richtlinie 90/684 in ihrer Fassung aufgrund der Richtlinie
92/68/EWG des Rates vom 20. Juli 1992 (ABl. L 219, S. 54) können Betriebsbeihilfen für das Neubau- und
Umbaugeschäft der Werften, die am 1. Juli 1990 im Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen
Republik bestanden, bis zum 31. Dezember 1993 als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen
werden, sofern sich die Bundesrepublik Deutschland bereit erklärt, bis zum 31. Dezember 1995 eine echte,
irreversible Stilllegung von Schiffbaukapazitäten von 40 % netto, bezogen auf die am 1. Juli 1990 vorhandene
Schiffbaukapazität von 545 000 cgt (compensated gross tonnage [gewichtete Bruttoraumzahl]), zu
veranlassen.
6
In der ersten bis dritten Begründungserwägung der Richtlinie 92/68 heißt es hierzu:
„Der Schiffbau ist wichtig für die Strukturentwicklung der Küstengebiete der ehemaligen Deutschen
Demokratischen Republik.
Der Schiffbau, der dort bei der Eingliederung dieser Gebiete in die Gemeinschaft bestand, bedarf dringend
einer umfassenden Umstrukturierung, wenn er wettbewerbsfähig werden soll. Dies ist aber nicht möglich,
wenn die gemeinsamen Höchstgrenzen für Produktionsbeihilfen hier sofort wirksam werden; es müsste
daher eine eigene Übergangsregelung getroffen werden, damit der Schiffbau dort während der
schrittweisen Umstrukturierung weiterarbeiten kann, die ihn in die Lage versetzen soll, den in der gesamten
Gemeinschaft geltenden Regeln für staatliche Beihilfen zu genügen.
Auf der anderen Seite muss der Schiffbau in den genannten Gebieten aus Wettbewerbsgründen auch einen
echten Beitrag zum Abbau der Überkapazitäten leisten, die immer noch weltweit einer Rückkehr zu normalen
Marktbedingungen im Schiffbau im Wege stehen.“
Der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt
7
Aus den Randnummern 4 bis 14 des angefochtenen Urteils geht Folgendes hervor:
„4
Die ostdeutsche Warnow Werft wurde 1992 von der Treuhandanstalt, einer mit der Umstrukturierung
der … Betriebe der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik betrauten Anstalt des
öffentlichen Rechts, an den norwegischen Kvaerner-Konzern verkauft. In dem Kaufvertrag, den die
Bundesrepublik Deutschland der Kommission zusandte, verpflichtete sich der Käufer, die
Neubaukapazität dieser Werft von jährlich 85 000 cgt bis zum 31. Dezember 2005 nicht zu
überschreiten, sofern diese auf dem Gemeinschaftsrecht basierende Begrenzung nicht gelockert wird.
Die Kapazität von jährlich 85 000 cgt wurde der Klägerin von der Bundesrepublik Deutschland gemäß
Artikel 10a Absatz 2 Buchstabe c der Richtlinie 90/684 zugeteilt.
5
Mit ihren der Bundesrepublik Deutschland mit Schreiben vom 3. März 1993, 17. Januar 1994, 20.
Februar 1995, 18. Oktober 1995 und 11. Dezember 1995 mitgeteilten Entscheidungen (im Folgenden:
Genehmigungsentscheidungen) genehmigte die Kommission nach Maßgabe der Richtlinien 90/684
und 92/68 die von der Bundesrepublik Deutschland zugunsten der genannten Werft geplanten
Beihilfen in einer Gesamthöhe von 1 246,9 Mio. DM unter der Bedingung, dass eine
Kapazitätsobergrenze von 85 000 cgt jährlich eingehalten wird. Die Beihilfen wurden gemäß folgender
Aufschlüsselung genehmigt:
N 692/D/91 – Schreiben der Kommission vom 3. März 1993 (SG[93] D/4052)
45,5 Mio. DM Betriebsbeihilfe;
82,4 Mio. DM Betriebsbeihilfe in Form einer Befreiung von früheren Verbindlichkeiten;
127,5 Mio. DM Investitionsbeihilfe;
27,0 Mio. DM Schließungsbeihilfe;
N 692/J/91 – Schreiben der Kommission vom 17. Januar 1994 (SG[94] D/567)
617,1 Mio. DM Betriebsbeihilfe;
N 1/95 – Schreiben der Kommission vom 20. Februar 1995 (SG[95] D/1818)
222,5 Mio. DM Investitionsbeihilfe;
N 637/95 – Schreiben der Kommission vom 18. Oktober 1995 (SG[95] D/12821)
66,9 Mio. DM Investitionsbeihilfe;
N 797/95 – Schreiben der Kommission vom 11. Dezember 1995 (SG[95] D/15969)
58,0 Mio. DM Investitionsbeihilfe.
7
Da die Kommission der Auffassung war, dass die Kapazitätsgrenze von jährlich 85 000 cgt 1998
überschritten worden sei, setzte sie die Bundesrepublik Deutschland mit Schreiben vom 16. Dezember
1998 von ihrem Beschluss in Kenntnis, das Verfahren nach Artikel [88] Absatz 2 [EG] zu eröffnen.
Dieses Schreiben war Gegenstand einer Mitteilung, die am 16. Februar 1999 im
(ABl. C 41, S. 23) veröffentlicht wurde.
8
Die deutschen Behörden nahmen am 18. Februar 1999 Stellung.
9
Am 14. Januar und 25. März 1999 statteten Vertreter der Kommission in Begleitung eines
unabhängigen Sachverständigen der Werft einen Besuch ab.
10
Mit Entscheidung 1999/675 … beschloss die Kommission Folgendes:
Die Beihilfe Deutschlands zugunsten der Kvaerner Warnow Werft GmbH in Höhe von 41,5 Mio. EUR (83,0 Mio.
DEM) ist gemäß Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.
(1) Deutschland ergreift alle notwendigen Maßnahmen, um die Beihilfe in Höhe von 41,5 Mio. EUR (83,0 Mio.
DEM) von dem Empfänger zurückzufordern.
(3) Der beizutreibende Beihilfebetrag erhöht sich um die Zinsen, die ab dem Tage der Auszahlung an den
Empfänger bis zu ihrer tatsächlichen Rückzahlung auf Grundlage des für die Berechnung des
Subventionsäquivalents der Regionalbeihilfen verwendeten Bezugssatzes berechnet werden.
…‘
11
Da die Kommission der Auffassung war, dass die Kapazitätsgrenze von jährlich 85 000 cgt auch 1997
überschritten worden sei, setzte sie die Bundesrepublik Deutschland mit Schreiben vom 20. Juli 1999
von ihrem Beschluss in Kenntnis, aus diesem Grund das Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG
einzuleiten. Dieses Schreiben war Gegenstand einer Mitteilung, die am 28. August 1999 im
(ABl. C 245, S. 24) veröffentlicht wurde.
12
Die deutschen Behörden nahmen am 4. Oktober 1999 Stellung.
13
Mit Entscheidung 2000/336 … beschloss die Kommission Folgendes:
Die Beihilfe, die Deutschland zugunsten der Kvaerner Warnow Werft GmbH in Höhe von 6,3 Mio. EUR (12,6
Mio. DEM) gewährt hat, ist gemäß Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.
(1) Deutschland ergreift alle notwendigen Maßnahmen, um die Beihilfe in Höhe von 6,3 Mio. EUR (12,6 Mio.
DEM) von dem Empfänger zurückzufordern.
(3) Die zurückzufordernde Beihilfe umfasst Zinsen von dem Zeitpunkt an, ab dem die rechtswidrige Beihilfe
dem Empfänger zur Verfügung stand, bis zu ihrer tatsächlichen Rückzahlung. Die Zinsen werden auf der
Grundlage des für die Berechnung des Subventionsäquivalents der Regionalbeihilfen verwendeten
Bezugssatzes berechnet.
…‘
14
Mit Entscheidung 2000/416 … beschloss die Kommission Folgendes:
Die Kvaerner Warnow Werft GmbH (KWW) hat die Kapazitätsgrenze, deren Einhaltung gemäß der
Entscheidung über die staatliche Beihilfe N 325/99, mitgeteilt mit Schreiben vom 5. August 1999,
Voraussetzung für die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt ist, im Jahr 1999 eingehalten.
Artikel 1 der Entscheidung 1999/675/EG erhält folgende Fassung:
´
Die staatliche Beihilfe, die Deutschland zugunsten der Kvaerner Warnow Werft GmbH in Höhe von 41,1 Mio.
EUR (82,2 Mio. DEM) gewährt hat, ist gemäß Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag mit dem Gemeinsamen Markt
unvereinbar.´
...‘ “
Verfahren vor dem Gericht
8
Die Kvaerner Warnow Werft GmbH (im Folgenden: KWW) erhob mit Klageschriften, die am 11. Oktober 1999
und am 18. Mai 2000 bei der Kanzlei des Gerichts eingingen, Nichtigkeitsklagen gegen die Entscheidungen
1999/675 und 2000/336, die unter den Nummern T‑227/99 bzw. T‑134/00 in das Register eingetragen
wurden.
9
Nach dem während des Verfahrens vor dem Gericht erfolgten Erlass der Entscheidung 2000/416 zur
Änderung der Entscheidung 1999/675 änderte sie mit besonderem Schriftsatz vom 22. Juni 2000 ihr
Vorbringen und ihre Anträge in der Rechtssache T‑227/99.
10
Vor dem Gericht machte sie acht Nichtigkeitsgründe geltend; mit dem zweiten und dem dritten
Nichtigkeitsgrund rügte sie Sachverhaltsirrtümer und Rechtsfehler bei der Anwendung der Artikel 87 EG und
88 EG sowie der Richtlinie 90/684.
11
Im Einzelnen machte sie geltend, dass der in den Genehmigungsentscheidungen verwendete Begriff der
Kapazitätsbegrenzung keine Begrenzung der tatsächlichen Produktion, sondern lediglich die Einhaltung
einer Reihe von technischen Begrenzungen bezüglich der Produktionsanlagen vorsehe. Da davon
ausgegangen worden sei, dass dieser Begriff so auszulegen sei, dass die Produktion von KWW die in den
Genehmigungsentscheidungen festgelegte Grenze von 85 000 cgt jährlich nicht überschreiten dürfe, seien
die Entscheidung 1999/675 in der Fassung der Entscheidung 2000/416 und die Entscheidung 2000/336 (im
Folgenden: angefochtene Entscheidungen) mit Sachverhaltsirrtümern und Rechtsfehlern behaftet.
Das angefochtene Urteil
12
Vorab wies das Gericht in Randnummer 91 des angefochtenen Urteils darauf hin, dass die Richtlinie 90/684
in der Fassung der Richtlinie 92/68 keine Definition des Begriffes der Kapazität enthalte und dass die
Kommission daher bei der Auslegung dieses Begriffes ein gewisses Ermessen habe. Es stellte jedoch fest,
dass KWW, statt die von der Kommission im Rahmen ihres Ermessens vorgenommene Auslegung zu
bestreiten, der Kommission hauptsächlich vorwerfe, sie habe den Begriff der Kapazität, wie sie ihn zuvor in
den Genehmigungsentscheidungen vorgegeben habe, in den angefochtenen Entscheidungen missachtet.
13
Hierzu vertrat das Gericht in Randnummer 92 des angefochtenen Urteils die Ansicht, es müsse den
Grundsatz berücksichtigen, dass die Gemeinschaftsorgane die Unantastbarkeit der von ihnen erlassenen
Rechtsakte wahren müssten, um für die von diesen betroffenen Rechtssubjekte Rechtssicherheit zu
gewährleisten.
14
Dabei ging es in zwei Schritten vor: Zunächst prüfte es den rechtlichen Rahmen, in dem die
Genehmigungsentscheidungen stehen. Sodann prüfte es, ob die Kommission in den angefochtenen
Entscheidungen den Begriff der Kapazitätsgrenze nicht restriktiver als in den Genehmigungsentscheidungen
ausgelegt hat.
15
Zum rechtlichen Rahmen der Genehmigungsentscheidungen heißt es in den Randnummern 94 bis 96 des
angefochtenen Urteils wie folgt:
„94
Zum rechtlichen Rahmen der Genehmigungsentscheidungen ist zunächst festzustellen, dass das Ziel
des in Artikel 10a Absatz 2 Buchstabe c der Richtlinie 90/684 festgelegten Kapazitätsabbaus (‚die
deutsche Regierung ... erklärt [sich bereit], ... eine echte, irreversible Stilllegung von
Schiffbaukapazitäten von 40 % netto, bezogen auf die am 1. Juli 1990 vorhandene Schiffbaukapazität
von 545 000 cgt, zu veranlassen‘), in den sich die der Klägerin auferlegte Kapazitätsgrenze von jährlich
85 000 cgt einfügt …, darin besteht, durch einen Abbau der Überkapazitäten im Schiffbausektor eine
normale Marktsituation und die Wettbewerbsfähigkeit der Werften der ehemaligen Deutschen
Demokratischen Republik wiederherzustellen.
95
Zur Begründung der Einfügung des neuen Artikels 10a in die Richtlinie 90/684 hat der Rat nämlich in
der dritten Begründungserwägung der Richtlinie 92/68 ausgeführt, dass ‚der Schiffbau in den ...
Gebieten [der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik] aus Wettbewerbsgründen auch einen
echten Beitrag zum Abbau der Überkapazitäten leisten [muss], die immer noch weltweit einer
Rückkehr zu normalen Marktbedingungen im Schiffbau im Wege stehen‘.
96
Der Wortlaut der Richtlinie 90/684 ist ebenfalls aufschlussreich für das Ziel, die strukturellen
Überkapazitäten der Werften in der Europäischen Gemeinschaft zu beseitigen, um diese leistungs-
und wettbewerbsfähiger zu machen. Dieses Ziel lässt sich insbesondere aus Artikel 6 der Richtlinie
90/684 … sowie aus der dritten, der sechsten, der achten und der neunten Begründungserwägung
dieser Richtlinie herleiten. Die dritte Begründungserwägung lautet: ‚Seit 1989 hat sich die Lage auf
dem Weltschiffbaumarkt zwar merklich entspannt; Angebot und Nachfrage stehen aber immer noch in
keinem zufrieden stellenden Verhältnis zueinander, und der inzwischen eingetretene Anstieg der
Preise reicht, weltweit gesehen, noch immer nicht aus, um im Schiffbausektor eine normale
Marktsituation wiederherzustellen ...‘ In der sechsten Begründungserwägung heißt es:
‚[EineVereinbarung zwischen den größten Schiffbauländern der Welt] muss durch eine ausgewogene
und angemessene Beseitigung aller bestehenden Hemmnisse für normale Wettbewerbsbedingungen
einen lauteren Wettbewerb auf internationaler Ebene zwischen Werften sicherstellen ...‘ Die achte
Begründungserwägung lautet: ‚Eine wettbewerbsfähige Werftindustrie ist für die Gemeinschaft von
lebenswichtigem Interesse. ...‘ Schließlich heißt es in der neunten Begründungserwägung: ‚Gleichwohl
wäre es notwendig, eine straffe und gezielte Beihilfepolitik fortzuführen, um den gegenwärtigen Trend
zum Bau von Schiffen modernster Konstruktion zu unterstützen und dem innergemeinschaftlichen
Wettbewerb gerechte und einheitliche Rahmenbedingungen zu sichern.‘ “
16
Zur Auslegung der Genehmigungsentscheidungen heißt es in den Randnummern 97 bis 104 des
angefochtenen Urteils:
„97
Sodann ist festzustellen, dass der Abbau von Überkapazitäten durch die Einführung einer
Kapazitätsgrenze im Wesentlichen dadurch sichergestellt wird, dass technische Begrenzungen, so
genannte ‚technische Engpässe‘, festgelegt werden. Dies ergibt sich eindeutig aus den
Genehmigungsentscheidungen …
98
Zunächst hat die Kommission in ihrem Schreiben vom 3. März 1993, das die erste
Genehmigungsentscheidung enthält, ausgeführt: ‚Obgleich das von der Kommission in Auftrag
gegebene unabhängige Gutachten ergeben hat, dass die Neubaukapazität der Warnow Werft kaum
über 85 000 cgt hinausgehen wird – diese Zahl war von der deutschen Regierung als Beitrag der
Werft zu den insgesamt den ostdeutschen Werften zugebilligten 327 000 cgt genannt worden –,
erscheint für die Zukunft und die Dauer des Investitionsprogramms eine Überwachung geboten, um
sicherzustellen, dass wirklich Schiffbaukapazitäten abgebaut werden. Der Kapazitätsabbau wird
dadurch bedingt, dass die Investitionen nach den Plänen und Entwürfen getätigt werden, die der
Beraterfirma vorgelegt wurden. Kvaerner bestätigte, dass der Werftausbau mit den nachstehenden
Beschränkungen durchzuführen ist:
Die neue Stahlschneidehalle bleibt unverändert mit Ausnahme einer neuen
Nahtvorbereitungsmaschine (mechanical edge preparation machine, vom Typ Fräsmaschine).
Die Anzahl der Stationen auf der Montagestraße für große Flachbauteile (large panel line) und
die Montagestraße für Doppelböden (double bottom line) ist – entsprechend den Entwürfen im
Bericht der Beraterfirma EECI:0001A – auf 8 bzw. auf 6 festzusetzen.
Eine Verlängerung dieser Montagestraßen ist nur zulässig, wenn die entsprechende Fläche von
der Halle für 600 t Großeinheiten (Superunitshop) abgezogen wird. Ebenso gilt das umgekehrte
Verhältnis, d. h. in Verbindung mit einem Kapazitätsabbau im Bereich der Montagestraße für
große Flachbauteile/Doppelböden könnte der Bereich der Halle für Großeinheiten im gleichen
Ausmaß vergrößert werden, wie der Bereich der Montagestraße für große
Flachbauteile/Doppelböden eingeschränkt wird.
Die Zahl der Stationen auf der Montagestraße für Volumenbauteile (curved panel line,
verformte Sektionen) ist auf 6 zu begrenzen, wie in den Entwürfen des Berichts EECI:0001A der
Beraterfirma festgelegt.
Die Anzahl der Stationen auf der Montagestraße für kleine Flächenbauteile (small panel line) ist
auf 3 zu begrenzen, wie im Bericht EECI:0001A der Beraterfirma festgelegt.
Nur ein Kran mit einer Hebekapazität von 600 t darf über dem Dock errichtet werden. Die (zwei
geplanten) Kaikräne sind vom Typ jib mit einer Hebekapazität von max. 50 t.‘
99
Aus diesem Text geht hervor, dass das darin dargestellte Ziel, nämlich der wirkliche Abbau der
Kapazitäten, im Wesentlichen durch die Einhaltung einer Reihe von technischen Begrenzungen
bezüglich der Produktionsanlagen der Werft erreicht werden musste.
100
Das Schreiben der Kommission vom 17. Januar 1994, das die zweite Genehmigungsentscheidung
enthält, geht in die gleiche Richtung. Die Kommission führt darin aus: ‚Die Kapazitätsgrenze hängt von
den gemäß den dem Consultant vorgelegten Plänen und Entwürfen, insbesondere hinsichtlich der
Nichtüberschreitung des höchstmöglichen Stahldurchsatzes von 73 000 t, sowie gemäß den in dem
Bericht des Consultant enthaltenen Beschränkungen durchgeführten Investitionen ab.‘ Dass die
Kapazitätsgrenze von jährlich 85 000 cgt auf einer Gesamtheit genauer technischer Begrenzungen
beruhte, wird ferner durch die Erläuterung in diesem Schreiben, dass ‚die Kommission bei
Nichteinhaltung der Kapazitätsgrenzen die Rückzahlung der gesamten Beihilfe verlangen muss‘, und
insbesondere durch die Verwendung des Plurals (‚Kapazitätsgrenzen‘) in diesem Satz bestätigt.
101
In diesem Zusammenhang ist hinzuzufügen, dass die Kommission, wenn sie wirklich beabsichtigt hätte,
der Klägerin im Zeitpunkt der Genehmigung der Beihilfen eine jährliche Obergrenze für die
tatsächliche Produktion aufzuerlegen, diese nur als ‚Produktionsgrenze‘ zu formulieren oder
auszuführen brauchte, dass die Kapazitätsgrenze im vorliegenden Fall auf die höchstmögliche
Produktion unter optimalen Bedingungen verweise. Fehlen solche näheren Angaben, so kann der
Klägerin nicht vorgeworfen werden, die Kapazitätsgrenze von jährlich 85 000 cgt nicht eingehalten zu
haben, da zwischen den Parteien unstreitig ist, dass sie während des gesamten überprüften
Zeitraums alle technischen Begrenzungen eingehalten hat.
102
Eine Präzisierung der oben angesprochenen Art findet sich aber in den
Genehmigungsentscheidungen nicht. Insbesondere lässt sich die Auslegung der in cgt pro Jahr
ausgedrückten Kapazitätsbegrenzung als Begrenzung der tatsächlichen Produktion nicht aus den
folgenden Sätzen herleiten, die in den Schreiben vom 20. Februar, 18. Oktober bzw. 11. Dezember
1995 (dritte, vierte bzw. fünfte Genehmigungsentscheidung) enthalten sind: ‚Ferner hat der erste der
Kommission übermittelte Produktionsüberwachungsbericht ergeben, dass auch die Einhaltung der
Kapazitätsbeschränkung bei der Produktionsplanung und tatsächlichen Produktion überwacht werden
muss.‘ ‚Wie die beiden bislang der Kommission übermittelten Produktionsüberwachungsberichte
ergeben haben, ist weiterhin eine Überwachung notwendig, um sicherzustellen, dass bei der
tatsächlichen und geplanten Produktion die Kapazitätsbeschränkung respektiert wird.‘ ‚Wie die
bislang der Kommission übermittelten Produktionsüberwachungsberichte ergeben haben, ist weiterhin
eine Überwachung notwendig, um sicherzustellen, dass bei der tatsächlichen und geplanten
Produktion die Kapazitätsbeschränkung respektiert wird.‘ Diese Sätze bedeuten lediglich, dass die
Klägerin in den Phasen der Planung und der tatsächlichen Produktion die technische
Kapazitätsbeschränkung einhalten muss. Wenn etwa die Klägerin zwei Aufträge erhält, die dazu führen
würden, dass sie mehr als 85 000 cgt in einem einzigen Jahr produziert, steht es ihr frei, diese
Aufträge innerhalb dieses Jahres anzunehmen und auszuführen, wenn ihr dies unter Einhaltung aller
ihr auferlegten technischen Begrenzungen der Kapazität möglich ist (wie der oben in Randnummer 98
genannten, die u. a. die Zahl der auf der Montagestraße für Volumenbauteile zulässigen Stationen
und die Existenz nur eines Krans mit einer Hebekapazität von 600 t über dem Dock betreffen).
103
Darüber hinaus zeigen einige Sätze in denselben Schreiben eindeutig, dass mit der Einhaltung der
Kapazitätsgrenze von 85 000 cgt jährlich die Einhaltung der technischen Begrenzungen bezüglich der
Anlagen gemeint ist. So erläutert die Kommission im Schreiben vom 20. Februar 1995 (dritte
Genehmigungsentscheidung): ‚[Es] empfiehlt sich während der weiteren Verwirklichung des
Investitionsplans eine Überwachung im Hinblick auf die Einhaltung der für den Schiffbau geltenden
Kapazitätsbeschränkung. Letztere ist nur gewährleistet, wenn der dem Beratungsunternehmen
vorgelegte Investitionsplan genau eingehalten wird; dies gilt insbesondere für die höchstzulässige
Durchsatzkapazität von 73 000 Tonnen Stahl, den Doppelhüllenmontagebereich und die beiden
Flachpaneelanlagen. Die Bundesregierung hat zugesichert, dass die Werft die
Kapazitätsbeschränkung einhalten wird.‘ In ihren Schreiben vom 18. Oktober und 11. Dezember 1995
(vierte bzw. fünfte Genehmigungsentscheidung) bemerkt die Kommission wortgleich, dass der
Doppelhüllenmontagebereich und die Flachpaneelanlage für große Paneele die
Stahlverarbeitungskapazität der Werft begrenzten, was deren Produktionskapazität auf 85 000 cgt
jährlich beschränke. Die Kommission fügt in diesen beiden Schreiben hinzu, dass es für die Dauer
dieser Kapazitätsbeschränkung notwendig sei, dass die Auslegung der Werft nicht verändert werde
und dass die noch nicht installierten ‚optionalen‘ Anlagenbestandteile den Spezifikationen
entsprächen, die die Werft dem Berater zur Begutachtung vorgelegt habe.
104
Aus den Richtlinien 90/684 und 92/68 sowie den Genehmigungsentscheidungen geht daher
übereinstimmend hervor, dass – entsprechend der Verwaltungspraxis der Kommission, wie sie sich aus
einer anderen Rechtssache ergibt, auf die sich dieKlägerin berufen hat (Urteil Skibsværftsforeningen
u. a./Kommission, Randnr. 177) – die in diesen Genehmigungsentscheidungen festgelegte
Kapazitätsgrenze der Produktion entsprach, die unter normal günstigen Umständen mit den
vorhandenen Einrichtungen erzielt werden kann. Die Klägerin musste daher bei der Annahme und
Ausführung von Schiffbauaufträgen die technischen Begrenzungen bezüglich ihrer Anlagen einhalten,
die so berechnet und bestimmt worden waren, dass sie unter normal günstigen Umständen nicht
mehr als 85 000 cgt jährlich produzieren würde. Die Genehmigungsentscheidungen untersagten der
Klägerin jedoch nicht, bei Vorliegen außergewöhnlich günstiger Umstände ─ wie sie sich aus dem
Eingang rascher als gewöhnlich ausführbarer Aufträge ergeben können ─ mehr als 85 000 cgt jährlich
zu produzieren, sondern beschränkten sich darauf, ihr die Einhaltung der insbesondere in den
Genehmigungsentscheidungen genannten technischen Begrenzungen aufzuerlegen, wie etwa, dass
die Stationen auf der Montagestraße für Volumenbauteile auf sechs und die Stationen auf der
Montagestraße für kleine Flächenbauteile auf drei zu begrenzen sind.“
17
Zur Stützung dieser Argumentation und zur Ergänzung führte das Gericht in den Randnummern 105 bis 106
des angefochtenen Urteils mehrere Urteile an:
„105
Außerdem ist vom Gerichtshof und vom Gericht bereits festgestellt worden, dass die Neubaukapazität
– hier 85 000 cgt jährlich – zwar ihrem Wesen nach eine Kapazität zur Produktion darstellt, dass dieser
Begriff als solcher jedoch nicht identisch ist mit dem Begriff ‚tatsächliche Produktion‘ (Urteil Alpha
Steel/Kommission, Randnr. 22; Urteil des Gerichtshofes vom 11. Mai 1983 in den Rechtssachen 311/81
und 30/82, Klöckner-Werke/Kommission, Slg. 1983, 1549, Randnr. 23; Urteil des Gerichts vom 12. Mai
1999 in den Rechtssachen T-164/96 bis T-167/96, T-122/97 und T-130/97, Moccia Irme
u. a./Kommission, Slg. 1999, II-1477, Randnr. 138) oder mit dem Begriff ‚höchstmögliche Produktion
unter optimalen Bedingungen‘ (Urteil Skibsværftsforeningen u. a./Kommission, Randnr. 174).
106
Nach dieser Rechtsprechung ist es möglich, dass eine Kapazitätsgrenze – wie dies im vorliegenden Fall
aus dem Wortlaut der Genehmigungsentscheidungen hervorgeht – die ‚Produktion, die unter normal
günstigen Umständen mit den vorhandenen Einrichtungen erzielt werden kann‘, betrifft und nicht eine
höchstmögliche tatsächliche Produktion ausdrückt, die selbst im Fall außergewöhnlich günstiger
Umstände nicht überschritten werden kann. Insoweit ist das Argument der Kommission, dass die der
Klägerin auferlegte Kapazitätsbegrenzung, auch wenn sie die ‚Produktion, die unter normal günstigen
Umständen mit den vorhandenen Einrichtungen erzielt werden kann‘, betreffe, dennoch die
höchstmögliche tatsächliche Produktion angebe, die auf keinen Fall überschritten werden dürfe …,
nicht überzeugend. Denn wenn die Kapazitätsbegrenzung die Produktion ausdrückt, die unter normal
günstigen Umständen erzielt werden kann, setzt dies bereits voraus, dass die durch diese Begrenzung
angegebene Zahl in Zeiten optimaler Bedingungen überschritten werden kann. Entgegen dem
Vorbringen der Kommission ist diese Feststellung nicht mit dem Ziel der Richtlinie 90/684 unvereinbar.
Denn dieses Ziel, also der Abbau von Überkapazitäten, wird durch die Begrenzung der Kapazität der
Klägerin auf der Ebene ihrer Anlagen erreicht, da diese Begrenzung sicherstellt, dass unter normalen
Umständen die 85 000 cgt jährlich nicht überschritten werden.“
18
In den Randnummern 107 bis 109 des angefochtenen Urteils stützte sich das Gericht auf von KWW
vorgelegte Unterlagen:
„107
Hinzu kommt schließlich, dass mehrere, von der Klägerin vorgelegte Dokumente bestätigen, dass die
der Klägerin auferlegte Kapazitätsgrenze die Produktion betrifft, die unter normal günstigen
Umständen mit den vorhandenen Einrichtungen erzielt werden kann.
108
So wird in dem Protokoll einer Sitzung vom 1. Juni 1993 zur Privatisierung der Werften in der
ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik Folgendes erklärt: ‚The Danish, Italian and UK
delegates were expressing their worry that the actual production would exceed the assigned capacity
after the investments would be implemented. The Commission was confident that future production
would not exceed the agreed capacity limits because of the technical bottlenecks in the investment
plans, because of the present and future monitoring of the investment plans together with the
contractual capacity limits in the privatisation contracts, because of the German Government's
undertaking to respect the limits and because all aid payments are conditional on respect of the
capacity limits.‘ (‚Die dänischen, die italienischen und die Delegierten des Vereinigten Königreichs
brachten ihre Besorgnis zum Ausdruck, dass die tatsächliche Produktion die zugeteilte Kapazität
überschreiten könnte, sobald die Investitionen durchgeführt seien. Die Kommission zeigte sich
zuversichtlich, dass die künftige Produktion die vereinbarten Kapazitätsgrenzen nicht überschreiten
werde, wobei sie auf die technischen Engpässe in den Investitionsplänen, die derzeitige und
zukünftige Überwachung der Investitionspläne verbunden mit den Kapazitätsgrenzen in den
Privatisierungsverträgen sowie die Zusicherung der deutschen Regierung der Einhaltung der Grenzen
und die Knüpfung jeglicher Beihilfezahlung an die Einhaltung der Kapazitätsgrenzen verwies.‘) Diese
Diskussion zwischen der dänischen, der italienischen und der Delegation des Vereinigten Königreichs
einerseits und der Kommission andererseits hätte keinen Sinn, wenn die Kapazitätsgrenze von
85 000 cgt jährlich als eine absolute Grenze für die tatsächliche Produktion zu verstehen wäre. Denn
in diesem Fall hätte die Kommission lediglich erläutern müssen, dass die Grenze von 85 000 cgt
jährlich eine Obergrenze für die tatsächliche Produktion darstelle und dass es der Klägerin daher
schlicht untersagt sei, über diese Obergrenze hinaus zu produzieren. Die Haltung der Kommission in
dieser Sitzung weist stattdessen darauf hin, dass ihr Vertrauen in eine künftige Produktion von
jährlich 85 000 cgt oder weniger sich nur auf die Erwartung gründete, dass die technischen
Begrenzungen bezüglich der Anlagen der Klägerin diese normalerweise daran hindern müssten,
jährlich mehr als diese Tonnage zu produzieren.
109
Außerdem zeigt der Bericht der Kommission über die Überwachung der Privatisierung der Werften in
den neuen Bundesländern, der dem Schreiben vom 6. Mai 1993 an die Ständige Vertretung der
Bundesrepublik Deutschland beigefügt ist, dass die Kapazitätsbegrenzung für die Kommission durch
die Gesamtheit der auferlegten technischen Begrenzungen gebildet wurde:
(‚[D]ie in den Investitionsplänen enthaltenen erheblichen technischen Einschränkungen [gewährleisten],
dass die für jede Werft festgesetzten Kapazitätsgrenzen eingehalten werden, obgleich eine weitere
detaillierte Überwachung bei der Durchführung der Investitionen erforderlich erscheint. Die ... technischen
Engpässe und Planungsbedingungen [sichern] die ... Kapazitätsbegrenzung ...‘).“
19
In den Randnummern 110 und 111 des angefochtenen Urteils gelangte das Gericht zu folgendem Ergebnis:
„110
Nach alledem hat die Klägerin hinreichend nachgewiesen, dass die Kommission einen offensichtlichen
Ermessensfehler begangen hat, indem sie in den angefochtenen Entscheidungen im Widerspruch zu
ihrem Vorgehen in den Genehmigungsentscheidungen den Begriff der Kapazitätsbegrenzung einer
Begrenzung der tatsächlichen Produktion gleichgestellt hat. Da die Kommission die angefochtenen
Entscheidungen allein auf den Umstand gestützt hat, dass die tatsächliche Produktion der Klägerin
1997 und 1998 über 85 000 cgt hinausging (vgl. hierzu die Begründungserwägungen 60 und 108 der
Entscheidung 1999/675 und die Begründungserwägungen 47 und 84 der Entscheidung 2000/336),
sind die verfügenden Teile dieser Entscheidungen insgesamt mit dem oben festgestellten
Ermessensfehler behaftet.
111
Die bloße Tatsache, dass die tatsächliche Produktion 85 000 cgt jährlich überschritten hat, bildet die
einzige Grundlage für die angefochtenen Entscheidungen. Die Kommission hat weder geprüft, ob die
Überschreitungen in den betroffenen Jahren aus einer Nichteinhaltung der durch die
Genehmigungsentscheidungen auferlegten einschränkenden Bedingungen resultieren, noch hat sie
dies behauptet.“
20
Aufgrund dessen hat das Gericht die angefochtenen Entscheidungen aufgehoben.
Anträge der Verfahrensbeteiligten
21
Die Kommission beantragt mit ihrem Rechtsmittel, das Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit an das
Gericht zurückzuverweisen.
22
KWW beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und der Kommission die Kosten des Verfahrens
aufzuerlegen.
Zum Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung
23
Mit Schriftsatz, der am 23. Januar 2004 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat KWW
beantragt, gemäß den Artikeln 61 und 118 der Verfahrensordnung die mündliche Verhandlung wieder zu
eröffnen.
24
Zur Begründung dieses Antrags macht sie geltend, dass der Gerichtshof, wenn er den Schlussanträgen des
Generalanwalts folgen würde, gezwungen sei, von den Grundsätzen abzuweichen, die er im Urteil vom 30.
September 2003 in den Rechtssachen C‑57/00 P und C‑61/00 P (Freistaat Sachsen u. a./Kommission, Slg.
2003, I‑0000) aufgestellt habe und nach denen die Auslegung einer Entscheidung durch das Gericht eine
Frage der Tatsachenwürdigung und keine Rechtsfrage sei und daher nicht mit einem Rechtsmittel
angegriffen werden könne.
25
Hierzu ist festzustellen, dass der Gerichtshof nach Artikel 61 seiner Verfahrensordnung die Wiedereröffnung
der mündlichen Verhandlung von Amts wegen, auf Vorschlag des Generalanwalts oder auch auf Antrag der
Parteien anordnen kann, wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält oder ein zwischen den Parteien
nicht erörtertes Vorbringen als entscheidungserheblich ansieht (vgl. Beschluss vom 4. Februar 2000 in der
Rechtssache C‑17/98, Emesa Sugar, Slg. 2000, I‑665, Randnr. 18; Urteile vom 19. Februar 2002 in der
Rechtssache C‑309/99, Wouters u. a., Slg. 2002, I‑1577, Randnr. 42, vom 13. November 2003 in der
Rechtssache C‑209/01, Schilling und Fleck‑Schilling, Slg. 2003, I‑0000, Randnr. 19, und vom 30. März 2004 in
der Rechtssache C‑147/02, Alabaster, Slg. 2004, I‑0000, Randnr. 35).
26
Im vorliegenden Fall ist der Gerichtshof jedoch nach Anhörung des Generalanwalts der Ansicht, dass er über
die tatsächlichen und rechtlichen Informationen verfügt, deren er für die Entscheidung über das
Rechtsmittel bedarf, und dass diese Informationen Gegenstand der vor ihm geführten Erörterungen
gewesen sind. Daher ist der Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung zurückzuweisen.
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
27
Die Kommission rügt, dass das Gericht den rechtlichen Rahmen der Genehmigungsentscheidungen
unvollständig gewürdigt und diese fehlerhaft ausgelegt habe, so dass das angefochtene Urteil
rechtsfehlerhaft sei. So habe das Gericht unter Verletzung des Gemeinschaftsrechts die Auffassung
vertreten, dass der Begriff der Kapazitätsbegrenzung, von dem die Genehmigungen der Gewährung von
Beihilfen durch die Bundesrepublik Deutschland an KWW abhängig gewesen sei, sich allein auf die
technische Kapazität der Anlagen und nicht auf die tatsächliche Produktion der betroffenen Werft bezogen
habe.
28
Die Kommission beanstandet zunächst, dass das Gericht in den Randnummern 94 bis 96 des angefochtenen
Urteils den rechtlichen Rahmen der Genehmigungsentscheidungen nicht richtig festgelegt habe. Artikel 10a
Absatz 2 Buchstabe c der Richtlinie 90/684 regele die von der Bundesrepublik Deutschland gemachte
Zusage, bis zum 31. Dezember 1995 eine echte, irreversible Stilllegung von Schiffbaukapazitäten von 40 %,
bezogen auf die am 1. Juli 1990 vorhandene Kapazität von 545 000 cgt, zu veranlassen, in rechtlich
verbindlicher Form. Diese Bestimmung verfolge zwei Ziele. Sie diene sowohl dem Abbau von Überkapazitäten
auf dem Schiffbausektor in der Gemeinschaft als auch der Kompensation der wettbewerbsverzerrenden
Wirkungen der im Zuge der Umstrukturierung der ostdeutschen Werften gewährten Beihilfen. Zwar könne
das erste dieser Ziele durch eine Begrenzung der technischen Kapazität der Anlagen erreicht werden, doch
sei dies beim zweiten Ziel nur durch eine Begrenzung der tatsächlichen Produktion der Werften möglich.
29
Sodann rügt die Kommission, dass das Gericht in den Randnummern 97 bis 104 des angefochtenen Urteils
den Begriff der Kapazitätsbegrenzung ausschließlich unter Heranziehung des Wortlauts der ersten und der
zweiten Genehmigungsentscheidung ausgelegt habe, während die fünf Genehmigungsentscheidungen
insgesamt betrachtet darauf hindeuteten, dass dieser Begriff sowohl eine anlagentechnische
Kapazitätsbegrenzung als auch eine Begrenzung der tatsächlichen Erzeugung der betreffenden Werft
umfasse. Im Unterschied zu anderen Sektoren gebe es im Bereich des Schiffbaus kein „singuläres
anlagentechnisches bottleneck“, mit dem man über eine Kapazitätsreduzierung die Produktion regulieren
könne. Deshalb hätte in den Genehmigungsentscheidungen neben den anlagentechnischen Begrenzungen
eine Begrenzung der tatsächlichen Produktion verfügt werden müssen. Zwar sei es bei der ersten und der
zweiten Genehmigungsentscheidung, die ausschließlich die Investitionsphase betroffen hätten, noch nicht
erforderlich gewesen, auf die Produktionsbeschränkung im Einzelnen hinzuweisen, doch sei der Hinweis auf
die Begrenzung in der dritten, vierten und fünften Entscheidung, die die am 1. Januar 1996 beginnende
Produktionsphase betroffen hätten, besonders wichtig gewesen. Diese letzten drei Entscheidungen
enthielten eine Überwachungsklausel, wonach trotz der von KWW eingeführten technischen Begrenzungen
weiterhin eine Überwachung notwendig sei, „um sicherzustellen, dass bei der tatsächlichen und geplanten
Produktion die Kapazitätsbeschränkung respektiert wird“. Diese Klausel werde jedes vernünftigen Sinns
beraubt, wenn sie, wie das Gericht dies getan habe, so ausgelegt werde, dass die anlagentechnischen
Beschränkungen auch in der Produktionsphase eingehalten werden müssten.
30
Schließlich rügt die Kommission, dass das Gericht in den Randnummern 105 bis 109 des angefochtenen
Urteils die Rechtsprechung und die bei den Akten befindlichen Unterlagen unrichtig ausgelegt habe. Diese
erlaubten entgegen der Ansicht des Gerichts nicht den Schluss, dass die Kapazitätsbegrenzung nur die
technischen Anlagen der Werften betreffe.
31
Für KWW, die der Ansicht ist, dass das Rechtsmittel teilweise unzulässig sei, hat das Gericht die Ziele der
Richtlinie 90/684 nicht verkannt. Diese regele keine Produktionsbegrenzung. Artikel 10a Absatz 2 Buchstabe
c diene der Wiederherstellung einer normalen Marktsituation und der Wettbewerbsfähigkeit der ehemaligen
DDR‑Werften durch Abbau der Überkapazitäten im Schiffbau. Die Wettbewerbsverzerrungen im
Zusammenhang mit den Beihilfen würden durch diesen Abbau und durch die den Werften auferlegten
anlagentechnischen Kapazitätsbegrenzungen kompensiert.
32
Eine eingehende Untersuchung des Wortlauts, der Entstehungsgeschichte, der Systematik sowie von Sinn
und Zweck der Richtlinie 90/684 ergebe, dass der in den Genehmigungsentscheidungen verwendete Begriff
der Kapazitätsbegrenzung gerade nicht einer Produktionsbeschränkung gleichgesetzt werden könne. Im
Übrigen habe die Kommission in ihrer früheren Entscheidungspraxis, die in die Leitlinien für
Umstrukturierungsbeihilfen übernommen worden sei, eine Auslegung der Kapazitätsbegrenzung
vorgenommen, die sich nicht auf die tatsächliche Produktion bezogen habe. Das Gericht, das den logischen
Zusammenhang zwischen den fünf Genehmigungsentscheidungen eingehend geprüft habe, sei zu Recht zu
dem Ergebnis gelangt, dass die verfügte Kapazitätsbegrenzung nicht als solche Begrenzung der
tatsächlichen Produktion betrachtet werden könne. Eine solche Begrenzung hätte im Übrigen nur aufgrund
eines förmlichen Prüfungsverfahrens gemäß Artikel 88 Absatz 2 EG vorgeschrieben werden dürfen.
33
Die Produktionsüberwachung aufgrund der ersten drei Genehmigungsentscheidungen sei nur ein Mittel, um
die Einhaltung der Kapazitätsgrenze zu gewährleisten. Sie erlaube die Feststellung von Umgehungen
anlagentechnischer Begrenzungen, wie die von den Verfahrensbeteiligten vorgelegten Unterlagen
bestätigten. Daher habe das Gericht eine mit der Rechtsprechung in Einklang stehende Auslegung des
Begriffes der Kapazitätsbegrenzung vorgenommen (Urteil des Gerichts Skibsværftsforeningen
u. a./Kommission, Randnr. 174).
34
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission mit den fünf Genehmigungsentscheidungen gemäß den
Richtlinien 90/684 und 92/68 die Beihilfen genehmigt hat, die die Bundesrepublik Deutschland KWW in Höhe
von insgesamt 1 246,9 Millionen DM unter der Voraussetzung gewähren wollte, dass die Kapazitätsgrenze
von 85 000 cgt eingehalten werde. Diese Grenze entsprach dem cgt‑Anteil, der dieser Werft von der
Bundesrepublik Deutschland gemäß Artikel 10a Absatz 2 Buchstabe c der Richtlinie 90/684 zugeteilt worden
war. Nach dieser Bestimmung können Betriebsbeihilfen für das Neubau- und Umbaugeschäft der Werften,
die am 1. Juli 1990 im Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik bestanden, bis zum 31.
Dezember 1993 als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden, sofern sich die
Bundesrepublik Deutschland bereit erklärt, bis zum 31. Dezember 1995 eine echte, irreversible Stilllegung
von Schiffbaukapazitäten von 40 % netto, bezogen auf die am 1. Juli 1990 vorhandene Schiffbaukapazität von
545 000 cgt, zu veranlassen.
35
Im Übrigen steht fest, dass in den Jahren 1997 und 1998, auf die sich die angefochtenen Entscheidungen
beziehen, die verfügten anlagentechnischen Begrenzungen für die Werft nicht überschritten wurden und
dass die Kommission nur deren tatsächliche Produktion zur Begründung dieser Entscheidungen
herangezogen hatte.
36
Daher hat der Gerichtshof nur zu prüfen, ob das Gericht dadurch einen Rechtsfehler begangen hat, dass es
zu der Ansicht gelangt ist, die Genehmigungsentscheidungen, die eine Kapazitätsgrenze festlegten, könnten
nicht so ausgelegt werden, dass sie eine Voraussetzung in Bezug auf eine Begrenzung der tatsächlichen
Produktion enthalten.
37
Zum einen enthält weder die Richtlinie 90/684 noch die Richtlinie 92/68 eine Definition des Begriffes der
Kapazität oder der Kapazitätsbegrenzung. Zum anderen unterscheidet sich der Begriff der tatsächlichen
Produktion eines Unternehmens von dem der Produktionskapazität (vgl. Urteil vom 11. Mai 1983 in der
Rechtssache 244/81, Klöckner-Werke/Kommission, Slg. 1983, 1451, Randnrn. 22 und 23).
38
Der Rat hat zwar, um die Einfügung des neuen Artikels 10a in die Richtlinie 90/684 zu rechtfertigen, in der
dritten Begründungserwägung der Richtlinie 92/68 ausgeführt, dass der Schiffbau in der ehemaligen
Deutschen Demokratischen Republik aus Wettbewerbsgründen auch einen echten Beitrag zum Abbau der
Überkapazitäten leisten müsse, die immer noch weltweit einer Rückkehr zu normalen Marktbedingungen im
Schiffbau im Wege stünden. Von diesem Ziel des Abbaus von Überkapazitäten, die die Produktionsmittel,
deren sich die Werften bedienen können, und nicht ihre Produktion selbst betreffen, lässt sich nicht
herleiten, dass eine in den auf der Grundlage dieser Richtlinien getroffenen Entscheidungen festgesetzte
Kapazitätsgrenze als solche eine Produktionsbeschränkung bedeutete.
39
Im Übrigen kann, wie die Kommission geltend macht, davon ausgegangen werden, dass der
Gemeinschaftsgesetzgeber dadurch, dass er der Bundesrepublik Deutschland eine „echte, irreversible
Stilllegung von Schiffbaukapazitäten von 40 % netto, bezogen auf die am 1. Juli 1990 vorhandene
Schiffbaukapazität“, auferlegt hat, eine Gegenleistung für die erheblichen staatlichen Beihilfen, die den
Werften der neuen Bundesländer gewährt wurden, erhalten wollte, um, wie es in der neunten
Begründungserwägung der Richtlinie 90/684 heißt, dem innergemeinschaftlichen Wettbewerb gerechte und
einheitliche Rahmenbedingungen zu sichern. Denn die Beihilfen ermöglichten es diesen Werften, schnell
über leistungsfähige technische Anlagen zu verfügen, die den Weg für eine erhebliche Produktion öffneten.
Dieses Produktionsniveau war geeignet, spürbare Verzerrungen des Wettbewerbs für die anderen Werften
herbeizuführen, die dieses technische Niveau erst nach langer Zeit und nur mit ihren eigenen Mitteln
erreichen konnten. Weder Artikel 10a noch eine andere Bestimmung der Richtlinie 90/684 sieht jedoch vor,
dass die auf diese Weise geforderte Verringerung der Gesamtkapazität der in den neuen Bundesländern
tätigen Werften die Form einer Beschränkung der tatsächlichen Produktion jeder dieser Werften annehmen
muss.
40
Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat somit in dieser Richtlinie davon abgesehen, selbst die Einzelheiten zur
Bestimmung des Begriffes der Schiffbaukapazität und die Modalitäten für die Erreichung des Zieles des
Abbaus des Kapazitätsüberschusses der Werften festzulegen. Die Kommission verfügte daher über einen
bestimmten Ermessensspielraum bei der Festlegung der Bedingungen, unter denen die beabsichtigten
Beihilfen gewährt wurden, damit diese mit dem Gemeinsamen Markt im Rahmen der durch die Richtlinie
90/684 zugunsten der Werften eingeführten Ausnahmeregelung vereinbar blieben und das durch Artikel 10a
dieser Richtlinie angestrebte Ziel nicht gefährdeten.
41
Selbst wenn man aber unterstellt, dass die Kommission im Rahmen ihres Ermessensspielraums die Ansicht
vertreten konnte, zur Beachtung der in Artikel 10a Absatz 2 Buchstabe c der Richtlinie 90/684 festgesetzten
Anforderung müsse die Genehmigung von Beihilfen von der Bedingung abhängig gemacht werden, dass
nicht nur die technische Kapazität der Werft, sondern auch ihre tatsächliche Produktion 85 000 cgt pro Jahr
nicht überstiegen, hätte sie dies jedoch in ihren Genehmigungsentscheidungen klar und eindeutig angeben
müssen.
42
Zum einen steht aber fest, dass in keiner der fünf Genehmigungsentscheidungen die Rede davon ist, dass
die Kapazitätsgrenze von 85 000 cgt eine jährliche Höchstgrenze für die tatsächliche Produktion darstellte.
43
Zum anderen bestreitet die Kommission nicht, dass sie mit ihren ersten beiden
Genehmigungsentscheidungen Bedingungen nur für die gegen KWW verfügten technischen Begrenzungen
aufgestellt hatte, wie das Gericht in den Randnummern 97 bis 100 und 103 des angefochtenen Urteils und
der Generalanwalt in Nummer 51 seiner Schlussanträge ausgeführt haben.
44
Schließlich konnte das Gericht, was die dritte, die vierte und die fünfte Genehmigungsentscheidung angeht,
ohne Rechtsfehler in Randnummer 102 des angefochtenen Urteils feststellen, dass sich den in dieser
Randnummer angeführten Passagen dieser Entscheidungen nicht entnehmen lasse, dass die in cgt pro Jahr
ausgedrückte Kapazitätsbegrenzung als Begrenzung der tatsächlichen Produktion auszulegen sei.
45
Denn da die Kommission in diesen Passagen die Ansicht vertrat, die Einhaltung der Kapazitätsgrenzen sei
nicht nur zum Zeitpunkt der Aufstellung der Investitionspläne, sondern auch bei der Produktionsplanung und
der tatsächlichen Produktion zu überwachen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Kommission,
die auf diese Weise die Einzelheiten und insbesondere die Phasen der Überwachung festgelegt hat, die die
Einhaltung dieser Kapazitätsbegrenzungen erforderte, die Erteilung ihrer Genehmigungen ausdrücklich von
der Bedingung einer Produktionsbeschränkung abhängig gemacht hätte. Wie das Gericht in Randnummer
103 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, hat die Kommission in ihrer vierten und fünften
Genehmigungsentscheidung insbesondere klargestellt, dass es für die Dauer der Kapazitätsbeschränkung
unerlässlich sei, dass die Auslegung der Werft nicht verändert werde. Daraus lässt sich vernünftigerweise
herleiten, dass die Überwachung der Anlagen im Rahmen der technischen Kapazitätsbegrenzung – entgegen
dem Vorbringen der Kommission in Nummer 28 ihrer Rechtsmittelschrift – auch noch „während der
Produktion“ sinnvoll sein konnte, ohne dass eine solche Überwachung während der Produktion bedeutete,
dass die Genehmigungen der Bedingung einer Begrenzung der tatsächlichen Produktion unterlagen.
46
Daher erlauben weder der Wortlaut noch die Systematik der Genehmigungsentscheidungen den Schluss,
dass sich die Kapazitätsgrenze von 85 000 cgt auf die tatsächliche Produktion von KWW bezog.
47
Selbst unterstellt, die in den Genehmigungsentscheidungen vorgesehenen technischen Begrenzungen
hätten sich als zur Erreichung des Zieles, Verzerrungen des Wettbewerbs zwischen Werften zu vermeiden,
ungeeignet erwiesen, so erlaubt im Übrigen dieser Umstand, der nach Erlass der
Genehmigungsentscheidungen eingetreten ist und der nur die mangelnde Eignung der gewählten Mittel zur
Erreichung des verfolgten Zieles aufzeigt, als solcher nicht den Schluss, dass die in diesen Entscheidungen
enthaltene Kapazitätsbegrenzung in Wirklichkeit eine Produktionsbegrenzung darstellt.
48
Nach allem hat das Gericht ohne Rechtsfehler die Ansicht vertreten, dass der Begriff der
Kapazitätsbegrenzung in den Genehmigungsentscheidungen nicht als Begrenzung der Produktion von KWW
ausgelegt werden konnte.
49
In den Randnummern 105 bis 109 des angefochtenen Urteils hat das Gericht im Übrigen seine Auslegung
dieser Entscheidungen dadurch untermauert, dass es seine Rechtsprechung und diejenige des
Gerichtshofes angeführt und sich auf weitere in den ihm vorliegenden Akten enthaltene Unterlagen gestützt
hat. Allerdings ist die Begründung dieses Teils des Urteils nur vorsorglich neben der Begründung gegeben
worden, auf die diese Auslegung in den Randnummern 91 bis 104 gestützt wird. Daher und da das Gericht
mit dieser Auslegung keinen Rechtsfehler begangen hat, gehen die Rügen der Kommission gegenüber der in
den Randnummern 105 bis 109 des Urteils enthaltenen Begründung fehl. Nach ständiger Rechtsprechung
sind diese Rügen, die nicht zur Aufhebung des Urteils des Gerichts führen können, zurückzuweisen (vgl. u. a.
Urteile vom 18. März 1993 in der Rechtssache C‑35/92 P, Parlament/Frederiksen, Slg. 1993, I‑991, Randnr.
31, vom 22. Dezember 1993 in der Rechtssache C‑244/91 P, Pincherle/Kommission, Slg. 1993, I‑6965,
Randnr. 25, und vom 11. März 1997 in der Rechtssache C‑264/95 P, Kommission/UIC, Slg. 1997, I‑1287,
Randnr. 48).
50
Nach allem ist das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Kosten
51
Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung, der nach Artikel 118 auf das Rechtsmittelverfahren anwendbar
ist, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da KWW die Verurteilung
der Kommission beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind der Kommission die
Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1.
Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2.
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt die Kosten des Verfahrens.
Timmermans
La Pergola
von Bahr
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 29. April 2004.
Der Kanzler
Der Präsident
R. Grass
V. Skouris
Verfahrenssprache: Deutsch.